Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Dritter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 150
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Reptilen und der Fische
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Schlangen.
Lurche oder Neptitien.
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bel welchen vie Kieferknochen von einander gerissen, der
Schlund und sogar die auheren Bedeckungen stellenwelS
geborsten find. Erstickung kann ubrigens wahrend deS
SchlingenS nicht eintreten, indem ein paar besondere
Muskeln den Kehlkopf bis an den Vorderrand deS Un-
terkiefers vorziehen. Einmal in die Spelserohre ge-
langt, gleitet daS Verschlungene ohne weitere Schwle-
rigkeit hinab, weil die Rippen ubetall nachgeben. Zwi-
schen der Spelserohre und dem sehr langen, cylindrischen
und Hautigen Magen herrscht kein deutlicher Unterschied.
Die Verdauung geschieht ungemein langsam, aber mit
tiner Vollkommenheit, welche das seltene Tressen der
Schlangen erflårt und aus der Beschafsenheit der Er-
cremente zu beweisen sein wurde, invem diese theils der
Menge nach sehr gering sind, theils nichts als vollig Un-
verdauliches und der chemischen Thatigkeit der Eingeweide
Unlosliches enthalten. Aus der vollkommenen Faulnih
des sehr lange im Darmcanale weilenden Nahrungsstof-
fes glaubt man den sehr ubeltiechenden Athem aller grd-
Heren, zumal der giftigen Schlangen ableiten zu mussen.
Bedurfnih zum Trinken scheinen diese Reptilien selten
zu fuhlen; sie trinken leckend und folglich nur wenig aus
Einmal und konnen Entziehung sowohl des WasserS als
auch jeder eigentlichen Nahrung geraume Zeit und, wie
Erfahrung gelehrt hat, sogar Monate lang ertragen.
Die Athmung wird bei Schlangen in gewohnlicher
Weise durch Entfernung der Rippen von einander vet-
mittelt, geschieht langsam und kann ohne Gefahr lange
unterbrochen werden, weil die auherordentlich geraumi-
gen Lungen eine Menge von Luft in Vorrath aufzuneh-
men vermogen und der Verbrauch der letzteren viel ge»
ringer ist als bei warmblutigen, mit einer sehr thatigen
Cireulation versehenen Thieren. Die Lungen liegen
entlang der Wirbelsaule und reichen bis weit nach hin-
ten, indem kein Zwerchfell die Leibeshhhle theilt. Jhre
obere Halsie ist zellig und sehr gefatzreich, dke untere
hingegen stellt einen hautigen Sack dar, welcher gegen
sein Ende fast alle Zellenwande entbehrt und als Lust-
magazin angesehen werden muh. AuS der von Ana-
tomen nachgewiesenen sehr grohen Einfachheit im Bau
deS Kehlkopfes erklart sich die vollkommene Stummheit
der Schlangen, die nicht einmal jeneS Zischen Hervorzu-
bringen vermogen, welches ihnen das Volksvorurtheil
zutraut und die Dichter von jeher beschrieben. Eine
eigene von der auheren Temperatur unabhangige Warme
zu erzeugen ist keine Schlange im Stande; nur an einer
aus ihren Eiern liegenden Riesenschlange der Pariser
Menagerie will man etwaS Derartiges beobachtet haben,
indeffen sind dagegen nicht unbegrundete Zweifel etho-
ben worden. Gegen Kalte auhern die Schlangen des
Nordens viele Empfindlichkeit; sie erscheinen spat im
Fruhsahre und verschwinden zeitig im Herbste, um in
Erdlochern, unter Baumwurzeln oder in tiefen Felsspal-
ten den Winter schlafend zu verbringen. Von den
Riesenschlangen des tropischen Amerika berichten meh-
rere Reisende, dah sie bei Eintritt der helhesten und
trockensten JahreSzeit sich in Sumpfen begraben, die
uber ihnen, wahrend sie schlafen, zur festen Rinde ver-
Harten. Die ersten starken Regen der nassen Jahres-
zeit erwecken die Ungethume. In Nordamerika glaubt
man allgemein an die Sitte der sonst durchauS ungesel-
ligen Schlangen, im Herbste gemeinsame Schlupfwinkel
zu beziehen, und erzahlt zumal viel Grausenhaftes von
den oft Hunderte bergenden Winterguartieren der Klap-
perschlangen. Kurz nach dem Wiedererwachen gesel-
len sich die Paare, indeffen nur aus kurze Zeit, denn von
einer irgend dauernden Zuneigung oder von einem ge-
meinsamen HauShalte bietet die Geschichte der Schlan-
gen eben so wenig Spuren alS diejenige anderer Repti-
lien. Die Zahl der Eler wechselt je nach der Art, pflegt
aber nicht unter 8 —10 zu sein; die Schalen der Eier
sind lederartig, niemals bunt, sondern schmutzig weih
und etwas rauh. Bei manchen Schlangen Hangen die
Eier bundelweis durch zahe Faden an einander- Bebru-
tet werden sie niemals, sondern den Naturkræften uber-
lassen, auSgenommen bei vielen Giftschlangen, die in
gleicher Weise, wie die oben beschriebene gelbe Eidechse,
zu den sogenannten lebendig gebarenden Thieren geho-
ren. Die auSkriechenden Jungen gleichen in der Far-
bung so ziemlich ihren Aeltern; ihren vollen Glanz et-
Halten sie durch mehrsache sich schnell folgende Hautun-
gen und wachsen mit besonderer Schnelligkeit in den
ersten Monaten ihreS LebenS.
