Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seife 358
Bayerifche 3ubildums - Landes • Huskellung 1906
Or. 17
Kunsthanbwerkes im alten Hurnberg zum Vorwurs ge-
nommen. flilerbings genugt dies auch gerade Hinreichend.
Denn Nurnberg ist auf den angedeuteten Gebieten von
einer Bielseiiigkeit, wie Keine zweite Stabt. flnfangs be-
stand die flbsicht, in erster Linie in den offentlichen Samm-
lungen und Museen das Material sur das vorgesteckte
3iel zu suchen. Vieser bei dem Heutigen Stande der mu-
sealen llnschauungen etwas zu ideale Gedanke scheiterte
aber an der praktischen Vurchfuhrbarkeit. So mutzte das
System geandert roerden, wahrenb unterdessen bereits die
Bauarbeiten rustig gesordert roorden roaren. Und fragen
wir uns offen und ehrlich, was bei dem Dereinigen und
Zusammenbringen bekannter Kunstobjekte Nurnberger Pro-
venienz fur die Kunstwissenschaft oder Kulturgeschichte Posi-
tives erreicht worden ware, so mussen wir sagen, bah das
Ergebnis Kaum ein befriedigendes hatte werden Konnen.
Nus diesen Beroeggrunben — es war unterbessen Sult 1905
geworben — schritt man bazu, von nun ab Hauptsachlich
aus Gegenstanbe aus Privatbesitz auszugehen, bezw. solche
Kunstwerke ins fluge zu sassen, bie weniger ber flllge-
meinheit zuganglich sinb ober bie sich an Drten befinben,
wo sie nicht recht zur Geltung Kommen, offentliche Samm-
lungen aber nur insosern heranzuziehen, als es zur Gr-
grunbung bes Ivesens ber flIt-Nurnberger Kunst, was
nunmehr als Gnbzweck ber flusstellung betrachtet wirb,
unbebingt ersorberlich ist. Die Dorarbeiten in biesem Sinne
burchzusuhren war ein Hartes Stuck flrbeit. Dennoch
wurbe ein reichhaltiges Material zusamrnengebracht, an bessen
wurbiger flusstellung seit flnfang flpril gearbeitet wirb.
Es wirb von bem zur Berfugung stehenben beschrankten
Naum abhangen, ob es moglich sein wirb, ben Gebanken
bes Bearbeiters, tunlichst viele Zweige ber eblen Kunst unb
ber angewanbten Kunste in Historisch arrangierten Gruppen
vor flugen zu suhren, zu verwirklichen. Nicht alle Sbeale
lassen sich bekanntlich realisieren. flber es ist etwas an-
beres, mit gegebenen Berhaltnissen zu rechnen, als zunachst
bie stosflichen Grunblagen zu schaffen, um biesen entsprechenb
erst bie Naume auszugestalten. Letzteres aber war nicht
mehr moglich, ba hierzu bie erforberliche Seit nicht zu
Gebote stanb.
Das zur Derfugung stehenbe Material gliebert sich in
bie betben Hanptabteilungen ber kirchlichen unb profanen
Kunst mit ihren verschiebenen Unterabteilungen. Die Kirch-
liche Kunst wirb in reichhaltigem Mahe zur Darstellung
gelangen, was gewih mit Freuben begruht werben wirb.
