Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
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Ersle Ordnung. Darmlose Infusorien.
Infnsiansthiere.
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Kbrperhulle leuchteten. Dah vom Munde auS tin kur-
zer, bisweilen schlauchartiger Canal die ausgenommene
Nahrung in daS Jnnere fuhre, haben fast alle Beob-
achter gesehen; uber den weiteren Verlauf derselben
Herrschen aber zwei fich schroff entgegenstehende An-
sichten. Nach der einen, von Ehrenberg aufgestellten
und bis auf die jungste Zeit fast allgemein angenomme-
nen wurden alle Jnfustonsthiere mit einer groheren
oder geringeren Zahl von Magen versehen sein, die
alS wirkliche, durch befondere Membranen Hergestellte
Sacke entweder nur durch den Mund, oder auch durch
einen Darmcanal und wirklichen After die verdaueten
Reste auSleeren. Nach einer anderen und fpaleren Auf-
fafsung aber fehlt ein wirklicher Magen, vielmehr drin-
gen ausgenommene Stoffe aus dem kurzen Schlunde in
die gallertartige Ksrpermaffe, erfahren da vielleicht einige
Verwandlungen, bewegen stch jedoch als kugelige oder
eiformige BlSschen hin und her, bis ste vollkommen zer-
setzt und in die Korpetmaffe ubergegangen, und bringen
sonach, durch optische TLuschung, daS Bild besonderer,
mit Nahrung erfullter VerdauungShohlen Hervor. Fast
scheint eS, als ob die letztere Deutung die richtige sei, und
dah somit Infusorien keineswegeS zu den irgend Hbher
organisirten Thieten gestellt werden durfen, sondern viel-
mehr hinfichtlich deS Herganges ihrer Ernahrung nur
etwa den vollkommensten Pslanzen gleichkommen. Da
indessen der schon fruhzeitig angeregte Streit, trotz viel-
sacher Untersuchungen, noch nicht alS zum Abschlusse ge-
diehen anzusehen ist, so wird in dem Folgenden die auf die
Beschaffenheitder Eingeweide begrundete Eintheilung die-
ser Thierclaffe noch beibehalten werden, die ubrigens theils
Fleischfresser, theils Pstanzenfresser begreift. Jene vertil-
gen grohe Zahlen ihrer eigenen Verwandten, diese begnu-
gen fich mit den ersten Anfangen pflanzlicher Organismen,
welche im Wasser vorkommen. Dah Stoffe beider Ar-
ten im Snneren der Infusorien stch finden, beweist jede
irgend starkere Vergroherung. An dem Vorhandensein
eines NervensystemS glaubte Cuvier von vorn Herein
zweifeln zurdurfen; ob gewisse, bei wenigen dieser Thier-
chen gesehene Knolchen sur Andeutungen von Nerven ge-
Halten werden durfen, steht noch unentschieden da. Je-
denfallS aber befitzen diese Tastfinn und beweisen Em-
pfindlichkeit gegen Licht. Augenflecke werden vielen zu-
geschrieden, indessen eben auch als Sinnesorgane von
manchen Forschern nicht anerkannt, vielmehr nimmt
man an, dah die Oberflache, wie bei Pfianzen, ohne
besonderes ortliches Organ eine allgemeine Empfindlich-
keit gegen Licht befitze. Mannliche und weibliche Fort-
pflanzungswerkzeuge sollen in demselben Jndividuum
verbunden sein, also Zwitterbildung bestehcn, indessen
findet auch diese Annahme grohen Widerspruch; nur
pflanzliche Theilung ward vielfach beobachtet und durfte
nedst der Knospenbildung, die einzige unzweifelhafte
VermehrungSart sein. Urzeugung galt ehedem fur die
auSschliehliche EntstehungSart der „unfichtbaren Thier-
welt". Hat man nun auch in Zeiten, wo prufende
Versuche unendlich schwerer waren als Heutzutage und
zweifellose Erfahrungen noch nicht vorlagen, der Mog-
lichkeit der Entstehung organischer Mesen auS elemen-
tåren Sloffen ein viel zu grohes Feld eingeraumt, so
ging man wohl andererseits eben auch zu weit, wenn
man fie geradezu verneinte und sie selbst fur unsichtbar
kleine und jedenfalls ziemlich unvollkommene Wesen
