Gothisches Musterbuch 1

Forfatter: G. Ungewitter, D. Statz

År: 1856

Forlag: T.O. Weigel

Sted: Leipzig

Sider: 34

UDK: 723

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Side af 232 Forrige Næste
Christenthum Alles, was von bleibendem Werthe, von unvergäng- licher Bedeutling ist, absorbirt und zu höherer Entwickelung gebracht sder doch solches zu thun den BerUs habe. In der That aber bildet dieser Satz den Angelpunkt des ganzen Streites; er scheidet die beiden großen Lager. Auch die wärmsten Verfechter der mit- telalterlichen Kunst bestreiten die hohen Eigenschaften der antiken Kunst nicht, nnd eben so wenig fällt es ihnen ein, zu behaupten, man solle dieselbe unbeachtet lassen; sie kämpfen vielmehr nur dafür, daß die christliche Kunst die Grundlage, den Allsgangs- pllnkt, namentlich für alle praktische Uebung, bilden müsse, sie wollen, daß ungefähr das bis dahin bestandene Derhältniß um- gekehrt Werde. — Nicht a Jove, sondern a Christo soll der An- fang gemacht, Letzterer imb nicht Ersterer als der Eckstein, auch auf dein Knnstgebiete, betrachtet werden; statt der heidnischen Tempel sollen die von unseren Vorfahren aufgethürmten Cathe- dralen dem angehenden Architekten als Richtschnur und Zielpunkt vorgehalten und in den Acavemien etwa so viel Stunden der christlichen Kunst gewidmet werden, als jetzt der vorchristlichen. Wie billig und natürlich indcß auch diese Anforderungen dem unbefangenen Beurtheiler erscheinen mögen, es ist so gut wie ge- wiß, daß es noch gute Weile hat, bevor ihnen entsprochen werden wird. Das Warum liegt ziemlich offen zu Tage. Es könnte leicht so kommen, daß mit der vorstehend proponirten Verhältniß- Umkehrung zugleich das Verhältniß zwischen Lehrer und Schüler sich umkehrte, daß Ersterer wenigstens auf längere Zeit dem (So theder Lebewohl zn sagen hätte. Ist es aber auch wohl dem Be- sitzenden so gar sehr zu verargen, wenn er seinen Besitz möglichst lange vcrtheidigt und die Rechtstitel vor der Hand ununtersucht läßt? Die 3itnger der christlichen Kunst werden sich demnach wohl noch auf eine ziemliche Strecke Weges hinaus zu bescheiden haben; wie bis zu dieser Stunde, werben Einzelunternehmungen und Einzelbestrebungen sich mühsam durchwinden müssen, Unaus- gesetzt angefochten und gehemmt durch den geschlossenen gegnerischen Phalanx; Mancher wird darüber sogar geradezu sein Fortkommen einbüßen: auch die Knust hat ihre Bekenner und Märtyrer! — Allein je härter und steinigtet der Boden einer Pflanzschule ist, desto dauerhafter werden die darin erzogenen Bäume, desto edler deren Früchte. — Diejenigen, welche gesonnen sind, die Fahrnis zu bestehen, werden wohl daran thun, sich in Bezng aus ihren ganzen Bildungsgang von der bis dahin in Uebung gewesenen Routine loszusagen. Zlinächst werden sie selbstverständlich ihr Augenmerk auf ganz andere Vorbilder zn richten haben. Es sind in dieser Beziehung für Die bildende Kunst oben bereits die Werke des dreizehnten Jahrhunderts empfohlen worden. Indem ich auf diesen Punkt zurückkomme, fühle ich mich gedrungen, vor Allem mich gegen die Annahme zu verwahren, als ob nur dieses Jahr- hundert und die ihn: entsprossene s. g. Frühgothik damit für inib stergültig erklärt werden solle; solche Puristerei, wiesle sich vielfach aus Seiten der Mittelalterlichen geltend macht, halte ich für irrig und selbst für gefährlich. Vollends abgeschmackt erscheint cs aber, wenn Künstler nnd Kunstjünger ans dem akademisch - classischen Lager vor den waghalsigen, glänzend-phantastischen Werken der Meister