Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
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Kerf e.
Einleitung.
mit ben Munbtheilen, anbere zerkleinern bas Futter noch-
mals in einem besonberen sogenannten Kaumagen, Rau-
pen uitb Blattkafer Hingegen kanen gar nicht, sonbern
verschlingen bie abgebissenen, sehr kleinen Pflanzentheile
ohne weitere Zerkleinerung. Als nothiuenbig erscheinen
baher bei ben meisten Jnsecten bie Speichelgesasie (Fig.
2875. 2876. C) , bie sich entweber in ben Munb (A), bie
Speiserohre ober ben Anfang bes Magens ergiepen,
zuinal solchen verliehen stnb, bie von trockenen unb Har-
ten Dingen leben, inbessen auch ben saugenben nicht
fehlen, too, z. B. bei Stechmucken unb Parasiten, ber
Speichel ost ein Reizmittel sein burfte, um baS Zustro-
men ber Safte nach ber angestochenen Stelle zu veran-
laffen. Wie nicht anbers zu erwarten, so anbert bei
Kerfen ebenso wie bei anberen Thieren ber Ban bes
DarmcanalS im Verhaltnisi zn ber Verschiebenheit ber
ihnen angewiesenen Nahrungsstoffe. Die Speiserohre (B)
verhalt sich einfach bei kauenben Kerfen, bei saugenben
schwillt sie an zu einer blasenlormigen Auftreibung, bem
Saugmagen,ber als Pumpe bient unb baS Aussieigen ber
Flussigkeiten veranlasit. An sie schliesit sich ber Magen,
ber im ausgebilbeten Jnsect stets aus mehreren beutlich
geschiebenen Abtheilungen besteht, bie jeboch in ber Larve
hLufig verschmelzen unb an Schmetterlingen minber Her-
vortreten als an anbern Jnsecten. Als Magen betrachtet
man senen Theil bes Nahriingscanals, ber hinter ber
Speiserohre beginnt unb bis zu ber Stelle reicht, wo bie
Gallengefape einmunben (B — F Fig. 2877. a — d).
Seine vorberste Abtheilnng, ber Falten- ober Kaumagen
(b), erscheint am Pollkommensten bei solchen Kerfen,
beren Nahrungsstoffe eine sehr genaue Zerkleinerung
verlangen, ist eiformig, berb, muskulos unb inwenbig
mehr ober minber mit scharfen unb Harten Hervorragun-
gen bewehrt. Der zweite ober eigentliche Magen (D E
2877. d) pffegt bei Larven langer zu sein als ber erste
unb nahert sich auch im ausgebilbeten Jnsect nieist ber
Rohrenform; bie einfachste Gestalt Hat er bei Schmetter-
lingen, bie zusammengesetzteste bei Halbstuglern, unb bei
mauchen Kafern zersallt er in zwei Abtheilungen, beren
vorbere (c) bann ber Vormagen Heiht. Der Darm
(E Dunnbarm, F Dickbarm, G Mastbarm) enblich bleibt
viel kurzer als bei Thieren hoherer Classen, verlauft fast
immer ganz gerab bis zu bem After (H), ist mit ringfor-
migen, hingegen ber zweite Magen mit spiralen Muskel-
fasern umgeben unb schwillt an feinent untern Enbe
zu einer Cloake (g) an. An bie Stelle berLeber treten bie
Gallengefasie (1. Fig. 2877. e), enge, fabenformige Canale
von bebeutenber Lange, bie am oberen Enbe bes Dartnes
(F) einmunben unb zu vier, zu acht ober in ganz uttbe-
stimmter Zahl vorhanben stub. Neden bem Darmcanale
finben sich bei ben Larven vieler Jnsecten sogenannte
Spittngefahe; sie bestehen aus zwei bis vier fabenformi-
gen Gefahen (bei ben Weibenraupen Fig. 2878. A A),
ergiehett sich in ben Munb (B) unb bereiten eittett Saft,
ber burch eine Rohre ber Unterlippe (Fig. 2879. a),
