Gothisches Musterbuch 1
Forfatter: G. Ungewitter, D. Statz
År: 1856
Forlag: T.O. Weigel
Sted: Leipzig
Sider: 34
UDK: 723
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geraubt hat, indem sie der christlichen Gesellschaft die heidnische
Antike aufnöthigte, wäre es zunächst, nachdem die Ergebnisse sich
so handgreiflich als unheilvoll herausgestellt haben, dieselben in
ihrem weiteren Verlaufe zu hemmen und das alte, naturgemäße
Verhältniß wieder herznstellen. Allein machen Wir uns nach dieser
Seite hin keine Illusionen: in der Höhe wird der Wind so bald
noch nicht wechseln) die Academien aber, insonderheit die Bauaca-
demien, bilden atlerwärts die Citadellen des herrschenden Systems.
Nicht also um dieselben zu belehren oder gar zu bekehren, sondern
lediglich um mein Interesse an der Frage zu bethätigen, lasse ich
einige Andeutungen hinsichtlich des Weges hier folgen, welchen,
meines Erachtens, unsere Banacademien einzuschlagen hätten, um
allmählig in ein besseres Fahrwasser zu kommen.
Vor Allein soll zugegeben werden, daß man selten dadurch
fehlerhafte Zustände bessert, daß man zum geraden Gegentheil über-
geht; vielmehr trägt in der Regel jedes System eine gewisse Be-
rechtigung in sich, und der Fehler liegt nur in der Uebertreibung
und der Ausschließlichkeit. Wie man in England das Prinzip
der Freiheit, des Gehen- und Gewährenlassens vielfach zu weit
treibt, so hängt man diesseits des Canales viel zu sehr nach der
Seite der bnreaukratischen Bevormundung, des Absolutismus, oder,
wenn man lieber so will, der „Väterlichkeit" hin. So ist
um bei unserem Gegenstände zu bleiben — in England die Aus-
übung der Ballkunst an keinerlei Bedingung gebunden — der
Schneider, Conditor und der Haarkräusler von heute können mor-
gen sich dem Publicum als Architekten vorstellen und sofort daran
gehen, Häuser, Paläste und Kirchen aufzuführen, wenn sich Leute
finden, die gutinüthig genug sind, ihnen dazu Auftrag zu geben,
was übrigens, beiläilsig bemerkt, kaum mehr befremden könnte,
als wenn unsere patentisirten Baumeister, die bis dahin nur Wafser-
uiib Wegebau oder akademischen Easernenstyl getrieben haben, mit
der Errichtung von gothischen Kirchen, Museen oder Rathhäusern
betraut werden. Obgleich, wie der Augenschein lehrt, es mit dem
Bauwesen in England doch noch geht, und zwar im großen
Ganzen mindestens so gut wie bei uns zu Lande, so niöchte doch
solchem absoliUen Gewährenlassen nicht das Wort zu reden sein,
wie sich denn dort auch schon einsichtsvolle Männer vom Fache
für die Einführnng gewisser Beschränkungen ausgesprochen haben.
Besser aber keine Art von Beschränkung, als ein Monopolisirlmgs-
syftem, welches jede Freiheit der Entwicklung hemmt, jede Thätig-
keit in ein festes Geleise einzwängt und dieselbe nöthigt, eine be-
ftininite Richtung einzuhalten, wie sehr auch das Naturell und die
Ueberzeugung sich dagegen sträilben mögen! Meines Erachtens ließe
sich ohne besondere Schwierigkeit eine Mittellinie ziehen, welche
den beiden Ertremen gleich ferne bliebe. Vor Allem wäre es
wohl angemessen, die Baubeflissenen in zwei Kategorien zu (heilen,
ungefähr entsprechend der englischen Unterscheidung zwischen En-
gineers und Architects, so daß in der Einen, welche namentlich
den Maschinen-, Wasser- und Wegebau in sich befaßte, das tech-
nische, in der anderen das artistische Moment in den Vordergrund
träte. Demgemäß wäre denn auch der Studiencursus für beide
ein verschiedener und ebenso die zu bestehende Prüfung — mit
Einer dürste es nemlich wohl genug sein. Die vielen Vorlesungen,
Probearbeiten, Eramina, alle die Fertigkeiten und Kenntnisse,
welche zur Zeit in den Regulativen figuriren, sind notwendig
und erfahrungsmäßig die Veranlassung, daß die Candidaten sich
mit Ballast überladen, daß kaum der Eine oder Andere seine
Eigenthümlichkeit kräftig entwickelt, daß am Ende weder ein rechtes
Wissen, noch auch ein rechtes Können — und zwar dies am
allerwenigsten — herauskommt: mal élreint, qui trop embrasse.
