Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
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Kerfe.
Siebente Vtdnung. Zweiflugler.
(gig. 3309. b start vergrohert, c einzelneS Stiick) er-
Hielt, die sich tvie ein Fernrohr verlangert und am auher-
sten Ende funf, daS Einbohren vermittelnde Znhne trågt.
Dem gemeinen Glauben nach soll diese ties in die Haut
eineS SaugethiereS dringen tonnen; gute Beobachter be-
Haupten indeffen, dah ste felten dazu gebraucht tverde
und zur Vetletzung der festen Haut eines Pferdes keines-
wegs Hinreichende Starte besitze, sondern nur daS An-
kleben der Eier an das Haar (Fig. 3310. b) vermittele.
ES wurde sonach der auSgekrochenen Larve uberlassen
bleiben, sich einen Weg durch die Oberhaut zu bahnen.
Fur diese Annahme sprichi allerdingS das Verfahren fol-
cher Stenten, beren Larven im Sinteren deS fremden
Thieres auSgebrutet tverben, unb bie ihre Eier naturlich
nicht borthin, sonbern anTheile legen muffen, wie Nase,
Lippen, Vorberbeine, wo fie burch Ablecken in bas Jn-
nere gelangen, ober von wo aus bie kleine Larve ihren
Weg schnell unb gerab zu finben vermag. Aus letztere
Art bringt jedensnlls bie Schaafbreme (Oe. ovis)
Fig. 3311. in ben Naseneanal bes SchaafeS, wo sie
ost in Menge gefunben wirb. Die Pserbebreme
(Gastrus equi) Fig. 3310. a Hingegen tommt ini Ei burch
Ablecken in ben Magen beS PserbeS, bessen VerbauungS-
kraft fie als Larve, gleich anberen Parasiten, Wider-
stanb leistet. Sie Hangt bort mittels eineS bie Munb-
vffnung umgebenben Hakenkranzes fest unb bringt mit
biesem so tief ein, bah fie immer eine kleine Narbe (Fig.
3310. c) ztirucklaht. Wie fie bei bent Mangel atmo-
spharischer Luft, Hochstens von nicht athembarenGasen
uutgeben, bort leben fonne, ist nicht erklarbar; fie nahrt
sich von bem Schleime unb anberen Flussigkeiten, welche
bie Magenwnnde bereiten, unb geht enblich, nach Errei-
chung volliger Reife, mit ben Ercrementen ab, um an
ber Erbe sich in eine tonnenformige Puppe zu verwan-
beln. Anbere in anberen Saugethieren wohnenbe Arten
beschranken sich allein anf ben Zwolffingerbarm, ben
Mastbarm ober uberhaupt anf begranzte Theile beS
Darmcanals. Die Ochsenbreme ober Rinbvieh-
bremse (Oeslrus bovis), eine schwarze, vorn rothgelb,
Hinten schwarz behaarte Fliege, lebt als Larve in Beulen
(Fig. 3314.) ber Haut, in beren immer etwas nas-
senber Oeffnung (Fig. 3313. d start vergrohert)
man bas Schwanzenbe ber Larve (c) bemerkt, mag
schon in ber Jugenb (a von oben, b von nitten
gesehen) viele Unbeguemlichkeit verursachen, niiht
etwa nach einem Monate gegen K Zoll, ist nach zwei
Monaten (gegen Enbe Mai's) uber 1 Zoll lang unb
anf ben Leibesringen mit jenen ruckwarts gebogenen,
schwarzen Hatchen nicht versehen, welche ber Larve
ber Hirfchbrente (Oe. vervi Fig. 3312. a b, Puppe c)
das Festhaltett innerhalb des Hautsackes moglich machen.
Alle Saugethiere scheinen die Stenten zu kennen und
sehr zu furchten, benn das Summen einiger Weniger
tanii eine ganze Heerde unruhig machen und endlich in
wilde Flucht treiben. In mehreren Gegenden Sud-
amerita's ist selbst der Mensch vor ihnen nicht ficher,
was schon zu LinneS Zeiten dunkel vermuthet, in unse,
ren Zeiten aber mit Gewihheit bekannt ward.
Sechszehnte Familie.
Museiden.
Fuhler niederliegend oder gesenkt, dreigliederig; drit-
teS Glied stumps mit Ruckenborste. Russel eingezogen,
an der Wurzel geknickl. Ruckenschild mit einer Quer-
nath. Hinierleib vier- bis sechSringelig, biSweilen
borstig.
Von dem stauneitswerthen Umfange dieser Familie
wird man am Ersten dann einen Segriff erhalten, Wettn
man hort, dah sie in eittent Hauptwetke sider die euro-
psiischen Zweisisigler in einhundett und futtfzig Gat-
tungen zersfilli toerben muhte. Da aber sehr viele von
diesen im allgemeinen Aeuheren und in der Lebensweise
sich ahneln, so muh es genugen, einige det toichtigeren,
eben nur alS Seispiele, hetvorzuheben. Wir beginnen
utit dett Fleischfliegen oder Geschmeihfliegen, welche zwei
Gattungen (Sarcophaga, Musca) angehoten, die man
im gemeinen Leben, wo sogar Arten mit einandet vet-
toechselt toerden, natsitlich nicht als verschiedene betrach-
tet. Zu den Sareophagen gehort die grauweihe schil-
letnde gemeine Fleischfliege (S. carnaria) Fig.
