Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
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Stachelhnuter.
Vierte Ordnnng. Haarsterne.
muffen. Der geringelte Schlangenstern (0. an-
nulosa) Fig. 3966. Hat glatte, auf dem Rucken gewolbie
Strahlen (a von unten, b von oben), besondere, soge-
nannte Radialplatten an der Wurzel der Arme (d von
oben) und Warzchen um den Mund (c von unten); bei
dem gemeinen Schlangensterne (0. lacertosa)
(Fig.3967. a von unten, b von oben, c Arm von unten,
d Arm von oben) find die Randschuppen rauh und
scharf gezfihnt; bei dem gekbrnten Schlangen-
sterne (0. echinata Fig.3968.a von unten, b von oben,
c Arm von oben, d Llrm von unten) stehen aufderKor-
perscheibe obenher Korner, die Randschuppen gleichen
langen, kammformig gestefiten Stacheln, die Farbe ist
schwarz. Die beiden letzteren kommen viel um Europa
vor, der erste gehbrt Australien an.
V. Meduseustern. (Euryale.)
Gattungscharakter: Arme einfach oder astig,
ungegliederi; Warzen an der Unterseite der Arme in
Ouerreihen gestellt.
In allen wesentlichen Beziehungen kommen die Me-
dusensterne mit den anderen Asterien uberein, Hingegen
weichen fie ab durch die Zeriheilung der Arme, die bei
einigen groven Arien des indischen Oceans bis zu der
erstaunlichen Zahl von 80,000 Gliedern ansteigen kann.
Miiiels dieser klammern fie fich an fremde Korper an,
sollen auch mit ihnen rudern und sonach schwimmend
fortzukommen vermbgen. Jhr wunderlicheS Ansehen
Hat sie bisweilen in den ganz unverdienten Verdacht von
Gistigkeit und Gefahrlichkeit gebracht. Nur gegen das
Ende verzweigen fich die Arme bei dem aus Indien zu uns
gelangendengefingertenMedusensterne(E. pal-
mifera Fig. 3969.a von unten, b Scheibe von unten in
nat. Gr., c Scheibe von oben, d Arm in nat. Gr.); kurz
uber der Wurzel beginnen fie fich zu theilen bei den
beiden folgenden Arten: dem gerippten Medusen-
stern (E. costosa Fig. 3971. a von oben, b Schild von
unten), welcher auf dem Rucken der Scheibe zehn stumpfe,
strahlenartige Rippen tragt, und dem warzigen M e-
dusensterne (E verrucosa Fig. 3972. a von oben,
b von unten, c Scheibe von oben und d von unten in nat.
Gr.), too diese Rippen mit Warzen besetzt find. Die
ztoeite der angeffihrten Arten lebt in den amerikanischen,
die dritte in den Hochnordischen Meeren.
Vicrtc Vr-nung.
Haarsterne.
Einleitung.
Haarsterne oder Crinoiden ahneln den soeben be-
sprochenen Seesternen durch scheibenartige Gestalt des
Korpers, entfernen fich aber von ihnen und uberhaupt
von allen Echinodermen durch entroeter nur wahrend der
Jugend, oder toahrend des ganzen Lebens dauernde Be-
festigung an einen mit zahlreichen Armen besetzten Stiel.
Den grositen Theil der Korpermaffe bildet ein kalkigeS, aus
kaum zfihlbaren Theilen bestehendes Skelett, toelches einc
dfinne, fiberall gleichverbreitete Haut zusammenhalt. Die
biegsamen Stengel dilden viele scheibenformige Wirbel,
die durch Vertiefungen oder Zahne des Randes in ein-
ander greifen und auf den Gelenkflachen einen ffinfthei-
ligen Stern zeigen, dessen Untriffe bei Gattungen und
Arten wechseln und daher zumal bei den fossilen (Fig.
3978.) gute Kennzeichen abgeben. linier fich sind diese
Wirtel fest verbunden, und daher besitzt der Stengel nur
beschrankte Betoeglichkeit, vermag indeffen spiralisch um
andere Gegenstande sich zu winden. Von den Furchen
des Stengels gehen ffinf symmetrisch gestellteRanken ab
(Fig. 3974. 3976.), die, gleich dem Stengel, von einent
hohlen Canal durchbohri, eigeniliche Muskeln entbeh-
ren, daher schtoerlich anders als durch zuffilliges An-
hacken der krummen Spitze zur Befestigung des ganzen
Thieres dienen kdnnen, fibrigens auch aus einer Menge
von Harten, kalkigen Wirteln bestehen. Als umge-
staltetes oberes Ende deS StieleS erfcheini der fogenaunte
Kelch, eine Reihe von Skelettstficken besonderer, aber shm-
metrischer Form, auf toelchen die eigentliche Krone ruhi;
sie theilen sich in zehn Arme, toelche, bei ansehnlicher
Lange, vielgliederig und dichotomisch verztoeigt sind.
