Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Dritter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 150
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Reptilen und der Fische
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150
Fisch e.
Siebente Vrdnung. Nundmanler.
Sepien und sollen paarweis znsammenhalten. Von
der enropaischen Art (C. Giorna), die int Mittelmeere
und felten unt England tiorfonimt, sagt Rifso, bah fie
Eier lege, aus welchen die Jungen im September ans-
schlupfen. Die von Mitchell zuerst beschriebene ameri-
kanische Art hat sichelformige Brustflossen, sehr gropc
Stirnflofsen, sehr langen, fast peitschenformigen Schwanz
und aus demselben zwei kurze Stacheln; fie ist schwarz-
lichbraun, wird ausnehmend grost und bfirfte mit dem
sogenannten Meerteufel identisch sein, welchen viel åltere
Reisende in den marineren Breiten des atlantischen OceanS
sahen und mit unverkennbaren Uebertreibungen be-
schrieben.
Siebente Ordnung.
Rundmauler.
Am Ende der grohen Claffe der Fische stehen die
Rundmauler als die einfachsten und unvollkommensten.
An die Stelle deS Skelettes tritt bei ihnen ein mit gallert.
artiger Maffe erfullter Knorpelstreif, von den Banch-
und Brustflossen fehlt jede Spur, der Korper ist lang,
cylindrisch, wurmsormig, vollig schuppenlos und mit
Schleim fiberzogen. Aus dem Rucken erhebt sich eine
doppelte oder auch einfache Ruckenflosse. Der Kops
ist stumps kegelsormig, und das runde Maul wird durch
eine fleischige, von einem ringformigen Knorpel gestfitzte
Lippe zum Saugmunde. Zahne von verschiedener Bil-
dung stehen am Gaumen und aus der Zunge; fie erwei-
sen sich viel wirksamer, als man ihnen aus den erften
Blick zutrauen mbchte. Sieben kleine an den Seiten
des Halses gelcgene LLcher fuhren zu eben so vielen Beu-
teln (Fig. 2538.), welche die Kienten einschliehen und
durch einen Canal aus der Rachenhshle, bei einigen
durch eine Ganmenoffnnng und Stirnloch Wasser empfan-
gen. Die letztere Vorrichtnng erweist fich alSnothwen-
dig bei denjenigen Gattungen, die fich mit dem Munde
an Steine oder andere Fistre ansaugen, also auf ge-
wohnlichent Wege kein Wasser anfnehmen kdnnei^ Jn-
dessen verrndgen auch solcheRundmaulcr fich anznsangen,
welchen jener Stirncanal fehlt; fie ziehen Wasser durch
die Kiemensssnungen der einen Seite ein und treiben
eS durch die entgegengesetzten aus, haben folglich von
dem Schlunde ganz unabhangige Athmungswerkzeuge.
Alle Sinne scheinen auf niedriger Entwickelungsstufe zu
verharren, Aufenthalt und LebenSweise mahnen an
Wfirmer.
I. Neunauge. (Petromyzon.)
Gattungscharakter: Starke, Harte Zahne und
zahnartige Hocker am Rande und im Joneren der Mund-
scheibe (Fig. 2535). Kiemen mit der Rachenhohle ver-
bunden; Gaumen nicht durchbohrt. Zwei Ruckenflos-.
sen; die hintere mit der Schwanzflosse zusammenfliehend.
Sieben Kiemenlocher jederseits atn Halse.
1. Die Lamprete. (Petromyzon marinus.) Fig. 2536.
Wenn man den Mund eines Neuenauges hssnet durch
Ausdehnung der Lippen, so fleht man eine kreisrunde
mil Zahnchen besetzte knorpelige Scheibe vor fich, die
gewissermaahen bcn Zwischenkieferknochen vertritt und
in der Mitte mit einem unmittelbar in den Schlund ffih-
renden Loche durchbohrt ist. Mittels dieseS Apparates
sangen sich jene Fische nicht nur unglaublich fest an
Steine an, sondern auch an andere Fische, die fie durch
drehende oder schabende Bewegung der Kieferscheibe zer-
nagen, bis zuletzt ein tiefeS, ost bis in die Eingeweide-
hohle des OpferS reichendeS Loch entsteht. Die Flfisfig-
keiten oder die abgenagten Theile deS fremden Korpers,
welchen sie vor vollendeter Todtung nicht loSlassen, die-
nen ihnen dabei zur Nahrung. Sie wohnen theils im
Meere, theils auch in Fluffen, schwimmen ziemlich
schnell durch undulirende Bewegungen und laichen im
Fruhjahre. Die im Meere sich aufhaltenden Arten ge-
Hen zu diesem Zwecke in die Flusse, dringen oft Hoch
Hinauf und werden dann in Menge gefangen. Die ge-
meine Lamprete steigt aus der Nordsee tn die Elbe,
Weser u. s. W., wird gegen 3 Fust lang, armdick und
ist auf gelblichem Grunde braun marmorirt. — Die
eigentliche Pricke (P. fluviatilis) verlaht die Flusse
Norveuropa's niemalS und bildet einen bedeutenden Han-
delsgegenstand.
