Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Dritter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 150
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Reptilen und der Fische
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Lurche oder Neptilien.
Aweitc Ordnung.
Fuste ziemlich gerabe unten ausgekehite Krallen. Der
lange HalS kann nicht allein zuruckgezogen, sondern
auch rasch vorgeschnellt oder auch schlångelnd hin- und
herbewegt werden. Alle Lippenschildkroten find sehr
gestastige Naubthiere, sturzen aus dem Hinterhalte auf
kleine Wasservogel und schwimmende Saugethiere, indem
sie Hals und Kopf mit Pstilesschnelle auf die Beute
schietzen lafsen. Ihr Fleisch ist ej;6ar. Man fångt fie
an Angeln, eilt aber den Gefangenen den Kopf abzu-
Hacken, weil sie touthend um fich deisten und schwere
Wunden mit jedem Bisse Hervorbringen. Sie kommen
sekten an daS Land, schlafen gern auf Herumtreidenden
Baumstammen, sturzen fich jedoch bei dem geringsten
Gestusch in daS Masser. In Europa kommt keine Art
vor; fie gehoren allein den wårmeren Gegenden Nord-
amerika's, Indiens und Afrika's an und toachsen zu sehr
bedeutender Groste.
VI. Hautschildkrote. (Trionyx.)
Gattungscharakter: Charakter im Allgemeinen
der Familie. Brustbein schmal, vorn kurz, Zuruck-
ziehung der Fuste nicht gestattend.
1. Die bissige Hautschildkrote. (Trionyx ferox.) Fig. 2070.
Die als Muster abgebildete Art ist die bekannteste
von den neun die Gattung ausmachenden Species, be-
wohnt die Fluffe von Georgien und Florida, indeffen
auch den Wabash und mehrere Seitenfluffe des Ohio
und Niagara und wird zu den schlimmsteu Raubthieren
sener Gew^ffer gerechnet. Sie greift mit grbstter Wuth
selbst junge Alligatoren an und vernichtet groste Mengen
von Fischen. Die Weibchen erklimmen im Juni steile
Sandufer, um fur ihre 50 — 60 sphstrischen, etwaS zer-
brechlichen Eier einen sonnigen Ort zu finden, und ver-
graden diese in flachen Bertiefungen. Schon im Juli
kriechen die Jungen auS. DaS Fleisch wird geschatzt.
Auf dem Border- und Hintertheile deS dunkelbraunen
Ruckenschildes stehen kleine, weiche Hocker, auf dem
Brustbeine zwei Schwielen.
Funfte Familie.
Meerschildkroten.
Borderdeine viel langer als die Hinteren; Zehen un-
gleich, durch die uberziehende Haut unbeweglich gemacht
und zu Ruderfusten verbunden. Ruckenschild toenig ge-
toolbt, am Rande, ebenso toie das Brustbein, unvoll-
kommen verknochert. Kopf und Glieder nicht unter
dem Panzer zu verbergen.
Der sehr eigenthumliche Bau der Fuste charakterifirt
die Meerschildkroten sogleich als toahre Masserthiere,
toelche felten und nur aus Nothwendigkeit, zur Zeit
der Fortpflanzung, an daS Land kommen und auf dem-
selben langsam und mit groster Anstrengung fich fort-
betoegen. Bei sonnigem Wetter trifft fie der Seefahrer
ost mitten auf dem Weltmeere schlafend an. Kåltere
Breiten vermeiden fie und ziehen Archipel den Kusten
deS Festlandes vor, toenn fie periodisch ihre sonstige
Ungefelligkeit aufgeben und dann in erstaunlichen Men-
gen fich zusammenfinden. Sie schwimmen und tauchen
vortrefflich, haben starke, schneidende, biSweilen auf den
Randern sagezahnige Kiefern, stark ubergebogenen Ober-
kiefer, fressen Seepflanzen, einige auch Krabben und
Schalthiere, deren Hartes Gehaus fie mit grostter Leich-
tigkeit zerbeisten. Die in der ganzen Ordnung getoohn-
liche Stummheit theilen sie nicht; die Lederschildkrote
sthht, roenn sie vertoundet oder in ein Netz vertoickelt
toorden, ein rauhes, toeithin horbareS Geschrei aus.
Einige Meerschildkroten liefern bekanntlich ein ebenso
toohlschmeckendeS als nahrhaftes Fleisch, andere das
bekannte Schildpadd und find daher dem Menschen die
toichtigsten ihres StammeS.
VII. Lederschildkrote. (Sphargis.)
Gattungscharakter: Schilder und Fuste mit
lederartigem Ueberzuge statt der Hornplatten bedeckt;
Ruckenschild mit Langskielen (Fig. 2071.).
