Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
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Weichthiere.
Sechste Ordnung. Muschelthiere.
dem Wafser zu. MiltelS des langen und dehnbaren
FuheS vermogen sie kurze Sprunge auSzuffihren oder
fich von einer Seite zur anderen zu walzen. Die zur
Erlfiuterung deS Gattungscharakters unter Fig. 3871.
abgebildeten Schaalen gehoren einer der grbhten Arten
deS indischen OceanS (D. Scortum) an. Fosfile Species
finden fich in den Oolithenschichten.
XLVII. Tellmuschel. (Tellina.)
Gattungscharakter: Muschel abgerundet oder
langlich, breiseitig, ungleichseitig, platt, am eckigen
Hinterende gefaltet und meist nach rechtS gekrummt;
Wirbel klein; Schlohzahne in jeder Schaale zwei, oder
zwei in der einen, einer in der anderen Schaale; Seiten-
zahne ost entfernt stehend, meist deutlich; Band lang.
Mantelrohren lang.
Man nennt die Tellmuscheln wohl auch Sonnenmu-
scheln, weil die meisten mit Farbenstreifen geziert find,
die als breite Strahlen vom Wirbel nach den Schaalen
laufen. Die zahlreichen, nicht leicht zu unterscheiden-
den Arten leben in schlammigen Untiefen deS MeereS,
zumal zwischen den Wendekreisen, und gehbren zu den
Zierden der Sammlungen; von einigen, um die Moluk-
ken gewohnlichett dienen die Thiere zur Berfertigung
einer scharf gewurzten Bruhe, die in Indien als Han-
delSgegenstand meit verffihri wirb und als Zusatz zu
Feischspeisen beliebt ist. Europa besitzt meist nur klei-
nere Species. — Die verlangerte Tellmuschel
(T. rostrata) Fig. 3872. zeichnet fich aus durch stark und
gerad vorgezogeneS Hinterende und nach hinten etwaS
klaffende, purpurrothliche Schaalen. Sie lebt im in-
dischen Ocean. — Die Telliniden (Tellinides)
Fig. 3873. bilden eine als Gattung nicht allgemein an-
erkannte Gruppe der Tellmuscheln ; ste unterscheiden fich
durch nicht gefalteteS Hinterende der Muschel und die
Annaherung des vorderen Seitenzahnes an die Schloh-
zahne.
XLVIIL Capsa. (Capsa.)
Gattungscharakter: Muschel eirundlich, un-
gleichseitig, nie klaffend; Schlohzahne unter dem Wir-
bel, gedrangt, zwei in der einen, einer in der anderen
Schaale; Seitenzahne nur in der letzteren Schaale,
sehr undeutlich. Mantelrohren lang, getrennt. Fuh
grofi, zusammengedruckt.
Die starte Ausbuchtung des ManteleindruckeS, welche
fur diese und verwandte Gattungen charakteristisch ist,
entsteht durch Anhestung deS starten Ruckziehmuskels
der langen Mantelrohren; sie ist auf der Abbildung der
Jnnenseite der Schaale der brasilischen Capsa (C.
brasiliensis) Fig. 3874. gut darstellt. Vor der Hand
kennt man nur drei Arten dieser Gattung; sie leben in
den Meeren Warmerer Breiten auf geringen Tiefen und
im Schlamme vergraben. — Nicht fern von dieser Gat-
tung steht die nur im fosfilen Zustande vorkommende,
Grateloupia benannte, von welcher eine Art (G.
Moulinsii Fig. 3875.) in Alabama in Tertifirschichien
aufgefunden ward, welche derselben Periode angehsren,
wie der London-Thon und der Pariser Grobkalk.
XLIX. Amphidesma. (Amphidesma.)
Gattungscharakter : Muschel eirundlich, un-
gleichseitig , ziemlich dunn, bisweilen etwas klaffend;
tin oder zwei Schlohzahne; Seitenzahne meistenS deut-
lich; Band doppelt, das auhere turz, das innere am
Grubchen deS Schlosfes befestigt.
AmphideSmen finden fich weit verstreut uber alle
Meere und in sehr ungleichen, von zwei bis vierzig Klaf-
tern wechselnden Tiefen. Sie bevorzugen sandigen und
schlammigen Boden und werden nicht grop. An den
westafrikanischen Kfisten lebt die dunte AmphideSma
(A. variegata) Fig. 3876.; ihre rundlichen, dfinnen,
roihlichweihen Schaalen sind braungelb gefleckt, die
Wirbel strahlig gestreift.
