Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
Mit 1558 Ubbildungen
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Eitilcitung.
Kerfe.
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Sespaltenen Herzen (Sig. 2888.) stellt folgender Bau sich
herauS: Die Kammern (a a'a") sind mit ringforrnigen
Muskelsasern umgeben, also der Zusammenziehung
fahig, jede von der nachstfolgenben durch eine Quer-
klappe (b b) getrennt, die nur in der Richtung von hin-
ten nach born, also gegen das Kopfende (Fig. 2887. c)
sich offnen kann. Unmittelbar hinter jeder derselben ist
^ie Wand an der Seite mit einer Halbmonbforinigen
Oeffnung dnrchbrochen (ofsen stehend bei c', geschlossen
bei c), welche durch eine besondere Klappe (c), die sich
ebenfalls nur nach innen offnet, geschlossen wird. Wenn
nun das Herz sich ausdehnt, so wird das rings umgebende
Blut durch die Seitenhffnungen einstromen und die
Kammern anfullen, tritt aber Zusaminenziehung ein, so
Wirb dasselbe Blut, weil vie Seitenklappen es hindern,
nach vorn stromen mussen und die Querklappen Heben,
die sein Ruckstromen nicht zulassen und endlich, von
Kammer zu Kammer vorruckend, durch das fabensormige
Borderende des Herzens entweichen. Da aber der Blut-
strom bort an den Eingeweiden und den Wandungen des
Korpers Widerstand sindet, so kehrt er um, kreist also,
wenn auch unregelmagig, in der Leibcshohle Herum oder
weicht aus nach den Gliedern und in die Zwischenraume
der Muskeln, roo er aber nur verweilt, bis eine neue
Welle von innen andringt. Eine doppelie ©tromung
des Blutes ist also roirklich vorhanden, nur roird sie
durch geschloffene Gefage nicht vermittelt (ausier in den
Flugeln, roo Canale des Zellgewebes neben den Luft-
rohren verlausen) und kann daher auch nicht so regel-
Wagig sein, roie bei entgegengesetzt organisirten Thieren.
Durch die soroeit beschriebenen Einrichtungen erroachsen
dem zur gropen Beroeglichkcit bestimmten Kers manche
Bortheile; sedes aus einen bestimmten Ort beschrantte
Athmungsorgan, roie Lungen oder Kienien, rourde das
Gewicht vermehrt und den Schroerpunkt Verandert,
auherdem ein geschloffencs, daher zusammengesetztes und
ebenfalls schroereS CirculationSsystem erheischt haben.
Durch die bestehenden Einrichtungen roerben nicht allein
alle biese Nachtheile vermieben, sonbern eS erhalt der
Kerf auch die Fahigkeit, seinen Korper bis in bie entsern-
testen Enden mit Luft anzufullen oder diese, aus den
Hauptgefapen mindestens, durch starke Zusammenziehun-
gen deS Hinterleibes herauszutreiben und Hierdurch
sich specifisch leicht, also ztini Fluge geschickt zu machen.
Nicht vollig nachgeroiesen, darum aber nicht unroahr-
scheinlich ist die Fa Higkeii der Kerfe, durch ihre Athmungs-
Werkzeuge einen Theil jener Laute Hervorzubringen, die
bei aller Mannichfaltigkeit viel Charakteristisches Haben
und bei allen Jndividuen derselben 9(rt sich gleich bleiben.
Allerbings entstehen viele Laute der scharfsten Art, roie
jene der Cicaden und der Heuschrecken, durch wohlbe-
kannte, mit den Luftroegen nicht verbundene Vorrichtun-
gen, allein daS Summsen der Aderstugler und Zweiflugler
dringt roahrscheinlich die aus den Athemlochern deS
BrustkastenS Herausgetriebene Luft Hervor. Man glaubt,
bag das Jnsect dem Luftsirome eine bestimmte Richtung
Stien fonne, und bag durch das Anstreifen deffelben an
die Flugel unter verschiedenen Winkeln oder durch Ver-
eugerung der Luftlocher die Hohe oder Tiefe deS ToneS
bestimmi roerde. Vom Flugelschlage allein geht senes
Gerausch der Schmeipstiege oder der Humniel nicht aus,
denn eS roird, roenn auch schwacher, selbst nach Verlust
iener Organe nach immer Hervorgebracht.
