Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Dritter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 150
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Reptilen und der Fische
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Lurche oder Neptilien.
Dritte Vrbnung.
im Hause halten und vollkommen zahmen. Es wird
Hinzugesetzt, bah die ganze Bevfilkerung der Jnsel zu
ihr eine besondere Zuneigung habe und die Tsdtung
einer zahmen einem Unglucke, gewiffermaahen der Ver-
treibung deS guten Genius deS Hauses gleich achte.
Jhre LebenSdauer muh in demselben Verhaltniffe be-
trachtlich sein, als ihre Entwickelung langsam vorschrei-
tet; fie wachst innerhalb der ersten zwei Jahre nur bis
zur Lange von 15— 18 Zoll und scheint erst nach Er-
reichung dieser LSnge das FortpflanzungSvermbgen zu
erhalten. Ehedem waren mehrere Korpertheile der
Kragennatter in der Medicin gebrauchlich. Man ist
mit Recht von solcher Anwendung abgekommen, mag
wohl nur in sehr wenigen Gegenden Europa'S daS
Fleisch essen und benutzt Hochstens die frische Haut als
Ueberzug von Siocken. — Die Kragennatter ist im
Ganzen blaulich oder grfinlichgrau, obenher mit kleinen
schwarzlichen Ruckenflccken versehen, auf dem Scheitel
olivenfarbig; ihren deutschen Namen verdankt sie einem
jederseits hinter den Schlafen stehenben, gegen den Na-
cken sehr zugefpitzten, indefsen mit dem entgegengesetzten
zusammenfliehenben, milchweihen, schwarzbegranzten
Flecken. Man kennt auher ihr noch 24, den verschie-
densten Welttheilen angehbrende Arten.
VI. Wolfzahnschlangc. (Lycodon.)
Gattungscharakter: Ansehen und Bekleidung
der Nattern. Vordere Kieferzahne långer als die fibri-
gen. Augen klein mit vertical zugespitzter Pupille.
Schwanz bisweilen mit einfacher Schilderreihe.
1. Sudafrikanische Wolfzahnschlange. (Lycodon capensis.)
Sig. 2245.
Unter den sehr zahlreichen der gegenwartigen Gruppe
angehorenden Schlangen vertritt die als Beispiel abge-
bildete eine in vielen Beziehungen eigenthumlich gebil-
dete Gattung. Wer den Bau und die Stellung der
Giftzahne der Schlangen nicht kennt, mochte leicht auf
den Verdacht kommen, an den Wolfzahnschlangen mur-
dige Verwandte der Vipern vor fich zu sehen. Sie
haben, wie jene, einen platten Kops, stumpfe Schnautze
und ziemlich kurzen Schwanz, weit nach vorn stehenbe
Nasenlocher und, vermoge der Stellung der Pupille,
verdachtig blickende Augen, allein dennoch find fie nicht
allein unschadliche, sondern auch furchtsame und Weder
grohe noch ftarke Thiere, die, aller Wahrscheinlich-
keit nach, nur auf kleine und schmache Geschopfe Jagd
machen, vielleicht nicht einmal eine besondere Thatigkeit
entwickeln, noch Geschwindigkeit der Bewegung befitzen.
Groh wird kaum eine Art; die meisten der bekannten
messen nur zwei oder hochstens drei Fuh, gehoren
alle den Warmeren Breiten an und zeichnen fich theilweis
durch Lebhaftigkeit ihrer Farbung auS. Die am Cap
der guten Hoffnung gerade nicht seltene Art lebt an
feuchten Orten, wo mannichfache Pfianzenreste ihr Ver-
bergungsorte darbieten, versucht nicht zu entfliehen,
wenn man fie ergreift, sondern rollt fich in eine Spirale
zusammen und verrath nicht die geringste Neigung, von
ihrem Gebisse Gebrauch zu machen. Sie miht 1%—2
Fuh, ist obenher stahlblau, uitten schmutzig weih.
VII. Lappenschlange. (Homalopsis.)
Gattungscharakter: Kopf groh, mit kurzer,
abgerundeter Schnautze und nemt oder mehr unregel-
mahigen Schildern (Fig. 2246.) ; Nasenlocher fich sehr
genahert, halbmondformig, nach oben geoffnet; Augen
klein, nach oben stehend; Hintere Zahne des Oberkiefers
verlangert, auhen gefurcht. Bauch mit einfachen,
Schwanz mit doppelten Schildern.
