Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seife 476
Bayerifche ^ublldums«bandessHusffellung 1906
Hr. 22
minder geistreiche Schriftsteller. Am bekanntesten ist rvohl
Borne geworden mit seiner „Monographie der deutschen
Postschnecke" (sie erschien 1821), die er als einen „Beitrag
zur Naturgeschichte der Mollusken und Testaceen" bezeichnete.
Tin junger Utann aus Triest, der in Memel Hochzeit ge-
macht und nun mit seiner jungen Frau in die Heimat reiste,
Hatte nach Bornes Uteinung nicht nur die schonsten, weil
langsten Flitterwochen — denn der erste Hausliche Zwist
Konne doch nur zu Hause, nicht aber rvohl in einem Postwagen
ausgefochten werden — , sondern es sei auch zu vermuten, datz
die Harrende Schwiegermutter in Triest nicht blotz eine
geliebte Schwiegertochter, sondern auch einen Enkel werde
bewillkommnen Konnen. Eine Gouvernante wurde von
Stralsund nach der Gegend von halberstadt berusen und
machte sich sosort aus den tveg, flis sie aber an Grt
und Stelle angekommen, sand sie den ihr bestimmten 3og=
ling als Gattin vor. Mahrend ihrer Schneckenfahrt Hatte
sich das Fraulein in einen jungen husarenosfizier verliebt
und ihn, nach langem Miderstande der Eltern, endlich ge=
heiratet. Und was dergleichen Mitze mehr waren. IDie
lange dauerte aber eine Ueise in Wirklichkeit? flus einer
Strecke, sur die der Personenzug jetzt Kaum drei Stunden
braucht, von Hurnberg nach Regensburg, war man im
3ahre 1780 von abends um 6 Uhr bis zum nachsten
Mittag unterwegs. Von Munchen bis flugsburg — mit
dem Schnellzug heute noch nicht eine Stunde — brauchte
man damals, wenn es rasch ging, 21, sonst wohl 26 Stunden.
Ein junger Nurnberger, der nach einer langeren Reise
voller Sehnsucht nach hause „eilte", reiste in flugsburg
mit einer „Lohnkutsche" (ein gemieteter Wagen) eines
Mittwochs nachmittags um 3 Uhr ab. 3n Meltingen und
Pleinseld ubernachtete er, erst am Freitag zu Mittag um
1 Uhr tras er in Schwabach ein, wo ihm, wie versprochen,
seine Freunde aus Rurnberg zu Pserde entgegenkommen
wollten. Da sie aber erst um 9 Uhr abends eintrasen,
blieb er noch einmal in Schwabach zur Nacht! G die zu-
sriedene, nichts uberhastende, gute alte 3eit! Unser Nurn-
berger hatte also, da man damals von Munchen nach
Nurnberg uber flugsburg zu reisen pslegte, von Munchen
bis Nurnberg vier volle und zwei Halbe Tage gebraucht,
wobei nur etwa 10 Stunden flusenthalt am Tage in
flugsburg und das Liegenbleiben in Schwabach als un-
notige Verzogerung zu rechnen waren. Von Frankfurt
bis Gottingen brauchte ein Student, der ununterbrochen
suhr, aus der Post zweimal 24 Stunden mit dreinachtigem
„Kampieren" im Postwagen. 3n Kassel reiste er am
Donnerstag Varmittag um 11 Uhr ab, erst den nachsten
Morgen um 5 Uhr war er in Gottingen. Kein Munder,
datz er, wie er in einem Briefe schreibt, noch lange nach
seiner Nnkunft „fast eine ganzliche Lrschlaffung seiner Seelen-
Kraste" verspurte. Zur die 67 Meilen von Berlin nach
Vanzig wurden im 3anuar 1805 - aus dem Wege uber
Hinterpommern - vier Tage gebraucht. Das war schnell
gesahren, -der Reisende, der so suhr, hatte allerdings auch
Gliick, denn die sonst so traurigen, beschwerlichen Sandwege
bei Stolp in der verrusenen Kaschubei waren durch Schnee
und Frost „auss Herrlichste geebnet" worden. flutzerdem
mutzte er trotz seines leichten zweisitzigen Magens drei
Pserde nehmen. Gewohnlich rechnete man von Berlin bis
Konigsberg damals 8 Tage, heute fahrt der Schnellzug
die Strecke in kaum zehn Stunden.
(Sortje^ung folgt.)
Rurnberg vor 100 satiren.
Von Kreisardjipar Dr. 6. Schrotter, Nurnberg.
IV. Das Gernerbe.
MM^las 3unftwesen hat in Nurnberg niemals die Hohe
Bedeutung erlangt, die es in anderen deutschen
Stadten besessen hatte. Smmerhin haben die im
Lanse der 3ahrhunderte verknocherten Formen
selbst eines loseren 3unstzwanges auch in Nurnberg Mitz-
brauche grotzgezogen und geheiligt, welche einen grotzen
Teil der Schuld am Niedergange des Handwerkes trugen.
flUen 3unften war seit dem 15. 3ahrhundert das Rugs-
amt vorgesetzt, bestehend aus einigen Ratsgliedern, von
denen namentlich in der spateren Seit nicht zu erwarten
war, datz sie besondere Kenntnisse und Einsichten, welche
dieses fimt ersorderte, besatzen. flllmahlich aber ist selbst
dieses Rugsamt nur die vollstreckende Gewalt geworden
von Vorschriften, an denen es Keinen flnteil hatte, die von
den Zunften mit Genehmigung des Rates gemacht worden
waren. 3n dem ruhigen Genusse eines wirklichen Monopols
steigerten manche gewerbliche Organisationen willkurlich den
Preis ihrer Maren, verwendeten aus die flrbeit weniger
Sorgsalt, verschmahten die ihnen angeratenen Verbesserungen
und verminderten dadurch allmahlich die Nachsrage. Da
unter den Zunstgenossen die Mehrheit der Stimmen ent-
schied, so war die hohere Linsicht und der bessere Mille
Linzelner meist unwirksam. Mehrere Zunfte Hatten sich
sogar gesetzlich verbunden, autzer den Sohnen der Zunst-
genossen Keine Lehrlinge anzunehmen. Dadurch war viel-
sach ein Recht der Lrblichkeit geschassen.
Der Schaden dieser Linrichtungen traf die Urheber
felbft; denn die Vorrechte schutzten wohl gegen einheimische,
aber nicht gegen fremde Ronkurrenz.
3m ganzen bestanden im 3ahre 1809 etwa 100 zunftige
Gewerbe, umfassend 2633 Meister, 1820 Gesellen und 366
Lehrjungen. Die nicht zunstmatzig organisierten Handwerker
beschaftigten 165 Personen.
Mir besitzen aus dem 3ahre 1809 eine „Tabellarische