Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Dritter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 150
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Reptilen und der Fische
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58
^ur d) ø oder Reptilien.
Dritte Grdnung.
sind, bah Vipern und Klappetfchlaiigen, die in der Wuth
den eignen Korper belhen, sich nicht selbst vergiften, und
das fogar Schlangen derselben Art, die man durch Rei-
zungen gegeii einander Hetzt, sich nicht immer todtliche
Bisse versetzen tonnen. Gehoren sie verschiedenen Arten
an, so stirbt jedoch das gedissene Zndividuum unter Zel-
chcn der Vergiftung. Dennoch besitzen ader gcwisse
Arten eine vollkommene Glstfestlgkest; die sudafrikani-
sche Schildviper fangt und verschlingt die furchterliche
Pofsadder, und die Klapperschlange thut Gleiches mit
der sehr gistigen Mockafin - Schlange (Trigonocephalus
Cenchris). Die durch das Schlangengift Hervorge-
brachten Wirkungen find am Menschen Haufig und genau
beodachtet worden. Sie sind nicht immer dieselden,
denn ihre Hestigkeit und ihr Ausdruck werden von der
Beschaffenheit des Berwundeten bedingt. Jndessen tritt
in allen FLllen der Tod ein unter derselben Gestalt alS
vollkommenes Darniederliegcn aller Kraste und anfan-
gende Zersetzung; die letzten Stunden verbringen die
unglucklichen Berwundeten ohne Schmerz und fast im-
mer im bewuhilosen Zustande. Es giebt eine unuber-
sehliche Menge von Gegenmitteln, denn nicht allein be-
fitzt jeder Bolksstamm seine eigenen, sondern eS Haben
auch die Aerzte nach und nach eine grohe Zahl von
Stoffen angewendet, die dann hier als untruglich ge-
priesen, dort als ganz wirkungsloS verworfen Wurden.
Man muh bedauern, dah am Ende nicht ein vollkommen
fichereS Arzneimittel bekannt ist, und bleibt auf ein Ver-
fahren alS das zweckmahigste, wenn auch nicht sicher
rettende beschranki, welches schon die Alten befolgten.
Es besteht in Unterbrechung der Gefahverbindung zroi-
schen dem gebissenen Gliede und dem Korper mittels
fester Umschnurungen, in dem Erweitern der Wunde
mit dem Messer, Auswaschen derselben und Aussaugen
mit dem Munde oder, was beffer, durch Schropfkopfe,
endlich in Anwendung des gluhenden Eisens. Auf die
Mirksamkeit innerer Mittel wird stets mit weniger Zu-
verlassigkeit zu rechnen sein als auf jenes chirurgische, das
Gift am Orte seines Eindringens zerstorende Verfahren.
Die Furcht aller Volker vor den giftigen Schlangen Hat
folglich einen sehr naturlichen Grund. Aberglauben
herrscht hier freilich auch im hochsten Maahe; nicht zu-
srieden mit der wirklichen Gefahrlichkeit sener Reptilien,
Hat man ihnen grausenerregende, aber unwahre Eigen-
schaften angedichlet und vertrauet selbst in civilifirten
Landern schlauen Menschen der niederen Stande, die im
Befltze von Geheimmitteln gegen Schlangenbih zu sein
vorgeben. Solche Rolle spielen in Subeuropa die
Schafer, in Indien und Aegypten die Schlangenbezau-
berer, welche seit uralten Zeiten eine besondere Kaste
dilden und Heutiges Tages ebenso unwissende Markt-
schreier find wie die Psyllen deS Alterthumes, von wel-
chen schon Plinius sagt, dah eine gewiffe Kuhnhest ihnen
eigentliche Kenntnisse ersetze, und dah der Wesentliche
Theil der von ihnen vorgenommenen Curen in dem Aus-
saugen der Munden bestehe.
Alle wahre Giftschlangen haben einen in der Mitte
ziemlich dicken, gegen die beiden Enden dunner Werben-
den, mehr oder minder zusammengedruckten Rumpf,
scharfkantigen oder kielformigen Rusten, breiten, con-
veren, mit gleichartigen Platten bekleideten Bauch, so
dah der senkrechte Durchschnitt des Korpers ein sphari-
sches Dreiest darstellen wurde, einen kurzen, kegelformi-
gen, niemals dicken, noch am Ende stumpfen, sondern
haufig in eine konische Schuppe oder bisweilen in soge-
nannte Klappern endenden Schwanz, kleine, lanzett-
formige, fast immer scharf gekielte Schuppen, die manch-
mal sogar in verlangerte Spitzen auslaufen, einen brei-
ten, nach hinten Herzformigen Kopf, fast immer vcrtical
zugespitzte Pupille und bisweilen zwischen Auge und
Nasenloch eine ticfe Grube. Sie werden felten långer
als 6 Fuh, bleiben meistens weit kleiner, kommen durch
Schonheit der Farbung den gistlofen Schlangen nicht
gleich und dilden drei deutlich verfchiedene Familien.
Erste Familie.
Gistnattern.
