ForsideBøgerAusstellungszeitung Nürnberg 1906

Ausstellungszeitung Nürnberg 1906

Forfatter: Paul Johannes Rée

År: 1906

Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei

Sted: Nürnberg

Sider: 1096

UDK: St.f. 91(43)(064) Aus

Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern

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Side af 1124 Forrige Næste
nr. 38 Bayerifche ^ubilflums=lKl^des=flus^te^u^g 1906 Seite 941 Anliegen. Datz die Puppen nicht selbst redeten, hatte ich mir schon das erstemal gesagt, datz sie sich nicht selbst be- wegten, vermutete ich aud); aber warum das alles so Hubsch rvar? Und es doch aussah, als ob sie sich selbst bewegten und selbst redeten? Und wo die Lichter und die Leute sein mochten?" Vie Sehnsucht roar machtig, zugleich unter den Bezauberten und 3 anderem zu sein, zugleich die Hanbe im verdeckten 5piel zu haben und als Zuschauer die Frenbe der Illusion zu genietzen. Vie Kleine Truppe rourde ge- mustert, Konig Saul im schroarzen 5amtrock mit der goldenen Krone sah steif und pedantisch aus. Jonathan mit glattem Kinn und seinem gelb und roten Kleid und Turban sah artiger aus. Ver Prophet Samuel trug einen £eibrack, dessen Schillertast einern alten Kleide der Gratz- mutter entnommen roar. Balb ging's an ein Umgestalten. Die Puppen soilten beroegliche Kleider haben. lUan trennte die Lappchen vom £eibe und schaffte eine roinzige Theater- garderobe an, roo die Beisracke der Damen nicht vergessen roaren. Uuch hier liegt eine Warnung. Der Naturalismus fuhrt iiber die Grenzen des Spiels und die Lrroeiterung der Plane zerstorte den Grund des Kleinen Gebaudes. Das Puppenspiel hat eben auch seine Asthetik, seinen eigenen Stil. Datz gerade in dem Kleinen Nahmen und mit den harmlosen, primitioen Miiteln sich die ungeheuersten Dinge darstellen lassen, datz Machte beschrooren roerden Konnen, die aus der grotzen Buhne versagen, datz die Hochste Krast im Kleinsten Matz liegt, ein ungeheurer 3unbstaff, ist eine Erkenntnis, die fruh genug aufdammerte und zu den Ver- koten fuhrte, roelche sich im 16. Iahrhundert soroohl bei den Protestanten, als bei den Katholiken gegen die Puppen- spiele richteten. Aber gerade damals stand das Puppen- spiel in der Blute und Hielt sich bis Ende des 18. Iahr- hunderts auf gleicher hahe. Schon das hohe Altertum Kannte die Gliederpuppen und liebte sie. In Nthen roar zu Perikles 3eit das Theater des Bacchus der Schauplatz ihrer håndlangen und Aristateles beschreibt aussuhrlich die Komplizierten Beroegungen, roelche diese Puppen ansfuhrten. Vieser Beschreibung zusolge roerden die Glieder an Faden gezogen, „der Kopf beroegt sich, die Nugen roenden sich, die hande suhren die verlangte Geste aus und das ganze stellt ziemlich vollkommen ein menschliches Wesen dar". Es ist leicht moglich, datz die Marionetten zur altheidnischen Gottesdarstellung zuruckfuhren und in den Gotzen und Gotterbildern ihren Ursprung nehmen. So viel steht fest, datz zu Bomersjeiten bei den prozessionellen Umzugen unter den grotzen grotesken Marionetten jene des Mandocus bemerkt rourde, ein Schreckgespenst mit grotzen 3ahnen und beroeglichen Kinnladen, das, aus dem Nange der Gotter Herabgesturzt, als Nutzknacker ein verlachtes und verachtliches Dasein fuhrt. Ver Kame Marionette Kam indessen erst im Beginne des Mittelalters auf. Seit dem 10. Iahrhundert fand in Venedig eine jahrliche 