Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
Mit 1558 Ubbildungen
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Rankensuste r.
Elstc Familie. Entenmuseheln.
das Hint vertretenben und den Schlund (gig. 2756 x.)
uinfafsenden Ring (1) an, von welchem einige zur Rfi-
ckenseite bestimmte Faden (v v'v") abgehen, auch die
Speichelbrfisen (Fig. 2755. d—d"") ihre Aeste (Fig.
2755. V) erhalten. Lindere Knoten dilden sich seitlich
(Z Z), und der boppelte an der unteren Seite verlaufendc
Strang giebt endlich aufjedeS Segment oder (eden Ranken
Aeste (Fig.2756.2—6) ab, die aus kleinen Anschwellungen
entspringen. Selbst dem ausfnhrenden Werkzeuge (U')
fehlen zwei Parallele Nervenf^den (g' y) nicht. Von
Sinnesorganen, die kleinen Taster ausgenommen, findet
sich keine Spur, selbst nicht von den Augen, die zwar in
der Regel den meisten niederen Thieren nicht fehlen, in-
defsen von festfitzenden, wie den Rankenffitzetn, leichter
als von frei beweglichen entbehrt werden konnen. Eine
der merkwfirbigsten Entdeckungen in der Geschichte der
fruher sehr vernachlasfigten Rankensfitzer ist die von
Thompson gemachte, dafi sie eine vollkommene Ver-
wandlung durchlaufen. Die funge Meereichel (Balanus)
mitzt ohngefahr eine Linie in der Lfinge, ist von ellipti-
scher Gestalt, durchscheinend und gleicht gar sehr eincm
mikroskopischen Krustenthiere, zumal einem Pinselstohe.
Gleich diesem scheint sie mit einer zweischaaligen, einer
Muschel ahnlichen Hulle bedeckt, doch theilt sie feine Be-
Weglichkeit nicht, sondern liegt ruhig am Boden des mit
Seemasscr ersfillten GesatzeS, in welches sie vom Beob-
achter versetzt ward. Selten offnet sie die Schaalen und
streckt die Glieder hervor, von welchen das vordere mit
Saugnapfen versehene Paar zur Befestigung an andere
Gegenstanbe dient, die folgenden sechs Paar kraftige
Schwimmwerkzeuge darstellen, sich bewegen und den
Korper sprungweis vorwatts treiben, wie bei dem Cy-
clopS. Gin zweigliederiger, in Borsten enbenbet Hinter-
leib vermehrt die Zahl der Bewegungswerkzeuge; auch
ist ein Paar gestielter Augen vorhanden. Nach einiger
Zeit erfolgt die Hautung; das Thier heftet sich an und
entwickelt autzetlich Harte Platten, die endlich zu einem
regelmatzigen Gehause verwachsen. Wenn am Schluffe
von mindestens drei Verwandlungen die inneren, die
Mundung schlietzenben Schaalenstficken entstanden, ist
die Meereichel unverkennbar, und dergleichen sehr junge
Brut verschiedener Arten ist unter einem Namen als
besondere Species (Balanus pusillus) beschrieben wor-
den. Auch an gestielten Entenmuscheln ist derselbe Her-
gang und die Aehnlichkeit mit Buschelfuhern in der
crsten Lebenszeit beobachtet worden. Deutsche, englische
und franzosische Naturforscher haben die gradweise Um-
gestaltung der Organe, daS Verschwinden einiger, die
Entstehung anderer genau verfolgt.
Rankenfutzer werden in allen Meeren angetrofsen
und Hangen an fremden Korpern, an Schiffen, trei-
benden Holzstficken, ein- und zweischaaligen Wcich-
thieren, Schildkroten, Walen, fogat Seeschlangcn oder
an Felsen, Rollsteinen und Seegrasern. Bisweilen fiber-
ziehen sie zu Tausenden und dicht gedrangt eine Flache,
denn ost Hfingen sich die Jungen an den Stiel der Mut-
ter (Fig. 2749. B'), und Meereicheln fitzen wohl in Stock-
werken uber einander. Sie scheinen sehr fruchtbar zu sein
und schnell zu wachsen, denn Schiffe, bie mit reinem Bo-
den ausliefen, kehren, bisweilen schon nach einigen Mo-
naten, mit ihnen bis zur Wafferlinie bekleidet zurfick. Als
Nahrung dienen nur einige der grotzeren dem Menschen.
Erste Familie.
Entenmusche1n.
Aeutzere Hfille gestielt, meist aus mehreren Stficken
bestehende Schaalen tragend, selten nackt.
I. Alepas. (Alepas.)
GattungScharakter: Hfille gallertartig ohne
Harte Schaalenstficken, gestielt, mit einfacher Oeffnung.
