Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
Mit 1558 Ubbildungen
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Kerf e.
Dritte Vrduung. Hautflugler.
noch mit den Vorderfutzen zu kneipen. — Die nahe ver-
toandie Gattung Heimchen (Achaeta) Hat gewohnlich
gebildete Vorderbeine; das Weibchen besitzt eine Lege-
rbhre. Das gemcine Heimchen (A. domestica) bewohnt
gern lin fere Hauser, zumal warme Orte wie Kuchen,
Winkel neben Essen und Backofen u. s. w., sugt uns
keinen erheblichen Schaden zu, kann aber durch ihr
abendliches Zwitschern, dem daS Volk hin und wieder
eine aberglaubische Deutung unterlegt, lastig werden.
Funfte Familie.
Laubheuschrecken.
Flugel meist den Leib uberragend, vertical anliegend,
nur die Oberflugel am Luhersten Grunde austiegend.
Fuhler borstenformig, so lang oder længer als der Kor-
per. Vorderfutze gewohnlich, Hinterfusie starke Spring-
fuhe; Tarsen viergliederig. Weibchen mit zweiklappi-
ger Legerohre.
Laubheuschrecken haben einen langen, fast drehrun-
den Leib, senkrecht gestellten Kops, starte Oberkiefer,
grohe zusammengesetzte Augen, aber teine einsachen Ne-
benaugen, lederartige Vorderstugel, vieladerige, ost
schon gefarbte Hinterslugel. Sie halten sich vorzugs-
weise auf Baitmen und in Waldern auf, feltener zwi-
schen dem Grase, vermogen zwar zu fliegen, machen
aber keinen grohen Gebrauch von dieser Fahigkeit, auS-
genommen wenn sie von Hhhen Herabspringen, verfeh-
len im Sprunge uicht leicht ihr wenn auch engbeschrank-
teS Ziel, kriechen, wenn ungestort, langsam von einem
Aste zu dem anderen, beihen heftig, frefsen und saufen
viel, nahreu sich nur von Pflanzenblatiern und werden
von Bogeln start verfolgt. Zwar sindet man sie uber
alle Erdgegenden zerstreuet, indefsen am Artenreichsten in
wohl bewaldeten Landern, wie in Brasilien, am Sel-
tensten in dem baumarmen Sudafrika. Asigemein be-
kannt ift bie gemcine grune Laubheuschrecke (L. vi-
ridissima) Fig. 3023., Welche teinem Lande Europa's, den
Hochsten Norden abgerechnet, fehlt und felbst in Nord-
afrika vorkommt und des fogenannten Gesanges toegen
gern in kleinen Kafigen gehalten toird. Zur Hervor-
bringung des letzteren bient ein an der Wurzel der rech-
ten Flugeldecke befindliches rundlicheS Feld, der Spie-
gel, den ein starker Nerv umgiebt; indem dieser gegen
den mit erhabenen Nerven durchzogenen aufliegenden
Theil der linken Flugeldecke schnell gerieben toird, ent-
steht der bekannte schriile Ton. Entfernt man diesen,
nur dem MLnnchen verlieheneu Apparat, so hort der
Gesang auf. DaS Weibchen besitzt eine lange, ettoas
gekrummte, aus ztoei parallelen Blattern bestehende Le-
gerohre; das Mannchen hat an derselben Stelle ein paar
kegelfbrmige Spitzen, toelche durch ztoei gespaltene Plat-
ten verborgen werden. Bon dem Gebrauche der Lege-
rbhre toar oben (S. 83. Sp. 2.) die Rede. Die Frucht-
barkeit ist eben nicht groh, denn felten sindet man mehr
als 10 — 12 Eier in einer der im Rasen angelegten Hoh-
len. Der Herbst bringt den Alten den Tod; die Eier
uberdauern in ihrem Schutzorte selbst sehr Harte Winter.
Mit AuSnahme der Flugel, die erst nach der dritten
HLutung sich enttoickeln, gleichen die Larven den Alten.
Sie erlangen ihre vollkommene Gestalt und die FLHig-
keit der Fortpflanzung nicht vor Anfang August. Die
Furchtsamkeit und Borficht dieser Heuschrecke und die
Schtoierigkeit ihrer Ueberraschung und deS Einfangens
konnen als allgemein bekannt angenommen toerden.
Eine schon durch Farbung abtoeichende zweite Art, die
braune Heuschrecke (b. verrucivora), Fig.2898.be-
toohnt das mittlere und sudliche Europa.
Sechste Familie.
Feldheuschrecken.
Flugel vertical anliegend. Fuhler fadeuformig, stets
kurzer als die Halbe Korperlange, deutlich gegliedert.
Borderfuhe gewohnlich, Hinierftthe starte Springfuhe;
Tarsen dreigliederig.
