Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
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IV cichtHiere.
fritte Ordnung. Dauchfiitzer.
Unrecht hierher gestellte gewblbte SigaretuS (8.
convexus) gig. 3601. mit glattem, stark gewolbten Ge-
Hause lebt wahrscheinlich int grofen Ocean, der afri-
kanische SigaretuS (S. haliotideus) Fig. 3602.
Hingegen im westlichen Theile des atlantischen Ocean,
anch im Mittelmeere. DaS GehauS des letzteren ist
viel flacher, quer toelliggestreist, weitzlich. — Gegen-
wartig glaubt man, batz die Galtung Cryptostoma (Cry-
ptostoma), welche noch von Cuvier anerkannt ward, von
Sigaretus im Wesentlichen nicht abweiche. Die unver-
Hallnitzmatzige Grotze deS Thieres gegenuber dem Ge-
haus ergiebt sich auS der Abbildung von Leach's Si-
garetus (Cryptostoma Leachii Fig. 3603. von oben
mit und ohne Schaale bargestellt). Auch in den Schaa-
len Herrscht zwischen dieser Art und der unler Fig. 3602.
dargestellten so wenig Unterschied, datz fogat der Ver-
dacht rege wird, es durslen vielleicht beidc Arlen in cine
zusamniensallen.
LXIV. Sammetschnecke. (Velutina.)
Gattungscharakter: Gehaus napffLrmig, ge-
wolbt; Gewind kurz, deutlich; Spindel seitlich, kurz;
letzter Umgang sehr grotz; Mundung weit; Mundsaum
fast ganz, scharf. Mantelrand vorn einfach, ubrigens
boppelt; Futz dick.
Ueber die toahre Stellling dieser einst ganz verkann-
ten Schnecken, die ihren Namen der weichen Oberhaut
des Gehauses danken, schmanten die Systematiker, denn
von einigen werden sie an dem gegenwartigenOrte, von
andern in der Nahe der Sunipfschnecken untergebracht.
Die glatte Sammetschnecke (V. laevigata) Fig.
3605. konimt an dem Strande um England und auch im
Mittelmeere Haufig vor.
LXV. Coriocella. (Coriocella.)
Gattungscharakter: Gehaus hLutig, Hornar-
tig , fast ganz im Mantel verborgen.
Cuvier'S Urtheil zufolge maren diese Weichthicre
nichts AndereS alS Sigareten mit innerer, sehr unvoll-
kommener Schaale. Diese kann nur durch Zerlegung
aufgefunden merden, benn der Dunne megen scheint sie
nicht einmal durch die Hautbedeckung. Der Korper des
Thieres ist flach, elliptisch, mit breitem, vorn ausge-
schnittenen Mantelrande eingefaht, der Futz klein, der
Kopf kaum unterschieden, die zwei dicken, kurzen Fuhler
verbergen sich unter dem Stirnrande des Mantels und
tragen nach autzen gegen den Grund die Augen. In
der Kiemenhohle liegt nur eine Reihe Kiemenblattchen;
die Zlluge tragt nur drei Reihen Horniger Platten. Die
schwarze Coriocella (C. aira) Fig. 3606. lebt im
Meere um die Jnsel Mauritius, eine andere Art (C.
perspicua) im Mittelmeere.
Frinfte Familie.
Kappenschnecken.
GehauS kaum gemunden, mutzen- napf- oder schus-
selformig, ohne Ausschnitt oder Kanal; Mundung weit.
Kieinen fadenformig, fein, in einer Reihe an der Decke
der im Nacken gelegenen Kiemenhohle befestigt.
Ehedem vereinigte man diese Familie mit der vorher-
gehenden. Beide stehen sich allerdings sehr nahe. An
ihren Gehausen verschminbet daS Gewind so sehr, datz
endlich die Form zum sehr flachen Kegel wird und ein
Wirbel nicht weiter sich auffinden latzt, obwohl ihn eine
ercentrisch gelegene Spitze andeutet. Mehr alS die Ge-
hause weichen die Thiere von einander ab. Diejenigen
der Mutzenschnecken find mittels eines Hufeisenformigen
Muskels in der Schaale befestigt, haben einen die Mun-
dung der letzteren nicht uberragenden, wenn auch grotzen
Futz und rufselartig verlangerten Kopf. Beobachtun-
gen uber Lebeitsweise liegen zwar nicht vor, indeffen
muthmaatzt man mit Recht, datz die Mutzenschnecken den
grotzeren Theil des Lebens an demselben Orte festsitzend
verbringen mogen.
LXVI. Kappenschiiecke. (Capulus.)
Gattungscharakter: Gehaus schief kegelfor-
nug ; Wirbel rucktvarlS gekrummt; Mundung rund, un-
regelmatzig.