L. Cumiltgia. (Cumingia.)
GattungScharakter: Muschel eirundlich, un-
gleichseitig, etwas bauchig, geschlossen ; zwei kleine
Schlohzfihne in jeder Schaale; zwei starke Seitenzahne
nur in der einen Schaale; Band innerlich, iu einer tie-
fen , runden Grube des SchlohrandeS.
Von dieser in den letzten Jahren aufgestellten Gat-
tung, die durch die Stellung deS Bandes von den nahe
verwandten Amphidesmen sich unterscheidet, kennt man
sehr wenige, theils^ den merikanischen Ostkfisten,
theilS den Kfisten von Chile, Peru und Mittelamerita
angehorende Arten. Im Schlamme der amerikanischen
Westkfiste vergraben lebt die abgerundete Cumin-
gia (C. mutica) Fig. 3877.
Li. Trogmuschel. (Mactra.)
Gattungscharakter : Muschel fast gleichdrei-
seitig, bauchig, an den Seiten etwas klaffend; Schloh
mit einem einzelnen kleinen, winkelig gefalteten Zahne
unter den vorstehenden Wirbeln; Seitenzahne dfinn,
leistenformig, derjenige der linken Schaale zwischen die
zwei der rechten eingreifend; Band innerlich der Grube
deS Schlosfes angefugt. Mantelrohren nicht lang, zu
einer verwachsen.
Trogmuscheln machen eine grohe Gattung aus, deren
Arten theils durch besondere Form, theilS durch Far-
benglanz Ausmerksamkeit erwecken und felten tiefer alS
zehn Klaftern und meist auf schlammigem Boden leben.
DaS Thier erscheint ziemlich dick, sein Fuh ist lang und
eckig. An den europaischen, zumal an den norddeut-
schen Kfisten findet fich in kaum glaublichen Mengen die
gemeine Trogmuschel (M. solida), deren Schaalen in
Holland zum Kalkbrennen benutzt werden; an unbedeu-
tender, Weihlicher Ffirbung gleicht ihr die brasili-
sche Trogmuschel (M. brasiliana) Fig. 3878.
Lll. Crassatella. (Crasatella.)
Gattung s charakter:Muschel rundlich, ungleich-
seitig , bauchig, nicht klaffend; zwei keilformige, run-
zelige , bisweilen langSgefurchte Zahne in der einen
Schaale, ein einzelner Zahn in der anderen; keine Sei-
tenzahne; Band innerlich, jedoch toegen Anffigung an
eine guergetheilte Grube des SchloffeS zur Halfte ficht-
bar nach Schliehung der Schaalen.
Zwischen dieser und der vorhergehenden Gattung
herrscht keine sehr bedeutende Verschiedenheit, wenigstenS
nicht hinfichtlich der Anffigung des Bandes; Craffatellen
indeffen haben immer ungemein starke Muskelein-
drficke und erhalten mit der Zeit Schaalen von unge-
wohnlicher Dicke und Schwere. Sie fehlen unserem
Welttheile und tourben bisher nur im grohen Ocean und
in der Sfidsee, zumal an den Kfisten NeuhollandS, Chile's
und Peru's, gefunden. Im frischen Zustande fiberzieht
eine dfinne Oberhaut ihre Schaalen. Die gewohn-
liche Crassatella Fig. 3879., die Lamarck, weil
sie auf der Jnsel King an der neuhollandischen
Kfiste sehr Haufig ist, mit einem mehr alS barbarischen
Nanten belegte (C. kingicola), hat fast kreiSrunde, auf-
getriebene, gelbliche, verwaschen strahliggestreifte, an
ben Wirbeln gefaltete Schaalen.
Lill. Venusmuschcl. (Venus.)
Gattung s charakter:Muschel runblich, ungleich-
seitig ; Schaalen vollig schliehenb; brei bivergirenbe
Schlohzahne unter ben Wirbeln; keine Seitenzahne;
Banb auherlich, bie Kopfflache beckenb.
