Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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sonst überall ihre spitzen Thürme erhalten hatten, hier viele
Kirchen, besonders in den Küstengegenden, als „ohne Thurm“
bezeichnet werden, ein Umstand, der gewifs mit den harten
klimatischen Verhältnissen dieses Theils des Landes in Ver-
bindung steht, indem die Kirchenaufseher dieser Gegenden aus
dem 17. und 18. Jahrhundert Thürme, die sich während der Stürme
den Kirchen gefährlich zeigten oder die vom Blitze getroffen
waren, überaus häufig erwähnen. Die furchtbaren Stürme
führten in diesen Landschaften besonders längs der Küste
auch zu häufiger Anwendung der Skorden, jener grofsen
Schrägbalken, die in die Erde befestigt, sich an der Aufsen-
seite der Kirchen an die Staflägjen anlehnten, und die
wenigstens in 11 Kirchen urkundlich oder in Wirklichkeit be-
bezeugt sind: (Lödingen, Egge, Hindrum, Löken, Frei, Kvernes,
Kornstad, Röd, Rödven, Sylte und Sövde). Ebenso ist es wohl
möglich, dafs die häufige Erwähnung der — übrigens auch
aufserhalb des Erzstiftes nicht ganz ungewöhnlichen — soge-
nannten „Kirchen in einer Länge“ d. h. mit Schiff und Chor
von derselben Breite und Höhe mit dem stürmischen Wetter
dieser Gegenden zusammenhängt. Sie kamen 6 Mal (bei
Akerö, Geiranger, Stordalen, Haram, Rövde und Sövde) vor.
In wie hohem Grade man in diesen Theilen des Landes
auf die Stürme, den Schnee und die Gewitter Rücksicht
zu nehmen gezwungen war, sieht man am besten aus den
zahlreichen durch diese Einflüsse verursachten Zerstörungen
der Kirchen So wurde die Marienkirche in Stadsbygden vom
Sturme umgeworfen, während die Kirchen in Romfo, Löken
und Hjörundfjord, die letztere sogar dreimal, von Schneelawinen
niedergeworfen wurden, sowie auch Stabkirchenbrände — ge-
wöhnlich durch den Blitz verursacht - in Örsten um 1665, in
Sökkelven 1705, Bud 1709, Akerö um 1712, Hustad 1718, Aure
1726, Frei 1766, Bremsnes 1768 oder 1769, Stangvik 1783,
Hareid 1806 und Hevne 1815 stattfanden.
Unzweifelhaft ist übrigens die als paradigmatisch be-
schriebene Konstruktionsweise der Kirchen auch im Erzstifte
gewöhnlich gewesen, obschon die sparsamen Berichte nur selten
die Bauform mit Apsis und Cylinderthurm erwähnen; doch wird
diese Bauform einige Male in den Berichten von den an Stift
Bergen grenzenden Theilen des Erzstiftes angedeutet, wie in
den Kirchen zu Örskog und Sandö, wo „2 Thürme“ erwähnt
werden, von denen der eine über einem „Anbau“ stand, der
bei der erstgenannten Kirche ausdrücklich als „halbrund“ und
„hinter dem Chore gelegen“ bezeichnet, der andere als „gegen
Osten“ gelegen angegeben wird (deutlich also Apsidenthürme).
83 Stabkirchen sind uns — wie oben erwähnt — im Erzstifte
dem Namen nach bekannt
Wie öfters bemerkt, greift der Möretypus nur in der einen
Kirche zu Hof in Solör über die Grenzen des Erzstiftes hinaus.
B. Stift Bergen (der vielsäulige Sogntypus).
Die Stabkirchen im Stifte Bergen brauchen wir nur kurz zu
erwähnen, da wir in diesem Stifte wesentlich nur die Kirchen von
Sogn kennen, und diese eben als Norm für unsere früheren allge-
meinen Schilderungen der Stabkirchen benutzt sind (Abbild. 2).
Der Typus ist vielsäulig, die Säulen in gleichmäfsigen
Zwischenräumen um das Mittelschiff herumstehend ; diese Kirchen
haben 14 bis 20 Säulen, aufserdem kommen innerhalb des
Sogntypus drei Kirchen mit gruppirten Säulen vor (Borgund
mit 12 Säulen, Stedje mit 16 und aufserhalb des Stiftes Hitter-
dal in Thelemarken mit 12 Säulen). Aufserdem vielleicht auch
Vikör und Tönjum im Stift Bergen. Unter vielsäuligen Kirchen
mit Säulen in gleichmäfsigem Abstand, die sich natürlich der
ausgeprägten Längsrichtung mehr als die 12 säuligen Kirchen
nähern, tritt Kaupanger mit der gröfsten überhaupt bekannten
Säulenzahl, 20 Säulen, Hafslo mit 18, Urnes, Hopperstad und
Aardal mit 16 und Fortun mit 14 Säulen auf. Aufser diesen
dreischiffigen Kirchen darf man auch — aus denselben Grün-
den, die bei den Kirchen im Erzstifte entwickelt sind —-
schliefsen, dafs auch die Kirchen von Aakre, Strandebarm,
Varaldsö, Fjelberg, Ölen, Öistesö, Grindeim, Bygstad und Olden
dreischiffig waren. Bestimmt einschiffig waren (beziehungsweise
sind) die Kirchen von Rinde, Vangsnes und Röldal.