Alle Arten dieser Gattung wohnen im Meere und
sitzen an fremden Korpern, bisweilen sogar auf grotzen
Muscheln fest. Sie verlafsen ihren Platz nicht, sondern
bilben unter fich eine HohIe, durch welche Wafser Zu-
tritt findet; ob fie durch chemische Losung oder durch
Hervorbringung eines bestandigen MafserfiromeS die
Flhche deS fie tragenden KbrperS angreifen, bleibt noch
zu untersuchen. Im Mittelmeere und um England
findet fich die ungarische Kappenschnecke (P.
hungarica) Fig. 3607., deren Gehaus etma 1 Zoll Hoch,
% Zoll weit wird, mit sammetartiger Oberhaut bedeckt,
fein gefurcht. weitzlich, inwendig rosenroth ist. West-
indien und Asien befitzen andere Arten.
LXVII. Hipponyx. (Hipponyx.)
Gattungscharakter: GehauS der vorhergehen-
den Gattung. Thier am Futze eine Platte aussondernd,
durch welche es unlosbar an fremden Khrpern festsitzt.
Bis auf neuefte Zeiten kannte man nur vorweltliche
Arten von Hipponyr, die alle in den Tertiarschichten
aufgefunden worden maren, so die gar nicht seltene so-
genannte Fullhornschnecke (H. cornueopiae) Fig.
3608. a b. WaS die runde, unter der Mundung sehr
gut erhaltener Eremplare befindliche Platte (c) bedeute,
wntzte man nicht, bis Quoh und Gaimard in dem grotzen
Ocean einige lebendeArten, z. B.die spitzeHipponyr
(II. acuta) Fig. 3609. 3610., entdeckten und die sonder-
bare Thatsache autzer Zweifel setzten, datz jene vom Futze
ausgesondert wird, an Steine u. s. w. sich ebenso fest
anheftet wie eine Austerschaale und folglich dem Thiere
die Ftzhigkeit der Ortsbeivegung entzieht, welcheS nur
so weit von seinem Firpunkte sich entfernen kann, alS der
dehnbare Futz erlaubt. In dieser Einrichlung bietet sich
eine wunderbare Verschmelzung des Kopfweichthieres
mit dem angewachsenen, kopflosen MolluSk, denn in al-
len anderen Hinsichten erweisen sich die Hipponyr alS
wahre Schnecken und finden ihren Platz unter den
Kammkiemern. Fur einen wahren Deckel barf inbesfen
biefe Platte, bie auf ber Flsiche allen Unregelmatzigkei-
ten beS Korpers folgt, welcher fie tragt, nicht gehalten
toerben.
Sech ste Familie.
Kegelschnecken.
Gehaus verkehrt kegelformig; Munbung schmal,
ungez^hnt, faltenlos, am Autzenranbe scharf. Geminb
flach, kaum vortretenb. Futz schmal, vorn abgestutzt.
Kopf kurz, mit stumpfer Schnauze unb zwei pfriemen-
formigen, bie Augen unter ber Spitze tragenben Fuhlern.
Deckel schmal, Hornartig.
LXVIII. Kcgelfchnecke. (Conus.)
Gattungscharakter bemjenigen ber Familie
gleich.
So autzerorbentlich reich an Arten ist biese Gattung,
batz ihre Anflosung in mehrere anbere unb bie Feststel-
lung guter Kennzeichen fur biese sehr nolhig erscheint.
Von ben vielen Versuchen jeboch kann keiner als gelun-
gen betrachtet toerben; sie scheiterten an ber Gleichfsr-
migkeit ber Gehausbilbuiig unb ber Schwierigkeit, alle
jene zufNigen ober periobischen Abanberungen, toelche
Mohnort, Klima unb Alter hervorbringen, festzustellen.
