Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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Nachher sollten sodann die Aufsenwände, die hintere Seite des
Triforiums, das Dach und endlich der Laufgang hinzugefügt
sein. Die Möglichkeit, auf diese Art die Kirchen emporzu-
richten, kann ich indessen nicht recht begreifen, da diese Me-
thode bedeutende praktische Schwierigkeiten bietet. Dafs die
Mastbäume der Säulen ein eigenartiges Zapfenprofil zeigen,
zeugt ja nur davon, dafs diese Säulen selbst in der angegebenen
Weise emporgerichtet worden sind. Jedenfalls kann nur bei
Kirchen von sehr kleinen Abmessungen von dieser Herstellungs-
weise die Rede sein.
Die schwachen Punkte der Stabkirchenkonstruktion sprin-
gen von selbst in die Augen: es ist die Art, wie die Apsis
mit dem Chor und der Laufgang mit den Seitenschiffen ver-
bunden ist; die Feuchtigkeit der Erde hat die unteren, un-
beschützten Theile der Laufgänge angegriffen, sie sind an den
Kirchen hängen geblieben und haben zu ihrem Falle vielfach
beigetragen, darum hat man sie, wie auch die Apsiden, im
Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts abbrechen müssen.
Das Verschwinden der Apsiden, sowie der Laufgänge mufs
aber eben dazu beitragen, den indirekten Beweis der Vorzüg-
lichkeit der übrigen Stabkirchenkonstruktion zu liefern.
Von dem Gesichtspunkt der Konstruktion wird es leicht
sein, die verschiedenen Typen der Stabkirchen zu unterscheiden.
Die meisten sind Langschiffkirchen. Kreuzkirchen kommen nur
in einzelnen Theilen des Landes vor. Dreischiffige Kirchen
wechseln mit einschiffigen. Die letzteren sind gewöhnlich ganz
einfach und nur bisweilen in einer einzelnen Gegend des Landes
um einen Mastbaum in der Mitte der Kirche aufgeführt. Auch
die Kreuzkirchen waren theils dreischiffig, theils einschiffig.
Innerhalb der dreischiffigen Längenkirchen ordnen sich die
Typen am leichtesten, wenn man auf den inneren Aufbau
(Reisningen) achtet. Die Oberwand und das Triforium wurden,
wie wir sahen, durch die in gleichen Abständen stehenden
Säulen gegliedert, die alle bis ans Dach aufsteigen, dagegen
nicht alle bis auf den Fufsboden reichen. Nur in
einer einzigen Gruppe (der vielsäuligen) steigt die ganze
Reihe auf den Boden herab, und selbst in dieser Gruppe wird
öfters jedenfalls eine Säule im Westen, am Eingang und eine
im Osten, um die Choröffnung breiter zu machen, in der Höhe
des Triforiums abgeschnitten. Öfters werden hier auch auf den
Längsseiten eine oder mehrere Säulen in ähnlicher Weise ab-
geschnitten, namentlich dort, wo die Kirche in der Mitte der
Längswand einen Eingang hat. Endlich haben wir eine ganze
Gruppe von Kirchen, in welchen alle oder fast alle Säulen, die Eck-
säulen natürlich ausgenommen, abgeschnitten und durch starke,
überspannende Bögen zwischen den Ecksäulen ersetzt werden.
So erhalten wir folgende konstruktive Typen:
A. Langschiffkirchen.
I. Dreischiffige Kirchen.
a) der vielsäulige Typus mit den Säulen in gleichmäfsi-
gen Abständen (Urnes, Aardal, Fortun, Hopperstad, Kaupanger,
Hafslo, Lom, Ringebu, Faavang, Torpe, Aal). Haben die Schiffe
einen Seiteneingang, so liegt dieser gegen die Westseite hin.
b) der gruppirte, oft zwölfsäulige Typus mit je drei
und drei in den Ecken angeordneten Säulen und mit Öffnungen
in der Mitte der Längsseite (Borgund, Stedje [16 Säulen],
Tönjum [?], Vikör [?], Hitterdal). Die Seiteneingänge befinden
sich in der Mitte der Längsseiten, den Öffnungen zwischen den
Säulen entsprechend.
c) der achtsäulige Typus mit vier Säulen auf jeder
Längsseite, keine auf der kürzeren Seite (Hegge, Gol).
d) der viersäulige Typus mit nur einer Säule in jeder
Ecke und grofsen Bögen zwischen diesen (Lomen, Vang, Hurum,
Hemsedal, Grindaaker).