des 15. Jahrhunderts, etwa vor einem Ulmer oder Re- gensburger Domthurme, achselzuckend unb naserümpfend stehen, weil sie irgendlvo eine Fischblasenform im Maaßwerk oder einen s. g. Eselsrücken gewahr werden, von „Entartung, Verkommenheit, Aus- wüchsen" peroriren, sie, die nicht int Stande sind, auch nur das einfachste gothische Profil zn entwerfen, geschweige denn die tiefen constructiven Probleme zu enträthseln, welche in jenen Wunder- bauten ohne Gleichen niedergelegt sind. Solche Anmaßlichkeiten sind eben noch Nachklänge ans jener stelzfüßigen Zeit, die, am Cölner Dome vorüberziehend, nur den merkwürdigen Krahn auf der Höhe des Thurmes gewahrte: der Hypercritizismus, die leere Ziererei nnd das prahlerische Renommiren gehen in der Regel mit der Impotenz Hand in Hand. Von Ausartung läßt sich da erst sprechen, wo ein falsches Grundprincip, das heidnische nemlicb, in die christlichen Bildungen eingetreten ist unb als solches sich geltend gemacht hat; aber auch selbst da hielt die altüberlieferte Meisterschaft in Bezug auf alle Technik noch lange vor, so daß man beim Beschauen oft unschlüssig ist, ob man sich mehr der Be- wunderung oder dein Bedauern hingeben soll; letzteres wiegt indcß wohl in der Regel vor, zumal wenn man die Bettelarmnth unb die Stümpereien der Gegenwart (worüber sie sich freilich mit ihrem „erhöhten SelbstbewUßtsein" leicht tröstet) vergleicht, welche ans jenen falschen Principien sich ergeben haben. In dein Sinne also soll man zunächst und im Allgemeinen an die frühgothische Zeit sich anschließen, daß man mit dem Ein- fachsten und Klarsten den Anfang '.nacht und damit zugleich ein Einsehen in die Genesis der gothischen Kunst, in diejenigen Mo- mente bekommt, welche ihr Aufkeimen und Wachsen bedingt haben. Durch Die Erkenutniß dieser Momente gelangt man denn auch dazu, das Wesentliche vom Unwesentlichen zn Unterscheiden, überall gleichsam den Lebensnerv herauszufühlen und begegnet man am wirksamsten der Gefahr, dem blos Aeußerlichen, Zufälligen über Gebühr sich hinzugeben. Es bleibt demzufolge noch immer Spicl- raum genug für die Selbstthätigkeit, ein weites freies Feld für Combinationen nnd Gestaltungen ans Elementen der Gegenwart sowohl als der Vergangenheit zu einer lebendigen, freudigen Ein- heit. — Denn darum handelt es sich; nicht um eine Wiederauf- führung des alten Affenspieles mit neuen Dekorationen, um eine Uebersetzung der antiken Mummerei in das Gothische. Hat unsere Natur nicht mehr Assimilations- und Reproductionskraft genug, um das mittelalterliche Wesen in ihr eigen Fleisch und Blut zu verwandeln, so thun wir allerdings besser daran, unser Gelb zn Prämien für die Erfindung einer nagelneuen, zeitgemäßen Kunst auszusetzen unb mittlerweile dieselbe den Eisenfabrikanten, Tape- zierern und Tünchern auf Entreprise zu geben. Ist aber jene Kraft noch vorhanden und tritt der energische Wille Und bas rechte Verständniß hinzu, so wird auf jenem Wege allmählig eine neue 2tera sich herausarbeiten, in welcher der Geist der Gegenwart sich die alten Formen anpaßt, soweit sich nicht, nach Ausscheidung des Fremdartigen und Falschen, finden wird, daß der Genins des Vergangenen, aus welchem diese Formen erwachsen sind, dem Kerne nach nichts anderes ist, als der Geist unserer, überhaupt aller, christlichen Zeiten. Wenn auch scheinbar vielleicht immer dasselbe thuend, wird, falls es nur an besagter organischer und organisirender Kraft nicht fehlt, der kunstbildende Trieb, ebenso wie die Natur in ihrem stillen Wirken, doch immer ein Anderes