Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Dritter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 150
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Reptilen und der Fische
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Fisch e.
Zweite Ordnung.
viele Bartfaden tragenden Lippensegel umgeben (Fig.
2462.). Erste Strahlen der Rucken-, Brust- und
Bauchslofsen stark, gezahneli, knochig.
I. Dir borftenschwlnzige Panzerwels. (Loricaria aetigera.)
Fig. 2463.
Der Name Panzerwels bezeichnet eigentlich nicht
eine Gattung allein, sondern eine ganze Abtheilung der
Welse, die fich von der durch den gemeinen WelS ty-
pisch vertretenen wesentlich durch die knochige Beschaf-
senheit ihrer Korperbedeckiingen unterscheidet. Diese
Panzer find je nach den Gattungen von mannigfacher
Beschaffenheit, immer aber sehr symmetrisch und zier-
lich, ost mit mancherlei gleichsam Sculpturen bilden-
den Rauheiten bedeckt. Sie bilden einen durchaus
nicht verachilichen Schutz und machen diese Fische selbst
anderen, ansehnlich groheren und mit scharfem Gebih
bewehrten gegenuber unverwundbar. Den Verfolgun-
gen machtiger Feinde scheinen ubrigens die Panzerwelse
wenig ausgesetzt, denn gleich den ubrigen Verwandten
streifen auch sie in den Gewaffern nicht umher, sondern
liegen trag am Boden und im Schlamme halb Vergra-
ben. Einer unter den Eingeborenen Amerika'S viel-
verbreiteten und eben nicht verwerffichen Annahme zu-
solge sollen ihnen die meistens ungemein langen Fli-
den, welche bald um daS Maul stehen, bald die
Schwanzsiosse enden, alS Kbder fur andere kleinere
Fische dienen, die, durch den Anblick getauscht und
Wurmer vermuthend, arglos herbeikommen. Im Gan-
zen schwimmen sie mit sehr geringer Behendigkeit und
wohnen nur in langsam fliehenden, truben und wenig
tiefen Gewaffern deS tropischen Amerika. Man tentit
bereits mehrere Arten, die wegen abweichender Eigen-
thumlichteiien in besondere Gattungen vertheilt worden
find, durch allgemeine Kennzeichen aber sehr uberein-
kominen. Unter den eigentlich sogenannten Panzer-
sischen ist der auf der Abbildung dargestellte einer der
gewohnlichsten. Er bewohnt alle Fluffe der oben be-
zeichneten Art von den Kusten Guyana'S und deS nordli-
chen Brastliens weit landeinwarts, wird viel gefangen,
trotz der geringen Menge seines FleischeS gern gegessen
und ist von nuhbrauner Farbung, am Kopse gelblich.
Bon den verwandten Arten unterscheidet ihn der lange
aus dem oberen Strahl der Schwanzflosse entspringende
Faden.
Vierte Familie.
Heringe.
Die Familie der Heringe nimmt unter den Fischen
darum einen hohen Rang ein, weil fie nicht allein eine
der nutzlichsten fur den Menschen ist, indeni sie durch
uiizahlbare, alljahrlich init Regelmahigteit wiederteh-
rende Schaaren die Bevolteruiig weiter Lander er-
nahren hilst, sondern auch weil sie durch Mannigfaltig-
keit der Organisation und Reichthum an Gattungen und
Arten die Aufmerksamkeit des Forschers auf sich zieht.
Schon in ihren Wanderungen, die jenen der Vogel
wenig nachgeben, erlangen Heringe nicht nur staatSoto-
nomische, sondern auch wissenschastliche Bedeutung.
Sie haben gemeinlich einen verlangerten, seitlich zu-
sammengedruckten Rumpf; ost ist der untere Rand deS
Bauches nicht allein schneidenartig, sondern wohl auch
mit Schuppen uberlagert, die den Zahnen einer Sage
gleichen. Mehrentheils find sie mit grohen, leicht abfal-
lenden Schuppen bekleidet, haben niemalS Stachelstrah-
len in den Flossen, die Bauchflossen ohngefahr in der
Mitte deS Ruinpfes, eine einzige Ruckenflosse, keiite
weiter nach hinten stehende Fettfiosse, Obertiefern, die
deutlich aus drei verschiedenen Stucken bestehen, unter
welchen das vom Zwischentiefer hervorgebrachte das
kleinste ist, auherordentlich weit gespaltene Kiemenoff-
nungen und ties eingeschnittene Kiemenbogen. Unter
allen Fischen haben diese die zahlreichsten, zugleich auch
die feinsten Graten und immer eine grohe, mit vem
Darincanale in Berbindung stehende Schwimmblase,
die oft Wie eine Fortsetzung des Magens aussieht. Sie
bewohnen theils die Suhwasser, in der Mehrzahl aber
das Meer; einige vertauschen periodisch daS letztere mil
den Mundungen groher Fluffe. Den Alten Waren
mehrere Arten wohlbetannt. Die meisten liefern ein
zartes und wohlschmeckendes Fleisch und werden ohne
grohe Muhe in unsaglichen Mengen gefangen.