Jnsecten stehen hinsichtlich der Einrichtung ihres
Nervensystems aus minder hvher Stufe als die Kruster
der ersten Ordnungen und die Lungenspinnen. Jene
Koncentration des Nervenmarks aus toenige Otte weicht
tyer der Zerfallung und Ausdehnung, die indessen an der
Larve (Fig. 2889. 2890. A) deutlicher Hervortreten als
an dem ausgebildeten Jnsect. Wahrend in sener fast
Sleichgrosie Nervenknoten in einer Reihe Hinter einander
liegen, erlangen bei diesem (Fig. 2890. B. Nervenst 'stem
ieS MaikaferS) bie berberen zwei einen weit grogeren
Umsang als bie folgenben unb dilden zusammen das
sogenannte Hirn, welches den Schlund ringfårmig ttnt-
giebt und die SinneSnerben entsendet. Von jedem der
folgenben Knoten entspringt eine der Veranberung
unterworsene Zahl bon Seitenzweigen, welche zu den
Eingeweiden, den Fortpstanzungswerkzeugen und ben
Gliebern abgehen. Ueber bie Zahl, bie Werkzeuge unb
Vollkommenheit ber Sinne herrschen sehr abweichende
Meinungen. In Abrebe kann zwar nicht geftellt wer-
ben, bag auch in jener Beziehung bie Kerfe ihren Be-
biirfnifsen angemessen auSgerustet sinb, inbeffen mag man
bezweifeln, bag bie Art ihrer Sinneseinbrucke mit ber
unseren zusammenfalle. Es ist fur unb wiber gestritten,
inbeffen fur bie Wissenschaft burch solche Speculationen
keine Vermehrung erlangt worben. Gefttty unb Tast-
vermogen geht gewig keinem Jnsect ab, benn fur baS
letztere zeugen bie kunstreichen Batte vieler Kerfe ober
boeb bit Genauigkeit unb Sicherheit, bie in ber Thatigteit
unb bem Verhalten aller sich ausspricht. Ein Blick
aus die Harte Oberstache ber meisten lehrt freilich, bag
eden sie ber Sitz eines scharfen Gefuhls nicht sein klunte,
unb ba bie Fuge bei fast allen ebenfalls in Hornige Schei-
ben und Platten eingeschloffen sind, fo wird man sich
kauni entschliegen tonnen , diese als Sitz des Tastfinnes
zu betrachten. Eine im tåglichen Leben allgemein ange-
nommene Anstcht erhebt die beideii Fuhler oder Anten-
nen zu auSschlieglichen Wertzeugen des Tastens, weil
fie nicht nur in mannichsachster Q(rt bewegt, sondern
auch prufend den Gegenstanben genahert werden. Sie
fehlen keinem Kerf, bieten die verschiedensten Gestalten
und Einrichtungen, stehen immer am Kopfe und zwar
fo gerichtet, dag das Auge fie uberblicken kann, und find
mit dem Wurzelgliede gemeinlich in eine runde Grube
eingelenkt und nach sehr vielen Richtungen drehbar.
