Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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wohl einen älteren aus Stein oder Ziegeln abgelöst hat, da es
bei den alten Holzkirchen nicht ungewöhnlich gewesen zu sein
scheint, einen Chorbau aus Stein hinzuzufügen. Dann ist das
ganze Dach mit dem offenen Dachstuhl und den Erkern neu.
Wir haben uns darum nur an die zwei Seitenwände und an
den Text der „Monumenta“ zu halten, um zu sehen, was wir
aus ihnen lernen können.
Die Wände bestehen zwar aus Eichenstämmen, nicht aber,
wie Schnaase, durch die Zeichnung der „Monumenta“ irre-
geleitet, glaubt, aus ganzen runden Stämmen, sondern aus
halben durchgeschnittenen Stämmen, indem ein Stamm zwei Wand-
bohlen abgiebt. (Abbild. 30.) Diese Bohlen sind nahe aneinander
Z??h Z^SlA A"“'-^ gerückt und durch Lehm
oder eine Art Cement, was
^ >yj^lsich noch deutlich zwischen
Abbild. 30. den Stämmen zeigt, ver-
wand der Kirche zu Greenstead, bunden. Ob sie aufserdem
hinter dieser Cementirung in einander eingespundet sind,
kann nicht gesehen werden, die kleine Broschüre des
Herrn Ray giebt aber an, dafs dies der Fall sei. (Abbild. 30.)
Die Grundrifszeichnung der „Moment, vet.“ giebt mit unbe-
greiflicher Ungenauigkeit runde anstatt halbrunde, ganze an-
statt halbe Stämme an; Schnaase hat sich der falschen Zeich-
nung angeschlossen, Lehfeldt ist Schnaase gefolgt. Denn dafs
Schnaase sich nicht nur durch ein Versehen in der genannten
Weise ausgedrückt hat, zeigt sich deutlich daraus, dafs er
diese runden Stämme den runden freistehenden Säulen im
Inneren der Kirchen vergleicht. In späterer Zeit ist die in-
nere Seite der Wände mit einem Panel versehen worden, das
wohl kaum mit dem ursprünglichen Bau in stilistischem Zu-
sammenhang stand.
^Jene Halbstämme der Wände sind nun, wie der
Æj?/ Text sagt, „auf beiden Seiten roh zugehauen“.
Schnaase hat aber auch die Zeichnung gewifs mifs-
1H verstanden, indem er das Schräghauen der Bohlen
jf■ am °beren Ende als eine „Abplattung, die an
Würfelkapitäle erinnert“, ansieht. Was ihn an
fWürfelkapitäle erinnert, ist thatsächlich eine Abschrä-
|ffunff des obersten Theiles der Stämme (Abbild. 31
M mit 29 verglichen), die eine bestimmte Absicht verräth.
I^er Text der „Mon. vet.“ sagt uns, welches
ï diese Absicht war. Er erzählt uns den be-
Imerkenswerthen Umstand, dafs die stehenden Halb-
,stämme oder Bohlen „unten in eine Schwelle und
in einen liegenden Balken nach oben eingespundet
& ivfwaren“ („being let into a fill at the bottom and a
1 1 plate at the top“), d. h. wir finden hier zum ersten
I Male die Schwelle und Stavlägje der norwegischen
Abbild. 31. Stabkirchen mit den darin eingespundeten oder
Wandbohle, eingezapften Bohlen wieder; mit anderen Worten:
Hier begegnet uns trotz Dahl und Schnaase zum ersten
Male die eigenthümliche Konstruktionsweise der
norwegischen Stabkirchen. Das Schräghauen der oberen
Enden der Bohlen war nothwendig, damit die Bohlen
leichter in die Stavlägje eingefügt werden konnten, welche,
obschon auf der Zeichnung nicht sichtbar, doch gewifs noch
an der Kirche sich befand, als der Text und die Zeichnung
der „Mon. vet.“ geschaffen wurde. Zweifelhaft ist noch, ob die
hölzernen „pins“, durch welche die Bohlen an die Stavlägje
befestigt waren, wirklich ursprünglich sind oder erst nach-
träglich, als die Kirche zu verfallen anfing, hinzugefügt wurden.
Ist ersteres der Fall, so deutet es einen sehr primitiven
Standpunkt an; das Einspunden in die Stavlägje würde diese
Nägel ganz überflüssig gemacht haben und unter etwas er-
fahreneren Händen würden sie weggefallen sein. Sie erinnern
an die Eisenklammer, womit die griechischen Baumeister in
Olympia zur Zeit des macedonischen Philipp, mit dem Gewölbe-
bau noch nicht vertraut, die nach dem Keilschnitt behauenen
Steinen des Gewölbes zwischen Altis und Stadium versehen
haben.