II. Qtietber. (Ammocoetes.)
GattungScharakter: Mund Halbkreisformig,
zahnlos, mit Hautfasern umgeben (Fig. 2537.); Augen
unter der Haut versteckt, Gaumen nicht durchbohrt.
Ruckenflosse mit der Schwanzflosse verfliehend.
In Europa eristirt nur eine Art von O-nerder (A.
branchialis), ein in Bachen nicht seltener, hochstenS
6 Zoll langer, einem Spnlwnrme ahnlicher Fisch, dem
bic Bilbnng bes ManleS baS Ansangen unmoglich macht,
unb ber baher von kleinen Wurmern unb Jnseetenlar-
ven sich nahrt. Sicherheit sncht unb finbet er bagegen
bnrch Vergraben im Sanbe unb Schlamme unb weist sich
so gut zu verbergen, bah er selbst an Orten, wo man
von seiner Gegenwart fiberzengt sein kann, nicht leicht
gefunben wirb. In Netzen unb Renhen, bie er bes
Nachts besncht, fångt man ihn bafur unt so haufiger,
mag ihn aber kaum essen, sonbern verwenbet ihn nur
als Kober fur grohere Fische. Der Aal soll sein schlimm-
ster Feinb sein.
III. Schleimfisch. (Myxine.)
Gattungscharakter: Mnnb rnnblich, mit acht
Barteln unb einem einzigen Zahne; Zunge feberseilS
mit zwei Reihen Zahnen; Gaumen burchbohrt; kleine
Angen. SechS Jtienienfdtfe jeberseits, unter ber Haut
in einen gemeinsamen Canal mnnbenb, bessen Oeffnnng
am Anfang ber Eingeweibehohle liegt. Ruckenflosse
ein Saum, ben Schwanz bis zttnt After einschliehenb.
I. Der blinde Schleimfisch. (Myxine glutinosa.) Fig. 2539.
Dieser kaum fingerbicke, 8 — 9 Zoll lange, einem
Wnrme tanschenb ahnliche Fisch wirb sowohl an ben
norwegischen als englischen Kusten als sehr gemein be-
trachtet unb von ben Fischern sehr gehaht, weil er sich
in kurzer Zeit in attbere Fische einbohren nnv sie so voll-
kommen aufzehren soll, bah auher Hant unb Graten
wenig fibrigbleibt. Man Hat ihn oft im Jnneren von
frisch gefangenen, anherlich unverletzten Stockfischen ge-
funben. Englische Zchthyologen finb geneigt, ben Fi-
schern beizupflichieit, welche behaupten, ber Schleimfisch
greife nur tobte ober mit offenem Manle an ber Angel
hLngenbe Fische an unb schlfipfe bnrch Muttb ober After
in ihr JnnereS. Da er blinb ist, wirb freilich bas Anf-
finben solcher Oeffnnngen nicht leicht zu erklaren sein,
man mfihte benn annehmen, bah ihm seine wahrschein-
lich sehr empfinbliche Bartel als Tastorgane bienen.
Am Bauche stehen vom Schwanz bis zum Kopfe zwei
Reihen Poren, ans welchen willkfihrlich ein sehr zaher
Schleim herausgetrieben wirb, bessen erstaunliche Menge
unb leimartige Beschaffenheit wahrscheinlich von alteren
Beobachtern sehr ubertrieben toerben ist. Die Hant ist
glatt, bie Sårbung blaulich, bie Wirbelsaule toirb bnrch
einen Haldknorpeligen Streif vertreten, bie Schwimm-
blase fehlt toie bei anberen RunbntLnlern.
kV. Lanzettfisch. (Amphioxys.)