Während wir im Erzstift keine dreischiffige Stabkirche
finden, die weiter zurück als ins 14. Jahrhundert geführt wer-
den kann, treten die ältesten uns bekannten Formen der drei-
schiffigen Stabkirchen deutlich im Stift Bergen auf, so Urnes
um ungefähr 1100, Borgund um 1150 u. a., und es scheint mir
die Annahme nicht unmöglich, die dreischiffige Anlage dieser
Kirche hätte sich vom Stift Bergen nach den übrigen Land-
schaften Norwegens verbreitet.
Ein besonderes Merkmal des Sogntypus ist es, dafs die
Säulen im Innern der Kirchen mit Ausnahme der Ecksäulen
alle auf den zwei gegen das Mittelschiff und Seitenschiff keh-
renden Seiten flach zugehauen sind, wodurch sie anstatt der
runden eine oblonge Form erhalten. Diese Eigenthümlichkeit
finden wir aufserhalb Sogns nur in der einzigen Kirche Lom
in Gudbrandsdal, die ganz deutlich von Sogn beeinflufst ist;
denn von der Kirche Fortun in Sogn geht der Weg durch
das Böverthal gerade auf die Kirche I.om zu.
Nach den im offiziellen Bericht von 1722 erhaltenen Mafsen
der Kirchen im Stift Bergen zu urtheilen, sind die jüngeren
Kirchen in den nördlichen Theilen des Stiftes sichtbar von der
ungewöhnlichen Längenentfaltung der Kirchen in Söndmöre
beeinflufst. So tritt die Kirche Aalhus in Söndfjord mit den
Verhältnifszahlen 78 : 24 Fufs und die noch nördlicher gelegene
Kirche Indviken in Nordfjord, fast die Verhältnisse der oben
erwähnten Kirche zu Norddalen erreichend, sogar mit 94 : 26 Fufs
auf. Je mehr wir uns Sogn nähern, desto deutlicher tritt das
normale Längenverhältnifs der Stabkirchen (2 : 1) in den Vorder-
grund und hält sich auch in den südlichen Landschaften des
Stifts. Wo die Kirchenschiffe auch an der Längsseite Thüren
haben, sind sie mit gleichmäfsig gestellten Säulen gegen
das Westende hin angelegt (Urnes, Hopperstad, Fortun, Aar-
dal), wie in den einschiffigen Kirchen (Vangsnes, Rinde),
während diese Thür in den Kirchen mit gruppirten Säulen
ihren natürlichen Platz in der Mitte der Längsseite erhielt
(Borgund, Stedje, Tönjum?, Hitterdal).- Vangsnes hat ur-
sprünglich sogar nur auf der Längsseite und nicht auf der
Westseite eine Thür gehabt, wie es von dem heidnischen Tempel
in der Eyrbyggjasaga erzählt wird.
Zwar hören wir auch im Stift Bergen von Stabkirchen, die
durch Sturm und Feuersbrunst zerstört sind, jedoch weit nicht
so oft wie im Erzstift. So rifs ein Sturm die Kirche zu Tönjum
1824 nieder, so brannte die Kirche zu Strandebarm 1659
ab u. s. w. und in der Stadt Bergen verbrannten gewifs viele
Holzkirchen in den grofsen Feuersbrünsten des Mittelalters.
Um so häufiger berichten uns im Stift Bergen die Urkunden von
der Gefahr, dafs die Stabkirchen von der losen Konstruktion
der Laufgänge bedroht wurden, von denen es im 17. und 18. Jahr-
hundert heifst, sie seien „baufällig“, „von der Kirche gesunken“,
„modernd“ u. s. w.
Sehr oft kommen im Stift Bergen Thürme auf und neben
den Stabkirchen vor, bisweilen auf dem Dachreiter, bisweilen
an die Westseite der Kirche angelehnt. Einzelne dieser letzteren
Thurmkonstruktionen, die bis in unsere Zeit hinein erhalten
waren, sind deutlich mittelalterlichen Ursprungs und müssen
darum hier kurz beschrieben werden. Sie kommen auf den
Kirchen zu Aardal und Rinde, beide in Sogn, vor.
Um gleichzeitig den Dachreiter von den in demselben auf-
gehängten Glocken zu befreien und zugleich den Platz im
Kirchenschiffe zu erweitern, entfernt man die Bohlen der West-
wand der Kirche, und legt vor dieser, wie in den gothi-
schen Steinkirchen, die wohl hier das Vorbild abgegeben haben,
den mit der Kirche zusammenhängenden Westthurm als