Noch mehr aber als der Umstand, dafs die Behandlung der
Schwellen und der Stavlägjen nicht mehr sichtbar ist, von
denen wir doch durch den Text der „Mon. vet.“ wissen, wie
sie beschaffen waren, ist zu bedauern, dafs die Eckstäbe ver-
schwunden sind; denn hier giebt die unrichtige Zeichnung der
-Mon. vet.“ uns nicht nur gar keine Anleitung, sondern ver-
wirrt vollends die Sache. Waren die Eckstäbe vielleicht
ebenso wenig wie die Bohlen rund? Waren sie vielleicht auch
durchschnittene Stämme, die sich in den Ecken rechtwinklig
begegneten? Ich mufs als meine feste Überzeugung aus-
sprechen, dafs die Eckstäbe volle Rundstämme gewesen sind.
Erstens scheint es mir gar nicht unwahrscheinlich, dafs eben
die sichtbaren runden Eckstäbe, die sowohl in als aufserhalb der
Kirche ihre volle Rundung zeigten, den Irrthum des Zeichners
in den „Mon. vet.“ veranlafst haben können, indem er an-
nahm, dafs auch die vielleicht schon damals hinter einem Panel
versteckten Hinterseiten der Bohlen von derselben runden Form
wären, die er deutlich an den Eckstäben wahrnehmen konnte.
Und zweitens machen in konstruktiver Hinsicht die durch-
schnittenen Bohlen in einem dauerhaften Bauwerk Rund-
stämme für die Ecken nothwendig; denn wo ein Einspunden
der Bohlen in Schwelle und Stavlägje stattfindet, da mufs
letztere auch in den Ecken eine Stütze zum Aufruhen haben,
imit anderen Worten, da müssen runde Eckstäbe sich finden
in deren Häupter die Stavlägjen ruhen können, und damit ist
sowohl ihre Anwesenheit in der Kirche von Greenstead, als die
Verwandtschaft dieses Bauwerks mit den norwegischen Stab-
kirchen gesichert.
Die Frage nach der Form der Eckstäbe ist uns sehr wichtig,
denn stiefsen die Ecken nur mittelst der Bohlen zusammen,
dann stehen wir hier vor einer neuen äufserst primitiven Kon-
struktion aus aufrecht stehenden Balken, einer Konstruktion
die dem Blockhausbau des Orients fast näher stehen würde,
als dem bachwerkbau des Occidents. Bilden die runden Eck-
stämme aber die vertikalen Glieder des Rahmenwerkes, dann
stehen wir vor einer eigenthümlichen, sehr kräftigen Kon-
struktionsart des Fachwerkes. Und wie letzteres ja als eine
nothwendige Folge des Einflusses der fachwerkbauenden Römer
unter denen die britischen Inseln das Christenthum empfingen,
erscheint, so scheint es mir auch klar, dafs die Konstruktion
eines festen Rahmenwerkes mit flachen oder halbrunden Bohlen
und runden Eckstäben aus allen Ausdrücken, in denen die
mittlalterliche Litteratur die irischen und angelsächsischen
Kirchen erwähnt, als letzte Folge hervorgeht. Denn nicht nur
ist anzunehmen, dafs wir hier das Vorbild der norwegischen Stab-
kirchenkonstruktion vor uns haben, sondern auch, dafs eben
diese Konstruktion das gesuchte „Opus Scoticum“ ist.
Erinnern wir uns jetzt des Ausdruckes von dem „festen
Schema“, in das die 1000 Bretter des irischen Baukünstlers
sollten gebracht werden, erinnern wir uns der Ausdrücke Bedas
von der Kirche zu Lindisfarne, von der Klosterkirche St. Monena
und von der Klosterkirche in Bankor; „More Scotorum von
flachgehauenen Bohlen, apte et firmiter zusammengefügt“, und
vergleichen wir diese Ausdrücke mit den vom alten Holzmünster
in Strafsburg gebrauchten: Es sei von eingespundeten, durch-
schnittenen Holzstämmen, deren rohe (halbrunde) Seiten sich nach
Aufsen kehrten, während die Zwischenräume mit Erde, Mörtel
und ähnlichem Füllwerk ausgefüllt waren, so scheint es mir,
dafs wir durch die Kirche in Greenstead die bestimmteste
Klarheit erhalten, wie diese Bretter zusammengehalten
wurden, wenn sich auch die Eckstäbe unseren Augen
entziehen. Wir glauben jetzt zu wissen, was unter „Opus
Scoticum“, irische Arbeit, zu verstehen ist; es ist die Art
der Fachwerkkonstruktion, die wir in ihrer am höchsten