1. Die gewohnliche Lederschildkrote. (Sphargi« mercurialis.) Fig. 2072.
Die Lederschildkroten erhalten durch den in knotige
Kiele anschwellenden, jedoch im Jugendalter glatten
Ueberzug ihres unvollkommenen KnochenpanzerS ein
eigenthumliches Ansehen. Sie haben ein furchtbareS
Gebist, theils toegen der Starke der Kaumuskeln, theils
durch die Groste der Kiefern, von welchen die obere nach
vorn jederseits einen tiefen Einschnitt und dahinter einen
dreieckigen Borsprung zeigt. Die gewaltigen Border-
fuste stehen zu dem riesigen Korper im angemessenen
Berhaltniffe. Bon der abgebildeten, im atlantischen,
indischen und stillen Ocean gemeinen, im Mittelmeere
selteneren Art hat man schon 1600— 1700 Pfund toie-
gende Jndividuen gefangen, und junge von 700—800
Pfund find sogar an den englischen und franzofischen
Kusten angetroffen toorden. Einer ihrer bekanntesten
FortpflanzungSorte liegt auf den TortugaS -Jnstln an
der Kuste von Florida. Schildkrotenfanger stellen dort
mehr ihren Eiern als ihr stlbst nach, benn ber Genust
bes fetten, jeboch groben Fleisches soll biSweilen bie
schlimmsten Folgen hervorgebracht haben.
VIII. Seeschildkrote. (Chelonia.)
Gattungscharakter: Ruckenschild und Fuste
mit Hornplatten bedeckt.
1. Die Carett -Seeschildkrote. (Chelonia imbricata.) Fig. 2073.
_2074 b.
Bon ben Lederschlldkstten unterscheiden fich bie See-
schildkroten wesentlich burch Bekleidung mit eigentlichen
symmetrischen Hornplatten, austerbem noch burch manche
minber bedeutenbe Kennzeichen. Zwei Arten sinb von
besonberem Interesse, bie weiter unten zu besprecheube
grune ober Riesen-Schildkrote unb bie Carette. Beibe
leben in ben wårmeren Breiten ber amerikanischen Meere,
aber auch um bie Jnsel Bourbon, bie Sechellen unb
Molukken. Die letztere liefert bas weltbekannte Schild-
padb, Platten bes Ruckenschildes, bie man vom lebenben
Thiere baburch abtrennt, bast man stine gewblbte Seite
ben Strahlen eines starken Feuers aussetzt. Nach so
grausamer Operation wirft man bie gefangene Schilb-
kstte wieber in baS Meer, um im nachsten Jahre viel-
leicht eine zweite Aernbte machen zu tånnen, inbeffen
sollen biese wieberersetzten Platten dunn unb bruchig
fein. Bon ber Nutzlichkeit bes schwarz- unb gelbge-
flammten Schildpaddst zu reben, mag hier uberflussig
erscheinen. Die Eier sollen vortrefflich, baS Fleisch
grob unb schmacklos fein.
2. Die grune oder Riesen. Schildkrote. (Chelonia Midas.)
Fig. 2074 a.
Mahrend an ber oben ertoahnien Art bie Hornplatten
beS Ruckenschildes fich mit ihren Hinterenben etwas
uberragen unb becken, stehen sie an ber Riefenfchilbkrote
in gewohnlicher Weife sich beruhrend; Seitenplatten
sinb jeberfeitS vier vorhanben. Die F^rbung beS Rucken-
fchilbeS ist im Allgemeinen bunkelbraun ober bunkel-
olivengrun mit fchwarzlichen Zeichnungen. Die Rie-
fenfchilbkrote ist bie grbstte ihreS GefchlechtS, inbem sie
6 —7 Fust lang unb 7—8 Centner fchwer werben kann;
fie lebt fowohl an ben afrikanifchen als ben amerika-
nifchen Kusten bes atlantifchen Meeres unb verlasti felten
die wårmeren Breiten. Durch Sturme verfchlagen,
gerieth sie biSweilen in daS Mittelmeer oder an bie eng-
lischen Kusten. Borzuglich håufig wirb sie zur Zeit
beS Eierlegens aus ben zahlreichen sanbigen ober boch
niebrigen Jnseln angetroffen, welche die Seefahrt in
manchen Gegenden WestindienS hochst gesZhrlich machen
und an der Nordkuste von Cuba, rings um Ostsiorida
und sonst noch in vielen Gegenden deS mericanischen
Meerbusens sortlaufende Ketten bilden. Die Legezeit
fallt in die Monate Juni, Juli und August. In Hellen
N^chten nahern sich dann die aus grosteren Fernen Her-
beikommenden Weibchen dem User, beobachten daffelbe
