ForsideBøgerIllustrirte Naturgeschich…erreichs : Vierter Band

Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band

Forfatter: Eduard Pöppig

År: 1851

Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber

Sted: Leipzig

Sider: 296

UDK: St.f. 59 Pöp

Naturgeschichte der wirbellosen Thiere

Mit 1558 Ubbildungen

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Side af 318 Forrige Næste
Ersle Ordnung. Darmlose Infusorien. Infnsiansthiere. 263 Kbrperhulle leuchteten. Dah vom Munde auS tin kur- zer, bisweilen schlauchartiger Canal die ausgenommene Nahrung in daS Jnnere fuhre, haben fast alle Beob- achter gesehen; uber den weiteren Verlauf derselben Herrschen aber zwei fich schroff entgegenstehende An- sichten. Nach der einen, von Ehrenberg aufgestellten und bis auf die jungste Zeit fast allgemein angenomme- nen wurden alle Jnfustonsthiere mit einer groheren oder geringeren Zahl von Magen versehen sein, die alS wirkliche, durch befondere Membranen Hergestellte Sacke entweder nur durch den Mund, oder auch durch einen Darmcanal und wirklichen After die verdaueten Reste auSleeren. Nach einer anderen und fpaleren Auf- fafsung aber fehlt ein wirklicher Magen, vielmehr drin- gen ausgenommene Stoffe aus dem kurzen Schlunde in die gallertartige Ksrpermaffe, erfahren da vielleicht einige Verwandlungen, bewegen stch jedoch als kugelige oder eiformige BlSschen hin und her, bis ste vollkommen zer- setzt und in die Korpetmaffe ubergegangen, und bringen sonach, durch optische TLuschung, daS Bild besonderer, mit Nahrung erfullter VerdauungShohlen Hervor. Fast scheint eS, als ob die letztere Deutung die richtige sei, und dah somit Infusorien keineswegeS zu den irgend Hbher organisirten Thieten gestellt werden durfen, sondern viel- mehr hinfichtlich deS Herganges ihrer Ernahrung nur etwa den vollkommensten Pslanzen gleichkommen. Da indessen der schon fruhzeitig angeregte Streit, trotz viel- sacher Untersuchungen, noch nicht alS zum Abschlusse ge- diehen anzusehen ist, so wird in dem Folgenden die auf die Beschaffenheitder Eingeweide begrundete Eintheilung die- ser Thierclaffe noch beibehalten werden, die ubrigens theils Fleischfresser, theils Pstanzenfresser begreift. Jene vertil- gen grohe Zahlen ihrer eigenen Verwandten, diese begnu- gen fich mit den ersten Anfangen pflanzlicher Organismen, welche im Wasser vorkommen. Dah Stoffe beider Ar- ten im Snneren der Infusorien stch finden, beweist jede irgend starkere Vergroherung. An dem Vorhandensein eines NervensystemS glaubte Cuvier von vorn Herein zweifeln zurdurfen; ob gewisse, bei wenigen dieser Thier- chen gesehene Knolchen sur Andeutungen von Nerven ge- Halten werden durfen, steht noch unentschieden da. Je- denfallS aber befitzen diese Tastfinn und beweisen Em- pfindlichkeit gegen Licht. Augenflecke werden vielen zu- geschrieden, indessen eben auch als Sinnesorgane von manchen Forschern nicht anerkannt, vielmehr nimmt man an, dah die Oberflache, wie bei Pfianzen, ohne besonderes ortliches Organ eine allgemeine Empfindlich- keit gegen Licht befitze. Mannliche und weibliche Fort- pflanzungswerkzeuge sollen in demselben Jndividuum verbunden sein, also Zwitterbildung bestehcn, indessen findet auch diese Annahme grohen Widerspruch; nur pflanzliche Theilung ward vielfach beobachtet und durfte nedst der Knospenbildung, die einzige unzweifelhafte VermehrungSart sein. Urzeugung galt ehedem fur die auSschliehliche EntstehungSart der „unfichtbaren Thier- welt". Hat man nun auch in Zeiten, wo prufende Versuche unendlich schwerer waren als Heutzutage und zweifellose Erfahrungen noch nicht vorlagen, der Mog- lichkeit der Entstehung organischer Mesen auS elemen- tåren