Augen uberzieht fie eine dunne, aber Hornige Fortfetzung
der allgemeinen Korperbeckett, innerlich bergen sie ein
sehr zusammengesetztes System mikroskopischer Muskeln
und feine Nervenfabett. Manche find bekleidet mit
Haaren, Borsten oder feberformigen Anhangen, andere
mit sammetartigem Flaum, viele erscheinen aber auch,
unb zwar selbst bei starker Vergrogerung, vollig glatt
unb selbst wie polirt. Immer bestehen sie aus mehreren,
se nach Familie unb Gattung in ber Zahl wechselnben
Gliebern, beren gegenseitiges Langettverhaltnig unb
Gestalt fur bie Feststellung fystematischer Charaktere
vielen Werth besitzen unb in ber Hauptfache als Wtirzel-
glieb (Fig. 2891. A a), Mittelglieber (b) unb Enbglie-
ber (c) unterschieben werben. Balb gleichen sie an
Lange bem Korper, sie ubertreffen ihn tooty fogar ober
bleiben kitrzer als biefer unb haben bisweileii nicht ein-
mal bie Ltinge bes Kopfes. Sie strecken sich aus roie
bunne Borsten bei Heuschrecken, sinb eingeknicki bei
Ruffeltafern (A), mit knopffortnigem Enbgliebe versehen
bei Tøbtengraberkafem (B), mit aufgeblasenem bei ber
Kafergattung Paussus (I), mit gespaltenem bei bem
Hirschlafer (K), mit sehr verbreitertem bei ben Schweb-
fliegen (D), mit lappettformig getheilteni bei ben Blatter-
Hornern (Lainellicornien) unter ben Kafern (F), schmellen
nach vorn grabtoeiS zur Keule an (C), erhalten burch
ungleiche Ausbreitung ihrer Glieber eine getygte Gestalt
bei vielen Kafern, z. B. Elater (G), ober sie gleichen
einem Kamme (H). In ber einfacheren Forni Haben
fie gleich lange, aber nach vorn immer hunnere Glieber
unb Heigen bann fabenformige, roie bei vielen Raub-
kafern (L), ober schnurenformige, toenn bie Glieber
kugelig sinb, wie bei Tenebrio (M). Von ber Sånge
unb Gestalt hangt auch ihre Stellung ab im ruhigen
Zustanbe. Sinb fte fehr lang, fo liegen sie an ben
Seiten bes Leibes gestceckt; bie geknickten ober mit
blatterigen ober sehr grogen Enbgliebern versehenen
legen fich in Gruben unb Vertiefungen bes KopfeS
zuruck, anbere schmiegen sich, zusammengelegt, beniselben
an, toetben rooty auch tiach tinten umgeschlagen, unb bei
ben Taumelkåfern ( Gyrinus) ziehen sie fich in eine,
mit einem kleinen Deckel geschloffene Hohle zuruck.
Ihrer mannichfachen Gestalt entsprechen bie ebenso ntan-
nichfachen Beroegungen; bei ben Rattpen tobtenben
Jchneurnonen befinben sie sich in bauernbem Zittern, bei
ben Lainellicornien entsalten fie ihr facherforntiges Enbe,
gleichsam um bie atmospharischen Zustanbe zu Prufen;
Bienen unb Ameisett beruhren sich mit ihtten bei Begeg-
nung in eigenthumlicher Art unb verstanbigen sich burch
ihre Hilse, unb bei einem erotischen, Holz fressenben
Kafer (Paussus sphaerocerus), leuchtet ihr Verbicktes
Enbe beS Nachts mit schroach phoSphorischem Scheine.
Die Glieber ber Fuhler, bie ^stigen ausgenommen,
erscheinen bei starker Vergrogerung mit sehr seinen
Lochern burchbohrt, toelche eine bunne Hatit verschliegt.
Die letztere gilt gegenivartig fur eine Riechhaut, unb
sonach tourben bie Fuhler nicht alS Tast-, sonbern als
GeruchStoerkzeuge anzusehen sein. Moglicherweise ver-
mitteln sie auch baS Horett, benn am Grunbe ihres
Wurzelgliebes Hat man eine kleine, burch ihre
Betoegung anzuspannenbe Membran toatygenommen,
bie allerbingS ein Trommelfell sein konnte. Dag
manche Kafer bei plotzlichem lauten Schalle ihre Fuhler
emporrichten, als ob sie horchien, toarb ost beobachtet.
