Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seite 1038
Bayerifche Subildums-kandes =Huslfellung 1006
[Ir. 41
gutern Gesegneten. Neuerbings sind ja gerade in letzter
hinsicht eher Riick- als Fortschritte zu verzeichnen. Doch
es ware unbillig, zu verlrennen, roas alles gerade auf dem
Feide des Verkehrs in verhaltnismatzig Kurzen Jahren
geleistet roorden ist, und roenn die IubilaumsIandesaus-
stellung uns ein Vild geroahren soll von dem, roie „Herrlich
roeit" roir es heute gebracht haben, in den Rdumen der
Russtellung des Verkehrsministeriums hat dies Vild einen
besonders Parken und eindrurksvollen Farbenauftrag er-
fahren.,
Das K. b. „Staalsministerium fur Verkehrsangelegen-
Heiten" ist bekanntlich erst eine neuere Grundung. 6s
besteht seit dem 1. Januar 1904, solange stand die oberste
Leitung und Rufsicht uber samtliche Verkehrsanstalten dem
K. Staalsministerium des K. Hauses und des Nutzern zu.
Die diesem fruher uutergeordneten selbstandigen, getrennten
Zentralstellen, die Generaldirektion der k. b. Staalseisen-
bahnen und die Generaldirektion der Posten und Tele-
graphen unterstehen jetzt dem Verkehrsminister in bezug
auf oberste Leitung und Rufsicht. Diesen beiden Haupt-
abteilungen entsprechend zerfallt die Russtellung in zroei
getrennte Halften, von denen allerdings die Staalseisen-
bahnen roeitaus die grohere fur sich beanspruchen.
£aut dem amtlichen Katalog, der uber die Sonber-
ausstellung des Verkehrsministeriums erschienen ist und
zroar lange nicht so ergiebig, roie derjenige des Staats=
ministeriums des Innern, aber immerhin auch mannigfach
belehrend die ausgestellten Gegenstande beschreibt — roir
folgen in der hauptsache seiner Fuhrung — solite in der
Russtellung die Gntroicklung der bayerischen Staalseisen-
bahnen und des Post-, Telegraphen- und Telephonroesens
seit der zroeiten bayerischen Landesausstellung im Jahre 1896
gezeigt roerden, roobei stellenroeise zum Vergleich auch die
Verhaltnisse fruherer Zeiten herangezogen rourden. Diesem
Zweck entsprechend sind der durch Plane, Rnsichten oder
Modelle vorgefuhrten hochbauten der Eisenbahn- und Post-
verroaltung nicht allzuviele. Das roichtigste davon enthalt
der sogenannte Lmpfangsraum, der zu der langen, in
mehrere gesonderte Raume zerfallenden haupthalle fuhrt,
die, roeil die einzelnen Raume nur durch Kurze Zroischen-
roande getrennt sind, einen breiten Mittelgang aufroeist,
an dessen Ende roir das roirkungsvolle, die Hier ange-
gliederte llusstellung des Fremdenverkehrsvereins bezeich-
nende Panorama der Zugspitze, gemalt von Lrnst Platz
erblicken. Ls sei bemerkt, bah auch in dieser halle die
Raumverteilung und Ivanddekoration von demselben Kunst-
lerischen Geiste getragen sind, roie roir diesen in dem ganzen
Ullmannschen 5taatsgebaude vorroaltend gefunden Haben.
Das neue Ministerium beanspruchte naturlich ein neues
Hans. Wir sehen dieses im Grundritz in seiner Gesamt-
anlage, autzerdem in einer perspektivischen llnsicht seiner
hauptfassade in der Rrnulfstrahe in Munchen und in zroei
groven Teilmodellen. Der Entrourf zu dem malerisch an-
gelegten, reichen und stattlichen Darockbau ruhrt von dem
Rrchileklen Professor hocheder her. Dagegen Hat der von
dem oft genannten Ullmann entroorfene Bau des Konigl.
Postamts I in der Karolinenstratze zu Nurnberg in der
Innenausstattung und, roas das Rudere anbetrifft, roenigstens
in den Zierformen, einen durchaus modernen Eharakter.