XVI. Hering. (Clupea.)
Gattungscharatter: Korper start zusammen-
gedruckt; Rand des Bauches tielformig, mit sLgeartig
gestellten Schuppen bekleidet. Oberkiefer breit, auS
drei Stucken zusainniengesetzt, mit schwach gebogenem
Auhenrande, in der Mitte ganzrandig.
I. Der gewohnliche Hering. (Clupea Harengus.) Fig. 2464.
91n der Spitze seiner Gattung steht verdientermaahen
der gewohnliche Hering als einer der bekanntesten, zu-
gleich auch nutzlichsten Fische der Welt. Seine Natur-
geschichte Hat viele Forscher beschaftigt, kann aber kei-
neSweges als vollkomnien aufgehellt gelten. Den Al-
ten war er unbekannt, indeni er nur in den nordlichen
Meeren lebt, denn der sogenannte Hering des schwarzen
MeereS, der in Odessa einen ansehnlichen Handelsgegen-
stand abgiebt, ist von ihm specifisch verschieden. Noch
im 16. Jahrhunderte ward er von europaischen Forschern
mit anderen ahnlichen Fischen verwechselt und erst um
1654 genau beschrieben. Ueber seine eigentliche Hei-
math herrschte sruher nur eine Anficht. Man erklarte
ihn fur einen Bewohner des arktischen Meeres und be-
Hauptete, dah er der Fortpflanzung wegen seine bekann-
ten Wanderungen nach Suden unternehme. Nach Pen-
nant'S Berichte sollten die ziehenden Schaaren kleineAb-
theilungen voraussenden, die im April und Mai bei
ben Shetlandinseln eintreffen, fie selbst aber erst im
Juni an denselben Orten sichibar werden. Jhre An-
kunft wurde durch manche Zeichen, zunial durch ver-
mehrte Zahl von Seevogeln vertundet, und von den
ziehenden Heeren ward behauptet, dah fie das Ansehen
deS Oceans verandern kbnnten. Sie sollten in so ge-
drangten Colonnen schwimmen, dah vor ihnen das
Meer wie vor segelnden Schiffen fich kraustlie, biswei-
lcn in grohere Tiefen finken und nach 15 Minuten etwa
wieder an die Oberflache kommen und bei Heiterem Wet-
ter durch daS Wiederstrahlen ihrer Schuppen grohe und
in schonsten Farben glanzende Streifen auf der dunkeln
MeeresstLche hervorbringen. Jenes ungeheuere Heer
begegnete an den Shetlandinseln dem ersten Hinder-
niffe der stidlichen Wanderung und theilte sich, um zur
einen Halfte westlich, zur andern Lstlich der englischen
Kuste zu folgen. Der westliche Ziig konnte felten weit
verfolgt werden und verlor fich in der Unermehlichkeit
des atlantischen Oceans. Obwohl nun diesem Berichte
mancheS Wahre zu Grunde liegt, so ist er doch nicht
frei von Uebertreibungen und Unrichtigkeiten. Zufolge
genauerer Beobachtungen behauptet sich der Hering das
ganze Jahr hindurch in den tiefsten Stellen der Nord-
see, wird sichibar, sobald ihn der Trieb des Laichens
zur Annaherung an die Kuste zwingt, und zieht stch
nach Bollendung des Fortpflanzungsgeschaftes wieder
an die Orte zuriick, die mit dem Netze tein Fischer er-
reicht. Keinem der vielen Seefahrer, welche in Wissen-
schastlicher Absicht die arktischen Meere besuchten, und
keinem Walfischfanger ist eS je gelungen, in den hohe-
ren Breiten einer Abtheilung wandernder Heringe zu
degegnen, vielmehr werden diese Fische sowohl in Gron-
land alS an anderen Eismeerkusten nur einzeln gefan-
gen und scheinen dabei nie so groh zu sein wie die wah-
rend deS Sommers in der Nordsee wandernden. So-
wohl der altere Cranz als der verdiente Forscher unserer
Zeit, Sir John Franklin, bestatigen diese Thatsachen.
