Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
Mit 1558 Ubbildungen
Søgning i bogen
Den bedste måde at søge i bogen er ved at downloade PDF'en og søge i den.
Derved får du fremhævet ordene visuelt direkte på billedet af siden.
Digitaliseret bog
Bogens tekst er maskinlæst, så der kan være en del fejl og mangler.
Vierzehnte Classe.
Polype n.
Einleitung.
Polypen find felten fret schwimmende, in der Regel
vielmehr festfitzende, einsame oder zu Gefammtkorpern
verbundene Thiere. Ein weit verbreiteter Jrrthum
schreibt allen eine geringe Grofie zu, erklart ste vielleicht
sogar fur durchgangig mikroskopische Geschopfe, wah-
rend gerade die meisten wenigstenS vier bis funf Linien
im Durchmesser haben, viele ebensoviel Zolle, manche
bis anderthalben Fusi messen. Sowohl die einsamen
alS die mit anderen verwachsenen besitzen mit Blumen
eine merkwurdige Aehnlichkeit; ihre Gesammtkorper oder
Polypenstocke gleichen Halbstriuchen und sogar Baumen
deS Landes so sehr, datz fle selbst bessere Forscher bis in
verhaltnihmLhig neue Zeiten tauschten und dem Pflan-
zenreiche beigezahlt wurden. Sie wiederholen in der
Tiefe des MeereS alle Pflanzenformen der Erdoberflache,
die Pilze, Moose, Flechten, Farn und astige Busche,
die, mit Herrlichen Bluthen geschmuckt, nur die grutte
Belaubung entbehren. Ebenso unrichtig ist es, ihnen
inSgesammt einen gallertartigen und formloS weichen
Korper zuzuschreiben, denn ihr Gewebe gleicht vielmehr
festem Fleisch und kann biSweilen lederartige Zahigkeit
befitzen. Leder Polyp, mag er nun mehrereZoll breit,
frei und einzeln wie Seeanemonen, oder auSnehmend
klein und mit anderen verwachstn fein, hat einen unge-
gliederten, fleifchigen, fast walzenrunden Korper, den
oben eine vom Munde durchbohrte, mit einer odermeh-
reren Fuhlerreihen versehene Scheibe schlietzt, und der ent-
weder mittelS seineS hohlen Jnneren einen ganz einfachen
VerdauungSsack ohne After, oder auch einen kurzen
Darmcanal befitzt. Bei allen vollkommenen Polypen
lassen sich in der allgemeinen Korperhulle mehrere
Schichten unterscheiden, eine Oberhaut, die biSweilen
nur schleimig, andere Male fest und selbst rauh ist, und
eine zweite Schicht, die in der Regel mit den MuSkeln
verschmilzt. Die ost sehr lebhaften Farben nehmen
unter der Oberhaut einzelne Stellen ein und dilden
keine ununterbrochene Schicht, eine Eigenthumlichkeit,
welche die Unbestaudigkeit der Farbung bei verschiedenen
Jndividuen gleichen Alters und desselben Polypenstocks
erklLrt. Wo die OberstLche weich bleibt, finden fich
ost Flimmerharchen, die nur bei starker Vergrosie-
rung erkannt werden; ebenda liegen, indessen nicht bei
allen Arten, jene kleinen, hervorzuschnellenden Fadchen,
die schon erwahnten Nesselorgane, welche auf der Hand
Brennen erzeugen und ein fur kleine Secthiere lahmen-
des Gift enthalten. Bewegungen deS KorperS , die fich
namentlich alS Zusammenziehung wahrnehmen lassen,
geschehen oft mit vieler Energie, obgleich daS Nerven-
system, mindestens nach Maastgabe unserer Untersu-
chungSmittel, fich als sehr unvollkommen kundgiebt.
