Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
Mit 1558 Ubbildungen
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Krebse.
Krustenthicre.
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Oliede, an Lange dem Bruststucke gleich mit Harter Be-
deckung. Erstes Fuhpaar scheerenlos, zweileS bis vier-
tes Schwimmfuge, letztes fadenformig verklimmert.
LXXII. Albunea. (Albunea.)
GattungScharakter: Endglied des ersten Fug-
PaareS hakig, gegen das vorletzie breite Glied einzn-
schlagen; Endglieder der ubrigen Fngpaare sichelfstmig.
Die Albuneen besttzen unverkennbare Verwandt-
schaft mit den Froschkrabben, theilS hinfichilich der Kor-
Pergestalt, theilS dnrch Ban der Fuge. Der letzte Ring
des Bruststuckes ist mit den vorhergehenden nicht ver-
Wachsen. Die indische Albunea (A. symnista) Fig.
2652. wird 1% 3od lang, ist braungelb und aufBrust-
stuck sowie Fugen start behaart.
LXXin. Schildkrotenkrabbe. (Remipes.)
Gattungscharakter: Endglied deS ersten Fug-
Paares spitzig; Endglieder der ubrigen Fngpaare platt,
im Umrisse verschieden.
Die australische Schildkrotenkrabbe (R.
testudinarius) Fig. 2653. migt 1% Zoll, ist gelblich ge-
får6t und hat ein ovales, am Vorderrande fnnfzShniges,
obenher etwaS runzliches Bruststuck, schmalen Hinter-
leib, kurze Hinterfuge, zu kleinen Scheeren umgestaltete
Kieferfuge, vier kurze Fuhler, deren innere jedoch in
einen Faden enden.
LXXIV. Hippa. (Hippa.)
Gattungscharakter: Endglied deS ersten Fng-
Paares verkehrt cifotmig; Endglieder der ubrigen Fug-
Paare platt.
Bei der Hippa enden die zwei vorderen Fngpaare in
eine zusammengedruckte, aber fingerlose Hand, die End-
glieder deS dritten und vierten Fngpaares find dreieckig
und jene deS letzten PaareS sehr breit und ruderformig, die
inneren Fuhler laufen aus in lange Faden. Die Augen
stehen auf blattformigen Stielen. Die abgcbildete Art
(H. emerita) Fig.2654. unterscheidet fich von einer ahn-
lichen astatischen durch runzliches Bruststuck; sie migt
1 Zoll.
Dritte Familie.
Eremitenkrebse.
Bewegliche Anhange am vorletzten Gliede des wei-
chen Hinterleibs, keine wahre Endstoffe bildend. ErsteS
Fuhpaar eine starke Scheere tragend; viertes und funf-
teS Fuhpaar verkurzt mit kleiner Scheere versehen.
Bei ihrem grogen Umfange bietet die Classe der
Kruster felten Gelegenheit zur Beschreibung besonderer
und merkwurdiger Sitten, und daher bleibt ost nicht
viel mehr ubrig, als die systematischen Kennzeichen der
Gruppen und Gattungen aufzuzahlen. Die Eremiten-
krebse machen eine gluckliche Ausnahme. Jedermann
Weig, dah sie ihren Namen der Gewohnheit verdanken,
von leeren Schneckenhausern Befitz zu ergreifen, den
Hinterleib in diese zu versenken, und sie im Gange auf
den Rucken geladen mit sich herumzufchleppen. In dem
Mangel Harter Bedeckung deS SchwanzeS liegt aller-
dings eine gute Erklarung jenes Berfahrens; warum
aber eine Familie der Krebse, im Gegensatze zu allen
anderen, gerade an dieser Unvollkommenheit leiden musse,
entrathselt weder die materielle Forschung, noch die
Speculation. Als eine zufallige oder entbehrliche darf
jene Sitte der Eremitenkrebse nicht angesehen wer-
den, denn der ganze Korperbau macht sie zur unab-
weislichen. Die schon am Borderkorper unverkennbare
Ashmmetrie einzelner Theile Hat ihre Bedeutung, die aber
am cylindrischen, spiralisch gedrehten, mit ungleichen
Haftorganen besetzten Hinterleibe noch offener hervor-
tritt. Das wenig Harte Bruststuck der Eremitenkrebse
wird durch Hautige Furchen mehrfach getheilt; eine der-
selben trennt die Magengegend von der Herzgegend, die
andere die zwei Hinteren Ringe. Die angeren Kiefer-
fuste (Fig. 2655. c) haben ganz die Gestalt eigentlicher
Fuhe; die Fuhler wechseln in den Langeverhaltnissen
je nach der Gattung, die Sugeten tragen am zweiten
Gliede einen Stachel, welcher die Stelle eines Tasters
zu vertreten scheint. Fast niemals gleichen sich die ubri-
gens starken Scheeren an Groge, denn bald Hat die rechte,