Die sehr artenreichen, burch Gestalt unb Farbung
gleich zierlichen Venusrnuscheln finben fich ztoar in al-
len Meeren, inbeffen vorzugsweise in jenen ber manne-
ren Zonen. Ihre Form ist ziemlich regelmfihig, Hau-
figer langlich als runb. Nicht selten erheben sich auf
ben Schaalen zahlreiche, allezeit halbkreiSformige, bem
Ranbe parallele Rippen. Vor unb hinter ben Wir-
beln bleiben bie Einbrficke bes BanbeS, bas sogenannte
Felbchen unb ber Monbsteck, bie, weil ste hier besonbere
Entwickelung gewahren laffen, zur Unterscheibung ber
Species benutzt toerben. Ihre Schlohzahne stehen im-
mer Hart neben einanber, ber mittelste, ost zweispaltige,
ragt gerab enipor, bie seitlichen bivergiren; nur bei weni-
gen Arten finbet Letzteres nicht statt, unb bann stehen bie
brei Zahne gerab unb parallel zu einanber. Abande-
rung ber immer zarten, aber angenehmen Farben unb ber
Zeichnungen demerkt man ost bei Vergleichung vieler
Eremplare berselben Art; sie erschwert baS Erkennen
unb veranlahte bie Aufstellung mancher nicht Haltbaren
Species. Das Thier Hat zwei meist lange Rohren,
welche ein starker, burch weit ausgebuchteten Man-
teleindruck angebeuteter Rfickziehmuskel verkfirzt; sie
kSnnen zwischen bem vorn offenen Mantelspalte Her-
vortreten; bie Untrisse bes stark zusatnmengedrfick-
ten Fuhes gleichen fich nicht bei allen Arten, von
welchen fibrigens viele zur Speise bienen. Wegen bes
grohen Umfanges hat man bie Gattung in mehrere
Gruppen getheilt, je nachbem bie Schaalen runblich ober
lfinglich , an bem inneren Ranbe gezahnelt ober unbe-
wehrt, auhen glatt ober gerippt sinb. Zu ben runbli-
chen gehort bie in ben amerikanischen Meeren Heimische
gegitterte Venusmuschel (V. cancellata) Fig.
3880. mit Herzformiger Muschel, langSgefurchten unb
mit abstehenben, erhabenen Gfirteln umgebenen, braun-
gefleckten Schaalen; ahnlich ist bie vielgefurchte
Venusmuschel (V. crebrisulca) Fig. 3881. mit
weihlichen, rothbraun gefleckten Schaalen, beren Rippen
in ber Mitte einfach, gegen bie Enben aber mit starken
Blfittern besetzt sinb. Langlich unb ganz glatt sinb bie
Schaalen ber Zickzack-VenuSmuschel (V. textile)
Fig. 3882., bie ihren Nanten ben gebrochenen, tnaschen-
artig burch einanber laufenben braunen, von bem leber-
gelben Grunbe stark abstechenben Linien verbankt unb
an ben inbischen Kfisten gefunben wirb. — Die g e-
wHHnliche Venusmuschel (V. vulgaris) Fig.«W
ist schief herzformig, quergestreift,
inwenbig mit einem violetten Fleck gezeichnet^D
norblichen Ocean sehr gentein.
LIV. Cytherea. (Cytherea.)
Gattungscharakter: Muschel runblich, brei-'
eckig, ungleichseitig; brei Schlohzahne unter bem Wir-
bel in ber linken Schaale, auherbem ein einzelner unter
bem Felbchen gelegener, in eine Vertiefung ber rechten
Schaale einpassenber.
Nur ber kleine seitliche Zahn unterscheibet biese Gat-
tung von ber vorhergehenben ; sie gehdrt zu ben kfinst-
lichen, auf wahre natfirliche Verschiebenheiten nicht be-
grunbeten, beren einziger Nutzen barin bestehen kann,
bem Gebfichtnisse ba zu Hilfe zu kommen, wo eine zu
grohe Menge von Arten unter einem einzigen Gattungs-
nanten vereinigt waren. Cythereen ahneln so sehr ben
VenuSmuscheln, bah man fie meist nur burch Untersu-
chung beS Schlosses unterscheiben kann; sie leben wie
jene nur im Meere, haben feste, etwaS schwere, meist
schon gefårbte unb zierlich gezeichnete Schaalen unb
gleichen auch burch Bau ber weicheren Theile ben Thie-
ren ber verwanbten Gattung. Die Artenzahl ist sehr
ansehnlich, bie Verbreitung reicht fiber alle Meere.
Als Beispiel ber Gattung bient bie weihe Cytherea
(C. meretrix) Fig. 3884. mit etwaS breieckigen, glatten,
weihen Schaalen, gefleckten Wirbeln, blaulichent Felb-
chen; fie lebt int inbischen Ocean. AlS besonberS
berfihmt verbient ttoch bie stachelige Cytherea
(C. Dione) Fig. 3885. 3886. Erwahttung. Sie tragt
im gemeinen Leben vorzugsweise ben Nanten Venus-
muschel, scheint an ber tropischen Westkfiste von Sfib-
amerika haufig zu sein, kontmt minbestens von bort in
Menge, inbeffen so selten mit burchaus unverstfimtuel-
ten Stacheln, bah vollstanbige Eremplare von Samnt-
lern noch immer gut bezahlt Werben. Sie ist schief
Herzfhrmig, mit concentrischen Lamellen versehen, Hell-
fleischsarbig unb an ben langen, sehr zerbrechlichen