Wenn der Hering unter dem Polarkreise seine Zustucht
nicht sucht, so wird er auch in warmeren Breiten nicht
angetroffen, denn schon an der Miindnng der Seine
felten, fehlt er den Westkusten Frankreichs beinahe ganz
und diirfie im Golfe von Biscaya nie gesehen worden
sein. Man muh daher das allerdings interessante Bild
der wunderbar grohen Wanderungen fallen lassen und
kann im Heringe eben nur einen Fisch sthen, der, aus
grohen Tiefen periodisch emporsteigend, Wege von
hochstenS hundert Meilen zurucklegt, uin gewohnte oder
bevorzugte Kusten zu gewinnen. DaS Zusammentre-
ten von allerdingS ungeheueren Schaaren sindet statt
um Mitte Juli, daS Laichen beginnt im August und
dauert biS October und November. 3ni hohen Som-
mer erweist sich der Fang am Ergiebigsten nnd liefert die
fettesten Fische, benn nur die alten nnb besonders
wohlgenahrten find jene zum Laichen sich Herandran-
genden; was sruher ankbmmt, find junge des letzten
Jahres, die, zur Fortpflanzung noch unfahig, nicht
allein im Sommer in dem minder tiefen Kustenmeere
fich aufhalten, sondern auch den Winter hindurch dort
verweilen und h^ufig in Netzen gefangen werden. Der
Hering theilt nicht die Fruhreife der Salme, die schon
im ersten Jahre fich fortzupflanzen vermbgen. Eine
hochst eigenthuniliche, aber unwidertegliche Thatsache ist
es, dah die geselligen Schaaren der Heringe gegen die
von ihnen besuchten Oertlichkeiten Vorliebe, bald auch
plotzliche Abneigung zeigen, fur welche man irgend ei-
nen Grund anzugeben nicht vermag. Sie tonnen
Jahre lang in Myriaden an einem Orte fich einfinden,
diestn auf ein Mal vollstandig verlaffen und ebenso un-
erwartet anderwartS erscheinen, wo fie nie gesehen
worden sind. Uarrell sagt auSdrucklich, dah rings um
England es teine sogenannte Heringsfischerstation gebe,
die diest unertlarlichen Wechsel nicht erfahren, durch
sie nicht gelitten habe, moge nun von der Zeit der An-
tunft, der Menge der wandernden Haufen oder ihrem
volligen Wegbleiben die Rede sein. Mac Culloch Hat
nicht Unrecht, wenn er sagt, dah das Volt wohl zu
entschuldigen sti, wenn es bei dem Mangel an ver-
nunftigen Ertlarungsgriinden zu allerlei Einbildiingen
seine Zuflucht nehme. So behaupten die Einwohner
von LongiSland (einer der Hebriden), wo zur Zeit
Karl'sl.eine der grohten Fischereien blnhte, dah die Pot-
aschenfabrikation die Heringe vertrieben habe; dieselben
Leute wiffeil jedoch ganz gut, dah das Berbrennen der
Seegewachst behufs der Potaschenerzeugung an anderen
Orten noch Heutzutage ohne Einfluh auf die Heringe
geblieben ist. Nach einer anderen Meinung follen diest
durch Kanonenschusse verfcheucht werden, allein gerade
um die Hebriden, wo man daS Wegbleiben der Heringe
besonders betlagt, ist feit Croniwell's Zeiten taum ein
Geschutz abgebrannt worden. Auch an den Ostfeetu-
sten giebt es Leute, welche die stellenweis aussalligeVer-
minderung der Heringe von der Schlacht von Kopenha-
gen ableiten, wahrend man in Schottland die Dampf-
bote anklagt. In gleich uberraschendem Maahe, wie
Heringe an einem Orte verschwinden, erscheinen sie an
anderen, wo sie bis dahin seltener waren. OlauS
Magnus erzahlt, dah zur Zeit einer Huiigersnoth bel
Helgoland so dichte Zuge von Heringen antamen, dah
die zwischen sie geworstnen Lanzeti sentrecht stehen blie-
ben; ungeheuere Fange, die 1275 im Sunde, 1709 an
der Weichselmundung, 1773 und 1774 in Schottland,
1781 an der Kuste von Gothenburg, 1784 im schottischen
Loch Urn gemacht worden, haben glaubwurdige Schrist-
steller beschrieben. In Schottland fing man 1784 wah-
rend 55 Tagen in einem einzigen Meeresarme so viele
Heringe, dah der Bertauf 56,000 Pfd. Sterl. eintrng.
Zwischen Varmouth und Diintirchen ziehen biSweilen
jene Fische in so gedrangten Schaaren, dah, wie Va-
lencienneS verfichert, die tleinen Fahrzeuge flamischer
Fischer sich nur mit Muhe einen Weg bahnen. Die
Beschaffenheit deS Herings nnd die Zeit, zu welcher er
sich im besten Zustande besindet, find nicht aller Orten
dieselben. Man glaubt die verschiedene Grohe, Wohl-
genahrtheit und Schmackhaftigteit theilS vom Alter,