3eremonie statt, »la festa della Maria-, zur Erinnerung an den von Piraten verubten Baub von zroolf Brauten. Vie alsbald roieder befreiten Iungfrauen rourden durch acht Tage mit grotzem Pomp gefeiert. Iedes Iahr rourde die gleiche Nnzahl Mårten auf offentliche Kosten ausgestattet. Vie Sache Kam schlietzlich zu hoch, man beschrankte sich aus vier, und zuletzt begnugte man sich mit der leeren 3ere- monie, indem man die Iungfrauen durch holzpuppen ersetzte. Der Name Maria ging auf die Puppen iiber und ver- anderte sich durch die der italienischen Sprache eigentumlichen Diminutiven in Marote, Mariotte, Mariole, Mariette, Marion und endlich in Marianette. Seit dem 12. Iahrhundert ist das Marianettentheater beliebtes Mittel der Valksbelustigung und Erbauung. Der Marianettenspieler roird eine typische Erscheinung der Land- stratze. Der primitive Apparat, der von den altesten 3eiten bis Heutzutage im roesentlichen gleichgeblieben, gab dem Valke einen 3eitspiegel fur Schimpf und Scherz, im Bahmen der Kleinen Szenen eine „affenteuerliche, naupengeheuerliche Geschichtsklitterung", daran der ungeroaschene Valksroitz sein Mutchen Kuhlen und der Weise, der sich an den Tår- helten der Welt krank geargert, sich roieder gesund lachen Kannte. Van der zroeiten halste des 17. Iahrhunderts an roar das Marianettentheater fogar Hoffahig geroorden und in den menus-plaisirs Ludroig XIV. Kammt ein bedeutender Posten vor sur Iean Brioché, den Puppenimpresario und 3ahndrecher, zroei Geschafte, die si ch in sruheren 3eiten roohl miteinander vertrugen. Der Sahn und Nachsolger, Brioché der fungere, trug den Buhm des Puppenspiels ins 18. Iahrhundert. Die Koniglichen Schauspieler fuhrten eine Kleine Parodie, betitelt: „Brioché oder der Ursprung der Marionetten", aus. Die Szene zeigt das Atelier, roo Brioché seine Puppen fertigt, die da und dart ausgehangt sind. In der Mitte steht eine Marianette, in die sich der Versertiger unseligerroeise verliebt hat. Seine Pygmalions- sehnsucht Klagt in den Versen: L'ouvrage de mes mains, une marionette, A done pu m'enflammer! Ma folie est compléte; Ah! si j’avais prévu le tort que j'en regois, Ce bois pour qui je brule aurait brulé pour moi. Er nahert sich dem leblasen Gegenstand seiner £iebe, da setzt eine ungemein sanste und Hinreitzende Symphonie ein, die Marianette geroinnt £eben. Allmahlich enthulit sie ihre Gedanken, ihre Gesuhle. 3roei Meister hat sie nun: Brioché und Gott Hymen. Wahrscheinlich durfen roir in ihr die Ahnfrau der Glympia in A. Th. Hoffmanns Erzahlungen verehren. Nicht nur fur das Klassische Theater roar das Puppen- spiel ein gefahrlicher Konkurrent. Aus der Messe zu St. Germain rourde in einer Bude ein roolfsahnliches Monstrum mit einern langen Bart und ein Bhinozeras ge- zeigt. Der 3ulaus roar ungeheuer. Ein Marianettenspieler demachtigte sich des Gedankens. Er bildete Kleine auta- matische Figuren nach dem Varbild dieses lebenden Un- geheuers, lietz unter der Fuhrung des allzeit lustigen Kasperls allerlei Kunststucke aussuhren, Pistolen abschietzen, Kartenspielen, Wahrsagen. Die kunstliche Menagerie sand solchen Beisall, datz der gluckliche Besitzer die Bude er- roeitern mutzte, um den 3ulaus zu fossen. Er lietz ein Amphitheater bauen mit £agen und Balkans. Aber der empfindlich geschadigte Besitzer der lebenden Kuriositaten, bie allen Anroert neden ben Kunstlichen verloren Hatten,