Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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nr.42
Bayerifche Subildums-bandes-Husifellung 1906
Seite 1083
Der Historische Teil des nurnberger Hauses.
Von Dr. pyil.
ist in diesen Blattern bereits ein-
mal von mahgebenber Seite uber
Zweck und Anhalt der Historischen
Ausstellung der Stadt Nurnberg
gesprochen worden. røns das sol-
gende bieten soli, stellt sich mehr
als bankbare Lrinnerung an die
vielen unvergehlichen Lindrucke
bar, bie ber Freunb ber Geschichte
unb ev. ber historiker von Fach
hier empsangen Haben burfte.
(Es wirb Heutzutage mit bem
Warte „Kunst" etwas reichlich viel
Unfug getrieben, baher wittern benn auch bie Leute uberall
nur „Kunst" unb wieber „Kunst", auch ba, wo anberes zunachst
in Betracht kame. Ich glaube, unser publikum sah auch
in ber historischen Abteilung bes Nurnberger Hauses etwas
zuviel Kunst unb zu roenig bas historische. Geroih roirb
sich auch ein berartiger kunstlerischer Neichtum, roie er bem
in bieser hinsicht ehemals eiiizigartigen Nurnberger Boben
entsprah, sobalb nicht roieber zusammenfinben, sobalb nicht
wieber in bieser Geschlossenheit zur Anschannng gebracht
werben kbnnen. Aber sur viele Besucher ber Ausstellung
wirb sich auch vielleicht nie wieber bie Gelegenheit ergeben,
historische Schatze, in benen ber lokale unb ber nationale
Wert fo sehr mit einanber roetteifern, in bieser Fulle bei-
samrnen zu sehen. Ver historiker wirb ben Wert beroun-
bem mussen, ber in ber Tatsache allein schon, bah man
berartige geschichtliche (limelien ben Zufalligkeiien ber
ofsentlichen Zurschaustellung mit allen begleitenben Um-
stanben aussetzte, zu Tage tritt. Da finb z. B., gleich beim
(Eintritt eigentlich schon, bie Kaiserurkunben, Pracht-
stucke, bie bas Herz jeben Diplomatikers ersreuen mussen,
bie ber Laie vollenbs auher an bieser Stelle uberhaupt
niemals zu sehen bekommen burfte; benn Kaiserurkunben
bes 10. unb 11. Sahrhunberts (aus bem letzteren, bem
Sahrhunbert bes beginnenben Nusschwungs ber Stabte,
sinb vor allem zahlreiche Stucke vertreten) gehoren zu
senen Kostbarkeiten, bie im allgemeinen bie feuerfesten
Geroblbe ber Archive selten verlassen. Auch bie zahlreichen
Stamm-, Stiftungs-, Geschlechts-, Turnierbucher usw. roolien
keinesroegs lebiglich auf ben Bilberschmuck hin, ben sie
allerbings reichlich tragen, betrachtet sein, unb bieser selber
wieber fuhrt gelegentlich — man benke an bas „G ans-
buch" von St. Lorenz aus bem Sahre 1507 - Hinuber
auf bas Gebiet ber Literaturgeschichte, ber zeitgenbssischen
5abeb unb Tierbichtung. Die Literarhistorie aber barf
man nur erwahnen, um sich ber Meisterlieberbucher
usw. zu erinnern. Was von bem Haubschriftlichen
Uachlah ber grohen Nurnberger bes Renaiffance«
zeitalters ausgestellt ist, gehbrt zu ben Kleinobien ber
beutschen Nation; unb gerabe hier in seinem Werte von
vielleicht roenigen erkannt, ruht eines ber vornehmsten
Karl Cory.
Dokumente beutscher Kunstroissenschaft, ein Fragment von
Durers „vier Buchern von menschlicher proportion".
Die papierhanbschrift ber Gebichte bes humanisten Lonrab
Teltis entbehrt allen Bilberschmucks unb ist barum boch
eine ber interessantesten Sehenswurbigkeiten ber Ausstellung,
ahnlich auch ber Brief bes Reformationsfeinbes (Eck, an
ben Nurnberger Rat vom 4. Februar 1528 in Sachen bes
3nberbikts gegen zwei ber grotten Burger unserer Stabt,
pirkheimer unb Sprenger. Der palaographische Wert aber
ubersteigt naturgemah ben rein historischen, obroohl bieser
selbst kaum hoch genug anzuschlagen, bei ben Hanbschriften
aus bem 11. unb fruheren Iahrhunberten; Hier ist es vor
allem ein Txemplar ber Lex Salica, bas uns als eines
ber ehrrourbigsten Denkmaler beutscher Dergangenheit fesselt.
Unb roenn im Nebenraum, allerbings etroas reichlich Hoch,
bas 1537 von Pencz gemalte portrat bes (Erasmus
von Rotlerbam an ber Wanb Hangl, fo tritt auch Hier
bas kunftlerifche Intereffe vbllig Hinter bem Historischen
zuruck, nicht bie Kunslleistung als solche ist es, bie uns
hier slillslehen Idht, fonbern bas Verlangen, ein authentisches
Bilb jenes beruhmtesten Gelehrten seiner 3eit, ber bie
roerbenbe Reformationsberoegung mil fo uberlegenen Witzen
begleitete, zu fehen.
Aber freilich: Kunst unb Geschichte, sie fliehen s ich
hier nicht, sie „Haben sich, eh' man es benkt, gefunben".
3m Leben unb in ber roissenschafllichen Betrachtung. Was
biesem Teil bes Nurnberger hauses gerabe in ben Augen
bes historikers von Fach so hohen wert verleiht, ist ber
Umftanb, bah hier anbers als bei ben meisten berartigen
Unternehmungen nicht bie Antiguitaten- unb Rarilaten-
schnuffelei geleitel hat, fonbern ber gule Gefchmack. wie
emporenb hat man ba oft bod] in blinbem Tifer an ben
guten Alten gefunbigt! IRan flellte zufammen, roas man
an abenteuerlichen Dingen fanb, als roenn bie Leule von
fruher nur Grillenfanger unb lalle Kauze geroefen roaren,
bie an nichts als an kinbifchem Spielzeug Gefallen ge-
funben. Hier im Nurnberger Haufe ift boch einmal jebem,
fo er nicht blinb, beutlich zur Anfchauung gebracht, bah
fruher viel mehr als heutzutage ber gute Gefchmack, bie
fchbne ziere Form in allen Dingen bes Lebens mahgebenb
geroefen. Unb bem hiftoriker von Fach vor allem bffnel
sich bas herz, roenn er hier ber breitesten Gffentlichkeit
einmal im reichsten TNahe gezeigt fieht, roie sehr er es bei
ben (Dbjekten seiner Wissenschaft mit kunstlerisch Schbnem
zu tun hat ; ja er selber vielleicht erkennl hier beullicher
als sonft, bah er ben Naturforscher, ber mit ben „Kunst-
formen ber Natur" in trautem Verkehre lebl, nicht zu be-
neiben braucht, bah es vielfach bie ebelsten Kunstformen
ber menfchlichen Kultur sinb, bie ihm bei seinem Forschen
unb Arbeiten burch bie Hanbe gehen. 3ch benke Hier
u. a. auch an bie prachtvolle Sammlung von TNunzen unb
anberen pragestucken, uber beren Wert als Hilfsobjekte
geschichtlicher Forschung roohl niemanb im unklaren sein