H -------
II. Einschiffige Kirchen.
a) ohne Mastbaum in der Mitte (Aalen, Holtaalen,
Grip, Kvernes, Röd, Eid, Rödven, Rinde, Vangsnes, Röldal,
Mo, Skafsaa, Nesland, Eidsborg, Sauland, Lilleherred, Grans-
herred, Roilag, Eggedal, Hedal, Garmo).
b) mit Mastbaum in der Mitte (Reinli — - wo der Mast-
baum jedoch nicht zum Boden hinuntergeführt ist — Nes, Flaa,
Opdal, Nore [Veggli ? Tuft? Komnes ?j).
B. Kreuzkirchen.
I. Dreischiffige (Stangvik).
II. Einschiffige (Hof in Solör).
Dazu kamen wahrscheinlich eine Reihe verschwundener
theils dreischiffiger, theils einschiffiger Kreuzkirchen auf den
Mören (den südwestlichen Theilen von Stift Drontheim).
Wie man sieht, kommen die vielsäuligen Typen hauptsäch-
lich in Sogn vor, die acht- und viersäuligen wesentlich in
Valdres, die einschiffigen mit Mastbaum in der Mitte in Nu-
medal, während die kreuzförmigen Kirchen besonders auf der
Nord- und Südmöre heimisch gewesen zu sein scheinen. Die
einschiffigen Kirchen ohne Mastbaum in der Mitte sind gleich-
mäfsig über das ganze Land vertheilt.
Aus dem Gesichtspunkt der Konstruktion zerfallen somit
die Stabkirchen, soweit es die uns bekannten betrifft, in folgende
vier Landschaftstypen:
1. den Sogntypus, vielsäulig, mit Verzweigungen nach
Gudbrandsdal, dem oberen Hallingdal und Thelemarken;
2. den Valdrestypus, vier- und achtsäulig, mit Ver-
zweigung nach dem oberen Hallingdal;
3. den Numedaltypus, einschiffig, mit Mastbaum in der
Mitte, mit Verzweigung nach dem unteren Hallingdal;
4. den Möretypus, kreuzförmig, mit Verzweigung nach
einer einzelnen Kirche in Solör.
Es mufs jedoch hier ein für allemal bemerkt werden, dafs
wir bei dem geringen auf unsere Zeit gekommenen Material
nicht wissen können, ob die Typen nicht vielleicht weit mehr
gemischt gewesen waren, als es die Reste angeben: wir handeln
nur von dem, was noch vorhanden, nicht von dem, was ver-
schwunden ist.
Es liegt in der Natur der Konstruktion, dafs die Stab-
kirchen ursprünglich recht klein gewesen sein müssen und erst
nach und nach gröfsere Abmessungen erreicht haben. Es
scheint auch, als ob die gröfsten, z. B. die Kreuzkirchen in Möre,
die jüngsten gewesen sind. Mit Hülfe theils der erhaltenen
Denkmäler, theils der alten offiziellen Berichte (im norwegischen
Reichsarchiv) ist es mir gelungen, die ungefähren Mafse von
79 Stabkirchen in Chor und Schiff, ohne Laufgang, zusammen-
zustellen. Es zeigt sich danach, dafs die Gröfsenverhältnisse
zwischen etwa 3690 Quadratfufs (Hjörundfjord, Söndmöre) und
412 Quadratfufs (Veggli, Numedal) schwanken, und dafs die
mittlere Abmessung dieser 79 Kirchen 1357 Quadratfufs be-
trägt. Dabei ist noch zu bemerken, dafs viele Kirchen gewifs
in späterer Zeit erweitert sind, sodafs man wohl annehmen
darf, dafs sich die mittlere Gröfse der dreischiffigen Kirchen um
1000 Quadratfufs (die Gröfse der Kirche zu Hopperstad) be-
wegt hat, während die einschiffigen Stabkirchen noch um
ein Drittel kleiner gewesen sind. (Für die Einzelheiten dieser
Mafse siehe meine norw. „De norske Stavkirker“ p. 32—34.)
Hier mag der Ort sein, um des einzigen schriftlichen
Dokuments aus dem Mittelalter zu gedenken, in dem die Kon-
struktionsweise der Stabkirche etwas ausführlicher besprochen
ist. Es ist dies eine Homilie der Kirchweihfeste — „in dedi-
catione templi sermo“ — in dem alten, von Prof. C. R. Unger
publicirten altnorwegischen Homilienbuche, welche die von der
Geistlichkeit in den christlichen Kirchenbau gelegte Symbolik
gleichsam lokalisirt, indem sie die Stabkirche als Ausgangs-
punkt wählt, ein Zeugnifs dafür, dafs die Holzkirche und be-