welche bei ben Raupen bie Spinbel Heisit, ausgezogen,
zum sehr feinen, seibenartigen, im Waffer unloslichen
Faben wirb. Mit biefem umwickeln sich bie Larven zum
Zwecke ber Verpuppung. Von ber Art bes FutterS unb
ber inneren Gestalt bes Darmcanals wirb bie Veschaffen-
Heit unb bas Attsehen ber Auswurfstoffe bebingt. Diese
fittb bunn unb fast flussig bei saugenben, dreiartig ober
attch bick bei kauenben Kerfen, in ber Farbe ben rohen
Nahrungsstoffen etwas ahnlich, boch buttkler als sie unb
immer ohne ubeln Geruch, weil bie Verbauung sehr rasch
fortschreitet unb eine vollkommene, an gaulnip granzenbe
Zersetzung nicht eintreten kann. Bei vielen Raupen
erhalten sie burch bie faltenartigen Vorsprunge ber
inneren Darmwanb ein so bestimmteS Ansehen, bah sie
mit anbern nicht zu verwechseln stnb. Jhre KenntniH
wirb baher Forstleuten Nutzen bringen, inbem bauntzer-
storenbe Raupen anfangS nur burch sie sich verrathen.
Dah sie um angegriffene Bautlie unb Pstanzen ost in
grosier Mettge Herumliegen, erklart sich aus ber ungemein
raschen Verbauung ber fast ununterbrochen fressenbett unb
baher nteist verberblichen Larven. Als Probucte ber
Verbauung erscheinen noch einige auSgesonberte Stoffe,
wie bas Gift, welches besonbers von ben Weibchen ber
Hautflugler berettet unb burch Stachel ubergetragen
wirb, unb ebenso, wie bie giftige Eigenschast ber Haare
unb Borsten mancher Raupen, bie eigenthumlichen Ge-
ruche unb Ausschwttzungen von Kafern, enblich bas
Machs am gehbrigen Orte besprochett werbett soll.
Im ausgebilbeten Zustaube athinen alle Kerfe Luft
ohne Vermittelung bes Massers unb konnen baher nie-
mals Kietnen besitzett, bie Hingegen bei vielen ini Masser
sich entwickelnben Larven bie gesetzltchen AthmungS-
werkzeuge barstellen, Haarformig gestaltet unb bann in
berReget zu Buscheln vereinigt am Kopf- ober Schwanz-
enbe stehen ober alS Blatter an ben Seiten bes Letbes
ltegen. Immer muffen sie als Hautgewebe betrachtet
luerben, bie tin Jntteru mit mtkroskopisch feinen Luftge-
sahen burchzogen sinb. Die im Masser enthaltene Luft
wirb von biesen aufgesogen unb in bie groheren in
ber Leibeshhhle liegenben Luftgefasie geleitet. Nicht
immer finben fie sich an ben Larven in jeber Enttoicke-
lutigsperiobe; bei ber in stehenben Maffern gemeinen
blutrothen Larve ber Febermucke (Chironontus plumosus)
geschieht bie Athmung anfangs burch zwei auhere am
Schwattzenbe befinbliche, kurze unb bicke Athemrohren
(Fig. 2880. a); bei ber Nymphe (b) entwickeln fich am
Brustkasten zwei seitliche Kiemenbuschel, vie man mit
einem am Schwanzenbe stehenben, vermuthltch bie Be-
weguttg bezweckettben Borstenkranze nicht verwechseln
barf. Betbe Systeme von Organen dleiben bis zu ver
Zeit, wo nach fast vollenbeter Verwanblung (c) bie
Mucke im Begriffe steht auszukriechen unb zum Lust-
thtere ztt werben. Nicht alle im Masser lebenbe Kers-
larvett athmett burch Kiemen, sonbern viele schopfen ihren
Luftvorrath unmittelbar aus ber Atmosphare mittels
besonberer Organe, ben sogenannten Athmungsrohren,
welche von Zeit zu Zeit aus bem Masser Herausgestreckt
toerben mussen unb balb vortt, dalv hinten angebracht
