Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seite 124
Bayerifche 9ubildums = Landes-HusHellung 1906
Dr. 6
Figur, die zu den Sehenswurdigkeiten der Stadt gehbrt,
in der angegebenen Weise zu deuten ist, erhellt aus der
Schilderung, die wenige Iahre nach ihrer im ersten Iahr-
zehnt des siebzehnten Iahrhunberts ersolgten Herstellung
der flugsburger Patrizier Philipp Hainhofer in seiner Reise-
beschreibung gibt. Damals besand sie sich noch nicht aus
jenem Runbtempel, roo sie durch ihre hahe flufstellung
unseren flugen leider so sehr entruckt ist, bah ihre Fein-
Heiten roenig zur Geltung Kommen, ja, bah viele, die in
Munchen roaren, sich nicht entsinnen, sie uberhaupt gesehen
zu haben, sondern damals stand sie aus einem aus Grotten-
roerk gebildeten Felsenberg in einem an der Sudseite der
Resibenz angelegten Gartchen. In jener Beschreibung Heiht
es: „Gegen disem berg vber ist ein grofjer Felsenberg
oder grotta, daraus stehet ein gros; Metallin Weibs=
bild lebensgrohe, die hat auf ihrem huet ein flichenlaub,
roelches das gehultz inn Batjern bedeuttet, vmb den rechten
arm hangt eine hirschhaut mit aineni gassenen Hirsch Kops
ond geroicht daran, bah bedeutt dass geroild inn Batjrlanb;
inn der linckhen hand hats einen eher, der bedeuttet das
getrayd, bey den Fuessen ligt ein roeinsahlin, dass be-
deuttet den tveinroachss inn Under Bayrn, darneben aine
Salzscljeuben, die bedeuttet das Saltz ond Salhpfannen.
Vmb den berg hero fisch, schneckhen, muschlen, die bedeutten
dass roasser ond die fisch. Vor dem Bild stehet ein grover
hund ond beer, die den haussen roasser ausspeyen, roelches
auch, bah dise thier so grofj im Batjrlanb sallen vnb ge-
funben roerben bebeuttet. Der Berg ist von eblem Lrtz
zusammengesetzt, roelches auch bie Bergroerkh anzeuget."
Ist in bieser Beschreibung auch sicherlich manches hineingeheim-
nisjt, rooran man bei ber flnlage bes Felsenberges Kaum ge-
bacht hat, so hat es mit ber Deutung ber Figur, aus bie im
Iahre 1875 Karl Theobor v. Heigel Hingeroiesen hat, nach-
bem sie bis bahin allgemein unter bem Namen Diana ge-
gangen roar, seine Nichtigkeit. flngesichts bes Hirschkopfes,
saroie bes Getiers unb bes grohen Hunbes auf bem Felsen-
berge ist es begreiflich, roie man bazu Kam, bie Figur als
Gbttin ber Iagb anzusprechen, aber bazu passen bie attribu-
tiven Beigaben nicht. flus iljnen geht vielmehr Hervor,
bah hainhofer mit seinen Lrklarungen im roesentlichen bas
Nechte getroffen Hat.
Nicht lange nach ber flnlegung jenes Felsenberges, sehr
roahrscheinlich schon vor 1635, scheint bie Figur aus ihren
Heutigen Stanbort ubertragen roorben zu sein, nachbem ihr
als Seidjen ber im Iahre 1623 auf Maximilian uber-
gegangenen Kurrourbe ber Reidjsapfel in bie Rechte gegeben
unb zum Schmuck bes hier nicht mit abgebilbeten Sockels
bie vier Putten Hinzugefugt roorben roaren, von benen
einer bie Kurfurstenkrone tragt, zroei burch ein Baumreis
unb ein Fullhorn mit Fruchten bie agrarischen flttribute
ber Figur vervollstanbigen unb einer burch ein Kirchen-
mobell aus bie Kirchlichen Bestrebungen bes Kurfursten,
bem bie Geschichte ben Beinamen bes Katholischen gegeben
hat, hinroeist. lvahrscheinlich erhielt bie Figur, vielleicht
im Hinblick auf ben burch Maximilian erfochtenen Sieg
am Weihen Berge, bem Bayern seine Lrhebung zum Kur-
furstentum bankt, bamals auch ihre martialische Kops-
bebeckung, bie ja nach ljainhofer ursprunglich aus einem
mit Lichenlaub geschmuckten hut bestanb, so roie es etroa
bie schone von Peter Tanbib im Theatinergange ber
Munchener Resibenz gemalte, gleichfalls burch einen Hirsch-
Kopf, eine flhre unb eine Salztonne unb auherbem noch
burch ben Kops eines fbroen naher charakterisierte Ba-
varia zeigt.