nicht wollte gelten lassen. Alle bisher gemachten Er-
fahrungen reichen nicht auS, um fie als unvertraglich
mit allgemeinen Naturgesetzen nachzuweisen. Auher-
ordentlich BieleS und Schwieriges bleibt indessen in die-
ser Classe noch zu leisten, denn ganz abgesehen von der
Deutung der inneren Theile und der Entwerfung eines
phyfiologischen Bildes, fehlt sogar noch ein vollkommen
festgestellter Begriff des JnfustonsthiereS, und eben daher
ist eS wahrscheinlich, dah manche jetzt im Systeme auf-
genommene Formen einst als pflanzliche Wesen oder alS
Entwickelungsstufen anderer, vielleicht sogar im reisen
Zustande hbher organistrter Geschopfe werden erkannt
werden. — Die Berbreitung der Infusorien reicht uber
die ganze Erde; eine jede Hauptzone befitzt eigenthum-
liche Formen. An Fruchtbarkeit ubertreffen ste alle
andere Thiere, denn eS ist berechnet worden, dah aus
einem einzigen Stabthierchen bei gleichfsrmig fortschrei-
tender Vervielf^ltigung 140 Billionen binnen vier Ta-
gen entstehen ksnnen. Da es nun gleichfalls msglich
ist, dah 1000 Millionen dieser unendlich kleinen Ge-
schopfe in einem Wassertropfen von finer Cubiclinie
Grohe enthalten sein konnen, so wird die in einem Teiche
vorhandene Zahl jeder gewbhnlichen Berechnung spot-
ten. Trotz ihrer Kleinheit spielen ste in der Schhpfung
eine wichtige Rolle. Sie tragen foriwahrend bei zur
Bildung und Vergroherung der oberen Erdschicht, denn
viele besttzen Panzer, die, selbst im Feuer unzerstorbar,
durch Anhaufung den Boden der Gewasset nach und nach
verandern muffen. So klein diese Decken, einzeln ge-
nommen, auch sein mogen, so ist, bei der grenzenlosen
Vermehrung der Infusorien, die Hervorbringung von
zwei Cubicfuh Stein innerhalb vier Tagen nicht unmbg-
lich. Einhundert Millionen solcher Kieselpanzer wiegen
nur einen Gran, und doch brachte Ehrenberg binnen ei-
ner halben Stunde ein Pfund von ihnen im Moder ei-
nes stehenden Gewjssers zusammen; der gereinigte Nie-
derschlag ward als guter Trippel oder Kieselerde erkannt.
Dah auch in fruheren Erdperioden Infusorien in grdh-
ten Mengen gelebt haben, beweist ihr fosfileS Vorkom-
men in der Kreide, dem Feuerstein, Opal und Polir-
schiefer, Mineralien, die, bisweilen fast nur auS ihren
Panzern zusammengefetzt, dennoch ansehnliche Bergmas-
sen bilden. Der biliner Polirschiefer enthalt in einem
Cubiczolle gegen 41,000 Millionen Panzer von Dosen-
thierchen oder Gallionellen, und ahnlich ist die Zusam-
mensetzung deS KieselguhrS und deS fogenannten Berg-
mehls, welcheS in Lappland und Schweden zur Zeit von
HungerSnoth als unfchadliches, wenn auch nicht nahren-
des Mittel, um den Magen zu fullen, dem Brotmehle
beigemengt worden ist. Manche mit Staunen oder auch
mit aberglhubischem Schrecken betrachtete Naturerschei-
nungen laffen stch aus periodisch groherem Aufireten
der Infusorien erklaren, so die Blutregen und die plstz-
liche Farbenanderung stehender Gewasser. Dah unter
besonderen Umstanden solche Thiere mit aufsteigendem
Mafferdunste in die Atmosphare konnen entfuhrt wer-
den, gehort nicht zu den Nnmoglichkeiten, dah ste aber
dort langer verweilen, vielleicht gar stch vervielsaltigen
und als Eier nach anderen Gegenden getragen werden,
mag man mit Recht bezweifeln. Von solchen Vermu-
thungen ausgehend, trauete man ihnen sogar die Ver-
breitung der gefurchteten Cholera zu, und Wirklich stan-
den Beobachter auf, die fie in der Luft durch mikrosko-
pische Untersuchung wollten gefunden haben, obgleich
Ehrenberg schon 1832 erfIdrt, dah er bei dem ersten Er-
scheinen jener Krankheit in Deutschland irgend eine
Veranderung in der Jnfusorienwelt nicht habe entdecken
konnen.