stnb. Sie erreichen ost eine ansehnliche Lange unb glet-
chett batttt Faben. Bei einer Fliege, bie ini Ganzeti einer
Biette ahnlich steht (Ilolopltilus pendulus), hat bie in
fauligeti unb mit bunneni Schlanittie erfullten Graben
lebenbe Larve ein hohles Schwanzenbe, in toelcheni bie
sehr seine AthmungSrohre sich zusaninienlegeti kann
(Fig. 2881 b), aus bem biese aber auch Hervortritt (c),
Wetitt baS Thier, um zu athinen, fich verkehrt aufhangt
(a Larven in einem Masserglase). Keitt Jnsect desitzt
Luftlungen, sonbern statt berselben ein sehr zusanimen-
gesetzteS System von Rohren, in toelchen Luft burch baS
Jnnere bes LeibeS, bie Glieber unb bis in bie Fltigel
getrieben wirb. Solche Rbhrett entfpringen von ben
Luft- ober Athmungslochern, bie man an grosien Larven
(Fig. 2884. B c Fig. 2889. a a) ohne Schwierigkeit er-
kennt unb auch an ausgebilbeten Kerfen auffinbet, toenn
man bei mahiger Vergroherung ben Hinterteib untersucht.
Bei ben letzteren liegen sie aber nicht so oberflachlich, Wie
bei ben ersten, sonbern in ber Hautfalte, welche bie
Schienen ober Halbringe bes Ruckens mit benjenigen beS
BaucheS verbinbet. Bei ben Kafern zahlt man fieben
(Fig. 2882. 1 —7.) am Hinterleibe, eittes auf ber Granze
zwischen Mittel- unb Hinterbrust (a sichtbar geniacht
burch Megnahnte eines Theiles beS BruststuckeS) unb ein
vorbereS, alle anbern an Grosie ubertreffenbes in ber
Falte zwischen Mittelbrust- unb Vorberbruststtick. Bei
anbern Orbnungen verhalten fich jene Oeffnungeti im
Ganzeti ebenso wie bei Kafern, nur bei ven Taufenb-
suheru toachst ihre Zahl. KeitteswegS Habett bie Luft-
locher ober Stigmaten, tote fie auch Heitzen, immer
bieselbe Gestalt; bisweilen umgurtet fie ein besonberer
Hornring, immer aber eine inttere Hautfalte, toelche sich
ausbehnen unb eine Oeffnung freilassen (Fig. 2883. a)
ober sich schliehen kann (b), toenn baS Jnsect in bas
Masser fallt ober burch Staub belastigt toirb. Den letzte-
ren halten auch Kranze unb Buschel von Haaren ab,
toelche Haufig mit ben Hintersuhen geglattet unb gerei-
nigt werbett. Dasi biese Oeffnungeti in ber That zur
Luftaufnahme bestimmt sinb, kann man leichl baburch
deweiseti, bah man sie mit Gummilosung ober einem
Lack uberstreicht. Auf solche Verschliehung solgt in nicht
langer Zeit ber Tob burch Erstickung. Von jebetti Luft-
loche geht eine Rohre in baS Jnnere, bie sich mit ben
benachbarten zu groheren, stellettweis angeschwollenen
(Fig. 2884. A), weiterhin unenblich verzweigten Luft-
gesahen verbinbet (Fig. 2886. 2889. b). Die legten
Enben bieser Gefasie erkennt man selbst bei bem Maikafer
nicht ohne sehr starke Vergrosierung. So ausnehmenb
feine Rohren musiten aber zusammenfallen ober von
ben Eittgeweiben zusammengebruckt unb hierburch bie
Luftcirculation gestort werben, ware ihr Getuebe ein
getoohnliches Hanliges. Sie bestehen auS brei Schichten,
einer ausieren ziemlich bicken Haut (Fig. 2885. a), einer
inneren bunneren Membran (b) unb einem sehr elasti-
schen,zwischen beiben in engen Spiraltvinbungen verlati-
fenben Faben (c), ber folglich einen hohlen, bie vollige
Schliesiung beS GesaheS Hinbernben Cylinber bilbet.