Gestalt fast der gistlofen Schlangen. Kopf wenig ab-
gefetzt, mit Schildern bekleidet; Schnautze stumpf; Pu-
pille rund; Nafenlocher feitlich, weit vorn stehend;
undurchbohrte, kleinere Zåhne hinter den Giftzahnen.
Bauch mit Schildern bekleidet; Schwanz kurz mit ein-
fachen oder paarigen Schildern.
Xl. Schildviper. (Naja.)
Gattungscharakter: Korper in der Mitte dicker;
Ruckenfirste kantig; Ruckenschuppen fchmal in schrage
Querreihen gestellt; Hals mittels der zurucklegbaren
Rippen fcheibenformig ausdehnbar (Fig. 5258 —2260.).
Kops mit Schildern bekleidet (Fig. 2257.). Schwanz
etwas verlangert, kegelformig.
1. Die indische Schildviper; Brillenschlange. (Naja tripudians.)
Sig. 2257—2262.
Eine fchwarzbraune, nur bei voller Ausdehnung des
Halses deutlich Hervortretende Zeichnung Hat dieser
weltbekannten Schlange ihren Namen verschafft. Im
Zustande der Ruhe gleicht sie jeder anderen Schlange,
wird sie aber gereizt, so legt sie mittels eines zuerst von
Home genau untersuchten Muskelapparates die vorderen
acht Rippenpaare nach den Seiten zuruck, streckt sie fast
eben auS und dehnt demnach die Haut zu einer ovalen
Scheibe auS. Nothwendig wird dann der Hals voll-
kommen platt und uberragt an Breite um ein Bedeu-
tendeS den dann doppelt kleiner aussehenden Kopf.
Solche Umgestaltung des HalseS geschieht nicht im Lie-
gen, sondern indem die Schlange das vordere Drittheil
des Korpers senkrecht erhebt und nur den Kopf Hori-
zontal vorstreckt, der daher von hinten (Fig. 2258.) nicht
gesehen werden kann. Mit funkelnden Augen bereitet
sich die Brillenschlange dann zum Angriffe, der dadurch
zum furchlbaren wird, weil er eben so schnell als ge-
waltig erfolgt. Obgleich sie felten långer als funf
Fuh wird, fo vermag sie doch Sprunge von 15 Fuh aus-
zufuhren; sie schleudert sich mit einem Satze auf den
Gegner, der die grihte Gefahr lauft, wenn er sene Um-
gestaltung deS Halses nicht kennt alS ein drohendes Zel-
chen und durch bie Entfernung sich geschutzt meint.
Brillenschlangen sind weit rachsuchtiger und kampflusti-
ger als alle Verwandte, die in der Regel nur ganz nahe
kommende Menschen verletzen; sie richten sich schon auf,
sobald sie Jemand in einiger Ferne bemerken, und find
im Stande, Fliehende hartknackig zu verfolgen. Capi-
tain Percival halt den Kampf mit ihnen fur um so ge-
fåhrlicher, weil ihre Bewegungen flch so schnell svigen,
dah der erste auf sie gefuhrte Schlag entscheiden muh,
indem zu einem zweiten keine Zeit bleibt. Dennoch fan-
gen die Gaukler Indiens diese Schlange lebend und
uben auf sie eine merkwurdige Gewalt, wenn auch nicht
durch Zauber, wie selbst Europaer gern nacherzåhlen.
Ihre ganze Kunst scheint in der Hervorbringung von
Pfeifentsnen zu liegen, bie freilich menschlichen Ohren
nicht zusagen, allein ber Brillenschlange so gefallen, bah
sie aus ihrem Versteck herbeikvmmt, mit Vergnugen zu-
Hort unb sogar sich greifen laht. Ohne berartige musi-
kalische Begleitung wagt kelner sener Gaukler fich an bie
Schlange, ber ubrigens ber Sicherheit wegen bie Gift-
zåhne ansgerissen werben, sobalb sie in Halben Taumel
versetzt unb gesangen ist. Nicht immer bewahrt sich
biefer Kunstgriff, benn Johnson, bem man viele interes-
sante Nachrichten uber Jublen verbankt, war Augenzeuge,
wie ber Knabe eines Schlangenbezauberers gebissen warb
unb nach einer Stunbe starb. Der betrubte Vater be-
kannie, bah er ble Glstzahne entfernt habe, unb verwarf
ble naturliche Erklarung bes Ungluckes, bis bei genauer
Unterfudjung ber getobteten Schlange Giftzåhne entbeckt
wurben, ble zwar noch ganz jung, inbessen Hlnrelchenb
weit aus ben Klefern Hervorgewachsen waren, um t6bt=
lich verletzen zu finnen. Der Anblick ber mit Sift-
schlangen umgebenen Zauberer hat fur ben Europaer,
auch wenn er senes Kunststuck kennt, allezelt etwas W1-
berliches. Jrgenbwo zur Vorstellung ihrer Fertigkeit
aufgeforbert, greifen sie unbebenklich in einen verbeckten
mit Schlangen angefullten Korb unb roerfen ble gepack-
ten vor sich auf ben Boben. Alsbalb beginnen blese baS
Weite zn suchen, allein ble eigenthumlichen Tone einer
Lockpfelfe bannen sie an ben Ort. Von bem Reize ber-
selben ergriffen, beginnen sie sich aufzurlchten, unv enb-
lich roanken sie, im Rhythmus ber gespielten Meloble,
mit bem Oberleibe Hin unb her, sie tanzen, role Beschrel-
ber blefer Scenen sich gemelnllch ausbrucken. Schroeigt
nach langerer Zeit ble Pfelfe, fo verfuchen sie keine neue
Flucht, fonbern finken erschopst auf ben Boben nieb er.