Sloffen ein viel zu grohes Feld eingeraumt, so ging man wohl andererseits eben auch zu weit, wenn man fie geradezu verneinte und sie selbst fur unsichtbar kleine und jedenfalls ziemlich unvollkommene Wesen nicht wollte gelten lassen. Alle bisher gemachten Er- fahrungen reichen nicht auS, um fie als unvertraglich mit allgemeinen Naturgesetzen nachzuweisen. Auher- ordentlich BieleS und Schwieriges bleibt indessen in die- ser Classe noch zu leisten, denn ganz abgesehen von der Deutung der inneren Theile und der Entwerfung eines phyfiologischen Bildes, fehlt sogar noch ein vollkommen festgestellter Begriff des JnfustonsthiereS, und eben daher ist eS wahrscheinlich, dah manche jetzt im Systeme auf- genommene Formen einst als pflanzliche Wesen oder alS Entwickelungsstufen anderer, vielleicht sogar im reisen Zustande hbher organistrter Geschopfe werden erkannt werden. — Die Berbreitung der Infusorien reicht uber die ganze Erde; eine jede Hauptzone befitzt eigenthum- liche Formen. An Fruchtbarkeit ubertreffen ste alle andere Thiere, denn eS ist berechnet worden, dah aus einem einzigen Stabthierchen bei gleichfsrmig fortschrei- tender Vervielf^ltigung 140 Billionen binnen vier Ta- gen entstehen ksnnen. Da es nun gleichfalls msglich ist, dah 1000 Millionen dieser unendlich kleinen Ge- schopfe in einem Wassertropfen von finer Cubiclinie Grohe enthalten sein konnen, so wird die in einem Teiche vorhandene Zahl jeder gewbhnlichen Berechnung spot- ten. Trotz ihrer Kleinheit spielen ste in der Schhpfung eine wichtige Rolle. Sie tragen foriwahrend bei zur Bildung und Vergroherung der oberen Erdschicht, denn viele besttzen Panzer, die, selbst im Feuer unzerstorbar, durch Anhaufung den Boden der Gewasset nach und nach verandern muffen. So klein diese Decken, einzeln ge- nommen, auch sein mogen, so ist, bei der grenzenlosen Vermehrung der Infusorien, die Hervorbringung von zwei Cubicfuh Stein innerhalb vier Tagen nicht unmbg- lich. Einhundert Millionen solcher Kieselpanzer wiegen nur einen Gran, und doch brachte Ehrenberg binnen ei- ner halben Stunde ein Pfund von ihnen im Moder ei- nes stehenden Gewjssers zusammen; der gereinigte Nie- derschlag ward als guter Trippel oder Kieselerde erkannt. Dah auch in fruheren Erdperioden Infusorien in grdh- ten Mengen gelebt haben, beweist ihr fosfileS Vorkom- men in der Kreide, dem Feuerstein, Opal und Polir- schiefer, Mineralien, die, bisweilen fast nur auS ihren Panzern zusammengefetzt, dennoch ansehnliche Bergmas- sen bilden. Der biliner Polirschiefer enthalt in einem Cubiczolle gegen 41,000 Millionen Panzer von Dosen- thierchen oder Gallionellen, und ahnlich ist die Zusam- mensetzung deS KieselguhrS und deS fogenannten Berg- mehls, welcheS in Lappland und Schweden zur Zeit von HungerSnoth als unfchadliches, wenn auch nicht nahren- des Mittel, um den Magen zu fullen, dem Brotmehle beigemengt worden ist. Manche mit Staunen oder auch mit aberglhubischem Schrecken betrachtete Naturerschei- nungen laffen stch aus periodisch groherem Aufireten der Infusorien erklaren, so die Blutregen und die plstz- liche Farbenanderung stehender Gewasser. Dah unter besonderen Umstanden solche Thiere mit aufsteigendem Mafferdunste in die Atmosphare konnen entfuhrt wer- den, gehort nicht zu den Nnmoglichkeiten, dah ste aber dort langer verweilen, vielleicht gar stch vervielsaltigen und als Eier nach anderen Gegenden getragen werden, mag man mit Recht bezweifeln. Von solchen Vermu- thungen ausgehend, trauete man ihnen sogar die Ver- breitung der gefurchteten Cholera zu, und Wirklich stan- den Beobachter auf, die fie in der Luft durch mikrosko- pische Untersuchung wollten gefunden haben, obgleich