Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seite 43b
Bayerifche Subilflums-bandes-Husttellung 1906
nr. 20
man sich bisher damit begnugt, die Stutzen und Tragbalken
von Lisen Herzustellen, und hat es im ubrigen bei der
Steinarchitektur gelassen. Hud) hier trat aber alsdann
wieder die Schwierigkeit hervor, wie man Stein und Eisen
verbinden sollte. Utan muh sich in der Tat uber die
prinzipielle Frage Klar werden, ob uberhaupt der Eisen-
bau organisch eine Verbindung mit dem Steinbau vertragt.
Und an diese Frage ist mit groher Vorsicht Heranzutreten.
Eisen wird geschmiedet und gegossen, der Stein wird ge-
Hauen. Hierin schon liegt der Gegensatz, der die Utoglichkeit
einer Verbindung ausschlieht. Dazu Kommt, dah der Stein
an und fur sich ein viel zu massives Utaterial ist, um
lediglich als Fullung beim Lisenbau verwendet werden zu
Konnen. Ver Stein will selbst wieder getragen sein. Hier
dagegen Kommt es aus ein Utaterial an, das lediglich
fulit, weder tragt noch getragen wird. Ferner, was noch
wichtiger ist, braucht der Lisenbau zur Fullung nicht Ntassen,
sondern Flachen. Fur die flussullung des Unochen-, Rippen-
und Netzwerkes eines Lisenbaues paht der massive Stein
so wenig als sur ein Spinnengewebe. Wir brauchen ein
weit durchsichtigeres Utaterial, das gegossen wird, oder
das geschmiedet wird wie das Lisenblech, oder geblasen
wird wie das Glas. Das Glas, nicht nur als dunne
Fensterscheibe, sondern als suhdickes Steinglas, scheint ein
Utaterial zu sein, das in den Uippenbau und das Netzwerk
des Lisens paht. fluch von diesem Gesichtspunkte aus
gewahrt die Leipziger Strahensront des Tietzschen Waren-
Hauses in Berlin, das im Jnnern ein Lisengerippe und
auhen ein Glasrahmenwerk zeigt volle Besriedigung. Die
Pseiler im Jnnern sind sreilich noch viel zu massig und
zudem mit Mauerwerk umkleidet. fiber man ist Hier
wenigstens schon Klug gewesen, die eisernen Stutzen, wie
die Natur es bei den hoheren (Drganismen mit den Knodjen
macht, ins Innere zu verlegen. Das ist ein Vorteil, erstens
in asthetischer Beziehung. Denn wenn die eisernen Stutzen
auhen liegen, ist eine einseitige starke Betonung der Ver-
tikalen die Falge, und zudem tritt auss neue wieder die
Verlegenheit in der Verbindung des Lisens und Steins
hervor. Uber die Betonung der Vertikalen suchen die
firchitekten, welche nachdenken, zwar aus alle mogliche
Iveise Hinwegzukommen, indem sie die Horizontale durch
ein stark vorspringendes Dach, breite, sriesartige Gesimse,
attikaartige Fensterbrustungen u.s.w. betonen — neuerdings
Hat die firchitektur in einem Warenhaus in der Potsdamer-
strahe sich dadurch helsen wollen, dah sie die breiten Ver-
tikalschienen mit zierlichen Pilastern bekleidete — aber
konstruktiv bleibt die starke Betonung der Vertikalen unter
allen Umstanden bestehen. Sobald man eben die eisernen
Stutzen auhen anordnet, wie es die Natur versuchsweise
bei den Kruftaceen gemacht hat. Sweitens bedeutet die
Innenlage der Trager Lrsparnis an Stutzmaterial, Denn
roenn die eisernen Stutzen auhen liegen, wird ihre Trag-
Krast nur nach innen, nicht nach auhen, gewissermahen
nach drei Dimensionen, nicht nach vier Dimensionen Hin
verwendet. IDer daher die eisernen Stutzen innen anlegt,
braucht etwa ein Drittel weniger Stutzmaterial, als wer
sie auhen anbringt. Die okonomische Frage ist aber auch
hier entscheidend. Utithin mussen wir uns bei den Geschafts-
Hausern dazu entschliehen, einmal das eiserne Gerippe nach
innen zu verlegen und zweitens durchgehends in Lisen,
Glas und Blech zu banen - die einzigen sesteren Utaterialien,
die vielleicht noch, aber mehr als Siermaterialien, ange-
wendet werden Konnten, scheinen aus Lhamotte, Terrakotta,
Fayence, Steingut und fur Schmuckglieder selbst Ntajolika
zu sein.
