Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
Mit 1558 Ubbildungen
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Weichthiere.
Drille Ortnung. Danchfnher.
3eit, dah eine grohe Zahl solcher Schnecken in Paris
wieder auflebie, welche Cairtaud im Nil gesammelt Hatte
und die, in Kleie funf Monate verpackl geblieben, mit
vielen todten und in anherste Faulnitz ubergegangenen
Jndividuen ihrer Art umgeben gewesen waren. Nebri-
genS nahren sich diese grohen Schnecken wohl nur von
Pstanzen. — Die zweifelhafte Kugelschnecke
(A. dubia) Fig. 3551. 3552. verdankt ihren Namen ihrer
Aehnlichkeit mit mehreren anderen ebenfalls in Sudame-
rika wohnenden Arten. Das mit grunlicher Oberhaut
bedeckte olivenfarbene Gehaus hat dunkel purpurrothe,
breite Langsbinden, kurze, rothliche Spitze, schmutzig
dunkelgelben Schlund, Hochgelbe Mundung, obenher
graubraunen, inwendig kastanienbraunen Deckel. — Die
weitmundige Kugelschnecke (A. globosa) Fig.
3553. fort die Flusse Indiens bewohnen. DaS sehr ku-
gelige, gelblichgrunc Gehaus zeigt undeutliche, branne
LangSstreisen und hat eine sehr weite Mundung mit ge-
surchtem Rande.
XLVI. Widderhornschnecke. (Ceratodes.)
GattungScharakter: Gehaus scheibenformig ;
Mundsaum unterbrochen. Thier wie bei den Kugel-
schnecken.
Im Aeuheren hat die gewohnliche Widder-
hornschnecke (C. fasciatus) Fig. 3551. soviel Aehnlich-
keit mit einer Terterschnecke (Fig. 3505.), dah die alteren
Conchhliologen Entschuldigung verdienen, wenn fie
beide Gattungen sur identisch hielten. Sie Wuhlen
nicht, dah die Widderhornschnecken cineti Deckel haben,
der bei keinem achten Planorbis gefunden wird, und
kannten das Thier nichr. DieseS (von unten dargestertt
Fig. 3555. B.) Hat denselben grohen, vorn abgestntzten,
hinten mit einem Deckel versehenen Fuh (b) wie dieKu-
gelschnecken, ganz gleichgebildete Fuhler und kurzgestielte
Augen an der Wurzel derselben (Fig. 3555. A Kops von
oben gesehen), Athemossnung (c) und Geschlechtsossnung
(d) an denselben Orten und lebt ebenfarts nur in Flus-
sen , namentlich Sudamerika's, nicht im MeereJndienS,
wie man ehedem glaubte. Das ziemlich starke und seste
scheibenformige Gehaus zeigt drehrunde, glatte Umgånge,
deren letzter und grohter aus weihlichem Grunde mit
funf kastanienbraunen Streifen geziert ist. Der Mund-
saum erscheint unterbrochen. Sowohl aus dem Fest-
lande als den Jnseln des tropischen Amerika komnit diest
Schnecke weit verbreitet vor und macht daher auch viele
Spielarten, aus welche die Sammler der Vorzeit mehr
Gewicht legten als die der Gegenwart.
Sechste Unterordnung.
Kammkiemer.
Athmung nur durch kanmiforniige, in einer Hohle
deS Nackens liegende Kiemen; Kiemenblallchen derWan-
dung dieser Hdhle angewachsen. Zwei Fuhler. Au-
gen am Grunde, in der Mitte oder an der Spitze den
Fuhlern angewachsen. Schnautze entweder nur vorra-
gend oder auch zum wirklichen, zuruckziehbaren Russel
umgestaltet. Slinge verschieven, meist mit Zahnen be-
setzt oder an ihrer Stelle Reihen von langen Zahnen.
Geschlecht getrennt; GeschlechtS- und Afterofsnung
rechts. Gehaus mannichfaltig, indessen innerhalb der-
selben Familie meist nach einem bestimmten Verhalt-
niffe gebildet, an der Mundung mil oder ohne Canal,
je nachdem eine Athemrohre vorhanden ist oder nicht.
