Gothisches Musterbuch 1

Forfatter: G. Ungewitter, D. Statz

År: 1856

Forlag: T.O. Weigel

Sted: Leipzig

Sider: 34

UDK: 723

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Side af 232 Forrige Næste
nicht selten ausgesprochen, daß, ungeachtet alle Gläubigen eine Einheit bilden, ein jeder derselben doch seine JndividUalität be- wahrt: ans Viel stärkeren Gründen aber gilt dies für jedes christ- liche Volk. Sie gestattet die größte Mannigfaltigkeit in Bezug ans die christliche Sitte sowohl, als ans die äußere Erscheinung des Cilltus. Dadurch eben ergiebt sich jenes herrliche harmonische Spiel, welches das Christenthllm in seiner Totalität hervorbringt, daß eine jede Nation zu dem Accorde gleichsam einen Ton an- schlägt. Eine jede hat in den gemeinschaftlichen Haushalt ihre Aussteuer cinznbringen: sollte nicht etwa unter Anderenr der architektonische Gedanke als die Mitgift der germanischen Race er- achtet werben können? Indes die Katholiken, welche cs doch Wohl zunächst angeht, erheben, wie gesagt, und theilen auch unseres Wissens obiges Bedenken nicht, so daß wir dasselbe wohl Unbe- denklich auf sich beruhen lassen können, um uns Alle, ohne Unter- schied der Konfession, darin zn einigen, worin wir, nach wie vor, einig sein könnten und sollten. Dies Gemeinsame aber ist das Stammesbewußtsein, welches nicht weniger in der Kunft, als in der Sprache seinen Ausdruck findet. Stand es doch um letzere lange Zeit hindurch kanin weniger schlimm, als derzeit um die edle Baukunst! Hatte nicht auch auf dein Gebiete unserer Sprache die Ausländerei, die Vornehm- and Gelehrtthuerei Alles bis zur äußersten Verkümmerung abwelken lassen? war nicht aus dem stattlichen Königsgewande, dlirch Flicken, Placken und Be- schneiden, nacbgerade eine Harlekinsjacke geworden, deren sich alle Gebildeten lind Höherstehenden schämten? Was würde man wohl vom demjenigen gesagt haben, der zur Zeit des Opitz einen Lessing, einen Friedrich Schlegel oder Görres vorherverkülidet hätte? — Und doch konnte man damals gewiß mit nicht weniger Fug und Recht unserer Sprache nachsagen, sie sei ausgelebt, ihre Lebens- geister seien erschöpft, sie müsse einem universelleren Id io nie Platz machen, als man hentzntage der Gothik nachsagt, sie sei eines na- türlichen Todes gestorben. Natürlich, sehr natürlich war es allerdings, daß diese Kunstweise, „die deutsche Art'', unterging, aber noth wen dig — mit Nichten; so wenig, als es im Leben der Jndividnen jeinals nothwendig ist, daß sie vom Rechten und Wahren abfallcn. Zn nicht minder natürlicher Weise ist es anch dahin gekommen, daß die danialigen Tonangeber in Spanien den Genius ihrer Calderone und Lope de Vega verläugnen und dein christlichen Heldengeifte der Sieger von Lepanto untren ge- worden sind; allein darum ist doch fürwahr die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, wieder in die alten Bahnen einzulenken, falls nicht der Glaube an die menschliche Freiheit ein Aberwitz ist. Allerdings ist die wahre Kinist, ihrem Wesen nach fließend, in steter Bewegung begriffen, wie. alles Geistige überhaupt; eines- theils aber bleibt doch der Flnß derselbe, wie sehr auch seine Wellen miD selbst feine Ufcrländer wechseln, uni) andenttbeils kann in der ästhetischen wie in der moralischen Welt zeitweise eine Verstockung, eine Verstumpfnug eiutreten, welcher alsdann mit Macbt entgegengelvirkt werden muß, damit der ursprüngliche, na- türliche Drang sich wieder geltend zu machen vermag. Und in der That, man sieht