In der Gestalt der Feldheuschrecken herrscht, trotz
deS ungemein grohen UmfangeS der Familie, sehr viele
Uebereinstimmung. Der Leib ist weniger drehrund und
mehr zusammengedruckt als bei den Laubheuschrecken,
der Kops steht ganz senkrecht, daS Maul solglich genau
nach unten gerichtet; zwischen den Augen verlauft eine
erhabene Leiste, daS HalSschild ist immer gekielt, die
Stirn bisweilen nach vorn in eine kegelsormige Spitze
vorgezogen. Zwischen den grohen Netzaugen figen die
drei Nebenaugen. NiemalS erreichen die Fuhler eine
bedeutende Sånge. Der Bau der Flugel verhalt sich
wie bei der vorhergeheuden Familie; schone Farbung
derselben ist noch gewohnlicher als bei jener. DaS
Weibchen besitzt immer eine Legescheide, zugleich aber
auch einen Singapparat, der ubrigens bei beiden Ge-
.schlechtern denselben Bau zeigt. Er besteht auS einer
Hhhle (Fig. 3024 A a), die seitwLrtS am ersten Bauch-
ringe liegt und etwas unterhalb ihrer Mundung durch
eine dunne Membran (b) halb geschlofsen wird, welche
nach unten mittels eines gespannten Fadens mit einer
zweiten und tiefer liegenden Membran (B c) in Ber-
bindung steht. Nach neueren Ansichten soll dieser Ap-
parat das Hororgan sein. Dah von ihm allein daS
laute Singen nicht ausgehe, sondern dah dieses wesent-
lich durch die Reibung der Hinterschenkel an den Flitgel-
decken Hervorgebracht werde, haben mancherlei Bersuche
auher Zweisel gesetzt. Trotz der weitesten Berbreitung
kommen diese Kerse in der LebenSweise sehr uberein.
Sie vermeiden seuchte und dunkle Waldungen, inanche
bewohnen niedriges an sonnigen Orten ausgewachsenes
Gebusch, die meisten Halten sich aus grasreichen Flachen
aus, viele sind recht eigentlich Bewohner von heihen
Haidelandern. Ohne irgend zu einem gemeinsamen
Zwecke sich zu verbinden, find doch viele Arten gesellig,
wandern in grohen ost alle Berechnung verspottenden
Sugen und werden hierdurch gelegentlich zu surchibar-
sten Geiseln der Ackerbauer. Unahnlich den Laubheu-
schrecken vertrauen fie gern ihren Flugeln und legen vor
dem Winde ansehnliche Entsernungen zuriick, ohne ir-
gendwo zu rasten. Ohne bemerkliche Anstrengung ge-
Hen sie aus der ruhenven Stellung in den Flug uber unv
vermogen mit gleicher Schnelle springend zu entfliehen.
Wo aber die Luheren NmstLnde ihnen ungunstig entge-
gen treten, entwickcln fie keitte ausdauernde Krast; dem
Gegentoinde versuchen sie niemalS Widerstand zu leisten,
und wo der Luftzug ihnen nicht bcisteht, fallen sie bald
ermudet nieder. Ihre LebenSgeschichte gleicht derjeni-
gen der Laubheuschrecken. AuS den im Herbste der
Erde anvertraueten Eiern schlupfen im Fruhjahre die
Jungen auS, die sich mehrmals Hauten und als unge-
stugelte Larven durch Gefrahigkeit vielen Schaden an-
richten. Die Wanderheuschrecke (Gryllus migra-
torius) Fig. 3025, ist von grunlich braunlicher Farbung,
Hat braune, gelb gesteckte Flugel, ziegelrothe Unterseite
der Brust, einfach gekieltes, hinten stumpseckigeS HalS-
schild, sehr kurze Fuhler und ntiht 1% Zoll in der Lange.
Bereinzelt komitti fie im sudlichen und mittleren Europa
uberall vor, ihre eigentliche Heimath scheint aber ostli-
cher zu liegen, denn immer kanten von Osten jette unge-
Heueren und Alles verwustenden Schwarme, die von
Zeit zu Zeit unseren Welttheil Heimsuchten. Gluck-
licherweise bleibt die Fruchtbarkeit der Wanderheuschrecke
sich nicht immer gleich; die Perioden, in welchen sie grohie
Hvhe erreicht, liegen viel weiter auseinander als bei
Maikafern,Feldmausen und ahnlichen Berwustern. Darf
man den Chronikenschreibern tranen, so erschienen solche
Schwarme im Mittelalter toeit ofter als gegenwartig
und drangen viel weiter nach Westen vor. Der letzte
sehr grohe Einbruch sand in Ungarn 1747 statt, und von
da auS zog 1748 die Brut in dichten Wolken bis nach
Frankreich und England und erreichte sogar die Orca-
den. Im sudlichen Ruhland und inder europaischen Tur-
kei hat indessen diese Plage sich seitdem ost toiederholt.