Von arten Unterordnungen der grohen Abtheilung
der Bauchfuher uuifaht diese nicht artein die grohte Zahl
der Schnecken im weiteren Sinne, sondern auch die durch
Grohe und Schonheit des GehLuses vor arten anderen
ausgezeichneten Gattungen. Ganz oberflachlich betrach-
tet haben die Kammkiemer manche Aehnlichkeit mit einer
an8 der Schaale Hervorgezogenen Gartenschnecke. Zwi-
schen dem Kopse und Runipse mangelt die eigentliche
Granzlinie; der letztere birgt den grdhten Theil des
Darmcanals und ist nie mit ebenso derber Haut uberzo-
gen, wie der Vordertheil. Ost schmucken lebhafte Far-
ben den aus dem Gehaus Hervortretenden Korper; bei
einigen (z. B. Tritonschnecken) macht fich besondere
Grertheit deS Colorits bemerklich. Der Mantel erwei-
tert stch Hanfig zu stitlichen Lappen, welchen dann Her-
vorragungen des GehauseS entsprechen, wie bei den Flu-
gelschnecken, oder er besttzt einen so dehnbaren Rand,
dah er sich, wahrend das Thier kriecht, weit uber daS Ge-
haus hinuberschlagt. Im Nacken bildet er eine tiest
Furche, die Kiemenhohle, die entweder nach auhen durch
eine Querfalte mundet, oder auch durch Ausdehnung
ihrer Rander zu einer Athemrohre oder Sipho wird, ei-
nem halbgeschlossenen, sehr beweglichen, biSweilen sehr
langen und weit vorstreckbaren Canale. Durch diesen
zieht das Thier daS nothige Wasser in feine Kiemen-
hohle, ohne mit dem Korper aus dem GehauS Hervor-
zutreten. Fast immer verrath stch daS Vorhandenstin
einer solchen Rohre durch Ausbuchtung, tieferen Ein-
schnitt oder rinnenformige Verlangerung des unteren
MundungSrandes. Die letztere kann gerad oder gebo-
gen sein und bisweilen das eigentliche Gehaus an L5nge
viel ubertressen. Die Kiemen dilden eine federformige
Pyramide, die aus kammartig gerichteten, ungleich gro-
Hen, in eine bis drei Reihen vereinigten Blattchen be-
steht und der Decke oder dem Grunde der Kiemenhohle
angewachsen ist. Aus eine Hhhere EntwickelungSstust
deutet die Geschlossenheit der Organe des Kreislaufes;
weite, das Venenblut anfnehmende Hohlen, welche ei-
gentliche Adern vertreten muffen, scheinen bei den Kanim-
kiemern zu den Seltenheiten zu gehoren. In einem der
neueren Systeme der Weichthiere wird die Feststertung
der Unterordnungen der Kammkiemer, wohl mit Recht,
von der Bildung der Zunge abhangig gemacht, einem
Werkzenge, welcheS in Gestalt und Bewaffnung manche
Verschiedenheit gewahren laht, bei der Pagodenschnecke
(Trochus pagodus) fiebenmal langer ist alS der Korper
und deshalb, in der Ruhe spiralsormig gewunden, in
einer besonderen Hohle liegt. Wo diest Zunge mit
scharfen, meist symmetrisch gestertten Zahnreihen bewehrt
ist, vermag sie bohrend in andere, ost sehr Harte Korper
einzudringen. Kammkiemer zerstoren ost Seethiere, die
mit ebenso fester Schaale bedeckt sind als sie selbst, in-
deni sie diest zerlochern und die weichen Theile des Be-
wohners mittels jener Zunge in kleinen Biffen Hervor-
Holen. Ueberhaupt erscheinen die Kammkiemer als ge-
frahige Raubthiere und geben sich alS solche schon durch
den Bau ihrer VerdauungSwerkzeuge zu erkennen. Sie
find stets getrennten Geschlechts; ihre Eier werden durch
gemeinschastliche Eierhnrten umschlossen, die ost eine
recht zierliche und symmetrische Form haben und ehedem
fur besondere Organismen, namentlich fur Pflanzen-
thiere angesthen werden. Arte Kammkiemer leben i ni
Wasser, die meisten im Meere. Ehbar mogen viele sein,
indessen genieht man in Europa nur sehr wenige.
Erste Familie.
FluH - Kiemenschnecken.
Zwei Fuhler, an deren Grunde auhen die zwei Au-
gen. Mund am Ende einer russelformigen Schnauze,
mit stitlichen Kieferrudimenten und bandformiger Zunge.
Gehaus kreifelformig, thurinformig oder fast scheiben-
sormig; Mundfauni vortstandig ohne Canal noch Aus-
schnitt. Deckel vorhanden.
XLVII. Federfchueckc. (Valvata.)
GattungScharakter: Gehaus kreisel- oder schei-
benshrmig, weit genabelt; Mundung rund, weit, ganz.
Fuh vorn zweilappig. Augen an der Wurzel der dor-
stenformigen Fuhler nach hinten.
