Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Dritter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 150
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Reptilen und der Fische
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Jllnstnrte
Uaturgeschichte -es Thierreichs.
Dritte Classe.
Lurche oder Reptilien.
Einleitung.
Die dritte grofie Classe der Wirbelthiere, die Lurche
oder Reptilien, die man auch mit dem gewohnlichen,
jedoch nnrichtigen Namen der Amphibien bezeichnet,
begreift Thiere, welche durch Lungen athmen, eine nie-
drige Temperatur des Blutes besitzen, dem gebrauchlichen
Ausdrucke nach kaltblutig sind, Saugorgane, Haare
und Federn entbehren. Amphibien, wie sie Linne zuerst
nannte, tonnen sie unter wiffenschastlichem Gefichts-
punkte darum nicht Heifien, weil man keinen Lurch
kennt, welcher das ganze Leben hindurch beide, die Was-
serathmung und Luftathmung gestattende Arten von Or-
ganen, d.h. Kiemen und Lungen, zugleich und von gleich-
mafiiger Brauchbarkeit besitzt. Hinstchtlich ihres Baues
im Ganzen sind Lurche Wirbelthiere, weil sie als Grund-
lage des Knochengebaudes eine Wirbelsaule haben; von
Saugethieren und Vogeln unterscheiden sie fich durch die
angegebcnen Kennzeichen, von den naher verwandten
Fischen durch Befitz von Lungen. Begrundete Ein-
wendungen gegen die Definition der Classe lassen fich
nicht machen, denn Wenn man darauf hinweist, dah an
einigen froschartigen Reptilien, den sogenannten Fisch-
molchen, die Kiemen das ganze Leben hindurch bestehen,
so ist einmal die Zahl dieser, eine Ausnahme machender
Geschopfe sehr gering, und andererseits beweist ihr
Knochenbau, daH sie zu den Reptilien gehoren. Repti-
lien zeigen, soweit das Knochengerust in Betracht kommt,
mehr Verwandtschaft mit Saugethieren als mit Vogeln
und uberhaupt eine grofie Mannichfaltigkeit im Baue
des Skeletts und daher auch der auyeren Korperumrisse,
die in der Ordnung der Schildkroten ganz eigenthumlich
erscheinen, in den Schlangen den Uebergang zur Fisch-
gestalt herstellen, nirgendS aber der Form des Vogels
fich nahern. MehrentheilS ist der Korper verlangert,
feltener mit nackter, weicher Haut als mit Schuppen,
Schildern oder Knochenplatten bedeckt, zwei- bis vier-
sufiig bei Schildkroten, Cidechsen und Froschen, fuhloS
bei den wahren Schlangen, bei allen, eine Abtheilung
der Frbsche ausgenommen, in einen Schwanz verlangert,
bald cylindrisch, bald plattgedruckt. Die Grofie bietet
Ertreme, theils innerhalb derselben Ordnung, theils in
den Granzen der ganzen Classe; die kleinsten Cidechsen
messen 1% Zoll, aber Krokodile werden 20 Fufi, Rie-
senschlangen sogar 40 Fuh lang. Gedenken auch viele
Berichte sogenannter Seeschlangen von 100 — 150 Fuh
Sånge, so kann auf solche bei Besprechung der Statur
der Reptilien schon darum keine Ruckficht genommen
werden, weil man nicht weifi, ob diese Wundergeschopse
wirklich den Lurchen beizuzahlen sind, oder ob nicht
Verwechselungen mit anderen Korpern, z. B. gesellig
schwimmenden, in gerader Linie fich vorwfirtS bewe-
genden Thieren den Glauben an sie veranlafiten. Viele
Lurche glanzen in reichen Farben und tonnen dem Vor-
urtheilsfreien durch die Zierlichkeit symmetrischer Zeich-
nungen gefallen. Manche auslandische Schlangen, beson-
ders die Baumschlangen aequatorialer Lfinder, erinnern
durch Goldglanz an die schonsten der Vogel und Jn-
secten, selbst von der bei uns unscheinbaren Ordnung der
Frosche treten dort einige auf im stahlblauen, golvstrei-
figem Kleide, und unter den Cidechsen fesselt die merk-
wurdige, aber noch immer nicht erklarte Erscheinung
des Farbenwechsels die Aufmerksamkeit verstandiger
Beobachter.