Die Beschreibung der Dichtigkeit und Sånge solcher wan-
dernder Myriaden und bie Berichte uber bie in unglaub-
lich kurzer Zeit vollenbete Zerstorung aller grunenber
Pstanzen klingen tote Fabeln, stnb aber in ber Wirklich-
keit begrundet unb von so vielen Augenzeugen bestLtigt,
bah ein Zweisel nicht Raum finbet. Der Dunst ber
saulenben Ksrper ber an Ermattung gestorbenen ober
zerguetschten soll in mattchen Gegenben bie Lust ver-
pestet unb in Berbinbung mit einreihenbem Mangel unb
Berztoeistung epibetnische Krankheiten unter ben Men-
schett erzeugt haben. Kein Mittel zur Bernichtung ober
Beschrankung solcher rauberischen Fluge ist unversucht
geblieben, alle aber vermochten nichtS gegenuber ben
ungeheueren Mettgen. Die Beschreibungen jener Nn-
gluckssalle unb bie Abhanblungen uber bie Art unb Le-
benstveise ber toattbernben Heuschrecken bilben einen ei-
genen, nicht unbebeutenben Theil ber entomologischen
Literatur. Anbere SpecieS berselben unb einer nahe
vermaubten Gattung (Acridium) verto ttstett periobisch
bas mittlere unb subliche Asien unb Afrika. Ganz
Marocco toarb 1799 innerhalb brei Tagen jeber grunen=
ben Pstanze beraubt, unb cin gleicheS Schicksal traf 1800
einen bebeutenben Theil von Kleinasien. Auf engeren
Raum beschrankte, aber ben Betrofsenen bennoch sehr
empfinbliche Zerstorungen toieberholen sich alljahrlich in
Norbafrika, Palastitta unb Arabien. Sie toechseln ge-
legentlich mit allgemeitten, in beren Gefolge HungerS-
ttoth bas Lanb uberzieht. Beruhmt ist bie bichterische
Beschreibung toelche Joel (II. 2 — 10.) von einem bieser
grausenhaften Ereignisse macht. An ber Subspitze
Afrika's erscheint periobisch eine Felbheuschrecke (Fig.
3026.), bie ihrem specifischen Nantett (Acridium devasta-
tor) entspricht bttrch eine nichts schonenbe Gefrahigkeit,
unb bie nicht allein Halm unb Blatter, sonbern auch baS
junge Saamenkorn beS GetraibeS aufzehrt. Die Be-
fchreibungen ber toolkengleichen Schwarme, wie sie vor
vielen Jahrett Barrow unb Lichtenstein gaben, Haben
noch 1845 allfeitige Bestatigung crhalten, als ein Norb-
wittb auS bent Jnneren Millionen von Acribien auf bie
Garten ber Capstabt trieb unb zuletzt toeit auf baS
Meer verfchlug, too fie fo bicht auf fegelnbe Schiffe fie-
len, bah mehrere Matroftn nothig toaren, um kehrenb
bas Deck von ben toiberlichen Gisten zu befreien. Im
sudlichen Europa, Borberasten unb Norbafrika erscheint
bisweilen bas tartarische Acribium (A. tartaricum)
Fig.3027. in grohen Schwarmen. Es ist gelblich braun,
auf ben Flugelbecken bunkel gestrichelt. Das Mannchen
miht 1% Zoll, bas Weibchen 2% Zoll in ber LLttge.
Anbere Arten besuchen bas westliche Afrika unb bie gru-
nenben Oasen ber Sahara. Einige Boltet verzehren
biese verberblichen Kerfe. Sie toerben als teine Speise
schon von Moses (Levit. XI. 22.) erwahnt. In ber
Ebene um Bushire sammelt man fie, um fie getrvcknet
unb eingesalzen ben Lanbleuten zu verkaufen ober auch
frisch gesotten zu verspeisen. Sie sollen, auf letztere
Art bereitet, toie ettoas abgestanbene Garneelenkrebse
scbtuecken. Bon ben Arabern toerben fie getrocknet, zer-
stohen unb in runbe Kuchen geformt, bie man zur Zeit
von Getraibetheuerung verzehrt. Gleiches Berfahren
beobachten bie Neger am Senegal. Maratten unb Hot-
tentotten essen sie eingesalzen, unb bie alten Schriftsteller
belegen mit bem Namen von Heuschreckenessern ober
Akribophagen verschiebene Bblkerschaften Afrika's unb
WestasienS.
Writte Ordnung.
Hautflugler.
In ber Orbnung ber Hautflugler begegnet man ztoar
toeder bedeutend grohen Formen, noch buntem Farben-
glanz, wohl aber Darlegungen von Jnstinct, die fast wie
Berechnung aussehen, und uberhaupt vielen Beispielen
von Borsorge, von gut gevrdnetem HauShalte und von