Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Dritter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 150
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Reptilen und der Fische
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Weichstosset.
Fisch e.
119
und der gemeinc Weihfisch und soll im November im
vollkommneren Zustanbe fein.
4. Die Gose; Aland. (Leuciscus Jeses.) Sig. 2430.
Die Gose oder, wie man anderwartS sagt, der Je-
sen oder Aland bewohnt die meisten Sfihwasser von
Europa, scheint aber die nordlicheren Gegenden vorzu-
ziehen und lieder in rasch stromenden Flfissen als in
ruhigen Teichen und Seen zu leben. Uarrell und an-
dere englische Zoologen haben den Jrrlhum begangen,
einen in England und Schottland gemeinen und unter
dem Namen „Chub" bekannten Fisch sur verschieden
von dem Gosen des Continents zu hallen und ihn als
besondere Art aufzufuhren. Er scheint auf sener Jnsel
bedeutend groher zu werden als bei uns, wo sein Ge-
wicht 8 Pfund felten fiberwiegt. Zebenfulls muh er als
einer der grohten unter den einheimischen Weihfischen
gelten. In Frankreich geht er so toenig toestlich, daH
er schon den Fischern der Marne unbekannt bleibt. Er
besttzt einen ziemlich Hohen Rumps, stumpsen Kops,
wenig vorstehenden Oberkieser, schwårzlich blaugrunen
Rucken, blauliche Seiten, silberweitzen Bauch, bråun=
liche Rucken - und Schwanzfloffe, rothlichbraune Brust-
flosse, violettroihliche Bauch- und Afterflofsen, gold-
gelbe Wangen, Kiemendeckel und Iris. Die Seiten-
linie besteht aus 58 Schuppen, die von elsStrahlen ge-
stutzte Ruckenstvsse besindet fich hinter den Bauchstoffen.
Das Fleisch gilt fur schwerer verdaulich. Die Gose ist
ubrigenS scheu und unruhig, geht nicht an jeben Ko-
der, soll aber Maikasern nicht toiderstehen tonnen, die
mit geschickter Hand Hart an der Oberflache Hin- und
Hergezogen werden. Die Laichzeit sållt aus April und
Mai, daS Wachsthum geht langsam von Statten.
V. Flustbrasse. (Abramis.)
Gattung scharakter: Korper zufammengebrfickt,
sehr hoch. Ruckenflosse kurz, stachellos, ztoischen der
Bauchflosse und der sehr langen Aflerflosse; Schwunz-
flosse gabelig , -ungleich, der untere Lappen langer.
Schlnnbzåhne einreihig, sehr zusammengedruckt, ein-
toarts gebogen.
1. Die gemeine Flusbrasse ; Bley. (Abramis Brama.) Fig. 2431.
Man kann auf den ersten Blick die Fluhbrafsen von
den ubrigen in Deutschland einheimischen Karpfenfischen
durch die fast ovalen KLrperumrisse unterscheiden ; sowohl
die Rucken- als die Bauchlinie treten start gekrummt
Hervor, und die Seitenlinie biegt fich nach unten. Unter
den Namen Zope (A. Ballerus), Guster (A. blicca),
Zarthe (A. Vimba) und Bley unterscheidet man schon im
gemeinen Leben 4 in ganz Deutschland gemeine Arten der
Gattung Fluhbrafse, toelche mit den Seebrassen (S. 97)
nichtS gemein hat. Im Ganzen verhalten fich diesk
Fische toie die ubrigen Glieder ihrer grohen Familie,
vermeiden daS Salzwasser, obgleich sie bis in die Fluh-
mundungen hinabgehen, schwimmen biSweilen in Zu-
gen, fressen Wfirmer und uberhaupt alle toeiche Wasser-
thiere, nebenbei auch pflanzliche Stoffe, find eben nicht
zårtlich, wachsen schnell und pflanzen fich fort im Fruh-
jahre. Man schåtzt fte mehr alS die Weihfische, indeni
ihr Fleisch zarter und wohlschmeckender ist, fie vermeh-
ren stch im erstaunlichsten Verhaltnisse und tonnen so-
toohl mit Angel als mit Netz ohne Schtoierigkeit gefan-
gen werden. Der Bley lebt in Seen mit fchlammigem
Boden und zwar sowohl in der Schweiz alS im nordli-
chen Deutschland, ebenso in Flfissen ahnlicher Befchaf-
fenheit und Hålt heerdenweis zusammen. Zur Laich-
zeit, im Mai, konunt er am Hausigsten zum Vorschein,
indem er die anberen Jahreszeiten in grbheren Tiefen
verweilt, geråth oft auf Untiefen, wo ihn, zumal in
Fluhmfinbungen, die Ebbe fast auf dem Trocknen laht,
nimmt fich aber sonst sehr scheu und kann durch anhal-
tendeS Gerausch oder andere Stbrungen dahin gebracht
werden, eine Gegend ganz zu meiden. Nachst dem
Karpfen ist er der vorzuglichste unserer Fluhfische, wird
gegen 2 Fuh lang, 10— 15 Pfund schwer, aufdem scharf-
kantigeil Rucken schwarzlichblau, an den Seiten gelb
mit wolkigen toeihen und schwarzen Flecken, am Bauche
weih; ubrigens hat er einen stumpfen Kops, etwas Her-
vorragenden Obertiefer, kleines Maul, schwarzliche
Flossen.