Karper oval, zusammengedrfickt. Rankenffitze kurz, kaum
gekrfimmt, aus zehn bis zwolf an dem unteren Ende
rauhen Gliedern bestehend.
Unter den fibrigen Rankenffitzern nehmen die Alepas
die niedrigste Stellung ein, well ihnen alle kalkige Theile
abgehen. Ihre Hfille ist etwas Harter als eine gewohn-
liche Gallert, indefsen weicher als Knorpel und durch-
scheinend; der Korper, deffen Anatomie oben (Fig. 2749
— 2752.) erlautert ward, entspricht sonst ganz dem Be-
griffe der Clafse. Gemeinlich sitzen viele Jndividuen ne-
den einander. Man kennt bereits einige Arten. Die
parasitische Alepas (A. parasitica) Fig. 2757.
ward zuerst auf dem Schirme einer Qualle in der Meer-
enge von Gibraltar entdeckt, neuerdings aber auch an
der Kfiste von Algier auf Holzstficken u. s. W. gefunden
und gehort daher nicht zu den wahren Schmarotzern.
II. Otion. (Otion.)
GattungScharakter: Hfille knorpelig, gestielt,
oben in zwei nach hinten gerichtete knrze, rohrenformige
Anhfinge auslaufend; zwei sehr kleine und unvollkom-
mene Schaalenstficke und die Ansfinge von drei anderen
einschlietzend, mit mittelgrotzer seitlicher Oeffnung ver-
sehen. Rankenffitze aufgerollt, lang, auSstreckbar, ge-
wimpert.
Als erste Andeutung der weiterhin immer vollkom-
mener Werdenden Kalkschaale finden sich in dieser Gat-
tung ffinf sehr kleine Platten, von welchen nur die seit-
lichen Schaalenstficke (b) deutlich erkennbar, die oberen
zwei (d) und das mittlere (c) nur als Anfange vor-
handen sind. Cuvier's Otion (0. Cuvieri) Fig.
2758. a mitzt sammt dem Stiele nicht volle 2 Zoll, un-
terscheidet sich von ahnlichen Arten durch ungesieckte zie-
gelrothe Farbnng und die Furchen der etwas gekrfimm-
ten grhtzeren Schaalenstucken. Er sttzt auf verschiedenen
Kfirpern, sogar auf Meereicheln (Balanus) fest und ist
in der Nordsee unter hoheren Breiten eben nicht selten.
III. Cineras. (Cineras.)
Gattungscharakter: Hfille knorpelig, gestielt,
von ffinf ablangen, getrennten, schmalen Schaalenstficken
nicht vollkommen bedeckt, unterhalb der Spitze mit seit-
licherOeffnung versehen. Rankenffitze dfinn, gewimpere.
Die noch immer schmalen, weder in der Breite noch
in der Lange den Korper vollstanbig umgebenden Schaa-
lenstficken erreichen bei den Cineras dennoch einen hohe-
ren Grad von Ausbildung als bei der vorhergehenden
Gattung. An der gestreiften Cineras (C. vittata)
Fig. 2759. Haben das mittlere (c) und die beiden oberen
Schaalenstficke (d) ziemlich gleiche Grotze, kommen aber
den unteren (b b) an Breite nicht entfernt gleich. Das
Thier hangt gesellig (a) an Muscheln und Steinen
des indischen Oceans, nicht der Nordsee und des Mit-
telmeeres, wie irrig angegeben wird, ist etwas vierseitig,
blaulichgrau und auf feder Seite mit drei schwarzen
Streifen gezeichnet.
IV. Entenmuschel. (Pentalasmis.)
Gattungscharakter: Hfille Hautig, gestielt,
ganz eingeschlossen in ein seitlich zusammengedrficktes
muschelahnliches, auS ffinf Stficken bestehendeS Gehaus.
Untere Schaalenstficke weit grstzer als bie anberen, ohne
kleinere an ber Basis.
Die Entenmuscheln bilben eine zahlreiche, in allen
Meeren vertretene Gattung; manche Arten scheinen wahre
Kosmopoliten zu sein unb werben wahrscheinlich burch
Schiffe nach entgegengesetzten Erbgegenben verschleppt.
Zu biefen gehort minbestenS bie gemeine Enten-
muschel (P. anatifera) Fig. 2760., bie in Bombah
unb Canton ebenso gentein sein soll, wie in ben norb-
amerikanischen unb europaischen Hasen unb an manchen
Orten ber afrikanischen Westkfiste von ben Negerit viel
unb gern gegeffen Wirb. Von ihrer Haufigkeit selbst in
ben kalteren Gegenben beS Norbens zeugt am Besten
wohl bie schon oben (II. Bb. S. 270. Sp. 2. Fig. 1987
— 1989.) mitgetheilte sehr alte Fabel, welche sie fur bie
erste Entwickelungsstufe ber Ringelgans (Anser berni-
cla) erklart. Sie hangt bfischelweis mit anberen zu-
sammen, benn oft setzen sich bie Jungen am Stiele ber
Mutter fest, bem ansehnliche Beweglichkeit beiwohnt.