Damit die Hauptwissenschaft nicht unter den Hülfswifsenschaften
gleich von vorne herein erstickt wird, sollte die Staatsregierung
nur auf das Wesentlichste ein Augenmerk richten; sie sollte
nur wissenschaftliche und künstlerische Befähigung überhaupt for-
dern, nicht aber dieselbe von einer bestimmten stylistischen Richtung
abhängig erklären, am allerwenigsten Probearbeiten in dmtsch-
mittelalterlicher Art geradezu verbieten. Es ist doch etwas hart,
diejenigen, welche sich zur christlichen, zur vaterländischen Kunst
hingezogen fühlen, so zurückzustoßen, ans der Stylfrage eine Slib-
sistenzfrage zu machen. Es erscheint nemlich so zu sagen physisch
unmöglich, den Anforderungen, wie sie z. B. in den neuesten Vor-
schriften für die kgl. Bauakademie zu Berlin unter den §§ 7 u. 8
aufgeführt sind, zn genügen und nebenher noch auf dem Wege der
„selbstständigen Thätigkeit", auf welchen der § 9 hinweist, sich in
der gothischen Bankuust, die eine Welt für sich ist, einheimisch zu
machen, zumal wenn noch die nothwendigsten Hülssmittel fehlen
nnd der Studirende sich stets die Unliebsamkeit vergegenwärtigen
muß, welche auf Allein lastet, was nicht antik ist. Zudem ge-
winnt es bei solcher Unduldsamkeit auch gar sehr den Anschein,
als ob die Sache, welcher sie dienen soll, ans eigener Kraft sich
nicht wohl behaupten könnte miD die Concurrenz außerordentlich
zu scheuen hätte — denn um Glaubensartikel handelt es sich ja
dabei nicht. Für Staatsbauten möge man immerhin ausschließ-
lich irgend einen heidnischen oder quasiheidnischen Styl (selbst den
babylonischen nicht ausgenommen) sanctioniren; es entspricht dies
auch ganz gut der modernen Idee vom „omnipotenten" Staate;
im Uebrigen aber sollte man doch wenigstens die Möglichkeit ge-
währen, auch andere Wege einzuschlagen.
Doch, alle solche Erörterungen und wohlgemeinten Vorschläge
werden, wie schon gesagt, voraussichtlich zu feinem Resultate, we-
nigstens nicht unmittelbar, führen, und so mag denn der neu sich
bildende Strom neben dein Damme her ein Bette sich zn graben
suchen, so gilt es eben gehen will.
Obgleich die verschiedenen unteren Schulen auch mehr oder
weniger von der academischen Region aus beeinflußt werden, so
darf man doch hinsichtlich ihrer wohl schon eher der Hoffmmg
Raum geben, daß den einheimischen Traditionen ein gewisser Spiel-
raum vergönnt wird, indent das Bedürfniß hier allzu schreiend ist,
als daß die Abhülfe noch gar lange auf sich warten lassen könnte.
Hier uni) dort ist dieser Weg sogar bereits thatsächlich beschritten
worden. Das technische Gewerbe-Jnstitllt in Berlin hat z. B.
den Grund zu einer Sammlung von Abgüssen mittelalter-
licher Sculpturen und sonstiger Kunstwerke gelegt, aus welcher
ganz gewiß etwas recht Schönes erwachsen wird, wenn man nur
halb so viel darauf verwendet, als die der Antike gewidmete
Sammlung gekostet hat, die dann inuuerhin den Ehrenplatz tin
Hauptsaale des Institutes behalten maß, um unausgesetzt daran
zu mahnen, daß der Reiz der griechischen Kunst hauptsächlich darin