zuerst aus Entstrnung von 50—60 Schritten, lassen,
toenn fie nichts BerdachtigeS erblicken, ein lautes Zischen
Hbren, welches alle etwa unfichtbare, an solchen Ton
nicht gewohnte Feinde verscheucht, verfinken aber so-
gleich unter den Wellen und kommen vielleicht in vielen
Stunden nicht toieder zum Borscheine, sobald ein Ge-
rausch erschallt oder Menschen fich zeigen. Hegen
fie keine Besorgniffe, so kriechen fie langsam aus dem
Meere, blicken aber nochmals spahend und mit vorge-
strecktem Halse umher, sobald fie einen passenden, biS-
weilen 40 —100 Schritte vom Strande entstrnten Platz
sur ihre Eier gesunden haben. Dann endlich beginnt
bie Arbeit, von welcher Aububon aus ber Berborgen-
Heit Zeuge toar. Mit groster Schnelligkeit schaustln
bie Hinterfuste in ben Sanb eine 18—24 Zoll tiest
Grube, bie immer fo gefchickt angelegt ist, bast ihre Man-
bungen nicht von stlbst nachfallen. In fie toerben enb-
lich 150 — 200 Eier reihentoeiS gelegt unb zuletzt mit
Sanb so genau verbeckt unb ber Platz burch Herum-
brehen deS ThiereS auf bem eigenen Brustfchilbe fo gut
geebnet, bast alle austere Spuren ber Arbeit verfchwin-
ben, bie im Ganzen, baS Eierlegen einbegriffen, kaum
25 Minuten erforbert. DaS einzige verrathende Zeichen
beS n^chtlichen MerkeS besteht in ber bunkleren F^rbung
bes aufgegrabenen unb stuchten Sanbes; eS toirb von
ben mit TageSanbruch Herbeikommenben Eierfuchern
toohl benutzt, verfchtoinbet aber nach zwei ober brei
Stunben unter ber Eintoirkung auStrocknenber Sonnen-
strahlen. Auf ben toestinbifchen Jnstln rustet man zum
Schildkrotenfange viele kleine Fahrzeuge aus, beren
Mannfchaft toahrend ber Legezeit auf ben ertoåhnten
Sandbanken fich niederlastt, beS AbenbS am Strande
in grostter Stille Wache halt, den an daS Land gegan-
genen Schildkroten die Flucht abschneidet und sie ent-
toeder durch Keulenfchlåge betaubt oder fchnell auf den
Rucken kehrt, toas bei den grosteren das Zufammen-
toirken mehrerer mit Hebebaumen versthener und starker
Menuer erfordert. Fleifch und Eier toerben eingefalzen
unb bilben einen nicht unbebeutenben Hanbelsgegenstanb.
Sechs Mochen reichen hin zur Bervollst5nbigung ber
Labung eineS jener kleinen Schooner. Als noch vor-
theilhastere, jeboch ein grostereS Capital erforbernbe
Speculation hat sich bie von Jamaica auS im Grohen
betriebene Berschiffung lebenber Seeschildkroten nach
Englanb ertoiefen.
Zweite Ordnung.
E chs e N.
Die Orbnung ber Echsen begreist eine groste Menge
vielgestaltiger Reptilien, vom furchtbaren Crocobil bis
zu ber harmlofen, unfere Gebusche betoohnenben Etbechst.
Bon ben ihr angehorenben Thieren leben bie meisten
unb grostten ztoischen den Wendekreisen, wenige in den
kalteren Klimaten, einige bewohnen die Gewaffer, andere
nur daS trockene Land, manche Haufen auf Baumen,
toenige sind fogar mit flugelartigen Fallfchirmen ver-
sthen. In den untersten Familien giebt eS langge-
streckte, austerlich fuhlofe, an die zunachst folgenden
Schlangen eng angrånzende Gestalten; in den oberen ist
der Korper ztoar stets vierfustig, allein niemals vom
Boden fehr erhaben und in feinen Berhaltnissen unb
austeren Umrissen demjenigen der Saugethiere toenig
ahnlich. Das Ende des Stammes bildet ein keiner
Gattung sthlender Schtoanz. Zum rafchen oder an-
haltenden Laust erscheinen die Glieder toenig geeignet,
denn theils stehen fie zu entfernt vom Schwerpunkte des
Rumpfes, theils hindert ihre Kurze oder auch ihre recht-
toinkelige Einlenkung eine gleichformige und feste Be-
toegung. Die Mehrzahl der Echstn schleift daher im
langsameren Gange mit dem Bauche am Boden hin unb
erlangt haufig eine grostere Geschtoindigkeit nur durch
gleichzeitige Antoendung des SchtoanzeS. Gewohnlich