Gothisches Musterbuch 1

Forfatter: G. Ungewitter, D. Statz

År: 1856

Forlag: T.O. Weigel

Sted: Leipzig

Sider: 34

UDK: 723

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Side af 232 Forrige Næste
3 die Gewerke sind aus- und ineinander geflossen, der Materialismus und der Egoismus ziehen die tiefsten Furchen iu die ohnehin so viel- fach zerklüftete bürgerliche Gesellschaft — kurz, alle Bedingungen fast, unter welchen die gothische Kunst ihre Entstehung und erste Blüthe gefunden hat, scheinen nicht mehr vorhanden oder gar in das gerade Gegentheil verkehrt zu sein; unb dennoch sehen wir dieselbe von Neuem Blüthen treiben irnd ihre Aeste immer weiter ausbreiten. Allerdings fehlt es dabei auch an tauben Blüthen, an Wasserschößlingen und an Schmarotzerpflanzen nicht. Diese letztere Erscheinung ist sehr natürlich. Als die gothische Architektur zuerst ins Leben trat, entwickelte sie sich, wie eine reifende Frucht, in durchaus stätigem Fortgange ans dem damals Vorhandenen) alle Mittel, deren sie bedurfte, waren in reichlichem Maaße vor- handen; die Organisation der zUfattunenlvirkenden Kräfte entsprach dem angestrebten Zwecke vollkommen oder konnte doch mit Leich- tigkeit sich demgemäß umbilden; die Klmstüblmg ward von dem Strome der öffentlichen Meinung gehoben und getragen, sie war durchaus einheitlich lvie diese; die überall sich durchziehende corpo- rative Gliederung reflectirt sich in der Bauhütte. So günstig die damaligen Verhältnisse der in Rede stehenden Kunstübung waren, so ungünstig find ihr die heutigen: diese bilden so zu sagen ge- radezu das Widerspiel von jenen, wie dies hier wohl kauin noch erst eines besonderen Nachweises bedürfen lvird. Wenn schon der allgemeine Charkter unserer Zeit und die in ihr vorherrschende Tendenz der Kunst überhaupt wenig zugethan sind, so sind sie dies am allerwenigsten derjenigen Gattnng, deren Name schon an- deutet, dast ihr das Bürgerrecht unter unö versagt bleiben soll, daß unsere Civilisation sie als ein fremdartiges, als ein barbari- sches Element von sich abweist. Die Kunst soll, ihrem Wesen nach, ein Innerliches, Geistiges in die Erscheinnng treten machen, äußerlich darstellen; zwei Factoren müssen also zu einer wahrhaft productiven Knnftthätigkeit zusammenwirken; wo es an dem einen ober an dein Andern fehlt, da steht immer nur etwas Halbes, Unbefriedigendes zu erwarten. Was Wunder aber, nach dem oben Gesagten, daß es zur Zeit nicht selten an beiden fehlt, an den Ideen nicht weniger, als an den Darstellungsmitteln, so das; am Ende wenig mehr noch vorhanden zu sein scheint, als ein ge- wisser Speculationsgeist, der aus das Alte sich wirst, weil es wieder neu zn werden verspricht, unb der zugleich darauf rechnet, das;, eben weil es sich um etwas erst im Werden Begriffenes handelt, zumal bei der entschiedenen Hinneigung unserer Zeit zum Oberflächlichen, eine strenge Controlle nicht zu fürchten sei. Und so entstehen denn jene mittelalterlichen Masken und Psuschwerke, die für das Gedeihen der ächten Kunst unvergleichlich viel gefähr- licher sind, als alle Angriffe ihrer principiellen Gegner. Wenn in der That irgend etwas beweist, daß der gothischen Architektur wieder eine große Zukunft aufgehen wird, so ist es der Umstand, daß das Interesse für dieselbe nicht nur nicht gelähmt, sondern sogar offenbar immerfort im Steigen begriffen ist, ungeachtet aller der vorstehend angedeuteten Hindernisse, insbesondere aber ungeachtet der großen Anzahl von Fehlgeburten, die sie seither in die Welt gesetzt hat. Um Bauwerken gegenüber, wie beispielsweise