Die Deutsche Ausstellung 'Das Gas'
Seine Erzeugung und seine Verwendung in der Gemeinde, im Haus und im Gewerbe
År: 1916
Forlag: R. Oldenbourg
Sted: München
Sider: 176
UDK: St.f 622.74 Gas
Mit 444 Abbildungen Im Text
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— VI —
ich möchte Sie einladen, bevor wir die Hallen durchschreiten,
mir auf einem kurzen Gang durch die Entwicklungsgeschichte
des Gases zu folgen. —
Als man vor einem Jahrhundert begann, die Erfindung
Murdochs praktisch zu verwerten und Gas aus Stein-
kohlen zur Beleuchtung zu verwenden, fehlte der damaligen
Technik fast alles, was zur Verwirklichung dieser Idee un-
erläßlich schien: Röhren zum Fortleiten des Gases, Behälter
zum Aufsammeln des luftförmigen Produktes; zusammen-
geschraubte Flintenläufe und Schweinsblasen hatten bis dahin
diesen Zwecken gedient.
Zu den technischen Schwierigkeiten gesellte sich noch
ein neues, wichtiges Moment: die Zusammenfassung
ganzer Gemeinwesen zu einem Beleuch-
tungsgebiet, die Schaffung von Zentralstellen, von
denen aus der luftförmige Leuchtstoff den einzelnen Ver-
brauchsstellen zugeführt werden sollte.
Dieser Gedanke lag der damaligen Generation so fern,
daß selbst die erleuchtetsten Geister die praktische Durch-
führbarkeit für unmöglich erklärten. Erst den schwindelhaften
Anpreisungen eines Abenteurers gelang es, die Mittel zu be-
schaffen für einen gelungenen Versuch in den Straßen von
London. —
Heute ist »Gas in allen Straßen und Häusern« selbstver-
ständlich, und die Leitungsnetze für Wasser und Strom sind
diesem Beispiel später gefolgt.
Daß die praktische Durchbildung der Gaserzeugung und
Beleuchtung Jahrzehnte bedurfte und die Verbreitung manchen
Schwierigkeiten begegnete, kann bei dem damaligen Stand
der Technik nicht verwundern, fehlten doch fast gänzlich die
Verkehrsmittel zur billigen Beschaffung des Rohstoffes: der
Steinkohle. Der große Hygieniker Pettenkofer griff
daher die Ideen des Franzosen Le Bon wieder auf und
schuf im Verein mit Riedinger die Holzgas-
beleuchtung, die von München aus in holzreichen
Gegenden weite Verbreitung fand.
Die ruhige Entwicklung der in Deutschland noch jungen
Gasindustrie wurde schon in den sechziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts ernstlich bedroht, als das amerikanische Erdöl
in immer wachsenden Mengen Europa überschwemmte und
unter der Parole: »billiges Licht« die Gasbeleuchtung gänz-
lich zu verdrängen suchte. Der heiße Kampf des flüssigen
gegen den gasförmigen Leuchtstoff endete mit einem Vergleich,
einer Teilung der Verwendungsgebiete: das Gas behauptete
sich in den Städten auf den Straßen und in öffentlichen Lo-
kalen, die Petroleumlampe brachte helles Licht in die Woh-
nungen breiter Bevölkerungsschichten und verdrängte Kerze
und Kienspan auf dem Lande.
Einen Markstein in der Geschichte des Beleuchtungswesens
bilden die elektrotechnischen Ausstellungen in Paris und
München 1881 und 1882. Zu der lebendigen Flamme,
dem chemischen Licht durch Verbrennung, .an das sich die
Kultur des Menschengeschlechtes seit Jahrtausenden knüpfte,
trat ein völlig neues Licht, das elektrische Licht der Bogen- und
Fadenlampen, und unter dem Eindruck dieser glänzenden Er-
scheinung wurde der Gasbeleuchtung der baldige Untergang
prophezeit. — Seitdem sind drei Jahrzehnte verflossen, die
Elektrotechnik hat einen glänzenden Aufschwung genommen,
und noch heute stehen beide Industrien ungebrochen im
Wettkampfe nebeneinander und überschütten die nächtliche
Welt mit einer nie zuvor gekannten Lichtfülle.
Inzwischen hatte um die Mitte des Jahrhunderts in aller
Stille Robert Bunsen in Heidelberg für sein neues che-
misches Laboratorium einen Heizbrenner ersonnen, mit dem
das Gas, durch Luft entleuchtet und völlig rauch- und rußfrei
verbrannt werden konnte. Jahrzehntelang hat dieser Bunsen-
brenner der Wissenschaft unschätzbare Dienste geleistet, bis
er, in zweckmäßige Formen gebracht, in Küche und Haushalt,
in Gewerbe und Industrie zu immer weiterer Verbreitung
gelangte. — Heute sind unzählige rußende Feuerstellen durch
Gasheizung mit Bunsenbrennern ersetzt, der Kampf gegen die
Rauchplage der Städte hat mit Erfolg begonnen.