Aus der verhattnihmahigen Kleinheit deS Hirns ge-
genuber der grohen Maffe des Ruckemnarks folgert man,
auf phystologlsche Grundsatze gestntzt, bei Schlangen daS
Ueberwiegen der MuSkelreizbarkeit uber die Sinnestha-
tigkeiten. Lieferte nicht der einfache Bau eintger Sin-
nesorgane Hinreichenden BeweiS von ihrer Stumpfheit,
so wurde die Beobachtung auherer Erscheinungen ge-
nugen, um gleiches Resultat herbeizufuhren. Es find
z. B. die Nasencanale so kurz, ihre Wandiingen mit ver-
Haltnihmahig so dunnen und wenigen Nervenzweigen
versehen, dah man das Recht haben wurde, geringes
Riechvermogen bei den Schlangen selbst dann voraus-
zusetzen, Wenn man auf den bedeutungsvollen Umstand
nichtRncksicht nehmen wollte, dah das Riechen zum gro-
hen Theile von der Haufigkeit und Kraft der Athemzuge
abhangt. Aeuherlich ist daS Riechorgan der Schlan-
gen erkennbar an den Nasenlochern, auf deren Stellung
in der Mitte einer Hautplatte oder auf der Granze zweier
die Systematiker um so mehr Werlh legen muhten,
als in der naturlichen Abtheilung der Schlangen bei
wuuderbarer Gleichheit auherlicher Gestaltung die Auf-
stellung schars unterscheidender Kennzeichen ziemlich
schwer halt. Die Augen stets seitlichen fallen durch
nichts mehr auf, als durch den Scheln von Unbe-
weglichkeit, der eben nur aus dem Mangel an Lidern
und dem daher ununterbrochenen Offenstehen sich er-
klart. Bei genauer Beobachtung sindet man, dah der
Augapfel unterhalb dem durchscheinenden, zur Haut ge-
Horenden kreiSrunden Schilde, welches falschlich fur eine
Hornhaut gehalten ward, sich ziemlich lebhaft hin- und
Her bewegt. Der Augenstern glanzt bei vielen in leb-
Hafter Goldfarbe, bei andern silbern; bei manchen Gift-
schlangen ist er grun oder hochroth. Die Pupille Hat
bald eine runde, bald spaltsormige Gestalt, die letztere
zumal bei giftigen oder ein nachtliches Leben fuhrenden
Arten. Ueber die Mundung des Hororgans fpannt sich
die findere Haut, im Jnneren des Ohres fehlt das Trom-
melfell und manche andere wichtige Theile, von welchen
die Fahigkeit, Schallstrahlen aufzufangen, abhangt.
Es wird also auch hier auf Stumpfheit eineS Sinnes zu
schliehen sein, fur welchen in den hoheren Classen der
Wirbelthiere meist mit gewiffer Parteilichkeit gesorgt zu
sein scheint. Dah, wie erwahnt, keine Schlange eine
wahre Stimme besttzt und, mit AuSnahme der Klapper-
schlange, keine irgend ein Gerausch hervorzubringen ver-
mag , find jedenfalls Umstande von vieler Bedeutung.
Am tiefsten dursie der Schmeckfinn stehen. Er ist als
vollig uberflussig anzusehen bei Thieren, die ihre Beute
ungestuckt verschlingen und nicht kauen. Die Zunge
interesfirt aber dennoch den Forscher durch ihre Form,
benn bei groher Lange, Schmalheit und tiefer Lheilung
in zwei fadenformige Spitzen kann fle sehr weit Hervorge-
trieben und mit auffalligster Schnelligkeit vibrirend Hin-
und herbewegt werden. Schwerlich bedarf eS des Be-
weiseS, dah dieses durchaus welche Organ weder Vetwun-
den noch vergiften konne, wie das Volk fast aller Orten
nteint, und dah die alten Abbilbungen von Schlangen
mit pfeilformigen Zungen in das Gebiet der zahlreichen
Fabeln gehoren, die man oft mehr als die nackte Wahr-
heit schatzt. Von der FuhlfLhigkeit der Schlangen wird
noch weniger zu sagen sein. In Folge der Bekleidung
mit Harten und trockenen Schuppen kann ste nicht an-
ders als sehr gering sein; Organe zum Willkuhrlichen
Fuhlen, zu dem Tasten, fehlen allen Schlangen, eine ein-
zige, wenig bekannie vielleicht ausgenommen. Mit
der geringen Entwickelung des Hirnnervensystems H5ngt
bei den Schlangen die Zahigkeit deS Lebens zusammen.
