Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
Mit 1558 Ubbildungen
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Sechste Vrdnung. Mufchcithiere.
Weichthiere.
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Berlfingerung des SchlohrandeS, welche, wie oben be-
merkt, als nicht bestandige den Vogelmuscheln auch
fehlen fanit. Diese bekleiden sich auherlich nie mit
Schuppen wie die Perlmuscheln , sind uberhaupt glatter,
kleiner und enthalten nie ebenso dicke Perlmutterschichten.
Mit Sicherheit bekannt find nur zwei Arten von Perl-
muscheln, von welchen die gewoHnliche (M. margari-
tifera) Fig. 3815. fur technische Zwecke und als Gegen-
stand des Handels mehr Wichtigkeit befitzt als alle andere
Muscheln zusammengenommen. Jhre Schaalen haben
fast viereckigen Ilinrih, sind indeffen am Borderende
abgerundet, graugrun, weisigestreift, mit blåtterigen,
sich regelmahig deckenden, zumal in der Jugend starken
Schuppen geziert, bis suhbreit und sehr schwer. Jhr
Geffige stellt polygone, schichtenweis fiber einander
liegende Zellen dar. Zwischen der oberen und unteren
Schaale herrscht einige Grohenverfchiedenheit ; beide
enthalten Perlmutterschichten von unverhLltnitzmahiger
Dicke. Bestimmte Granzen der geographischen Berbrei-
tung lafsen sich kaum angeben; man sindet Perlmuscheln
derselben Art vom perstschen Golfe bis Neuholland und
von da uber den grohen Ocean bis an die Westkfisten
Merico's. Bon dieser Muschel kommen die achten Per-
len, welche mit den in anderen Muscheln erzeugten und
im Handel ebenfalls vorkommenden nicht verwechselt
werdcn durfen. Ueber die eigentliche Entstehungsart
derselben gelangte man nur in neueren Zeiten zu einem
Berstandniffe. Sie konnen ebensowohl an der Schaale
festsitzen, als in den Weichen Theilen deS ThiereS einge-
fchlosfen sein; im letzteren Falle werden sie eine rundere
und regelmahigere Gestalt haben. Auf ihrem Horizon-
talen Durchschnitte erkennt man leicht die Bildung auS
concentrischen Schichten, die nicht felten einen fremden
Korper, ein Sandkorn u. s. w., umkleiden, welches viel-
leicht das Thier unangenehm gereizt hatte. Jene Schich-
ten unterscheiden sich in nichts von der eigentlichen Perl-
mutter und find daher durch dieselben Manteldrusen, wie
diese, gebildet. Dah die Perlmutter auch zur Ausbesse-
rung der Schaalen an solchen Stellen, welche der
Mantelrand nicht erreicht, diene, ward oben erwahnt.
Bersucht das Thier der Perlmuschel Locher zu schliehen,
welche irgend ein anderes Seethier durch die Schaalen
bohrte, so entstehen entweder flache, blasenartige Un-
gleichheiten oder tropfenahnliche Bildungen, eigentliche
Perlen namlich, die um so grsheren Werth befitzen, je
runder sie sind, und je geringeren limfang die Stelle
Hat, mit welcher fie an der Schaale festsahen. Dah bei
anderen Muscheln Perlen viel seltener oder auch gar
nichtsich bilden, wird von der uberhaupt weit beschrank-
teren Fahigkeit zur Hervorbringung des Perlmutter-
stoffes herzuleiten sein. Fluhmuscheln (Unio) befitzen
dieses Bermogen mehr als andere europaische Muscheln,
und daher war der Gedanke Linne's natfirlich genug,
fie durch Anbohren der Schaalen zur Perlenerzeugung
geravezu zu zwingen. Trat die letztere auch ein, so blie-
ben die Perlen doch so klein und unregelmahig, dah die
Bersuche im Grohen und auf Staatskosten bald cin Ende
nahmen. In China soll man schon seit alten Zeiten diese
HervorbringungSart der Perlen und mit Erfolg, jedoch
nur an eigentlichen Perlmuscheln, geubt Haben. Gewon-
nen werden die achten Perlen durch regelmfihig be-
triebene Fischereien zumal an den Kusten von Ceylon,
wo die britische Regierung daS Monopol ubt, mit einem
jahrlichen, von 25,000 biS hochstenS 200,000 Pf. Sterl.