3315., welche aus dem Rsicken beutlich gestriemt, aus
bem Hinterleibe schwarz gewsirfelt ist. Ihre Zudting-
lichkeit unb Sitte, aus jebent bem Thierreiche entnomme-
nen NahrungSmittel ihre Eier anzubringen, bebsitfen
nicht ber Schilberung, fie gleicht inbessen biese Unan-
nehmlichkeiten baburch vollkommen aus, bah sie ihrer
Srut auch solche faule Korper zur Wohnung unb Nnh-
ruitg anweist, welche, unzerstort bleibenb, gat balb
manchen Nachtheil hervorbringen mufiten. Die Ei-
genschaft gtoher Fruchtbarkeit theilt sie mit sehr vielen
anberen MuSciben; sie warb bereits oben (S. 67. Sp. 1
Fig. 2908.) erwahnt. Nicht immer schlieht ber Leib bes
Weibchens Eier ein, benn genteinlich sinv bie Larven
auSgektochen (Fig. 3316.) unb nehnten einen so gtohen
Raunt weg, bah man kaunt begreift, tvie bie anberen Le-
benSthatigkeiten im msitterlichen Korper ungestbrt blei-
ben konnett. Fast im Augenblicke, wo sie aus einen
geniehbaten Gegenstanb ausgeleert toorben, fangen bie
Larven an zu ftessen unb tvachsen so schnell, bah fie schon
nach acht Tagen sich vetpuppen tonnen. Als wellbe-
kanni barswohl bie gemeine blaue Geschmeihfliege
(Musca vomitoria Fig. 3318. stark vergrohert, a nach
bem Auskriechen, b int gereiftcn Zustanbe) angesehett
werbett, inbent fie sich nicht allein in ganz Europa, son-
betn auch in einem Theile AsiettS unb Asrika'S finbet.
Die Larve lebt in faulent Fleische, besitzt eine ziemlich
kunstliche Munbeinrichtung unb tragt aus bem Hinteren
LeibeSenbe (Fig. 3319.) zwei btautte Flecken mit sechs
Luftlochern unb einen strahlenformig getheilten Rattb.
Sittnen acht Tagen hat fie, ohne burch Hautung gestort
worben zu sein, ihre volle Gtohe erlangt unb wirb
burch blohe Verbickung ber Haut zur tonnenfotmigen
Puppe (Fig. 3317. a in natsirlicher Gtohe, b stark vet-
grLhert), beten votberes Enbe bie in wenigen Tagen
entwickelte Fliege mit bem Kopfe zersprengt. Jtt ber
leeren Hulle bletben nur bie Hakenformigen Kiefetn ber
Larve zursick (c), welche bie Fliege nicht bebars. — Die
fast nur aus Ercrementen sitzenben, von solchett leden-
ben unb in ihnen auSgedrsiteten Dungfliegen (8cato-
phaga) mag man allerbings fur ekelhafte Geschopfe Hal-
len, boch bars ihre Nsitzlichkeit nicht verkaunt werben.
Aus Menschenkoth finbel sich in Menge eine Art (8.
stercoraria) Fig. 3320. a von rostgeld feibenglanzen-
ber Farbung, mit schwarzen Fsihlern unb schwarzem
Flsigelpunkte. Ihre sonberdar gestalteten, gleichsam
zweigehornten Eier (c) versenkt fie mit bent unteren
Enbe in jenen Stoff. Herausgezogen vertrocknen sie.
Die Larven zerstoren in kutzer Zeit ihre Geburtsstatte
unb verpuppen sich unter ber Erbe. Die sogenannte
Kasemabe, bie Larve einer glanzenb schwarzen, glatten
Fliege (Piophila casei Fig. 3321. I g in naturlicher
Gtohe, e stark vergrohert), tst mit einer pergamentar-
tig festen Haut dekleibet, mit starken Oderkiefern attS-
gersistet unb fahig, Sprsinge auszufsihren, inbent sie mit
ben Kiefetn bas Schwanzenbe faht, sich ringfotmig zu-
sammenrollt (d) unb plotzlich wieber gerab auSstreckt.