Die Figur ist ein Prachtstuck ber Lrzplastik, roie sie
gegen Enbe bes 16. Iahrhunberts in Munchen unter
italienisch-nieberlanbischem Einsluh erbluht ist, ein Sprbhling
ber burch ben Meister ber Lrzplastik ber italienischen Spat-
renaissance, Giovanni ba Bologna, beeinsluhten Kunst, bie
in flbrian be Vries, bem Schbpser bes flugsburger Herkules-
brunnens, ihren glanzenbsten Vertreter hatte unb bie sich
beutlich auch in bem rounberherrlichen flugustusbrunnen
bieser Stabt spiegelt. Schbpser bieses Brunnens roar Hubert
Gerharb, einer ber vielen bamals am Munchener Hose
tatigen italienisierenben Nieberlanber, bem Munchen eine
Reihe seiner prachtigsten Lrzgusse bankt. Kunstlerisch nalje
verroanbt mit ben Figuren bieses Brunnens, insbesonbere
mit ber am Brunnenbecken gelagerten lieblichen Singolb,
ist unsere Bavaria, beren Meister urkunblich nicht bezeugt
ist. Wahrenb man sie fruher fur ein Werk bes Weil-
Heimer Giehers Hans Krumper Hielt, ber unter anberem
nach Lanbibs Lntrourfen bas Lubroigsmausoleum in ber
Munchener Frauenkirche gegossen Hat unb bem Kempten
seine schone eherne Brunnensaule bankt, ist man Hente
geneigt, sie bem Hubert Gerharb zuzuroeisen. Ich glaube,
bah roeber bieser noch jener ber Kunstlerische Urheber ber
Bavaria ist, sonbern bah einer von ihnen, roahrscheinlich
Krumper, nur bie flusfuhrung besorgt hat. Der Lntrours
aber ruhrt von bem schon mehrfach genannten, seit 1586
in Munchen tatigen unb alle Sroeige ber Kunst beein-
flussenben unb birigierenben Peter Tanbib her, einem aus
Brugge stammenben, aber unter italienischem Himmel zum
Kunstler herangereisten Meister. So besitzen roir ja auch
mehrere Iverke italienischer Bilbhauer, beren Lntrourf von
Raffael herruhrt. wie an ben italienischen Furstenhofen, so
liebte man es bamals auch an ben beutschen hosen, bie ganze
Kunst unter bie Leitung einer Kunstlerpersbnlichkeit zu stellen.
flis solche rourbe Tanbib berufen, unb bis zu seinem i. 3. 1628
ersolgten Tobe beherrschte er bas Munchener Kunstleben.
Mit Recht konnte er in seinem 1613 an ben Herzog ge-
richteten Bittgesuch, in bem er baran erinnert, bah er nun-
mehr schon breihig Iahre hinburch in bayerischen Diensten
sein fluherstes getan habe, sagen, bah er „bie gantze
operas vnb roas anbers babei zumahlen vnb zu ver-
richten gehabt .... barneben aber einen alsz ben anbern
roeg von meiner hanbt jebes jars mandje starckhe arbait
vnb solche roerckh vollenbet, vmb roelche ein anberer vill
mit einem mehreren alsz roormit man mich besolbet, Hatte
belohnt roerben muessen." — Wie ich ber Trabition gemah
nach roie vor fur bie Bavaria an ber Tanbibschen Nrheber-
schaft sesthalte,. so bin ich auch trotz ber bagegen erhobenen
Linroanbe heute roie vor zroanzig Iahren ber Meinung, bah
Kein anberer als Tanbib ben Lntrourf zum flugustusbrunnen
geliefert haben Kann. Lin Vergleich bieses unb ber an-