1. Die Cerberus-Schlange. (Homalopsis Schneideri.) Sig.2246. 2247.
Die Lappenschlangen verdienen vorzugSweis den Na-
men von Suhwasserschlangen. Sie scheinen vie uitge-
Heueren Wasserbecken iin Jiineren des tropischen Ame-
rika und Asten, welche eine Unzahl von Fischen ernahren,
bewohnen zu sollen und toerben auf dem trockenen Lande
und in minder toarmen Landern nie gesehen, wahrenb
die eine ansehnliche Gattung bildenden Wassernattern
auSschliehlich mildere Breiten betoohnen und zum Theil
den falten Zonen sich mehr nahern als alle andere
Schlangen. Die einzelnen Arten der Lappenschlangen
nehmen teinen grohen Verbreitungsbezirk ein. Fast
alle toerden groh, fallen aber weniger auf durch ihre ge-
meinlich 4 Fuh nicht ubertreffende Lclnge, als durch ihre
Dicke und das Mihverhaltnih ihrer Korpertheile. Der
Schmanz ist kurz, kegelformig und dick, der Kopf sehr
groh, stumps und breit, die Richtung der Nasenlocher
und Augen nach oben denten daS Wasserthier an. Die
ganze Phyfiognomie erregt Verdacht und erscheint min-
destens sehr hahlich, allein dennoch find die Lappen-
schlangen ganz unschuldige und mehr trage als reizbare
Geschbpfe. Auf dem Kopfe haben sie Schilder, die
fich enttoeder so verhalten tote bei den Nattern, oder
bei sehr unregelmahiger Gestalt nur die Schnautze oder
vordere Stirne bekleiden , toahrend kleine Schuppen den
Rest des Kopfes uberziehen. Im Besttze einer auher-
ordentlich grohen Muskelkraft vermogen sie mit groher
Schuelligkeit zu schwimmen und scheuen den Kampf mit
anderen Wasserthieren nicht. In Nordamerika sagt
man, dah kein Raubsaugethier fich an eine am User an-
getroffene Lappenschlange toage. In der Regel verlassen
diese Schlangen das Wasser felten und vermogen ge-
raume Zeit tief unten liegend auszuhalten. Um zu
athmen, brauchen fie nicht hervorzukommen, sondern
lassen nur die nach oben geoffneten Nasenlscher ettoas
fiber den Wafferspiegel ragen. Alle ahneln sich durch
auhere Farbung und Mangel an scharf Hervortretenden
Zeichnungen. Die abgebildete, auf Java und anderen
indischen Jnseln und in Bengalen Heimische Art wird
gegen 3 Fuh lang; sie ist untenher gelb, oben auf oli-
venbraunlichem Grunde unregelmahig schwarz gesteckt.
Ihren Namen verdankt sie nicht ettoa der ungetoshuli-
chen Furchtbarkeit des Gebisses, sondern den Umriffen
ihres Kopfes.
2. Die Trottelschlange. (Homalopsis Herpeton.) Fig. 2248. 2249,
Die Stellung der Trottelschlange im System ist keine
ganz feste; Schlegel, einer der ersten Herpetologen un-
serer Zeit, hat indessen auS manchen Grfinden die Er-
richtung einer besonderen Gattung vertoorfen und stellt
jene unter einem alteren Namen (Herpeton tentaculatus)
vielleicht bekanntere Schlange zu den Homalopsis. Man
kennt nur ein Eremplar, toelches in der pariser Samtn-
lung betoahrt toird und durch eine jener Plfinderungen
dorthin kam, welche die fiegreichen Franzosen fiber fremde
Museen verhingen. Da senes aus der Sammlung zu
Haag genommen toorden, so stammt es toahrscheinlich
aus einer der Hollanbischen Colonien in Asien. Das
Wunderbarste bleibt an dieser 2 Fuh langen, braunli-
chen, am Bauche toeih gestreiften Schlange ein Paar
fleischiger Lappen, die an der Spitze der Schnautze ste-
Hen, im Leben toahrscheinlich Betoeglichkeit beseffen und
als Ffihler gedient haben mogen und mit kleinen Schup-
pen fiberzogen sind. Sie stellen eine in der ganzen
Claffe der Reptilien beispiellose Bildung dar. Am
Bauche verlånst eine Reihe von gekielten, sehr kleinen
Schildern (Fig. 2248.), der Schtoanz ist indessen auch
auf der Unterseite beschuppt (Fig. 2249.).
Vierte Familie.
Baumschlangen.
Der Korper der Baumschlangen ist auherordentlich
dfinn, sehr verlangert, mehr eckig als drehrund; der Bauch
schmal, mit einfachen Schildern, der Schtoanz sehr lang,
peitschenffirmig, mit Doppelschildern bekleidet, der Kopf
nicht groh, geschildet toie bei den Nattern. Es sind zwei
Hintere Augenrandschilder und am Gaumen sotoie an den
Kiefern zahlreiche kleine Zahne vorhanden. Die Gestalt
der Baumschlangen ist so eigenthfimlich, dah Verwech-
selungen mit anderen Familien nicht eintreten konnen;
ost lauft der Schtoanz in eine fast fadenformige Spitze
aus, und fiberhaupt sindet ahnliche Dfinne des KorperS
bei sehr groher Lange deffelben nirgends toeiter Statt.
Die Baumschlangen betoohnen nur sehr toarme Klimate
und steigen selten von den Baunten Herab, zwischen be-
ren Wipfeln fie mit solcher Schnelligkeit Hingleiten, dah
das durch ihren Metallglanz, sotoie durch ihre gelbliche
oder grfine Farbe getånschte Auge ibnen nicht leicht solgt.