steigenden Ertrage, von welchem aber nur der dritte,
biSweilen nur der vierte Theil als reiner Gewiitn fibrig-
bleibt. Im Golf von Persien, an den Kusten von Co-
chinchina und Japan betrieben Eingeborene auf minder
fystematifche Art denfelben Fang, fcheinen aber dabei
bedeutende Gewinne zu machen, indetn der jahrliche Er-
trag der Fifcherei des perfifchen Golfs allein auf 1 Mil-
lion spanifcher Thaler gefchatzt wird. Dah man von den
Kusten der Tierra firme und des Jsthmus von Darien
gleich AnfangS grohe Mengen schoner Perlen erhielt,
gab der Entdeckung jener Lander in den Augen der Spa-
nier besonderen Werth. Lange Jahre hindurch blfihete
die Perlenfifcherei im Golf von Panama und gewahrte
der spanischen Regierung, welche den ffinften Theil deS
Ertrages beanfpruchte, anfehnlichen Gewinn. Sie ver-
lor im vorigen Jahrhundert, wird jetzt nur von ein-
zelnen Eigenthumern betrieben und veranlahte noch
1826 die Errichtung einer englischen Gefellfchaft, die
indeffen nach wenigen Jahren mit sehr groheti Verlusten
fich auflsste. An jenen Kusten war einst der Fang so
ergiebig, dah i. 3. 1587 allein itt Sevilla 697 Psund
Perlen eingefuhrt wurden. Von mehreren sehr grohen
Perlen giebt eS geschichtliche Nachrichten. Zur Zeit
Kaiser Karl's V. bewahrte man im madrider Schatze eine
i. 3. 1505 fur 80,000 Ducaten gekaufte Perle ; die grohie
befah Philipp II. von Spanien ; fie wog 250 Karat,
kam von der 3nsel Margarita, Hatte bei etwas birn-
formiger Gestalt dieGrohe eineS Taubencies und durfte
jetzt einen kaum schatzbaren Werth haben. Der letztere
hangt ubrigens gar fehr von der Mode ab und ist jetzt
ungleich geringer alS vor einem oder zwei 3ahrhun-
derten.
XXII. Steckmuschel. (Pinna.)
Gattungscharakter: Muschel dreieckig, f^cher-
formig, dunn; Schaalen gleichgroh, am Hinterende ab-
gerundet, an dem ganz vorn den Wirbel tragenden Vor-
derende fehr verschmalert; Schloh lang, linienfårmig,
gestreift, zahnlos; Band zur Halfte innerlich, dem Rande
fehr nahe; vorderer Muskeleindruck klein, hinter der
Spitze der Wirbel, Hinterer sehr groh.
Man verdankt Polt die erste, aber sehr vortrefstiche
Anatomie der Steckmuschel. Der ungemein dunne
Mantel entspricht an Untfange den Schaalen und tragt
nach hinten zwei, nach vorn eine Reihe feiner Ffihler-
faden. Zu beiden Seiten der grohen Bauchmasse liegt
ein Paar fast Halbmondfsrmiger Kiemen. Aus der Un=
terfeite der ersteren entspringt der schmale Fuh, der in
der Mitte fich wurmformig verlangert, gegen die Wurzel
eine geraumige Byssnshohle einschlieht. Sehr grohe,
blattformige Lippett untgeben den Mund und fetzen fich
von ihnt seitlich bi3 fast zu dem AnfangSpunkte der Kie-
men fort; fie enden in ein Paar verhaltnihmåhig kurzer
Lippentaster. Ein dunner Darnt verbindet die beiden
Magen, deren vorderer eine kugelige, der zweite eine rit-
bettformige Gestalt Hat. Dieser setzt sich fort in einen
verhaltnihmåhig langen und dicken, mehrere Windungen
beichreibettden Darnt. Sehr vollståndig ist das Gefåh-
system, das grohe Herz liegt am gewohttlichen Orte,
mitten auf dem Rucken und theilweis mit dem Mast-
darnte verwachfen. Die Schaalen erweifen sich im
Wasser und in frifchent Zustande sehr elastisch, trocken un-
gemein bruchig und je nach dem Alter in dem Aeuheren
verfchieden. Sie bestehen auS zwei sehr dunnen Schich-
ten, einer inneren, ntetallisch schillernden von Perlmut-
ter und einer åuherett, jene am Rande weit uberragen-
dett, auS mehreren Lagen gebildeten, an deren Bruch-
flache man bei angewendeter Bergroherung die Zitsant-
mensetzung auS feinen, senkrechten Kalkfasern erkennt.
Zwischen beiden herrscht keine so feste Berbindung wie
fonst an Muscheln, und daher trennen fie sich etwaS
wåhrend des BersteinerungSproceffes, wodurch einige
der fossilen Arten daS Ansehen vierklappiger Muscheln
erhalten. 3n der 3ugenb find die Schaalen mit zuruck-
gebogenen Schuppen besetzt, welche als Borderrander
der uber einander liegenden Schichten angesehen werden
ntfiffen, nach und nach aber sich so abnutzen, dah die-
selben Schaalen im Alter ganz glatt erscheinen, ein frfi-
herhin unbekannter Umstand, dem man die Aufstellung
von Arten verdankt, die eben nur als Altersverschieden-
Heiten betrachtet werden konnen. 3ene fast immer
grohen, aber sehr zahlreichen Muscheln stecken mit dem
vorderen oder spitzigen Ende im Schlamme oder Sande
und befestigen sich auf minder vollkommene Art durch
ByffuSfaden, die an der Wurzel ein festes, flechsenarti-
geS, perlmutterglanzendeS Anfehen haben. Mit dem
oberen Ende klaffen sie und schfitzen also daS Thier nicht
vollstandig gegen Angriffe anderer gefrahiger Meerbe-
wohner. Da kleine Krustenthiere biSweilen die Gele-
genheit wahrnehmen, um fich in der Schaale zu verber-
gen, so ersaunen die Alten die Fabel von dem oben (S.