Der in viele Stucken zertheilte Leib stirbt nicht sogleich,
und vom Kopfe weih man, dah er, wenn auch seit
Stunden abgetrennt, noch zu beihen gesucht Hat.
Wiederersetzung verloren gegangener Theile findet bei der
Gleichsormigkeit der Gestalt viel schwerer Statt als bei
anderen Reptilien; hochstens vernarbt der abgeschlagene
Schwanz, doch wachst er nicht vollstandig nach. Mon-
strosiraten von Jndividuen mit doppelten KLpfen oder
doppelten Schwanzen haben die Alten zwar oftmals ab-
gebildet, allein sie durften sehr selten sein.
In der Grohe und Farbung erscheinen Schlangen
sehr verschieden. Die kleinsten Arten find, ausgewach-
sen, kaum spannenlang, die grohien messen, wenn auch
selten, bis 30 Fuh, indessen ficherlich nicht mehr, indem
die 50 Fuh langen der alteren Reisebeschreiber durchauS
in das grohe Gebiet naturhistorischer Fabeln gehoren.
Der Mehrzahl nach uderschreiten sie nicht die Lange von
6 Fuh und bleiben nicht unter 3 Fuh. Bekleidet sind
sie auf det Oberseite mit tautenfotmigen Schuppen,
die dachziegelartig mit den Spitzen uberragen und nicht
selten einen erhabenen Langsstiel tragen. Einige Gift-
schlangen und die Boa ausgenommen, haben alle Schlan-
gen aus dem Scheitel Schilver, die nach festen Gesetzen
vertheilt, daher an allen Arten wieder zn erkennen sind
und folglich, wie diejenigen der Eidechsen, Namen und
fur die Zwecke der Systematik Wichtigkeit haben. (Fig.
2221. a. Schnautzenschild; b. Nasenschilder; c.c. vor-
dere, d. d. Hintere Stirnschilder; e. e. Brauenschilder;
f. Scheitelschild ; g. g. Hinterhauptschilder; h. b.Schla-
fenschilder; i. i. Lippenschilder.) Auf der Bauchseite
stehen mehrentheilS Schilder, schmale bis an die Selten
Hlnaufrelchende Tafeln, die 618 zum After eine einfache
Reihe bilden, am Schwanze gemelnhin paarig, also in
Doppelreihe stehen (Fig. 2222. a. Bauchschilder; b. b.
Afterschilder; c. c. Schwanzschilder). Verhaltnihma-
Hig wenige Gattungen haben eine abwelchende Art der
Bekleidung an den genannten Theilen. Gesetze der
Farbenvertheilung bei den Schlangen aufzustellen Hat
noch Niemand vermocht; es giebt in derselben Gattung
sehr lebhaft, aber auch unbedeutend gefaebte Arten. Eine
gewiffe Verwandtschaft zwischen der Farbung und dem
Aufenthaltsorte laht sich bei einigen nachweisen; Baum-
schlangen sind meistens grun, Schlangen der Wuste gran
oder braun wie der unfruchtbare Boden, auf welchem ste
leben; als sonderbare AuSnahme verdient der Umstand
Beachtung, dah wuhlende, halbunterirdische Schlangen,
z. B. Calamarien, theils lebhafte Farbung, theils we-
nigstens sehr schonen Metallschiller, wie politier Stahl,
befitzen. Durch teine und feutige Fatben vor allen
ausgezeichnet find die Wickelschlangen, deten ganzer Kor-
pet mit abwechselnden tothen, gelben, weihen und schwat-
zen Ringen umgeben ist. Reines Blau kommt an kel-
ner Schlange vor. Ueber bie mannichfachen Zeichnun-
gen laht etwas Allgemeines sich nicht sagen, Abande-
ruitgen giebt es zwar, Indeffen sind Fatbe und Zeich-
nung bel der Mehrzahl von Jndividuen derselben Art
ziemlich bestandig und werden dahet als Unterschei-
dungSmittel der an sich nicht leicht zu definirenden Spe-
cies angewendet. Der willki'irliche bel vielen Echsen
gewohnliche Farbenwechsel ist nie an Schlangen beob-
achtet worden. Schlangen wohnen theiis in Waldetn,
theils auch in offeneten Segenben und einige sogar in
ber gluhenden und schattenlosen Wuste; manche zlehen
sich gelegentlich in das Waffer zuruck. und eine Heine
Gruppe bewohnt daS Meet ber heihen Zonen, niemalS
ber latteren Bteiten, beten vielbesprochene Seeschlan-
gen Fabelwesen sinb. Alle entbehren ben Geselligkeits-
trleb, leben einsam, furchlen ben Menschen, ben sie meist
Heinttuckisch anfallen unb im offenen Kampfe anzugreifen
selten wagen. Es giebt einige ber Zahmnng eini-
germaahen fahige, ble theils von Gankletn zu Kunststu-
cken gebraucht, theils auch auS besonberet, allerbingS
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