Federschnecken find bis jetzt nur in Europa und Nord-
amerika gefunden worden, bilden eine artenarme Gat-
tung, zeichnen sich weder durch Grohe noch Farbung auS
und leben in Flussen, Graben und Teichen. Sie schwini-
men nicht, sondern kriechen nur, vermogen sich lebhaft
zu bewegen, sahren aber bei der geringsten Gefahr in daS
Gehaus zuruck und liegen dann stundenlang ohne arte
Lebenszeichen. Wahrend des KriechenS lassen sie die
Kiemen wie einen kleinen Federbusch aus der Kiemen-
hohle Heraushangen. Die stumpfe Federschnecke
(V. obtusa Fig. 3553. a in nat. Gr., b vergr.) Hat rund-
licheS, stumps kreiselformigeS, gelblicheS oder grunlicheS
Gehaus (Fig. 3557. a in nat. Gr., b c vergr.) mit spi-
ralem Deckel (d) und vier Unigangen und ist gentein in
unferen Bachen und Flussen. Ihre Eierhauschen (k
vergr.) Hangt sie an Blatter von Wasserpflanzen (e).
XLVIII. Siunpffchuecke. (Paludina.)
GattungScharakter: GehauS kreifelformig oder
konisch-eiformig; Gewind von fast gleicher Lange mit
dem letzten llmgange; Mundung rundlich. Fuh eirund;
Augen auhen am Grunde der zwei Fuhler.
Die gerneine Sunipfschnecke (P.vivipara) Fig.
3558. gehort zu den genieinsten der deutschen Wasser-
schnecken. Jhr Gehaus (a)ist zortlang, braunlich, mit
drei dunkleren Querbtnden gezeichnet und durch einen,
eoneentrisch geschichteten Hornigen Deckel (b) geschlossen.
DaS Thier ist dunkel stahlblau, gelbgefleckt und brutet
ini eigenen Leibe die Eier so vortkonimen aus, dah die
Jungen in dunne Gehause eingehullt (c) geboren wer-
den (a). Bereits kennt man eine ziemliche Zahl von
Arten dieser Gattung; unter den auslandischen giebt es
einige mit fast kegelformigem GehauS wie die spitze
Sumpfschnecke (P. pusilla) Fig. 3559., die in den
brakischen Sumpfen der Gironde lebt und nur 2 —3
Mirtim. lang wird.
XLIX. Kronenfchnecke. (Melania.)
Gattungscharakter: Gehaus langlich oder ver-
långert eiformig. Gewind fpitzig, meist langer als der
letzte Umgang; Mundung eirund, am Auhenrande fcharf.
Deckel verlangert, fchnial, Hornig. Mantel gefranst;
Fuh kurz; Kopf kegelformig; Schnauze zum abge-
stutzten Russel verlangert, mit enger, fenkrechter Mund-
fpalte; zwei dunne, lange Fuhler. Augen an der
Auhenstite der Fuhler an der Wurzel oder hoher oben
auf kurzen Stielen stehend.
Die Kronenschnecken leben gleich den zwei vorherge-
Henden Gattungen in Flussen, befonders solchen der war-
nieren Lander, vor arten Afiens. Eine geringe Zahl
von Arten ist in Afrika und Sudamerika und in den sud-
lichsten Provinzen der Vereinigten Staaten entdeckt wor-
den. Ihre mehr thurni- als kegelformigen Gehause
theilen mit vielen anderen ahnlich gestalteten die Eigen-
schaft, dah bei vorschreitendem Alter die ålteflen Um-
gange fich mit Kalk erfurten, vom Thiere verlassen wer-
den und als abgestorbene dann leicht verloren gehen. In
der Zusammensttzung der Gehause wiegen thierische Theile
so uber, dah fie mehr Hornig als kalkig erscheinen. Au-
hen bekleidet fie eine schwarzliche Oberhaut; lebhafte Far-
ben zeigen sie felten. Die in den Flussen Afrika's le-
dende geohrte Kronenfchnecke (M. aurita) Fig.
3560. mag ihren Namen dem kleinen Deckel (a) danken,
der wie ein Ohr auf dem Rucken des kriechenden ThiereS
hervorsteht. Das thurmformige Gehaus hat niehren-
theils einen angefressenen Wirbel, ist rothbraun, mit
dunklerer, ost doppelt weiheingefahten Binde, an der
Mundung weih. Die Nath arter llmgange tragt stumpfe,
abstehende Hocker. — Die bittere Melania (M.
amarula) Fig. 3561. bewohnt die Suhwasser von In-
dien; fie ist kenntlich an dem eikegelfomiigen, stark langs-
gerippten, gestreiflen, fchwarzbraunen Gehause, den in
gerade Spitzen ausgehenden Rippen, dem hervorstehen-
den Gewinde und der blaulichen Mundung. — Die
fpitzige Melania (M. subulata) Fig. 3562. stamnit
wahrscheinlich auch aus Indien, fie hat ein verlangert
thurmformigeS, glattes, sehr fein langSgestreifteS, gegen
die Spitze kastanienbraunes, gegen die Basts rothliches,
mit weihen Binden gezeichneteS, fast 2Zort langes Gehaus.