Die universelle Bedeutung des Bunsenbrenners für die
Gasverwendung zeigte sich jedoch erst im glänzendsten Lichte,
als es dem Genie des Bunsenschülers Auer von Wels-
bach gelang, das Netzwerk aus Edelerden, den »Auerstrumpf«,
mit Hilfe des Bunsenbrenners zur strahlenden Weißglut zu
bringen. Das Gasglühlicht, das »Auerlicht«, war mit einem
Schlag zur hellsten und billigsten Lichtquelle geworden, und
die Gasbeleuchtung konnte sich mit Erfolg gegen die elek-
trische Fadenlampe und das mit großen Hoffnungen empfan-
gene Azetylen voll behaupten.
Heute beherrscht die nichtleuchtende Bunsenflamme
das ganze Gebiet der Gasverwendung, sowohl für Heizung
als- für Beleuchtung. In Tausenden von Formen, aber im
Wesen gleich, findet sich der Bunsenbrenner im einfachsten
Gaskocher, wie im Hängelicht und in der tausendkerzigen
Preßgaslampe. Diese bewunderungswürdige Einfachheit und
Anpassungsfähigkeit an die verschiedensten Licht- und Wärme-
bedürfnisse des Haushaltes, der Gewerbe und Industrie ver-
leiht dem Gase eine besondere Stärke und sichert dem-
selben auch in Zukunft ein kaum übersehbares Feld der
Betätigung.
Die geschilderten Umwälzungen auf dem Gebiete der
Gasverwendung sind selbstverständlich auch auf die Gas-
erzeugung von tiefgreifendstem und nachhaltigstem Ein-
fluß gewesen.
Eine Schilderung der gewaltigen Fortschritte auf diesem
Gebiete kann ich um so mehr unterlassen, als das wunder-
volle Model] eines neuzeitlichen Gaswerks in der Ausstellung,
das nach den Ideen des Direktors der Münchener städtischen
Gaswerke, Herrn H. Ries, von hervorragenden Industriellen
in opferwilligster Weise gestiftet wurde, auch dem Laien
ein klares Bild gibt von den Einrichtungen und Vorgängen
bei der Gaserzeugung, Reinigung und Gasbewahrung.
Nur auf eines möchte ich noch hinweisen: Die Gas-
erzeugung ist ein Veredelungsprozeß im besten Sinn des
Wortes: die rohe Steinkohle, deren Verbrennung in unseren
Feuerungen die Atmosphäre unserer Städte mit Ruß
und Rauch erfüllt, wird in den Gaswerken in zwei ideale,
völlig rauchfrei verbrennende Produkte zerlegt: Koks und Gas.
Die ausschließliche Benutzung derselben zur Heizung im Haus
und Gewerbe würde die Forderungen der Hygiene und den
Wunsch aller Städtebewohner wegen Reinhaltung der Luft
aufs beste und wirtschaftlichste erfüllen; die Gaswerke haben
das lebhafteste Interesse, diese Bestrebungen aufs eifrigste zu
fördern; leider sind wir vom Ziel noch weit entfernt. Es
ist jedoch kein Zweifel, daß die Lösung dieses Problems
immer dringlicher wird und auf dem von den Gaswerken
beschrittenen Weg am einfachsten gefunden werden kann.
Neben diesen für die Wärmeversorgung und die Hygiene
der Städte wichtigsten Erzeugnissen, Koks und Gas, liefert die
Gasindustrie und die ihr nächstverwandte Kokerei Neben-
produkte: Ammoniaksalz als wichtiges heimisches Dünge-
mittel für die Landwirtschaft, und Teer, aus dessen Bestand-
teilen die Chemie eine Fülle wertvoller Substanzen herzustellen
lehrte, u. a. die glänzenden Farbstoffe, wie Alizarin und
Indigo, deren künstliche Synthese mit dem Namen Adolf
von Bayers in München untrennbar verbunden ist.
Die Gasindustrie ruht, wie wir sehen, auf breiter ge-
sicherter Grundlage, sie besitzt auch in wirtschaftlicher Hin-
sicht eine große Stabilität, so daß die Mehrzahl unserer deut-
schen Städte seit langen Jahren die Gaswerke in Besitz und
eigene Verwaltung übernommen haben. Die reichen Früchte