Ehrenberg schon 1832 erfIdrt, dah er bei dem ersten Er- scheinen jener Krankheit in Deutschland irgend eine Veranderung in der Jnfusorienwelt nicht habe entdecken konnen. Das System des eben genannten ForscherS ward zwar in neuesten Zeiten vielfach angegriffen und sogar fur unhaltbar erklart, muh aber so lange befolgt werden, bis ein andereS, ebenfo genau gegliedertes wird aufge- stellt worden sein. Da Formenbeschreibung, zumal wo eS fich um unfichtbare Wesen handelt, nicht allgemein anziehend sein kann, suhren wir allein die Kennzeichen von den Ordnungen und einigen der ausgezeichneteren Familien an. Die Raderthiere, welche sonst in dieser letzten Classe ihren Platz erhielten, befitzen eine viel vollkommenere Organisation und find bereitS oben (S. 135) als besondere Classe besprochen worden. Erste Ordnung. Darmlose Infusorien. Thiere mit mehreren, dem Munde angehanglen Ma- gen ohne eigentlichen Darm und After. Familie der Monaden. Korper nackt, ohne veranderliche, fuhformige Fort- satze, durch Selbsttheilung in je zwei Theile zerfallend. Ohne Anwendung einer wenigstens dreihundertmali- gen Vergroherung vermag man Monaden nicht zu erken- nen und findet eS ost schwer, fie von den Jungen ande- rer Infusorien zu unterscheiden. Mit ihnen find auch andere sich bewegende, im Inneren von Pflanzenzellen und Infusorien oder in gewissen Flussigkeiten, z. B. dem in Wasser aufgelssten Eidotter, vorkommende Korperchen verwechselt worden, die entweder integrirende Theile je- ner Organismen oder bisweilen gar nicht organisch find. Die Schluhmonade (Monas Termo) Fig. 4092. bil- de! die Grenze der wirklich beobachteten thierischen Orga- nisation, indem die kleinsten Jndividuen 1/2000 Linie, die gråsten 1/500 Linie messen. Familie der Kugelthiere. Korper unbehaart, mit bestandiger Form, gepanzert und innerhalb dieser Hulle durch Selbsttheilung fich ver- mehrend; nach dem Platzen derselben treten die Jun- gen aus. DaS grune Kugelthier (Volvox globator) gig. 4093. ward durch Leuwenhoeck im Jahr 1698 entdeckt und galt lange fur ein Einzelthier, whhrend eS vielmehr eine hohle, mit anderen Kugeln erfullte Kugel, also ein Mo- nadenstock ist. Auch die inneren Kugeln find keine Jn- dividuen, als welche die kleinen Punktchen der Ober- flache angesehen werden muffen, welche in einen gallert- artigen Panzer eingehullte, durch drei oder mehr Rsh« ren mit den Nachbarn verbundene, wahre Monaden find. Familie der Stabthierchen. Korper unbehaart, mit mehreren verandetlichen Fort- satzen, in einen ein- oder zweischaaligen, an einem oder mehreren Orten offenen Panzer gehullt, frei oder ange- Heftet, durch Langslheilung astig oder facherformig. Es ist noch sehr zweifelhaft, ob diese Wesen zu dem Thierreiche gehoren; viele Botaniker halten fie geradezu fut Pflanzen, stellen fie zu den Algen und scheinen den Sieg uber die Zoologen davon zu tragen, welchen eS noch nicht gelungen ist, Aeuherungen thierischer ThLtig- keiten bei jenen Geschopsen nachzuweisen. Bei den Zel- lensternen ssiebenstrahliger Zellenstern Micras- terias heptactis Fig. 4094.) stellen fich die gepairzerlen Thierchen zum regelmahigen Siern zusammen; daS Lsin- genschildchen (Cocconeis scutellum) Fig. 4095. bie- let das Beispiel eineS immer nur einzelnen, freien, in ei- nen zweiklappigen Kieselpanzer eingeschlossenen Slab- thierchens und fitzt an Pfianzen der Nord- und Ostsee. Die Schiffthierchen sind einzeln oder gepaarl, mit ein- facheni, zwei- oder mehrklappigen,priSmatischen, an sechS Stellen offenen Panzer versehen. DaS goldene S chiffthierchen (Navicula splendida) Fig. 4096. wird bis 1/9 Linie lang und scheint zu den felteneren In- fusorien DeutschlandS zu gehdren.