bald die linke grogeren Umfang, allezeit aber einen bogigen
Auhenrand (Fig. 2660 a), entspricht folglich der Mun-
dung des SchneckenhauseS und kann diese vollkommen
und wie ein Deckel schliehen, fobald die Krabbe sich ganz
zuruckgezogen. Das zweite und dritte Fuhpaar ver-
halten fich im Allgemeinen wie bei regelmagigen Krab-
ben, nur haben fie weit langere Endglieder, Hingegen
erscheinen bie Hintersten zwei Fuhpaare wie verkummert,
liegen immer Hoher als die vorderen und enden in kurze
Scheeren. Die funf Hinterleibsringe haben eine rudi-
mentare Beschaffenheit, der zweite und dritte tragen bis-
weilen eine Art falscher Fuhe; am Ende deS Hinlerlei-
beS vertreten zwei Hornige Platten den fehlenden sechsten
und fiebenten Ring, und eben dort stehet ein Paar meist
unsymmetrische, in zwei dicke Theile gespaltene An-
hange, welche nur dazu bestimmt find, die Spindelfal-
teu der Schnecke zu erfassen. Einige Arten von Ere-
mitenkrebsen saugen noch auherdem durch eine Reihe
Bauchwarzeii fich fest. Wenn jene Anhange und die
Hinteren Fuhpaare die Spindel ergriffen, der Hinterleib
fich spiral um dieselbe geschlungen, so sitzt der Krebs so
fest, dah man ihn nur durch Zerreihung und also stuck-
weis aus seiner Behausung zu ziehen vermag. Im
Uebrigen verhSlt er fich nicht blos passiv, sondern ge-
braucht biSweilen die grogere, schnell Hervorgestreckte
Scheere, um den Gegner empfindlich zu kneipen. Wird
mil der Zeit das Haus ihm zu eng, so vertauscht er es
mit einem anderen und verfahrt hierbei wahrscheinlich
mit Schnelle und Borficht, denn ihm stellen viele Feinde
nach. Einige Arten sitzen in Seeschwammen verbor-
gen und geniehen da verhSllnihmahige Sicherheit, und
der Beutelkrebs (Fig. 2662.) sucht unter Baumwurzeln
Schutz. Keineswegs frefsen die Eremitenkrebse die
Schnecken auS ihren Hausern, wie hin und wieder er-
zahlt wird , denn fie konnen nicht zu denselben gelan-
gen, vielmehr nehmen fie nur Befitz von leeren Gehan-
sen, die eben deshalb immer sehr abgerieben, mit Meer-
kork und allerlei Parafiten uberzogen und also auch fur
Sammlungen werthloS find. Mit solcher Last kriechen
fie ziemlich schnell, klettern sogar an schlupfrigen Felsen
Hinauf und wifsen sich durch einen Sprung in daS Mas-
ser oder schleuniges Verbergen in Hohlen der Verfol-
gung zu entziehen. Ehedein unterschied man wenige
Arten, die gegenwartig zahlreich und in vier Gattungen
vertheilt find.
LXXV. EinsiedlerkrebS. (Pagurus.)
G attungscharakter: Innere Fuhler kurz.
Hinterleib spiralisch, mit einem Paare unsymmetrischer
Anhange.
Es giebt nicht eine Erdgegend, die kaltesten ausge-
nommen, ohne eine oder mehrere Arten von Einfiedler-
krebsen, von welchen bereits 35 beschrieben sind. Bei
der gegenseitigen grohen Aehnlichkeit halt die Aufstel-
lung guter Kennzeichen fur die einzelnen ziemlich schwer.
In ihren Sitten stimmen fie sehr uberein. Manche
laufen mit groher Schnelligkeit auf dem nafsen See-
strande, alle scheinen nur von thierischen Stoffen, nicht
aber von Pflanzen und Fruchten zu leben, wie gewiffe
Diogeneskrebse und der Beutelkrebs, die fich im Vor-
zuge an baumreichen Ufern aufhalten; sie entfernen sich
uberhaupt nicht weit vom Meere. Die groheren Arten
werden des fleischigen und fetten Hinterleibes Wegen
gern gegessen. An allen Kusten unfereS MelttheileS
lebt der gemeine Einfiedlerkrebs oder Bern-
Hardskrebs (P. Bernhardus) Fig. 2655. a b. Er Hat
dicke, kurze Augenstiele; die rechte Scheere ist groher
als die linke, das Endglied des zweiten und dritten Fng-
paareS untenher stachelig, sonst sehr lang, zusammenge-
druckt und scharfspitzig. Der miggestaltete Eiu-
siedlerkrebS (P. deformis) Fig. 2656. Hat dicke,
etwas verlangerte Augenstiele, langgestreckte Hornhaut;
die linke Scheere ist die grohere, das Endglied des vier-
ten Fuhpaares sehr grog, fichelformig; er lebt auf
Mauritius und den Sechellen und migt 5 Zoll. Der
chilenischeEinfiedlerkrebs (P. chilensis) Fig.
