Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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Brückenberg in Schlesien versetzt wurde, Holtaalen*), die etwa
1884 von Guldal nach Drontheim, Fortun, die 1884 von Sogn
nach Fantoft bei Bergen und endlich Gol, die 1884 von
Hallingdal nach Bygdö bei Christiania versetzt wurde.
Einige Theile des alten Stabbaues finden sich noch im Bis-
thum Drontheim in der Kirche von Eid in Romsdal, im Bis-
thum Christiania in den Kirchen von Flesberg und Rollag in
Numedal, in der Kirche von Höijord in Jarlsberg, in der
Kirche von Hol in Hallingdal, im Bisthum Hamar in der
Kirche von Faavang und der Kirche von Vaage in Gud-
brandsdal.
Konstruktionstheile aus niedergerissenen Kirchen sind theils
in noch bestehenden Kirchen oder in den Museen erhalten, theils
durch Zeichnungen bekannt : so aus dem Bisthum Drontheim Theile
von der Kirche in Aalen in Guldal; aus dem Bisthum Bergen von
den Kirchen in Stedje, Aardal, Rinde, Vangsnes, Hafslo, alle
in Sogn; von der Kirche in Jondal in Hardanger; aus dem
Bisthum Christianssand: von der Kirche von Sauland in Thele-
mark; aus dem Bisthum Christiania: von den Kirchen von
Aal, Hemsedal, Nes, Flaa,
alle in Hallingdal; ferner von
den Kirchen von Veggli in
Numedal, Tuft in Sandsvär,
Eggedal in Sigdal; im Bis-
thum Hamar: von den Kirchen
von Hof in Solör und Garmo
in Gudbrandsdal.
Folgende Kirchen sind
so kurze Zeit erst nieder-
gelegt, dafs ihre Formen be-
kannt sind. Es sind dies im
Bisthum Drontheim die Kir-
chen von Kornstad in Nord-
möre, von Röd in Romsdal;
im Bisthum Bergen die Kirche
von Öistesö in Hardanger; im
Bisthum Christiania die Kirche
von Komnes in Sandsvär; im
Bisthum Hamar die Kirche
von Grindaaker in Hadeland.
Endlich hat der Gelehrte
Schöning im vorigen Jahr-
hundert die Kirche von Stang-
vik in Nordmöre, Bisthum
Drontheim, recht ausführlich
beschrieben. — Dies ist unser
Abbild. 1. Kirche zu Hitterdal.
ganzes Material. An mehreren der noch erhaltenen Bauwerke
ist nur wenig bemerkenswerthes. Nur die Kirchen von Hitter-
dal, Borgund, Urnes, Hopperstad, Fortun, Gol, Lom, Ringebu
und vielleicht noch Nore, Opdal, Eidsborg, Torpe und Reinli
sind wirklich bedeutend.
In der unten gegebenen allgemeinen Schilderung der Stab-
kirchen werden wir nur die meist entwickelte, typische Form
derselben ins Auge fassen und der späteren historischen und
beschreibenden Darstellung es überlassen, die einfacheren und
abweichenden Formen zu behandeln.
Der erste Anblick einer Stabkirche gewährt uns nur —
und zwar um so mehr, je vollständiger dieselbe erhalten ist —
den Eindruck einer anscheinend wirren, obschon durch ihre
Seltsamkeit Eindruck machenden Masse aus Giebeln und
Dächern; sie erscheint als eine Art Pyramide aus einer Menge
kleinerer, wie zufällig aufeinander gehäufter Pyramiden. Dieser
allgemeine Eindruck läfst sich aber leicht auf bestimmte Formen
zurückführen.
*) Im Norwegischen wird aa wie ein offenes o, v als w ausgesprochen. Die
Endungen -en oder -et sind gewöhnlich bestimmte Artikel im Masc. und Neutrum
sing., die den Wörtern angehängt werden.