15.) erwahnten Krebse, dem sogenannten Mufchelwåch-
ter, welcher der blinden Steckmuschel ffir gewåhrteS Ob-
dach fich dadurch dankbar erwiese, dah er bei Annåherung
eines Feindes fie durch hastiges Herumlaufett zunt mog-
lichst genauen Schliehen ihrer Schaalen auffordere. AuS
dem mfihsam zu santmelnden ByffuS oder der Muschel-
seide verfertigt man um Tarent Kleinigkeiten Wie Geld-
borsen und Handschuhe, die durch die braune gold- und
grfinglanzende Naturfarbe und Weichheit gefallen, fibri-
gen S aber ziemlich hoch im Preise stehen. Zu den ei-
gentlichen Gewerben kann die Berarbeitung dieser Byssus
nicht gerechnet werden; dah fie ehedent in Fabriken be-
trieben worden, ist geradeztt eine Unwahrheit. Zwi-
schen den Mantelfalten deS nur von armen Fischern ge-
geffenen ThiereS sollen Haufig Perlen gefunden werden,
denen aber wegen Unregelmåhigkeit, Glanzlofigkeit und
dunkler, undurchstchtiger Farbung aller Werth abgeht.
Aus der Abbildung der im indischen Ocean ledenden
sacherfortnigen Steckmuschel (P. flabellum) er-
giebt fich die auhere Berschiedenheet der jungen (Fig.
3816.) und der alten (Fig. 3817.) 3ndividuen und daS
Berhåltnih der Perlmutterschicht zum Untfange der gan-
zen Schaale (Fig. 3818.). Die oben erwåhnte Seide
fommt von der schuppigen oder edeln Steckmu-
fchel (P. quamosa, P. nobilis), welche fiber 2 Fuh lang
wird und daS Mittelmeer bewohnt.
Funfte Familie.
Etherien.
Muschel unregelmahig, blatterig, festgewachsen, mit
dfinner Oberhaut bekleidet; Schaalen ungleich, ungleich.
seitig; Wirbel kurz, dick, nndentlich; Schlohrand unre-
gelmahig, gewunden, schwielig; Schloh zahnlos; Band
auherlich, in einer Furche an den Wirbeln gelegen.
XXIII. Ethcrta. (Etheria.)
Gattungscharakter jenem der Familie gleich.
Zu dieser Familie gehort nur eine auS etwa drei Ar-
ten bestehende Gattung, welche mit tnancher anderen daS
Schicksal theilt, nach sehr verschiedenen Orten des Sy-
stems verwiesen worden zu sein. DaS Thier Hat viele
Aehnlichkeit mit bent der Fluhmuscheln, ittdem es ganz
unverbundene, in ihrer ganzen Lange gespaltene Man-
tellappen befitzt, also eine Athemrohre entbehrt. Die
Kiemenblatter sind ungleich, stark gestreift, neben dem
grohett Munde steht ein Paar Ffihlerlappett von dersel-
bett Gestalt, wie bei ven Fluhmufcheln. Obgleich die
Muschel bald mit der einen, bald mit der anderen Schaale
festwachst, fo fehlt, fonderbar genug, doch ein groher,
langer, kielformiger Fuh nicht. llnter den wenigen
beschriebenen Species genieht die im Nil ledende, nach
ihrem Entdecker Caillaud benannte (E. Caillaudi) eine
gewiffe Berfihmtheit. Sie kommi nicht unterhalb der
ersten Katarakte vor, wird aber von da an bis in den
blauett Nil immer Haufiger, fcheint auch in allen Seiten.
flfiffen zu leben und muh zumal in Senaar in erstaun-
lichen Mengen gefunden werden, indetn jener Reisende,
soweit er vordrang, alle Graber mit ihren Schaalen ge-
schmfickt fand. Es ist fonderbar, dah weder Burckhardt
noch Bruce ihrer gedenken. Die Anwohner jener Ge-
wasser fcheinen mit solchen Muscheln einen Handel zu
treiben; fie suchen fie auf bei niederettt Wafferstande und
sollen daS Thier essen. Lamarck Hielt die Etherien fur
Seemuscheln und meinte, fie waren nur darum fo lange
Zeit den Sammlern entgangen, weil sie vermuthlich in
grohen Tiefen allein fich aufhielten. Aller Wahrschein-
lichkeit nach gehoren fie allein Afrika an und leben nur