Die Wirbelsaule der Lurche ist, wie erwahnt, von
sehr verschiedener Lange und besteht daher aus einer bald
groheren, bald geringeren Zahl von Wirbeln, die bei
Schlangen nie unter 100 bleibt, gewohnlich 130 —170
betragt, felten auf 300 ansteigt, bei Froschen Hingegen
8 nicht ubersteigt. Die Wirbel besttzen einen sehr ver-
schiedenen Grad von Harte und Beweglichkeit, sind bei
den meisten halbknorpelig, nur bei Schildkrbten aus-
nehmend Hart und ganz starr, wenig beweglich bei Echsen,
nach allen Richtungen beweglich bei Schlangen. Der
durchschnittlich nicht grofie, mehr lange als breite Scha-
del steht bei den meisten Lurchen mit der Wirbelsaule
durch einen einzelnen, am Hinterhaupibeine befindlichen,
vielseitigen Gelenkhugel in Verbindung, der Vermhge
seiner Gestalt die Beweglichkeit erschwert, wo nicht hin-
dert; die Frosche fast allein haben zwei Gelenkhugel, die
wie gewohnlich zu beiden Seiten des HinterhaupilocheS
liegen. Bei vielen Lurchen vermag man nicht den
Rumps und die Wirbelsaule in die gewbhnlichen Ab-
theilungen zu zerfallen. Man kann z. B. bei Schlangen
einen Hals nicht nachweisen, weil jeder Wirbel, der
vorderste ausgenommen, ein Rippenpaar tragt, auch
fehlt eine deutlich unterscheidbare Brustregion, indem
auch die Baucheingeweide mit Rippen umschloffen sind,
ein Brustbein und Zwerchfell mangeln. An Schild-
kroten tritt hingegen der Hals deutlich hervor und besteht
aus 7—9 sehr beweglichen Wirbeln, wie bei den meisten
Echsen, bei welchen aber derselbe Theil nur beschrankter
Bewegung ffihig ist. Wahrend die Schlangen die
grofite Zahl von Rippen darbieten, besitzt die Abtheilung
der ungeschwanzien Batrachier von ihnen nur undeut-
liche Spuren. Sie erlangen ungemeine Breite bei den
Brillenschlangen und einigen Cidechsen und erscheinen
unter der abweichendsten Form bei Schildkroten, wo sie,
nnter einander an den Randern durch Nathe verbunden,
das bekannte gewolbte Ruckenschild herstellen; an den
sogenannten Drachen- Cidechsen verlangern fich die un-
teren Rippen so sehr, dah sie die grofie Flatterhaut aus-
spannen und unterstutzen. Das Brustbein erlangt eine
beispiellose Grofie bei Schildkroten, bildet da die untere
Seite der knochigen Korperschaale und dient mehr zum
Schutze der Eingeweide als zum Anheftepunkte groher
Muskeln. Bisweilen besteht es aus mehreren unab-
hangig beweglichen Stucken, fehlt, wie erwahnt, den
Schlangen und findet fich bei den rippenlosen Froschen
als verhaltnihmahig ziemlich groher Knochen. Becken-
knochen sind vorhanden bei allen vierfuhigen Lurchen,
sie fehlen, wo die Hinteren Glieder mangeln, und bilden
bei Schildkrbten den Hinteren Theil des Schildes. Vie-
len Reptilien fehlen die Glieder ganz, z. B. betl meisten
Schlangen; als ihre erste Andeutung erscheint bei gewissen
Schlangen ein neben dem After Heraustretendes Krallen-
paar; bei schlangenahnlichen Echsen find bald nur vordere,
bald nur Hintere Fufie vorhanden, aber haufig sehr un-
vollkotnmen und zum Gehen unbrauchbar, schwach, sehr
kurz uud kaum in Zehen getheilt. Im vollkommenen
Zustande bestehen sie, wie gewohnlich, aus Oberarm,
Unterarm, Oberschenkel, Unterschenkel und Fuh. Ge-
meinlich find fie von ungleicher Lange, am Aufffilligsten
ungleich bei Froschen. Zahl, Gestalt und gegenseitige
Stellung der Zehen unterliegen den vielfachsten Aban-<
derungen und geben gute Kennzeichen der Gattungen;
einige Echsen haben nur zwei Zehen, andere drei; kein
Reptil besitzt mehr als funf; die grofite Zahl von Fin-
gergliedern bieten die Jguanen. Der Fuh der Land-
schildkroten besitzt eine entfernte Aehnlichkeit mit dem
des Elephanten, weil die Bedeckungen die Zehen bis
fast an die Spitze umkleiden und ihnen Beweglichkeit
rauben; schwimmende Reptilien haben mehrentheils
Schwimmhaute zwischen den Zehen, andere breite Haut-
saume. Nicht immer enden die Zehen in Nagel oder
Krallen, die Hinwieder in Lange und Form je nach der
Gattung oder Familie andern, bald sehr gekrummi lang,
spitzig, bald platt und kurz find, bei wenigen kleinen
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