schon, wie allerwärts Quellen sich öffnen und Bäche sich bilden, um in dem alten Strome sich zu vereini- gen uni? ein neues Leben ihm einzuflößen. Betrachtungen so allgemeiner Natur klingen vielleicht etwas befremdlich in einer Einleitung zu schlichten Vorlegeblättern, die keinen anderen Anspruch machen, als ein Elementar--Studienbuch für angehende Künstler und Handwerker zu werden. Ich kann nun aber einmal von der Absicht nicht lassen, daß es gerade bei künstleriscben Bestrebungen vorzugsweise ans die Grmldanschaunn- gen und Principien ankommt, daß hier, auch bei den reichsten Mitteln, nichts gedeihen kann, was nicht vom Geiste der Wahrheit belebt wird; und so mögen denn die Abschweifungen von dem eigentlichen Gegenstände dieser Zeilen Entschuldigung, wenn auch nicht Billigung, finden. Wenn immerfort die Rückkehr zum Alten angerathen wird, so drängt es mich, hier ohne Verweilen hinzuzufügen, daß dem Alten nichts weniger entspricht, als eine unselbstständige Nach- ahmerei desselben, daß von einem naturgemäßen, fruchtbringenden Anknüpfen an die große Kunst des Mittelalters nur in der Art die Rede sein kann, das man mit den Eildungsgesetzen der- selben sich innig vertraut macht, und aus ihnen heraus Neues, Lebendiges schafft. Diese Bilolingsgesetze aber liegen am klarsten und einfachsten in der Knnst des dreizehnten Jahrhunderts zu Tage, deren Schöpfungen gleichsam die Blüthe der ganzen Ver- gangenheit sind, aus welcher sie in durchaus naturgemä- ßer Weise sich allmälig entwickelt haben, was auch immer von gelehrten und ungelehrten kritischen Forschern in dieser Beziehung imaginirt und zn Markte gebracht worden sein inag. Die^ genaue Vergleichung einer größeren Anzahl von Bauwerken der verschiedenen Länder ergiebt in der That bis zur Evidenz, wie der Sieg des Spitzbogenstyls und dessen eben so großartige, als rasche Entwicklung auf Gründen beruhen, die, wenngleich allerdings zum Theil auch moralischer, doch jedenfalls vorzugsweise techni- scher Natur sind; Alles weist darauf hin, daß die Wiege dieses Styls in den Steinmetzenhütten zu suchen ist. Dem Principe nach spricht in der Gothik die Architektur ihr letztes Wort, wie denn bis jetzt sich auch noch nicht einmal ein Keimpnnkt für einen neuen Styl hat blicken lassen wollen. Denjenigen, welchen eine solche, der Zukunft vorgreifende BehaUptinig etwa parador oder vermessen vorkommen möchte, sei bemerkt, wie fast allen Gebieten des Könnens und Wissen derartige Marksteine, mit dein nee plus ultra daraus, anzutreffen sind. Das Gesetz der Schwere, Die musikalische Harmonielehre, so viele physikalische oder mathe- matische Grundformeln können hier angeführt werden, die gleich- falls erst nach langem Suchen und Ringen, man kann wohl sagen: nach langem Kreisen ans Licht sprangen. Weit entfernt, der Productivität Eintrag zu thun oder die Freiheit des Schaffens Und der Speculation auszuschließen, sind solche Entdeckungen viel- mehr höchst förderlicher nach beiden Richtungen hin, indem sie feste Ausgangs- und Zielpunkte darbieten, Maaß und Regel, überhaupt einen Compaß an die Hand geben. Ich bin überzeugt, daß Beet- hoven, Glich im feurigsten Schöpfungsdrange, nie über die Fesseln Klage geführt hat, welche der Generalbaß dem Componisten an- (eßt; nie hat derselbe ihn wenigstens daran gehindert, neu und original, im eminentesten Sinne des Wortes, zn sein. Aber um von diesen Grundregeln nicht gehemmt zu werden, muß man sie freilich genau kennen gelernt haben, theoretisch und praktisch; sie