In Bengalen giebt es Zauberer, ble ber niebrigsten ber
bortigen Kasten angehoren unb nicht gleich ben agypti-
chen ber Pfeife sich bebienen, fonbern mit ben Fingern
eine kleine Trommel fchlagen unb bisroeilen ble Schlan-
gen, bie sich ihnen um Schenkel unb Arme Winben, mlh-
Hanbeln unb relzen, bi8 sie in auherste Wuth gerathen
unb Bisse auStheilen, ble grohe Blutstropfen Hervor-
locken. Der Mifstonår Gogerly fchilbert blefe Vorstel-
lungen westlaufig unb finbet in benfelben, von ihrer
Wlberlichkeit abgefehen, barum nlchts MerkwurblgeS,
roell offenbar ble Schlangen vorher unschabllch gemacht
sinb, fpricht sich inbeffen als Augenzeuge mit Verwun-
berung aus uber ble ungemeine Empfinblichkelt ber Bril-
lenfchlange gegen inusikalischeTone. Elnige unglaubige
Europaer fchickten, nachbem sie gegen moglichen Betrug
bie besten Maahregeln genommen, einen Schlangenbe-
zauberer in ben Garten eines Lanbhaufes. Der Jnbler
begann mit feinen Locktonen, inbem er ben Garten um-
kreiste, unb blieb enblich vor elner alten unb sehr schad-
Haften Stelnwanb stehen, mit ber Versicherung, bah Hier
irgenbroo eine Schlange verborgen fel. Er lleh feine
Pfeife lauter unb fchneller tonen, unb balb erschien In
einer Spalte ber Kopfe einer grohen Brillenschlange,
roelche ber Hlnzulaufenbe Zauberer furchtlos ergriff unb
aus ihrem Verstecke zog. Nachbem er bem Europaer
ble Glstzahne gezelgt unb sie ausgerlssen, roarf er ble
Schlange zu vielen ubrigen in ben verschlossenen Korb,
ber solche Gaukler auf ihren Zugen burch bas Laub be-
gleitet. Im Uebrigen ist blefe Empfinblichkelt gegen
bestimmte Tone keinesroegs an Brillenschlangen allein
beobachtet, vielmehr von vieten Reisenben erwahnt mor-
ben, roelche Afrika unb Amerika befuchten. Chateau-
brlanb erzahlt bie Geschichte eines eanabischen JnbianerS,
ber mit feiner Flote, gleich einem zweiten Orpheus, eine
in baS Lager engllscher Relfenber eingebrungene Klapper-
schlange nicht allein an bie Stelle bannte, fonbern auch,
inbem er sich laiigfam entfernte, fie zroang, ihm in ben
Malb zu folgen. Sowohl ben Elngebornen als ben
Europaern gestel blese Scene so sehr, bah sie elnstimmig
beschlossen, ber sonst im Aeuhersten gehahten Schlan-
ge bas Leden zu laffen. Man Hat Nelgung zu ge-
gewissen Klangen auch an anberen Reptilien beobachtet;
Schomburgk erzahlt, bah in Mestlnblen ble Knaben eine
kleine Echse (Anolius bullaris) burch Pfelfen klrren, um
ihr, wenn fie bie Aufmerksamkelt verloren, eine Schllnge
uberzuwerfen. Das hohe Alterthum ber sogenannten
Bezauberung ber Giftschlangen geht auS vielen Stellen
clasfischer Schriftsteller unb sogar ber Bibel Hervor.
Seneca unb Plinlus berichten uber fie, Jeremias broht
mit Schlangen, bie ber Bezauberung nicht gehorchen
toutben, unb in ben Psalmen ist ble Rebe von „tauben
Ottern, bie ihr Ohr zustopfen unb bie Stimme bes Be-
schwirers nicht Hiren." Wenn bel ben Gaukeleien, wie
sie in Ostinbien getrieben werben, Betrug sebenfalls mit
unterlauft, fo muh man boch zugeben, bah bie Schlan-
genbanbiger, bermige langer Erfahrung, ble genauesten
Kenntniffe von ben Sitten unb Nelgungen ber Naja
unb ihrer Verwanbten haben pnb Thatsachen fen-
nen m6ffen, bie bem europaischen Naturforscher noch
verhullt sinb. Sie entbecken mit unfehlbarer Sicherheit
ble verborgene Schlange, sinb burch Europaer ost auf