(Es werben nicht nur zahlreiche wertvolle IBerke ber
Plastik unb Malerei zur Darbietung gebracht, sonbern
auch acht vollstanbige flltare aufgestellt. Hierburch wirb
es ermbglicht, ein burchaus annehmbares Bilb ber Ent-
wickelung ber religiosen Kunst von ber Mitte bes 14. Sahr-
Hunberts bis weit Hinein in bas 16. Sahrhunbert zu ge-
winnen. Nater ben flltarwerken befinben fich zwei von
befonbers hoher Bebeutung, bas finb ber gewaltige ehe-
malige Hauptaltar aus ber Stabtpfarrkirche in Hersbruck
aus bem (Enbe bes 15. Sahrhunberts unb ber von Beit
Stof; geschaffene machtige Schnitzaltar aus ber oberen Pfarr-
Kirche in Bamberg aus bem Sahre 1523. IDas ben erfteren
anbelangt, fo befanb fich ber Mittelschrein mit ben ge-
schnihten Figuren ber Mabonna unb ber vier Kirchenvater
bisher im Germanifchen Museum, wahrenb bie vier beiber-
seits mit bebeutsamen Gemalben ausgestatteten $lugel im
Thor ber Kirche aufbewahrt wurben. Durch bie auf fln-
regung ber herren Magistratsrat Loi Kugler unb Kunst-
schulprofessor Wanberer erfolgte Zufammenfugung von
Schrein unb Flugel ist Gelegenheit geboten, eines ber an
Nmfang grohten flltarwerke ber Nurnberger Schule vom
Tube bes 15. Iahrhunberts in seinem ursprunglichen 3u=
stanbe beisammen zu sehen. Der Deit Stoh-flltar aber
mit seinen granbios geschnitzten Darstellungen gilt als bie
beste unb charakteristischste flrbeit fur ben Stil ber spateren
Seit bes Meisters. (Er bilbet entfchieben ben Kulminations-
punkt in bem Hauptraurn ber kirchlichen Kunftwerke. Don
ben weiteren flltaren stammen zwei aus Schwabach, zwei
aus Heilsbronn, einer aus Beitsbronn unb einer aus Gtten-
soos. Uber bem Beit Stoh-flltar wurbe bas Herrliche, tief
empfunbene Kruzifix aus ber Kirche in Katzwang befestigt,
wahrenb uber bem Hersbrucker flltar bie grohzugig be-
Hanbelte Kreuzigungsgruppe aus Munchaurach Platz ge-
funben hat. Zur Berfugung ftehen auch bas trabitionell
bem Beit Stoh zugefchriebene, auherorbentlich minutios
burchgebilbete Kruzifix vom Hauptaltar in Herolbsberg unb
bie eigenartig realiftische Kreuzigungsgruppe aus ber Kirche
in Mogelborf. Unter ben Mabonnen befinben sich auch
bie in haltung unb fluffassung eble Maria aus Kraftshof
unb bie mit fchwerem Faltenwurf reprafentativ burchgefuhrte
riefenhafte Maria aus Belben, beibe mit grohen Strahlen-
glorien als Hintergrunb. Die v. Schluffelfelbersche
Farnilienstiftung (flbminiftrator Herr Gberstleutnant
Freiherr v. Kreh) stellte bas wunberhubsche (Vriginal bes
betenben (Engels am fogenannten Naffauer Haufe aus ber
Seit um 1422 zur Berfugung. fluch fonft Herrscht an
anberen Einzelfiguren kein Mangel, flis eine fehr bebeut-
fame Forberung unferes Nnternehmens haben wir es be-
gruht, als sich bie Kirchenverwaltung „zu unserer lieben
5rau" in Bamberg in hochherziger Weise bazu entschloh,
uns auher bem Beit Stoh-flltar noch bie figurenreiche
Gruppe ber himmelfahrt Mariae, ein in bieser flrt in ber
beutschen Plastik wohl kaum zum zweitenmal vorkommenbes
Beispiel aus bem Enbe bes 15. Sahrhunberts leihweise zu
uberlassen. Weiter sinb in biesem Zusammenhang zu nennen
bas frei geschnitzte Martyrium bes h. Sebastian aus ber
Lorenzkirche in Nurnberg, bie Reliefs ber flnbetung ber
Eltern unb ber hl. brei Konige aus ber Kirche in Dormitz
unb bie bem Beit Stoh zuzuschreibenbe h. flnna selbbritt
aus ber Sakobskirche in Nurnberg. Herr Dr. Michael
Berolzheimer in Munchen stellte zwei Reliquiarien in
ben Halbfiguren bes S. Florian unb bes S. Georg zur
Berfugung. Bei ben Werben ber Malerei wurbe nament-
lich Wert auf Kunftauherungen ber alteren Schule gelegt.
Fur bas 14. Sahrhunbert finb eine Tafel mit vier Szenen
aus bem Leben Lhristi, sowie bas grohe Bilb mit Lhristus
als Schmerzensmann, beibe aus ber Klosterkirche in Heils-
bronn stammenb, bezeichnenb. Sehr reich ist bas 15. Sahr-
hunbert vertreten. Wir finben unter anberem eine ums