Über einen niedrigen, die ganze Kirche umgebenden „Lauf-
gang“ (Abbild. 1), mit Giebeln (skruv) über den Eingängen, unten
durch eine Brüstung geschlossen, oben bis gegen die Ostseite
der Kirche offen und von Säulchen und Arkaden getragen,
legt sich ein Pultdach, von dessen oberem Rande aus sich eine
niedrige Wand erhebt. Über dieser Wand steigt wiederum
ein mit Giebeln versehenes Pultdach in die Höhe, dann noch
einmal eine Wand, diesmal bedeutend höher, mit einem mäch-
tigen, steil abfallenden Satteldach. Ein Dachreiter bildet die
Bekrönung des ganzen Gebäudes; derselbe hat gewöhnlich ein
Satteldach und in späteren Kirchen vier Giebel; in jüngerer
Zeit wird er mit einem spitzen Thurmhelm versehen.
Der hintere Theil des Gebäudes, der Chor, gewöhnlich
niedriger und schmäler als der eben geschilderte Haupttheil,
wiederholt die verschiedenen Höhenmafse desselben und hat
ursprünglich nur selten einen Thurm getragen, wogegen der
hinterste, gewöhnlich ganz verschlossene, halbrunde Chor-
abschlufs (Apsis), der in der Höhe nur zwei Abtheilungen zeigt,
einen cylindrischen Thurm trägt, von den Bauern „Perial“ ge-
nannt, wohl eine Verstümmel-
ung des Namens „Perivalium“
(Singechor, Mönchsgang) des
Mittelalters, ein Name, der
dann wohl den hinteren ver-
schlossenen Theil des Lauf-
ganges mit seinem Thurme
bezeichnen sollte. Wir haben
somit 3 Reihen Wände, 3 Reihen
Dächer und 3 Reihen Giebel
über einander, und in horizon-
taler Richtung ebenfalls die
durchgeführte Dreitheilung:
Schiff, Chor und Apsis.
Wie entsteht nun und
welche Bedeutung hat diese
seltsam zusammengesetzte An-
ordnung?’ Verbirgt sich wirk-
lich ein architektonischer Ge-
danke hinter diesen anschei-
nend so wirren Theilen eines
wunderlichen Ganzen oder ist
es nur eine kindlich-einfältige
Anordnung, ein Traum der
Kindheit des Volkes?
Eine gewisse malerische
Wirkung kann man den Bau-
werken nicht absprechen, wohl aber mufs es beim ersten An-
blick zweifelhaft erscheinen, ob sie in demselben Grade archi-
tektonische Gesetzmäfsigkeit, konstruktiven Werth und künst-
lerische Bedeutung besitzen. Diese Eigenschaften fehlen ihnen
indessen so wenig, dafs ein näheres Eindringen in die Kon-
struktion der Kirchen uns zeigen wird, dafs die originale Weise,
in der die konstruktiven Eigenschaften des Holzes ausgenutzt
sind und einen entsprechenden künstlerischen Ausdruck gefunden
haben, es eben ist, die den Stabkirchen ihren eigenthümlichen
Wert und ihre künstlerische Bedeutung verleiht. Denn die
malerische Gruppirung, die sich überall jedenfalls in ihren
Haupttheilen in einer gewissen Homogenität wiederholt, die
a priori ein verborgenes Gesetz vermuthen läfst, beruht in Wirk-
lichkeit auf einer mit bewunderungswürdiger Konsequenz durch-
geführten architektonischen Konstruktion, die sich ebenso
leicht und natürlich den klerikalen Kultusformen anschmiegt,
wie sie sich den eigenthümlichen Eigenschaften des Materials
fügt, in dem diese Kirchen ausgeführt sind.
Um die Bedeutung des seltsamen Äufseren, um die ein-
fache Einheit der phantastischen Formen zu verstehen, brauchen
wir nur durch den westlichen Haupteingang in die Kirche ein-