2657. tragt auf dem Vorderrande des Bruststucks in der
Mitte einen kurzen Stachel, Hat am Hinterleibe unpaa-
rige falsche Fuge und lange Augenstiele. Die Scheeren
sind kurz, fast Herzformig, die linke ist die grohere.
LXXVI. Caiiccllns. (Cancellus.)
GattungScharakter: Innere Fuhler kurz. Hin-
terleib nicht spiralisch, mit einem Paare symmetrischer
Anhange.
Der dickleibige Cancellus (Cancellus Typus)
Fig. 2658. unterscheidet fich von den Einfiedlerkrebsen
durch seinen Hinterleib; auherdem hat bie Entwickelung
des zweiten und die Verkummerung deS funften Fuhpaares
sehr viel Charakteristisches. Das einzige bekannte Erem-
plar befindet sich im Pariser Museum. Sein Ursprung
ist unbekannt.
LXXVIL Diogeneskrebs. (Cenobita.)
Gattungscharakter: Innere Fuhler sehr lang.
(Fig. 2659.) Hinterleib spiralisch, fast ganz Hautig.
ES scheint, dah diese Gattung nur den warmeren
Meeren angehore, denn in Europa besitzt sie keinen Ver-
treter und ebenso wenig in Nordamerika. Hinsichtlich
der Sitten besteht zwischen ihr und jener der Einsted-
lerkrebse wohl kaum ein Unterschied. Die bekannlen
Arten wohnen in Menge an niedrigen, sandigen Kusten
und konnen in ihren unregelmahigen Streifereien an
solchen Orten deutlich wahrgenommen werden , wo das
Masser klar und nicht ties ist. Sie sollen langsani krie-
chen und wie andere Kruster von kleinen Seethieren le-
ben; einige freffen auch Fruchte, wenn anders die in
Westindien lebenden Berichterstatter einen Jrrthum in
Vestimmung der Arten nicht begangen; es wird sogar
Hinzugesetzt, dah unter ihnen vollkommene Landthiere
vorkommen, die, gleich den Wanderkrabben, nur zur
Zeit der Fortpflanzung das Meer anfsuchen. UebrigenS
verbergen auch sie den Hinterleib in leere Meerschnecken
und treffen ihre Wahl offenbar nur nach Bequemlichkeit,
und ohne im Geringsten die Species des Gehauses zu
beruckstchtigen. Dah fle Geflcht und Geruch in groher
Scharfe befitzen , bestatigen alle Beobachter. Gewisse in
Westindien heimische, wahrscheinlich noch unbeschriebene
grLhere Arten sollen fur die Tafel sehr gesucht sein.
Der westindischeDiogeneskrebs (Cenobila Dio-
genes) Fig. 2660. 2661. kann zu denselben nicht gehoren,
indeni er Hochstens 3 Zoll lang wird. Er ist einer der
gemeinsten und bekanntesten und unterscheidet fich durch
cylindrische, am Ende abgerundete Augenstiele von flhn-
lichen Arten.
LXXVIII. Beutelkrebs. (Birgus.)
Gattungscharakter: Innere Fuhler sehr lang.
Hinterleib nicht spiralisch, mit grogen, Hornigen Halb-
ringen bedeckt.
Nicht leicht Hat ein Kruster mehr Fabeln veranlagt
als der gemeine Beutelkrebs (B. Latro) Fig.
2662., welche auf den Molukken lebt und eine ansehn-
liche ©råge erreicht. Rumph, einer seiner ersten Be-
schreiber, erzahlt so Lacherliches von ihm, dag man die
Leichtglaubigkeit jener Zeit kaum begreist. Er soll so
stark sein, dag er, schwebend angebunden, eine Ziege am
Ohre saffen und zu fich emporziehen konnte; andere
Reisende schreiben ihm eine besondere Neigung zu Cocos-
nussen zu, die er nach Ersteigung der Palme mit den
Scheeren abschnitt und am Boden, trotz ihrer Stein-
Harte, zu offnen wugte. Zuverlasfige, wenn auch
kurze, freilich anders und gewohnlich lautende Nachrich-
ten verdankt man dem Englander Cuming, der auf meh-