VI. Vierauge. (Anableps.)
GattungScharakter: Korper spinbelformig.
Ruckenstoffe sehr kurz, Hinter der Afterfloffe aus dem
Schwanze; Schwanzfloffe ungetheilt, oval. Maul
quergespalten ; hechelformige Zahne in beiden Kiesern;
Kiemenhaut mit sechs Sirahlen; Augen toeit vor-
stehend; Hornhaut und Regenbogenhaut durch eine
Binde getheilt, Pupitte daher doppelt bei einsacher
Krystalllinse.
I. Der amerikanische Vieraugenfisch. (Anableps tetroplithalmus.)
Fig. 2452.
Dieser durch seine Physiognomie schon auffallende
Fisch, der zu den wenigen nacktgebahrenden gehort,
zeichnet fich durch eine im Gattungscharakter aufgenom-
mene, im ganzen Reiche der Wirbelthiere beispiellose
Eigenthumlichkeit aus. Sowohl im Leben als auch in
Weingeist aufbewahrt scheint er doppelte Angen zu be-
fitzen. Durch die Hornhaut hindurch zieht namlich ein
sast Horizontaler von der Bindehaut des Augapfels ge-
bildeter Streif von rothlicher, am Rande dunkler Farbe.
Die zwei Halften des Auges sind ungleich, die obere
erscheint gråver und weniger gewolbt, und diese Thei-
lung reicht ziemlich ties in das Jnnere Hinab, ohne die
Krystalllinse zu betreffen. Da bie goldfarbene Iris unb
bie reinschwarze Pnpille von ber Helleren Scheibewanb
scharf burchschnitten roetben, muh jeber mit ber anato«
mischen Beschaffenheit nicht vertraute Beobachter biesen
Fisch fur roirklich boppelångig halten. Die von spani-
schen, portugieflschen unb franzostschen Colonisten unb
von ben Ureinroohnern Amerika's ihm gegebenen Nanren
beuten ohne Unierschieb biese Ausfassung an. Ueberhaupt
weicht er in Gestalt ab von ben ubrigen, zumal von ben
zahnlosen Karpfenfischen, inbem er beinahe brehrnnb
unb mit Verhåltnihmåhig sehr grohen Schuppen beklei-
bet ist, Schleim anfber Oberflache ausschroitzt unb eine
auf bie geringsten Berhaltniffe znrfickgeffihrte Rficken-
floffe besttzt. Cuvier unb anbere Anatomen haben an
ihm anbere bebeutfame Eigenthumlichkeiten bes Baues,
namentlich bie Fortpflanzungsorgane nachgeroiesen.
Gleich vielen anberen Karpfenfischen liebt auch er bie
Geselligfeit; seinen Aufenthalt nimmt er in bent bruki-
schen Masser ber Fluhmfinbungen von einent Theile ber
Norbostkuste Subamerika's, vom Orinoko biS Bahia,
doch kaum sublicher. Niemals bringt er roeit flahanf-
roartS, verlåht kaum bas Gebiet ber Ebbe unb Fluth,
vertiefl stch gern in bie Canale ber von biesen beruhrten
Savannen, geht aber nicht in bas Meer Hinab unb ge-
fåKt fich vor Allem in ben ungefahrlichen, auf flachen
Sanbstrecken toeithin rollenben Branbungen, bie ihn ei-
nen Augenblick auf bem Trocknen lassen. Ans ber Bil-
bung bes Mankes unb ber Zahne fchlieht man, bah er,
ohne Raubfifch zu fein, mit Blåttern von Masserpstan-
zen unb ganz kleinen Murmern fich schroerlich begnugt.
Ungeachtet feines eben nicht fchmackhaften FleifcheS wirb
er viel gegeffen. An Sånge ubersteigt er felten 12 Zoll,
Hat einen kurzen, platten Kopf, etroas aufgetriebenen
Oberkiefer, mit Ausnahme bes Schwanzes unb allen-
falls ber Brustfloffen sehr kurze Floffen unb auf ullge-
mein grunlichgelbem Grunbe funf fchwarzliche Seiten-
strahlen.
Zweite Familie.
Hechte.
Die Kennzeichen ber Familie ber Hechte bestehen in
bem fchuppigen Kårper, bem Mangel einer Fettflosse,
ber weit nach Hinten fast immer gerabe uber ber After-
floffe angebrachten Rfickenfloffe unb ber Entroickelung
beS ZroifchenkieferS, roelcher zum grohten Theile bie
Oberkinnlabe bilbet, inbem ber Oberkieferknochen alle-
zeit kurz, zahnlos unb im Lippenfleifche versteckt ist.