Letztere sind zum Teil in der Empfangshalle des Staals-
gebaudes roiederholt. Die Laukosten fur das letztgenannte,
1583 qm bedeckende Gebaude, das in drei Jahren, von
1902 - 1905, Hergeftellt rourde, betrugen 965 000 Mk.
Rud) das Postdienftgebaude am hauptbahnhof Nurnberg
(Rrchitekt Direktionsassessor tvunscher) mit seiner langen
und hohen Front ist, roie der Vesucher der Russtellung aus
den ausgehangten Rnsichten und einem Stubienmobell —
zum Teil im Raum B — ersehen Kann, von zum Teil eigen-
artigen Formen unb burch bie Ivahl ber Farben bes Bau-
materials auch von einem geroissen Koloristischen Reiz. Ein
sehr gelungener Bau ist bas ubrigens mehr altere Bau=
formen aufroeisenbe, roieberum von Ullmann entroorfene
Postgebaube in Roth a. S.
Eine Freitreppe, von zroei - nicht ohne Pose -
Hingelagerten Lbroenfiguren (mobelliert von Vilbhauer Georg
Ribertshofer in Munchen) eingefahl, fuhrt zu bem Raume A
ber langen Russtellungshalle Hinunter. Er ist im roesent-
lichen bem hochbau geroibmet, boch haben auch einige Eisen-
bahnbruckenbauten Hier Rufnahme gefunben. Die Wanbe
sinb reich mit groven Wanbtafeln behangt, auf benen uns
vor allem bie Rnsichten von ber im Entstehen begriffenen
Mohnungskolonie am Rangierbahnhof Nurnberg interessieren.
Kirche, Schule, Pfarrhaus, ein Feuerhaus, Kleinkinber-
beroahr- unb Suppenanstalten, Kinberspielplatze unb Markt-
platz, Baber unb Krankenhaus, eine Turnanstalt, felbst-
verstanblich mehrere Gasthauser, barunter ein graderes,
alles finbet sich hier. Das als Mittelpunkt ber Rnlage
projektierte Verroaltungsgebaube soll auch eine Volks-
bibliothek, Postanstait, Rpotheke, Polizeibureau usro. auf-
nehmen. Die Bebauung ist zum grotten Teil offen ge-
plant. Fur jebe lvohnung ist ein etroa 100 qm grover
Garten vorgesehen, in ben einzelnen Wohnhausern auf mbg-
lichste Rbgeschlossenheit jeber Mohnung Hingearbeitet. So-
roeit es angangig roar, haben bie lvohnungen elgene Tin-
gange vom Freien aus erhalten. Mehr als zroei lvohnungen
sinb in Keinem Falle im gleichen Stodtroerk von einem
Stiegenhaus zuganglich. Die auhere Erscheinung ber Haufer
lehnt sich im allgemeinen an bie ber frankischen Bauern-
Hauser mit Fachroerk unb hohem Dach an, im einzelnen
rourbe - unb mit Gluck - versucht, bas Ganze burch
mbglichst mannigfaltige Gestaltung ber Hausergruppen an-
genehm zu beleben. Mobelle, barunter auch ein groheres
ber Gesamtanlage bieser „Mohnungskolonie Rurnberg",
bie roie eine Kleine Stabt fur sich erscheini, geben uns noch
einen intimeren Tinblick als bie Rnsichten, unb uberzeugen
uns, bah hier roirklich ein iverk vorliegt, bas, roenn es
einmal vollenbet sein roirb, bie Bemuhungen bes Staats
um bie lvohlfahrt seiner Rrbeiter im schbnsten Lichte zeigen
roirb. Noch mehr aber geroinnen roir biesen Linbruck,
roenn roir im Freien in ber sog. Dorfstrahe, auf bem Ivege
zur Teichrestauration, bas bel aller Einfachheit auher-
orbentlich stil- unb reizvolle Rrbeiterroohnhaus besichtigen,
bas bazu bestimmt ist, nach Schluh ber Russtellung in
unserer Mohnungskolonie aufgestellt zu roerben. Es ent-