Um sich zu vetpuppen, verlaht fie ben Kafe, bleidt jeboch
in ber Nahe liegen, nachbem sie alle Seweglichkeit ver-
loren, unb wirb, innerhalb ber verharteten, verksirzten unb
mennigrothen Haut, zur Puppe, in welchet man anstatt
eigentlicher Otgane Anfangs nichts alS einen milchigen
Sast finbet. In etwa zehn Tagen ist bie Vetwand-
lung vollenbet, unb bie kaurn 2 Linien lange Fliege schlsipft
au8. — Zu berselben Gattung rechnete man ehebembie
sogenannten Minitfliegen (Tephritis), beten Larven in
reifen Frsichten ober int Zellgewebe ber Pflanzenblatter
Gange auSstefsen unb sich bort ober auch in ber Erbe
vetpuppen. Eine eigentlich nur auf baS Scharten-
kraut unb bie Gansebistel (Sonchus oleraceus) ange-
wiesene (T. serratulae) Fig. 3322. a degnsigt sich nicht
allein mit ben Slattern bieser auf unseten Wiesen ge-
nteinen Pflanzen (b Slatt von Sonchus), sonbern greift
auch erotische Gewachse an, z. S. daS rothbluhende
amerikanische Kreuzkraut, (c Slatt von Senecio ele-
gans) unb bie rothe Aschenpflanze (d Cineraria cru-
enta). — Durch sehr taschen Flug zeichnen sich die Ta-
chinen (Tachina) aus, kleine Fliegen, beten Munb ntit
einer Art von Knebeldart umgeden, ber eirunbe, viet-
glieberige Hinterleib mit Sorsten besetzt ist. Als Lar-
ven leben sie in ben Raupen von Schmetterlingen, bie
ste spater verlaffen, tint sich auherhalb zu vetpuppen;
alS Fliegen weilen sie auf Slunten unb in Gebuschen.
Die larvenibbiende Tachina (T. larvarum) Fig.
3323. legt nicht felten ihre Eier zu jenen ber MauetweS-
pen. — Unrichtig warb einst bie Roggen-Halm-
fliege (Chlorops pumilionis) Fig. 3324. fut ibentifch
erklart mit ber oden erwahnten fogenannten Heffen-
fliege. Sie gehort nicht nut zu einer ganz anberen
Familie, sonbern es greift auch ihre gelbe Larve nichtso-
wohl bie Saanten bes Getraibes, als bie Halnte an, beten
Mark sie kutz obethalb ber Wurzel auSsriht unb zum
Verwelken bringt. — Schliehlich verbient ttoch bie nur
in Afrika, aus ben ostafrikanischen Jnseln, unb in Sub-
inbien Heimische Gattung Diopsis eine kutze Ettvah-
nung, tvegen ber nuf langen Stielen stehenben Augen,
lieder bie LebenSart ber nicht zahlteicheit Arten fehlt eS
an Nachrichten. SykeS' Diopsis (D. Sykesii)
Fig. 3325. erhielt ben Nattten ihres EntbeckerS, ledt in
Jnbien unb miht gegen 5 Linien.
Siebzehnte Familie.
Hippobosciden, oder Lausfliegen.
Srust lebetartig. Fuhler klein, vor ben Augen in
einer Grube eingesetzt, borstig. Rufsel votgesttecki,
gerab. Seine bick, mit verlangertem Klauengliebe unb
gezahnten Krallen. Puppen gebårenb, nie Eier legenb.
Alle bieser letzten Familie angehorenbe Arten leden
parasitisch nuf Saugethieren unb Vogeln, fliegen schlecht
unb ungern, kehren, wenit verscheucht, wo moglich fo-
gleich nus ihren gewohnten Ort zuttick, enidehren zum
Theil sognt bie Fltigel unb stub von wiberlichem Anse-
hen, theils sognt Spinnen nicht unfihnlich. Sie ktie-
chen wie Lause nuf ben Thieten Hetunt unb fnugen iht
Slut mittels eines RusselS, ber in feinent Snue von
bentjenigen nnbetet Zweiflugler nbweicht. Die bei uns
einheimischen pflanzen sich int Herbste fort; alle machen
eine merkwurbige AuSnahnte baburch, bah bie Larven
innerhalb beS Mutterkorpers auskriechen, sich ebenba
verpuppen, unb bnh biePuppen mehret Arten in geteif-
tem Zustanbe geboten tverben unb bas nuSgebilbete
Jnsect kutze Zeit nach feiiier Gedurt an baS Licht tritt.
Sei anberen liegt bie Puppe einige Wochen lang ruhig
ba, ober sie uberrointerr. Aus Pferben unb Rinbern
lebt bie Pserbe-Lausfliege (Hippobosca equina)
Fig. 3326. a, nuf vielen Vbgeln bie gemeine Vogel-
LauSfliege (Ornithomyia avicularia) Fig. 3326. b,
bie sich nlS Gnitungen burch Snu ber Fuhler unb bie
Sefchnsfenheit ber Fuhglieber unb Krallen von einnnber
untetfcheiben. Ein fehr bekanniet Parasit, bie Schnnf-
laus (Melophagus oviniis), gehort ebenfalls in biese Fa-
milie, nlS beten unvollkommensteS Glieb man bie ganz
ungeflugelten Nheteribien (Nycteribia) ansehen bnrf, bie
nicht nuf ben Fuhen, fonbern nuf bem Sauche lnngfam
kriechen unb sich dabei mit den angehnkten Fuhgliedern
weiter ziehen. Die unter Fig. 3327. abgebildete Art
(N. Hermanni) lebt auf Fledermnufen.