Jnbem bie Entenmuschel sich nach verschiebenen Rich-
tungen krfimmt, bie Schaalen Offnet unb bie Ranken
Hervorstreckt, mag sie sich, ungeachtet ber Befestigung
an einen sremben Korper, leicht ihrer Nahrung be-
machtigen, bie vermuthlich aus kleinen Krustern, Weich-
thieren unb unbeschaalten, frei Herumschwimmenben Zoo-
phyten besteht. Anbererseits vermag sie sich gegen An-
griffe minber starker Feinbe sehr wohl zu wahren, in-
bem ste bie Schaalenstficken genau an einanber pretzt,
welche bann einen Plattgebrfickten Kegel bilben, burch
leberartige Hautstreifen unter einanber sehr fest verbun-
ben finb unb Hinlangliche Harte besitzen. Nicht an allen
Arten gleichen sich bieselben hinsichtlich ber Zeichnung
unb ber Glatte, sonbern sie erscheinen wohl auch ge-
furcht unb gestreift ober sonst mit Kennzeichen versehen,
beren sich systematische Beschreiber gern bebienen, unt
Species zu charakterisiren. An ber abgebilbeten Art
stub sie sehr flach unb glatt, wahrenb ben langen Stiel
zahlreiche Runzeln umgeben.
V. Pollicipes. (Pollicipes.)
Gattungscharakter ber Entenmuschel , jeboch:
an bem Grunbe ber ffinf Schaalenstficke zahlreiche klei-
nere, theils paarige, theils einzclne. Stiel meistschuppig.
Eine Derwechselung biefer Gattung mit ber vorher-
gehenben verhfithen, minbestens ffir ben genauen Beob-
achter, bie zahlreichen am oberen Enbe bes Stieles ste-
Henden Schaalenstficken. Auch psiegt ber Stiel sehr kurz
zu sein, Harte Runzeln ober auch kalkige Schuppen zu
tragen, bie ebenso wie bie oberen zusfitzlichen Stficken
zugespitzt unb quergestreift sinb. Aus bem Namen er-
giebt sich bas Vaterlanb bes inbischen Pollicipes
(P. Mitella) Fig. 2761., ber, geschloffen, einer bitfen
KnoSpe gleicht, gekielte, guergestreifte Schaalenstficken
unb kurzen, schuppigen Stiel Hat unb in Sammlungen
nicht selten angetroffen wirb.
VI. Polylepas. (Polylepas.)
Gattungscharakter: Gehaus ben Korper ganz
bebeckenb, aus breizehn Schaalenstficken bestehenb, mit
kurzem, schuppigen Stiele.
Von ben breizehn Schaalenstficken bieser Gattung
sinb zwslf paarig, eines erscheint als verbinbenbes obe-
res Rfickenstfick (Fig. 2762.). Die Arten werben nicht
grotz. Die gemeine Polylepas (P. scalpellum)
Fig. 2763. Hangt Hausig an Seegrasern unb Muscheln
ber Norbsee unb bes atlantischen Meeres. Sie hat einen
schuppigen Stiel, auf ben untersten Schaalenstficken
eoncentrische Streifen.
VII. Litholepas. (Litholepas.)
Gattungscharakter: Gehaus ben Korper ganz
bebeckenb, aus acht Stficken bestehenb; ber Stiel an ber
Basts mit einer hohlen Kalkschuppe halb umgeben.
Man kennt biese im Ganzen seltene Gattung nut
nach einer Beschreibung. Die einzige Art (L. dorsalis)
Fig. 2764. soll in ben Lochern ber Meeresfelsen ber west-
inbischen Jnsel Montserrat leben. Ware baS sonberbare
Schuppenstfick bes Stiels nicht, so wfirbe ste toenig von
anbern kurzgestielten Entenmuscheln abweichen. Manche
Zoologen haben basselbe nur als einen zufalligen An-
hang, als Bruchstfick einer Muschel betrachten Wolten.
Zweite Familie.
Meereicheln.
Aeutzere Hfille ungestielt, mit einem abgestutzten, am
Boben burch eine Platte, feltener eine Haut geschlofsenen,
ungetheilten Gehause umgeben, bessen obere Oeffnung
burch einen mehrtheiligen Deckel verschloffen wirb.
In ber zweiten Familie ber Rankenffitzer fehlt nicht
allein ber Stiel, sonbern bas Gehaus nimmt auch eine
ganz anbere Gestalt an als in ber ersten. Asymmetrie