Ortsveranderung geht jedoch bei den freien Polypen
langsam, theils schwimmend, theilS auch durch Kriechen
mittels der den Mund umgebenden Arme von Statten;
ob die Seefedern, Verbindungen sehr zahlreicher Jndivi-
duen zu einem nicht angewachsenen Polypenstocke, ihre
Richtung im Wasser bestimmen, uberhaupt sich nach
einem Ziele selbststandig bewegen finnen, bleibt zu un-
tersuchen; fast scheint es, als ob sie fich den Wellen
uberlietzen und nur die Fahigkeit besahen, fich mit dem
Stiele in den Schlamm der Tiefe zuversenken. Rustige
Bewegungen nehmen allein die Fangarme vor, die aber
auch allein die active Verbindung der Polypen mit der
Ausienweltvermitteln und daher fur sie von grotter Wich-
tigkeit find. Immer bilden sie um den Mund einen ein-
fachen oder mehrfachen Kranz, sind daher in grotzerer oder
geringerer, bei vielen Gattungen aber fest bestimmten
Zahl vorhanden, drehrund, kurz und blattformig oder
lang und fadenartig, glatt oder mit kleinen Wimpern
gefranst, biSweilen gefiedert oder sonst eingeschnitten.
In der Regel stnd ste hohl, kinnen aus dem Jnnern
deS Korpers mittels eineS besonderen CanalS mit Was-
ser erfullt, also steif gemacht, durch Muskelfasern aber
auch zusammengedruckt, entleert und bis auf geringsten
Umfang eingezogen werden. Wo sie langen Faden
gleichen, kbnnen sie sich an fremde GegenstLnde schlin-
gen oder fich anheften mittels sogenannter Haftorgane,
auSnehmend kleiner, pfeilformiger Borsten, die auf
einer blasenformigen Unterlage wurzeln und mit dieser
zugleich in eine Zelle zuruckgezogen werden. Noch
kunstlichere Gestalt und Bau haben die auf den Armen
deS grunen Armpolypen unserer Sutzwasser stehenden
sogenannten Angelorgane, indem ste Gift absondern,
welches anderen, noch kleineren Wasserthieren schon bei
leichter Beruhrung die BemegungSfahigkeit entzieht.
Vielleicht vertreten die Arme auch die sonst nicht nach-
weisbaren AthmungSorgane, indem ste fich mit Wasser
anfullen; man michte ihnen diese Bedeutung wenigstenS
da zutrauen, wo ste kurz und steif, zum Umstricken eines
GegenstandeS ganz unfahig, vielleicht sogar zu Warzen
umgestaltet sind, wie bei vielen Seeanemonen. Im
ungestorten Zustande breiten Polypen die Fangarme
auS, und viele scheinen durch unaushirliche Bewegung
der Wimpern derselben einen Wirbel im Wasser Hervor-
zubringen, durch welchen alle sehr kleine Seethiere oder
organische Reste in den offenstehenden Mund gerissen
werden. Dieser durchbohrt die Mitte der Kopfscheibe,
befitzt mehrentheils sehr viele Dehnbarkeit und andert
daher auch nach UmstLnden in feincn Umrissen ; die ihn
umgebenden Lippen schwellen bei manchen Gattungen
zu gefalteten oder eingeschnittenen Wulsten, die, wenn
auch felten, fast wie doppelgefiedert erscheinen, indessen
fich genau an einander fugen und die Oeffnung schlie-
hen konnen. Unmittelbar hinter demselben beginnt die
VerdauungShLhle, die bei den Polypen der ersten Ab-
theilung (Blumenthieren) einen geschlossenen Magen
nicht darstellt und ziemlich drei Viertheilen der ganzen
Sånge deS Thieres gleichkomint. Ihr oberer oder Ma-
gentheil ist namlich am Grunde nicht geschlossen, son-
dern in unmittelbarer Verbindungmitder unteren Helste,
die man alS allgemeine Verdauungshihle ansteht, und
welche durch Falten der Wandungen unvollkommen