Vermuthlich bienen bie Antennen als Sitz eineS gemisch-
ten, bas Horen, Riechen unb Tasten vermittelnben
Sitines, von toelchem wir tins barunt auch nicht baS
entfernteste Bilb tttacheti tonnen, toeil tvir berartige
Befahigung nicht besitzen. Als eigentliche Tastwertzeuge
gelten ben neueren Anatomen nur bie mit ben Munb-
theilen verbunbenen Palpen. — An bem Vorhanben-
seiti bes SchtiteckfitineS bei Kerfen toirb Niemanb
ztoeifeln, ber sich erinnert, ivie scharf ste bie NahrungS-
stoffe zu unterscheiben toissen, unb toelche Naschhaftigteit
viele verrathen. Seine Organe toerben in ber Mtttib-
Hotye zu suchett sein. Eine toeiche, tiervenreiche Zunge
finbet sich bei vielen langsam kauenben Jnsecten; too sie
fehlt, reicht tooty bie ben Munb auskleibenbe Schleitti-
Haut Hin, tint zu schittecken. Saugenbe Kerfe tilogen am
Ersten feinen Schmecksinti entbehren tonnen, weil ihre
Nahrung immer bieselbe bleibt; bag er ihnen ganz fehle,
mug man bezweifeln. Einen bestimmten Sitz bes
Riechvertttogetts Hat titan noch nicht aufgefunben, benn
bie obett niitgetheilte Deutung ber Fuhler kann alS
erhaben itber Wiberspruch nicht angesehen werben aus
Mangel an zahlreichen physiologischen Versuchen. Der
Analogie folgend, ttahnt man biSher bie Lufttvege, zuittal
aber bie angeren Luftlocher fur Riechorgane. Von
erstaunlicher Scharfe im Riechen liefern tittS itbrigens
Jnsecten taglich bie aufsallenbsten, ost auch lastigsten
Beweise, benn wie schwer es sei, vor ihrer Zitbringlich-
keit lockettbe Gegenstanbe zu schutzett, ivie sie auch bas
sorgstytigst Verborgene aufzufinben toissen, lehrt bie
Erfahrung. Nur ein Geruchsinn von augerster Scharfe,
ber selbst in grogen Eutfernungen bie uns unbemerkbaren
Ausstromungen auffagt, kann ihnen hierbei als Ftthrer
bienen. Gegenuber solchen unangenehmen Zweifeln
t'iber Sitz unb Beschaffenheit toesentlicher Organe stety
aber in erfreulicher Vollkonimenheit bie Kenntnig vom
Bau bes Attges unb vom Sehvernihgen ber Jnsecten.
Nur vielen Larven unb augerst toenigen unterirbischen
unb kleinen Kafern fehlen bie Augen; bem auSgebilbeten
Jnsect sinb sie verliehen unb zwar in boppelter Gestalt,
als einfache ober zusaminengesetzte; einfacheAugen allein
haben bie Larven ber meisten Orbnungen unb bie Thy-
sanuren, einfache unb zusammengesetzte Attgen vereint
finben sich bei ben meisten, zufammengesetzte Augen allein
haben nicht viele. Die Augen sitzett aniKopfe fest, stehen
hochst felten auf eittein Stiele unb tonnen sich niemals in
einer Hohle betoegen- Das einfache Auge besteht aus einer
glatten, burchfcheinenben Hornhaut, einer kugeligen Kry-
stalllinfe, bem GlaStorper u.ber Netzhaut, lagt eine braune
oberrothe Iris unb eine Pupille ertennen unb steht geson-
bert ober auch mit anbern zufammengehauft. Gemeinlich
sinb nur brei folcher Nebenaugen vorhanben, bie im
Dreieck auf bem Scheitel ober ber Stim aufsitzen. Die