Sie burfen als bie prachivollsten aller Schlangen gelten
unb finb ganz un>chulbig, toenn auch einige im Hinteren
Enbe des Oberkiefers Furchenzahne tragen, toelchen von
einigen Anatomen, wiemohl mit Unrecht, die Eigenschaft
der wahren Giftzahne zugeschrieben ward. Linne er-
klarte die einzige ihm bekaunte Baumschlange (Dryophis
prasina) fur giftig, allein gerade diese wird auf Java
von Kindern gefangen und fo toeit gezahmt, dah sie sich
fpielend um Arme und Hals ihrer kleinen Psteger min-
det, ohne diefen se Schaden zuzuffigen. Baumschlangen
nahren fich von kleinen Vbgeln unb ihren noch unreisen
im Neste befinblichen Jungen, von iveichen Wurmern,
Schnecken unb Juseeten unb finb, ber Dfinne ihres Kor-
perS ungeachtet, im Slaitbe, sehr grohe Bissen zu ver-
schlingen, inbem ihr Kopf immer lang, ber Rachen toeit
gefpalten unb bie Ausbehnbarkeit ihres Korpers fast
unbegranzt ist. Eine 3 Fuh lange Laubfchlange, beren
unausgebehnter Ruitipf hinter bem Kopfe kaum Vs Zoll
im Durchmeffer Hat, vermag bennoch Vsgel von ber
Grohe einer Meihe Hinabzutofirgen. Durch starke Aus-
spannung ber Haut entfernen sich bie Schuppen von
einanber, unb baher Hat eine mit Nahrung angeffillte
Baumschlange ein sonverbares, gleichsam gegittertes An-
sehen. Wahrenb bieses ZustanbeS geht auch bie Fa-
higkeit raschen Farbentvechsels verloren, welche viele
Arten im hohen Maahe befitzen. An ber einzigen in
Sfibafrika heimischen Baumschlange (Buceplialus viridis)
will A. Smith beutliche Beweise sener Kraft ber Bezau-
berung wehrlofer Thiere bemerkt haben, an welche fchon
bie Alten glaubten, bie in Norbamerika ben Klapper-
fchlangen allgemein zugeschrieben, inbessen von ben mei-
sten wiffenschaftlichen Naturforschern zu ben Fabeln
gerechnet wirb. Gewohnlich entbecken bie Vsgel sehr
balb bie zwischen bem Laube verborgene Schlange, er-
Heben ein besonberes Angstgeschrei unb locken zahlreiche
Verwanbte herbei, welche, hfipfenb ober im Umkreise flat-
ternb, immer nåher kommen, bi3 irgenb ein von pani-
schem Schrecken mehr als anbere ergriffener bem Reptil
zur Beute wirv. Wie dieses solchen Einstuh fibe, wagt
Smith nicht zu erklaren, indessen glaubt er, dah der
Schrecken fiber den Aublick des surchterlichen Feindes
den kleinen Vogeln Befinnung und freten Willen raube,
und dah vielleicht manche sich opfern, um ihre in der
Nåhe befindlichen Nestlinge zu retten. Die Schlange
bestrebt fich, das Grausen, welches ihre Gegenwart allein
Hervorzubringen Hinreicht, noch zu vermehren, indeni fie
den Vorderleib 10—12 Zoll hoch fiber ben Ast erhebt,
um welchen sie fich geringelt hat, bei weit offenem Ra-
chen rasch zfingelt, ben Kopf Hin - unb Herbewegt, bas
Auge leuchten laht unb bie Kehlhaut moglichst weit
aufblaht. Smith will gesehen haben, bah flfichtige
Antilopen, burch ben unerwarteten Anblick eines lauern-
ben Krokobils gleichsam gelahmt, nicht einmal einen
Sprung versuchten, ber sie ohne Weiteres gerettet haben
tofirbe, sonbern zitternb stehen blieben, wahrenb bas
Unthier gemachlich auf sie losging. Er vergleicht biesen
Zustanb ber Thiere mit jenem uuheimlichen Geffihl,
welches manche Personen am Ranbe von Abgrfinben
ober auf ber Zinne hoher Thfirme ergreift, sie fast
brangt, sich Hinabzustfirzen, unb, wie Einzelne bekannt
haben, nur burch grohte Anstrengung fiberwunben wer-
ben kann. Es scheint inbessen, als ob Barton in Phil-
abelphia, ber fiber bie Zauberkrast ber Klapperschlangen
schrieb,bie natfirlichere Erklarung aufstellt, wenn er meint,
bah bie von bem lauernben ober brohenben Reptil er-
griffenen Vogel ober kleinen Saugethiere wohl mehren-
theils nicht ber Zauberkrast, sonbern ber grohen Ge-
wanbtheit beS Gegners zum Opser fallen, wahrenb sie
versuchen, ihn burch Herumflattern, Springen ober Ge-
schrei aus ber Nahe ihrer Nester zu verscheuchen.