strahlig getheilt wird. Vermuthlich ist der Hergang
der Verdauung autzerordentlich einfach; der Nahrungs-
stoff vertheilt fich in die Lucken und Hohlen der Korper-
hulle und wird dort behufS der Erhaltung und Vergrb-
Herung deS KorperS aufgesogen. Ein eigentliches Blut
und besondere Gefahe deS Umlaufs find nie beobachtet
worden. Da die griHeren Polypen, zumal die See-
anemonen selbst kleine Fische, Kruster und Muscheln in
den Magen aufnehmen, deren Weiche Theile allein ganz
aufgelost und aufgesogen werden konnen, so mussen die
Harten Ueberreste durch den Mund wieder ausgestosien
werden. MooSthiere oder Polypen der zweiten Ab-
theilung befitzen minder einfache VerdauungSwerkzeuge;
hinter dein Munde liegt der Schlund, eine enge Speist-
rohre reicht zum meist mehrtheiligen Magen, und von
diesem aus steigt ein enger Darm zur Mundscheibe em-
por, um durch eine eigentliche Asterbssnung auSzumun-
den. Polypen scheinen ubrigens sehr gefratzig zu fein
und rasch zu verdauen. Ihr Nervensystem steht gewitz
nicht auf hoherer BildungSstufe und ist uberhaupt nur
bei MooSthieren und bei Actinien nachgewiestn. Bei
diefen besteht es aus drei bis funf zwischen dem Grunde
der Verdauungshihle und der Sohle gelegenenen Ner-
venknoten (Fig. 4026 a), die, durch Aeste (cc) verbun-
den , weiterhin in viele feine Zweige (b) fich auflistii
und zwischen den MuSkelfasern (d) verschwinden; bei
den MooSthieren bildet eS einen den Schlund umgeben-
den Ring. Noch weit weniger lagt fich von den Sin-
nesorganen melden; sehr kleine Augenpunkte wurden
foweit nur an der Wurzel der Arme bei einer den See-
anemonen verwandten Gattung entdeckt; Tastfinn und
Fuhlstnn stehen jedenfalls ziemlich hoch und scheinen
durch die ganze Classe gleichmistig verbreitet zu fein.
Fortpflanzung geschieht auf doppeltem Wege, durch
Eier und durch Knospen, die an dem mutterlichen Kor-
per hervortreiben und zu vollkommenen Jndividuen
erwachsen. Viele Polypen vereinen als Zwitter beiderlei
GeschlechtStheile in einem Korper, andere find getrenn-
ten Geschlechts. Bei Seeanemonen liegen die Eier-
fiocke (Fig. 4025. ff) eingeschloffen in den Hautigen
Rand der in die Magenhohle (e) vorspringenden Wand-
falten (b) und iffnen sich in diese durch feine den
Boden durchbohrende Leiter (Fig. 4027. ab; Eier auf
verschiedenen Entwickelungsstufen e — f); bei anderen
Polypen bilden die Eierstocke ausierliche Trauben. Mehr
in pfianzlicher Art geschieht die Vermehrung, wo
eine KnoSpe entsteht, die nach erlangter Reife abfallt
und zum felbststandigen Thiere erwachst, welcheS ein
ganz guallenartigeS Ansehen befitzt, spiterhin, ohne feine
Gestalt zu lindern, GefchlechtSwerkzeuge empsangt und
Eier legt, auS welchen nun Thiere von gewohnlicher
Polypengestalt Hervorkommen, die nach kurzer Freiheit
fich irgendwo ststsetzen und einen Polypenstamm be-
grunden finnen. Von der Entwickelung und dem
WachSthume deS letzteren erlangte man erst in unferen
Zeiten genaue KenntniH. Schon den Roniern und
Griechen waren die zierlichen, kalkartigen Gebilde deS
Meeres aufgefallen, die eine Menge der verschiedensten
Formen gewahren laffen, im frifchen Zustande oft in
lebhaften Farben leuchten, und zwar in tropifchen Mee-
ren FelSriffe bedecken, untermeerischen Garten von sel-