Gattungscharakter: Mnnb eine Langsspalte
(Fig. 2540. C.), ohne Unterkiefer, Znnge unb Zfihne,
mit Barteln (D.) umgeben. Keine Augen. Korper
nach beiben Enbett zugespitzt; Ruckenflosse von ber
Schnantze bis zur Schwanzspitze, saumformig. Kie-
nten unter ber Haut verborgen, mit einem am Bauche
ausmfinbenben Canale vetbunben.
1. Der Lanzettfisch. (Amphioxys lanceolatus.) Fig. 2540,
So einfach unb unvollkontmen ist ber Bau bieseS Fi-
sches, bah PallaS, ber erste Entbecker, nicht anstanb,
ihn unter bie Weichthiere unb ztoar tteben bie Wegschnecke
(Limax) zu stellen. Uarrell toieS ihm 1831 seinen toah-
ren Platz an; scanbinavische unb beutsche Naturforscher
untersuchten ihn spater auf bas Genaneste unb entbeckten,
bah er auf niebrigster Entwickelungsstufe aller Skelett-
thiere stehe, inbent er toeber einen Schabel noch toahreS
Hirn besttze, sein Ruckgrath aus einem sehnigen Streifen,
sein Ruckenmark aus eittent kurzen Nervenfaben bestehe
und er von Sinitesorgatten nur Spnren darbiete. Nicht
leicht hat ein in nnseren Zeiten ausgefundenes Thier
gleich grohes Aufsehen erregt. Der Lanzettfisch be-
wohnt minder tiefe Orte an den schtvedischen, norwegi-
schen und englischen Kusten, scheint nicht selten zu sein
und nach Art des QuerderS zu leben, ward aber seiner
Kleinheit roegen bisher ubersehen, schroinimt schnell und
kann sich nicht ansaugen. Der Kbrper ist fast durchstch-
tig, 1Vs hochstens2Zoll lang und prismatisch 5—7 eckig.
(B. natfirliche Grohe. A. vergrohert.) Eine angeblich ver-
schiedene zroeite Art roard neuerdingS bei Algier enideckt.
Dorweltliche Fische.
Bon keiner Claffe vorroeltlicher Wirbelthiere find so
zahlreiche Reste auf nus gekomitten, alS von jener der
Fische, dettn sie roogen in den untergegangenen Scho-
pfungen vor, theils alS die geringeren unv unvollkontm-
neren der ersten Halfte deS ThierreicheS, welchen erst
spater vollkomntene Formen folgeit konnten, theils auch
als Beroohner eines datttalS vorherrschenden Elements.
Schon in der Grauwacke, einer sehr alten Formation,
kommen sie in Bruchstucken vor, werden haufiger im
Sandsteine und sind gentein im Juragebirge, der Kohle
und der Kreide. BorzugSweis reich an ihnen find die
tertiaren Schichten des Monte Bolea bei Verona; eigen-
thuntliche Formen bieten der Kupferschiefer, der schwarze
Schiefer von Glarus, gewisse Thonschichten, der Grun-
sand unb ber Meninger Mergel. Nur in ben jungeren
Schichten fittden sich Familien unb Gattungen, bie in
ber Jetztwelt vertreten sinb, wahrenb bie in ben Ælteren
Schichten eingebetteten als erloschen angesehen Werben
muffen. Entweber finb Skelette von ihnen udrig ge-
blieben, ober ber Abbruck beS Æuheren KorperS, diswei-
len in groher Vollkommenheit, anbere Male nur alS
Bruchstucke, Floffen, Schuppen unb ZÆHne. Der
hohe Stanb ber ichthyologifchen Kenntnisse unserer Zeit
Hat es scharfflnnigen Forschern mLglich gemacht, auch
geringe Reste zu beuten unb bie Fauna vorweltlicher
Fische zusammenzustellen. Beschrieben sinb bereits et-
waS uber 1400 Arten in 352 Gattungen; gegen 300 ber
erfieren haben bie Revolutionen ber Erbe fiberlebt unb
werben noch hente in ben Getoaffern angetroffen. Die
grohten Verbienste unt biesen Zweig ber Palaeontologie
erwarb sich in nnseren Zeiten Agasfiz.
Druck der Teubner'schen Offizin in Leipzig.