die Wer- dersche Kirche in Berlin, die neuen Kirchen zu Leipzig, Sonnen- berg und Wiesbaden, die in Holland neuerdings in großer Zahl erbauten katholischen Kirchen, das Rathhaus zu Weimar, der vielen sich gothisch geberdenden Schlösser und Privathäuser nicht zu gedenken, um, mit Einem Worte, durch so viele Zerrbilder — welche um so wiederwärtiger erscheinen, je edler das Urbild ist — den Glauben an eine neue Zukunft der Gothik nicht abermals und vollends einzubüßen oder doch ganz irre an derselben zu wer- den, ist es wahrlich nothwendig, daß dieser Glaube tief in unserer Art und unserem Wesen wurzelt, unb daß die fragliche Kunstweise einen Unverwüstlichen Lebenskeini in sich trage. Wenn ein Katholik die Gothik um deswillen empfiehlt, weil dieselhe vorzugsweise dein Geiste des Christenthlims entspreche, so pflegt man ihn nach Italien, insbesondere nach Rom hinzuweiscn, wo sie weder entsprossen, noch im Blühen begriffen sei. Es hat dies allerdings seine Richtigkeit; nicht minder richtig ist es aber eillch, daß der germanische Geist schon im Begriffe stand, jene Halbinsel für die ihm entquollene Kunstweise zu erobern, als die germanische Einfalt sich berücken ließ, die Errungenschaften eines halben Jahrtausends dran zu geben und blinkende Rechenpfennige gegen seine gehäuften Schätze einzutauschen. Man braucht blos einmal einen Blick ans das in den Veröffentlichnngeii von Gaye und Guhl über die Periode der s. g. Renaissance in Italien dar- gebotene Material zu werfen, um sich von dem Gesagten zn über- zeugen, wie denn auch der letztgenannte Schriftsteller sich nicht entscblagen kann, zu bemerken (Künstlerbriese S. 450), daß in Italien in der Masse des Volkes eine große Vorliebe für das Gothische bestanden zn haben scheine, eine Vorliebe, die übrigens, nebenbei bemerkt, von unserem Schriftsteller nicht getheilt wird. Wenn man dort liest (S. 446), wie noch im Jahre 1572 ein Palladio die Bauten deutscher Art die bedeutendsten in Italien nennt, nachdem etwa ein Jahrhundert früher ein anderer italienischer Architekt von großem Rainen, Antonio Filarete, sich darüber wörtlich folgendermaßen hatte vernehmen lassen: „So bitte ich denn einen Jeden, diese neue Art fahren zu lassen und laßt Euch gar nicht von jenen (den deutschen) Meistern berathen, die eine solche schlechte Praxis befolgen. Verdammt sei, wer dar- nach bauete! Ich glaube es war ein barbarisches Volk, das sie nach Italien gebracht hat," — so wird man wohl das oben von uns Gesagte nicht zu stark ansgedrückt finden. Hätten jene deut- schen Architekten, welche sich von den patriotischer gesinnten Ita- lienern berücken ließen, doch noch wenigstens die Rolle des Raben dabei gespielt, der durch Schmeichelreden dazu gebracht ward, seinen Leckerbissen aus dem Schnabel fallen zn lassen! — Wen das Nähere über das Wachsthum, um nicht zu sagen: die Herrschaft der Gothik und ihre Leistungen in Italien, so wie über die Ver- anlassung ihres Unterganges, dort Und anderwärts, interessirt, dein seien außer den schon angeführten Schriften die Artikel empfohlen, welche Didron in den „Annales archéologiques“ über den Gegen- stand zu veröffentlichen begonnen hat. Den Katholiken Deutsch- lands überlasse man es aber ruhig, sich in Betreff ihrer vorgeb- lichen Inkonsequenz ihrer Kirche gegenüber zu rechtfertigen. So dictatorischer Natur und so engherzig ist letztere nicht, daß ihr nicht bewußt wäre, wie in Fragen der Kunst und des Geschmacks nicht nothwendig Alles und Zedes vom Mittelpunkte aus angeord- net werden muß. Sie weiß vielmehr recht gut und sie hat cs