Zahlreicher als bei anberen Gattungen treten in bieser
Spielarten auf, bie, neben einanber liegenb, eine Kette
ber unmerklichsteit Uebergange barbieten, aber einzeln
gesehen recht wohl als gut unterscheibbare Arten gelten
konnten. Schon altere Conchyliologen vermutheten,
batz bie grotze Zahl von mehr alS breihunbert sogenann-
ten SpecieS bei scharfer Sichtung sehr zusantntenschntel-
zen tourbe; Sammler, welche in sernen Meeren biese
schonen Schnecken in Menge lebenb beobachteten, besta-
tigten jene Voraussetzung. Einer ber geubtesten unter
ihnen, ber Englanber Cumming, erklarte gerabezu, batz
eS an Ort unb Stelle hausig nnmoglich sei, zu entschei-
ben, welcher ber in ben Systemen angenommenen Arten
gewifse zahlreiche Mittelformen angehoren mogen. Far-
bung zumal anbert wunberbar ab je nach Untstanben,
unb felbst auf Glatte ober kornige Ranheit ber Schaale,
auf grotzeres ober geringeres Hervortreten bes Getoitt-
bes soll unbebingtes Vertrauen nicht zu setzen sein. In
ben Sammlnngen spielieit bie burch Buntheit, Glanz,
Grotze, Schwere unb reine Gestalt sehr ausgezeichneten
Kegelschnecken von je eine Rolle, vielleicht besonbers
barnni, toeil keine in ben norbischen Meeren lebt, me-
nige unbebentenbe im Mittelmeere vorkommen, alle an-
bere ben tropischen Breiten angehoren. Einige galten
fur so felten ober fo prachtvoll, batz sie, zum Gegenstanb
einer kinbischen, aber verschmenberischen Liebhaberei er-
hoben, noch ungleich hoher im Werthe stanben alS bie
Wenbeltreppe. Genauere Bekannischaft mit bent Thiere
ber Kegelschnecken verdankt man ben Forschungen unse-
rer Zeit. Zwifchen ben dicken Wandungen des Gehau-
fes auf engen Ratint beschrankt, erscheint es immer lattg-
gezogett unb sehr zusammengebruckt, mit schmalem, vorn
abgestntzten, Hinteii abgernnbeten Futze, an beffen Hin-
terem Ende ein sehr kleiner, bie enge Munbung keines-
wegs erfullenber Deckel schief befestigt ist (Fig. 3611. a
Kegelschnecke kriechenb, b auf bem Wirbel stehenb im
Profil gesehen, o Deckel beS Hervorragenben Futzes). In
bem mit gefransten Lippen umgebenen Munbe vertreten
zmei Reihen langer, hohler, bisweilen mit Wiberhaken
versehener Zahne bie Stelle ber Zunge; ba jeber Zahn
mit einer besottberen Muskelfaser in Verbinbung steht,so
nimmt man an, bah bas gattze Gebitz aus bem Munbe
Herausgestreckt toerben kotine, um bie Nahrung attfzu-
spiehen. Vorn verlangert fich ber Mantel in eine lange
Athemrohre, bie, toahrenb bas Thier kriecht, uber bas
Gehaus rucktoartS gelegt toirb. Wegen ber Schinal-
Heit beS Korpers nimmt anch ber Darmcanal geringen
Raum ein; ber Magen erscheint nur angebeutet. Wachst
bas Thier, unb suhlt es sich in bem Spalte zwischen ben
innersten llmgången allzu sehr beengt, so vermag eS bie
letzteren so weit aufzulosen, batz sie ganz bunn werben,
eine auf vorsichtig gemachten Durchschnitten alter Kegel-
schnecken leicht erkennbare Thatsache. Sehr grotz toirb
kein Conus, unb keiner bietet lebenb bie glatte Gehaus-
flache wie in unseren Sammlungen; intnter ist biese mit
einer bitfen, bisweilen fa st leberartigen Oberhaut beklei-
bet. Die zahlreichen Arten leben felten tiefer als 17
— 20 Klaftern unter ber Oberflache, viele Hallen fich
in felfigen Untiefett, mehrere sogar in ben schlammigen
Ufern toenig temegter Buchten auf. Die als Beispiel
ber Gattung abgebilbete fogenannte General-Ke-
gelschnecke (C. generalis) Fig. 3612. lebt im inbischen
Ocean, ist gelblich braun, am Grunbe schwarz, mit
weitzen, unterbrochenen, schwarzlich gestrichelten unb ge-
fleckten Binben gezeichnet, ber Abanberitng in ber Far-
bttng jeboch sehr untertvorfen. Das GehanS ist lang-
lich kreiselformig. — Jnt fosfilen Zustanbe kommen Ke-
gelschnecken nicht allzu selten vor. Einer ber geubtesten
Erforscher vortocltlicher Weichthiere, Deshayes, zahlt
an funfzig ben Tertiarschichten eigenthumliche Arten auf.
Sie gehbren zu ben minber reinlichen unb zierlichen ber
versteinerten Schnecken, benn immer ist i hr Jnneres er-
fullt mit einent groben, bunkelgrunen Sattbe, ber auch
ber Auhenseite einzeln anhangt unb sie uneben macht.
Vielleicht attS biesent Grunbe liebt man sie nicht anf-
zubewahren, benn fie gehoren selbst in offentlichen
Santmlungen zu ben Seltenheiten. Ztoeifelhafte Ab-
brucfe stnb in ben unteren Oolithenschichten gefnnben
toorben.