Alle in biefe Gruppe gehorenbe Fifche leben vom Raube,
erroeifen sich fehr gefråhig unb haben baher einen kurzen
Darmeanal ohne anhångenbe Blinbbarme. Linne ver«
einte sie in bie einzige Gattung Hecht.
VII. Hecht. (Esox.)
Gattungscharakter: Schnautze ffach, stumpfi
kleine Zåhne im Zwifchenkiefer; grohe Hechelzahne im
Guumen; lange Zahne im Unterkiefer.
1. Der gemeine Hecht. (Esox lucius.) Fig. 2453.
Der frfiher allgemeine Glaube, es fei ber gemeine
Hecht ber einzige Bertreter feiner Gattung, ist burch
Entbeckung vieler neuen, Norbamerika unb Norbafien
beroohnenben Arten wiberlegt roorben. Jener im mitt-
leren unb nårblichen Europa fehr Hausige, in Spanien
unb Sfibitalien unbekannte Fifch lebt inbeffen fehr weit
verbreitet unb zwar ebenso in ben Flfissen Sibiriens,
als in ben norbamerikanischen Lanbseen. Dah ihn bie
Romer wohl gekannt haben muffen, leibet burchaus
keinen Zroeifel, bennoch gebenkt mit Ausnahme beS
Aufonius kein Schriftsteller feiner. Vielleicht erklart
fich biefeS Schroeigen aus ber Stelle jenes Dichters
felbst, roelcher ben Hecht als untauglich fut bie Tasel
unb hochstens zurNahrung ber niebrigsten Volksclaffen
paffenb fchilbert. Schon im Mittelalter Herrschte eine
anbere Anficht, benn in ber von Ebroarb I. gegebenen
Fifchtare roirb bet bamalS feltenete Hecht hoher gestellt
als ftifchet Lachs unb ist zehnmal theuret als Turbot
obet ber beste Stockfifch. Selbst unter Heinrich VIII.
roar ber Hecht in Englanb noch fehr felten, wåhrenb er
jetzt in allen Flfissen gefangen roirb. Unter unferen
Raubfifchen nimmt et burch Gefråhigkeit, Kfihnheit
unb ©tårfe bie obetste Stelle ein, er fchroimntt schnell
unb fchieht bei Versolgung einer Bente mit Blitzesschnel-
ligkeit burch bas Masser. Aus zahlreichen roohlver-
bfirgten Berichten geht Hervor, bah er burch Hunger
getriebett Menschen ansallt; ihm gegenfiber genieht kein
Maffetthier vollkommene Sicherheit, benn Wafferratten,
junge Schwimmvogel unb alle måhig grohe Fische finb
ihm, lebenb ober tobt, gleich roillkommen. Wie Uar-
rell erzahlt, tåbtete ein Hecht einen Schroan baburch, bah
er ihn am Kopse packte, starb aber selbst an biefem
Bissen; ein anberer machte zahmen Fischottern ihr Fat-
ter streitig. Unter ben beutschen Fischen wåchst ber
Hecht am Schnellsten, inbem er am Enbe bes ersten
JahreS 10 Zoll, im britten Jahre 20 Zoll, im zwolften
an 4 Fuh miht unb bann burchschnittlich 20 — 25 Pfunb
roiegt. Der allgemeinen Annahme nach erreicht er ein
fehr hoheS Alter. Unenblich ost roarb bie zuerst von
Gesner gegebene Etzahlung roieberholt von einent
Hechte, ber 1497 bei Heilbronn ober , wie Anbere fag-
ten, bei Kaiferslautern soll gefangen roorben fein unb
im Kiemenbeckel einen vergolbeten Ring trug, beffen
griechifche Jnfchrift befagte, er fei am 5. October 1230
„von bem Beherrfcher beS Erbkreifes, Friebrich II., als
erster Fifch in einen Teich (bei KaiferSlautern) gefetzt
roorben." Er roåre fonach 267 Jahre alt geroorben, soll
19 Fuh gemessen haben unb auf einent unt 1612 noch vor-
Hanbenen Bilbe im Schloffe von KaiferSlautern barge-
stellt geroefen fein. Cuvier unb Oken haben mit vieler
Gelehrsamkeit biefe Gefchichte kritifch unterfucht unb ei-
nige Unstcherheiten nachgeroiesen, ber letztere zumal uuf-
merksam gemacht, bah Ftiebrich II. im Jahre 1230 gar
nicht in Deutfchlanb, fonbern in Italien gelebt Habe.
Die grohten unb fonach åltesten Hechte roerben gegen-
roårtig in Sfibruhlanb gefangen, namentlich in ber
Wolga, wo 30 — 40 Pfunb fchwere gar nicht zu ben
Seltenheiten gehoren. Der bekannte Jfaae Walton et-
roåhnt, bah in ben irlånbischen unb fchottifchen Seen
60 — 70 Pfunb fchwere vorgekommen feien, bah aber
bas Fleisch berselben in bem Grube schlecht gewesen, uls
ihr Gewicht buS gewshnliche Muuh fiberstieg. Die
Luichzeit bauert von Mitte Mårz bis Mitte April,