So weit bie Untersuchungen gebiehen, Hat man in
allen Orbnungen ber Kerfe benselben Bau wieberholt
gesunben. Einige Beobachter behaupten, bah bie
innerste Schicht bei ber Hautung sich ablvse unb am
abgestreiften Balge hangen bleibe, was Stuammerbam
an ber Larve bes NaShornkafers wirklich sah uttb ab-
bilbete (Fig. 2884. C d a). Luft wirb in ben Korper
eingezogetr unb auSgestohen burch abwechselnbe, jeboch
nicht rhytmische Ausbehttung unb Zusamnienziehung beS
Hinterleibes, bie man an jebenl ruhigen Kafer ohne
Schwierigkeit erkennt, an anberen Jnsecten ost fruchtlos
aufsucht. Nach Vauguelin erfolgen bei ber gemeinen
Heuschrecke (Gryllus viridissimus) iti jeber Minute funfzig
Alhntungen. Ein System von geschloffenen Blutgefahen
scheint, obgleich neuerbings bieser Llnsicht Wibersprocheti
roorbeit, vollkomnienen Kerfen wirklich abzugehen. Ihr
Blut ist Haufiger farblos al8 gefarbt unb barf mit anbern
Saften nicht verwechselt werbett; bie brauttrothe Fluffig-
keit bes zerquetschten Fliegettkopfes wirb irrig surBlutan-
gesehett. DaS eigentliche Blut erfullt bie ganze Korper-
hohle unb toirb nicht geztoungett, nach bestimniten Orten
zustromen,es finbet alfo wahrer KreiSlaufnicht statt. Ne-
berall fonimt es mit ben Wanbungenber tausenbfach ver-
zweigten Lustgefahe in Beruhrung unb kann alfo nirgenbs
Venenblut sein, muh sich vieltnehr als vollig gesauertes
arterielles Blut verhalten. AlS solches erzeugt eS bie
getoaltige Starke unb bie Unerniublichkeit ber Muskel-
krast, bie an Kerfen Betounberung verbienett. Der Bau
uttb bie ganze Einrichtung ber AthmungStoerkzeuge
ntachen, toeil bie Luft in bie entfernteften Khrpertheile
einbringt, jebes gefchlossene Blutgefåhfystem uberflussig.
Inbessen burfte bas Blut nicht vollig still stehen, unb
baher erhielten Kerfe ein Herz, bas fogenannte Ritcken-
gesah, burch welches baS Blut, toenn auch ohne eigent-
liche Regelmahigkeit, in ber Leibeshhhle hin unb Her
getrieben toirb. Untertoirst man eine bunnhautige,
lebenbe Jnfectenlarve ber Betrachtiing tinter må^iger
Bergroherung, so erkennt man ein unter ber Haut
entlang bent Rucken verlausenveS, beutlich pulstrenbes
Gesasi, toelcheS bie Stelle beS Herzens vertritt unb auch
bei bem ausgebilbeten Kafer vorhanben, inbessen nicht
ohne Vivifection aufzufittben ist, toeil ba bie unburch-
fichtigen Decken eS verhullen. Erkannt unb richtig ge=
beutet warb eS fchon von Ælteren Beobachtern, feinen
kunftlichen Bau konnten aber nur bie neueren, mit
vorzuglicheren Mikrofkopen ausgerusteten Forscher
entbecken. Es besteht aus einem acht Mal geglieberten
Cylinber (Fig. 2887. d d d), beffen vorbereS, fabenfor-
mig verlangerteS Glieb (b c) offen, baS Hintere Enbe (a)
geschlossen ist, bei jebenl Segment ober Kammer seitliche
Oeffnungen (f f f) Hat unb in seiner Lage burch Ban-
ber (e e e) erhalten toirb. An bem ber Lange nach