Das gleiche gilt fur den Wohnhausbau. Will man
sich dazu entschliehen, zehnstockige Utietskasernen zu errichten,
so wurde sich als Utaterial das Lisen immer noch mehr
als der Stein empfehlen. Lrstens einmal konstruktiv.
Denn Lisen tragt besser, wie wir sahen, als Stein.
Zweitens in Hygienischer Beziehung. Utit hilfe des Lisens
lassen sich derartig helle und hygienische einwandfreie
Wohnungen Herstellen, wie sie ein Kaiserliches Gesundheits-
amt nicht besser wunschen Konnte. Dritlens in okonomischer
Beziehung. Die Wohnungen werden billiger werden.
Und endlich Konnen derartige Utietskasernen, wenn sie
aus Lisen gebaut werden, auch in asthetischer Beziehung
weit befriedigender wirken als Steinbauten.
Die nachste flufgabe der Zukunft aber ist die Lisen-
kirche. Sie ist die grohe Sehnsucht schon so manchen
Ingenieurs seit vielen Jahren. fiber noch immer scheinen
wir nicht reif dazu zu sein. Denn wenn man erst Kirdjen
aus Lisen baut, dann ist der Sieg des Lisenbaues ent-
schieden. fiber es handelt sich nur um Vorurteile. Ls
dauerte auch einige Seit, ehe man es roagte, die Rirchen
elektrisch zu beleuchten. Wenn man dagegen die Frage
vorurteilsfrei - aber dazu gehort Utut, intellektueller
Utut - betrachtet, muh man sagen, dah gerade zum
Kirdjenbau das Lisenmaterial roie gehhaffen ist. Denn
Hier eben handelt es sich um moglichst weitraumige, Hell-
beleuchtete hallen und zugleich um die bedeutendsten
Tragaufgaben. Mit welchem Utaterial aber Konnte man
diese flufgaben besser erftillen, als mit Lisen? Wir
sahen schon oben, dah der gotische Stil, der geroih nicht
zu den schlechtesten gehort, besonders roas den Nirchen-
bau betrifft, streng genommen, und zroar konstruktiv,
nicht aus dem Steinmaterial Komponiert ist, sondern sich
roeit besser, roir denken nur an das Konstruktive, nicht an
Mahroerkverzierungen - fur das Lisenmaterial eignet.
In der Tat Konnen roir Hente nur ahnen, roelche Herr-
lichen Lisenbauten uns noch die firchitektur bescheren roird.
Der Liffelturm ist nicht das Lnde, sondern der finfang.
mid)elangelo in der Peterskirche und Bahr in der
Dresdener Frauenkirche haben das starre, massige Utaterial
des Steines bezroungen und Dome geschaffen von rounder-
barer Raumgrohe und Perspektive. Die Kunftigen Lisen-
architekten roerden den Vorsprung haben, dah sie von
Hans aus mit einem Utaterial arbeiten, das fur Raum-
entroicklung und Perspektive geroachsen zu sein scheint.
Sie roerden uns ein Himmelsgeroolbe in Lisen bauen und
Perspektive in Rippen und Netzwerk schaffen, die in der
Natur Kein Vorbild Haben.