Das System des eben genannten ForscherS ward zwar
in neuesten Zeiten vielfach angegriffen und sogar fur
unhaltbar erklart, muh aber so lange befolgt werden,
bis ein andereS, ebenfo genau gegliedertes wird aufge-
stellt worden sein. Da Formenbeschreibung, zumal wo
eS fich um unfichtbare Wesen handelt, nicht allgemein
anziehend sein kann, suhren wir allein die Kennzeichen
von den Ordnungen und einigen der ausgezeichneteren
Familien an. Die Raderthiere, welche sonst in dieser
letzten Classe ihren Platz erhielten, befitzen eine viel
vollkommenere Organisation und find bereitS oben (S.
135) als besondere Classe besprochen worden.
Erste Ordnung.
Darmlose Infusorien.
Thiere mit mehreren, dem Munde angehanglen Ma-
gen ohne eigentlichen Darm und After.
Familie der Monaden.
Korper nackt, ohne veranderliche, fuhformige Fort-
satze, durch Selbsttheilung in je zwei Theile zerfallend.
Ohne Anwendung einer wenigstens dreihundertmali-
gen Vergroherung vermag man Monaden nicht zu erken-
nen und findet eS ost schwer, fie von den Jungen ande-
rer Infusorien zu unterscheiden. Mit ihnen find auch
andere sich bewegende, im Inneren von Pflanzenzellen
und Infusorien oder in gewissen Flussigkeiten, z. B. dem
in Wasser aufgelssten Eidotter, vorkommende Korperchen
verwechselt worden, die entweder integrirende Theile je-
ner Organismen oder bisweilen gar nicht organisch find.
Die Schluhmonade (Monas Termo) Fig. 4092. bil-
de! die Grenze der wirklich beobachteten thierischen Orga-
nisation, indem die kleinsten Jndividuen 1/2000 Linie, die
gråsten 1/500 Linie messen.
Familie der Kugelthiere.
Korper unbehaart, mit bestandiger Form, gepanzert
und innerhalb dieser Hulle durch Selbsttheilung fich ver-
mehrend; nach dem Platzen derselben treten die Jun-
gen aus.
DaS grune Kugelthier (Volvox globator) gig.
4093. ward durch Leuwenhoeck im Jahr 1698 entdeckt und
galt lange fur ein Einzelthier, whhrend eS vielmehr eine
hohle, mit anderen Kugeln erfullte Kugel, also ein Mo-
nadenstock ist. Auch die inneren Kugeln find keine Jn-
dividuen, als welche die kleinen Punktchen der Ober-
flache angesehen werden muffen, welche in einen gallert-
artigen Panzer eingehullte, durch drei oder mehr Rsh«
ren mit den Nachbarn verbundene, wahre Monaden find.
Familie der Stabthierchen.
Korper unbehaart, mit mehreren verandetlichen Fort-
satzen, in einen ein- oder zweischaaligen, an einem oder
mehreren Orten offenen Panzer gehullt, frei oder ange-
Heftet, durch Langslheilung astig oder facherformig.
Es ist noch sehr zweifelhaft, ob diese Wesen zu dem
Thierreiche gehoren; viele Botaniker halten fie geradezu
fut Pflanzen, stellen fie zu den Algen und scheinen den
Sieg uber die Zoologen davon zu tragen, welchen eS
noch nicht gelungen ist, Aeuherungen thierischer ThLtig-
keiten bei jenen Geschopsen nachzuweisen. Bei den Zel-
lensternen ssiebenstrahliger Zellenstern Micras-
terias heptactis Fig. 4094.) stellen fich die gepairzerlen
Thierchen zum regelmahigen Siern zusammen; daS Lsin-
genschildchen (Cocconeis scutellum) Fig. 4095. bie-
let das Beispiel eineS immer nur einzelnen, freien, in ei-
nen zweiklappigen Kieselpanzer eingeschlossenen Slab-
thierchens und fitzt an Pfianzen der Nord- und Ostsee.
Die Schiffthierchen sind einzeln oder gepaarl, mit ein-
facheni, zwei- oder mehrklappigen,priSmatischen, an sechS
Stellen offenen Panzer versehen. DaS goldene
S chiffthierchen (Navicula splendida) Fig. 4096.
wird bis 1/9 Linie lang und scheint zu den felteneren In-
fusorien DeutschlandS zu gehdren.