Manche ihrer Glieder verbinden sich gu unbetoeglichen
Korpern, andere betoegen fich unabhangig von einander,
jedeS tragt abtoechselnd, rechtS oder links, einen kurzen,
ebenfallS gegliederten Faden (Fig. 3973. c d, Faden
vergrosiert bei e). Vermehrt toird die Zahl der Arme
der Krone noch durch einfache, gegliederte Ranken,
toelche im Umkreise ausien am llrsprunge der eigentli-
chen Arme hervorsprossen. Ztoischendiesen Armen und in
der Mitte der Scheibe liegt der Mund; von seinem Um-
kreise entpringen funf bis in die letzten Faden fich ver-
ztoeigende und an ihrer Unterseite verlaufende Furchen,
toelche eine zahllose Menge kleiner Ffihcheu bergen. In
der Mitte der Scheibe liegen die weichen Korpertheile,
ein Darmkanal, eine Afierrohre, die vermuthlich auch
die Athmung vermittelt, und ein Herz. An der Wur-
zel der Fadenaste der Arme finden fich die Eierstocke;
toahrscheinlich sind alle Haarsterne getrennten Geschlechts.
lleber die LebenStoeise dieser Thiere, die in der gegen-
toartigen Schopfung durch toenige und dabei kleine Ar-
ten vertreten sind, im fosstlen Zustande hingegen ausier-
ordentlich zahlreich vorkommen, giebt es toenig mehr
als Vermuthungen. Von solchen, die das ganze Le-
ben hindurch gestielt bleiben, kennt man mit Sicherheit
nur eine Art, hingegen mehrere (eigentliche Haarsterne),
die, in der Jugend angetoachsen, sich spfiterhin ablssen
und frei betoegen. Wahrscheinlich nahren sich diese
toie die kleinen Seefterne von organischen Ueberresten
oder sehr kleinen Meerthieren. Oft sindet man fie mit
ihren Armen um astige Thierpfianzen, toie Sertularien,
Gorgonien u. s. to., geschlungen.
I. Haarsteru. (Alecto.)
Gattungscharakter: Korper nur in frfiher Ju-
gend gestielt.
Die eigentlichen Haarsterne finden fich in allen Mee-
ren , zahlreicher in den sfidlichen, ro o fle auch mehr |
Grosie erlangen. An den Seiten ihres im Verhfilt-
niffe kleinen, scheibenformigen Korpers entspringen ein-
fach oder mehrfach getheilte Arme, deren Zahl von zehn
bis flebenzig steigen kann. Wo nur zehn Arme vor-
Handen find, toerben immer ffinf auf einmal, und zwar
abtoechselnd mit den anderen, in Betoegung gesetzt,
toenn das Thier schwimmen toill. Der gemeine Haar-
stern (A. europaea) lebt in allen Meeren deS milderen
Europa, der australische Haarsteru (A. Adeona
Fig. 3973. a von unten zu etiva drei Viertheil der nat.
Gr., b von oben mit verstummelten Armen, c Theil
eineS Armes von unten, d von oben, e Faden oder letz-
ter Ztoeig eineS Armes vergr.) findet fich um Neu-
Holland.
n. Pentacrinus. (Pentacrinus.)
Gattungscharakter: Karper das ganze Leben
hindurch gestielt.
Von dem amerikanischen Pentacrinus
(P. caput Medusae) Fig. 3974. kennt man nur fieben in
europaischen Sammlungen betoahrte Eremplare. Wahr-
scheinlich lebt auch er in gropen Tiefen und falli alfo
Sammlern nicht in die Hande. Ehedem Hielt man ihn
ffir indisch; jetzt steht fest, dah er zwischen den Antillen
heimisch sein muffe. — Was der irlandische Zoolog
Thompson unter dem Namen deS europaischen
Pentacrinus (P. europaeus) Fig. 3975. vor einigen
Jahrzehnten beschrieb, gilt jetzt fur eine jugendliche, noch
gestielte Form von Haarstern, indem Niemand nach ihm
daffelbe, wenige Linien hohe, in der Bay von Cork an
Corallinen (a) festfltzende Thier (b) aufzufinden ver-
mocht Hat.
Fosfile Crinoiden ersfillen bisweilen mit ihren Trfim-
mern ganze Felswande; fo ist fur den Mufchelkalk der
lilienformige Encrinus (Encrinus liliiformis)
Fig. 3977.charakteristifch, deffen Stielglieder (Fig. 3978.)
unter dem veralteten Namen der BifchosSpfennige, in Eng-
land als St. Cuthbert'S Rofenkranzperlen, bei alteren
Palfiontologen als Trochiten und Entrochiten bekannt
genug sind. Zu den achten Pentacrinen gehbri die fehr
schone, im Oolith Englands vorkommende, oft vortreff-
lich erhaltene Form (P. briareus Fig. 3976. a verklei-
nert, b Krone mit verstfimmelten Armen, die um die in
einen stumpfen Rfiffel ausgehende Leibeshohle geschlun-
gen sind, in nat. Gr.) ; Apiocriniten (Fig. 3979.)be-
fasien eine fehr umfangliche Krone (c), in deren Jnneretn
(b) der Verdauungsapparatlag ; man Hat in England nach
und nach Eremplare aufgefunden von so verschiedener
Entwickelung und guter Erhaltung, dah die ideale Zu-
sammenstellung einer Gruppe , wie der abgebildeten,
wohl Entschuldigung verdient; man vermochte die auS-
gebreitete und die eingezogene Krone, beschadigte und
aufgeschwollene Stellen (a), junge, auS dem Wurzel-
ende hervorsprossende Brut (d) und abgebrochene Stum-
mel alter Stengel (e) darzustellen. Actin i ocrini-
ten besahen gleichfalls grohe Kronen (A. triacondactylus
Fig. 3980.), allein besonderS gestaltete Scheibenplatten,
vieltheilige Arme und Stengelglieder mit gestrahlten
Gelenkstfichen.