Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
Mit 950 Ubbildungen
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122
V L g e 1.
Zweitr Vrdnung.
LH. Myophonus. (Myophonus.)
Gullungscharakler: Schnubel sehr groh, stark,
(art, lang tegelfårmig, an der Wurzel mit Borsten und
einigen nach vorn gerichteten Federn urngeben; Nusen-
låcher ciformig, durch eine grofie Haut fast geschlossen.
Fuhe groh; Laus sehr lang, halbgeschildet. Flugel mit-
lelntåhig; Schwingfedern unter einander ziemlich gleich,
die dritte die langste. Schwanz abgerundet.
I. Der A!ctatlgl>inzendc Myophonus. (Myophonus metallicus.)
Sig. 1502.
Gould, welcher in feinern Werke uber die indischen
Vågel zwei Arten dieser Gattung abbildet, sagt, duh
man uber ihr naturhistorisches Verhalten diirchuus nichts
irgend Sicheres unzufuhren habe. Die Lange der Lanse
und der ganze Bau deuten jedoch an, duh sie von Wur-
mern, Jnsecten und ihreu Larven leben muffen, die sie
jedenfalls nach Art unserer Amseln an der Erde zusam-
menlesen. In ornithologischen Sanunlungen sind
die Balge nichts weniger als felten und lassen aus die
Haufigkeit dieses Vogels in seinem Vaterlande, Java,
schliehen. Das Gefieder ist im Allgemeinen sehr schån
blauschwarz mit reichem Metallglanze; der Schnabel
sticht ab durch lebhafte gelbe Farbung, die Fuse sind
schwarz; die Lange betragt 12 Zoll.
Lill. Atlasvogel. (Ptilonorhynchus.)
Gattungscharakter: Schnabel groh, start, kraf-
tig, ziemlich lang, etwas verbreitert; Oberkiefer mit
getoålbler, menig vortretender Firste, zwei leichten Ein-
schnitten vor der ubergebogenen Spitze, aufgetriebenen
Råndern; Unterkiefer leicht gekrummt; Mundwinkel
geradlinig; Nasenlåcher seitlich, durch Borsten verdeckt.
Flugel kurz, abgerundet. Laufe dunn. Schwanz abge-
stuft, mittelmahig.
1. Der australische Atlasvogel. (Ptilonorhynchus sericeus.)
Fig. 1503.
Auch dieser Vogel gehort zu jenen vielen, deren
systematische Stellung einigermahen zweifelhaft ist; seine
Lebensweise erinnert freilich an die Rabenvogel, allein
der Bau des Schnabels und der Futze entspricht nicht
ganz dem Begriffe derselben. Scheu die Einsamkeit
suchend, bewohnt er die sehr verwachsenen Dickichte und
die sogenannten Cederbusche von Neufudtoales und
scheint uber diese Provinz Australiens nicht Hinuberzu-
gehen. Aus sener Neigung zur Absonderung wird es
sich erklåren lassen, dah man felten die reisen, sehr schon
gefarbten Mannchen zu Gesicht bekommi, und datz sie
mindestens nur vereinzelt angetroffen werden. Jungere
Jndividuen, die votte drei Jahre branchen, nm ansgefårdt
zu erscheinen, sind minder schen und ungesellig und
wagen nicht felten in kleinen Gesellschaften bis an den
Rand der Dickichte sich hervor. Sie gleichen int Aeuhe-
ren dem Weibchen, sind olivengrun, haben råthlich-
braune Schwing- und Steuerfedern, braun nnd grau=
gran gesteckte Flugeldecken, die Unterfeite grunlich und
schwarz gestreist. Das reife Mannchen Hingegen glanzt
im schonsten metallisch blanschwarzen Gefieder und miht
gegen 14 Zoll in der Lange. Flugel nnd Schwanz
sind glanzlos schwarz. Der Atlasvogel gehort zu senen
merkwurdigen Vågeln Neuhollands, die hinsichilich der
Bauart ihrer, von den Nestern wohl zu unterscheidenden
Wohnungen ganz isolirt stehen und in teiner Weltge-
gend Nachahmer finden, indem sie besondere Galerien an-
legen, in welchen sie einen grohen Theil des Tages ver-
bringen. Sie tragen namlich eine gewaltige Menge ktir-
zer und durrer Aeste zusammen und schichten diese am
Boden so kunstreich anf, dah sie entweder, wie zwei
parallele Hecken verlaufend, einen gleichbreiten Gang frei-
laffen, oder wolben dieselben obenher zu, wvbei sie die
Vorsicht gebrauchen, die rauhen oder gabelichen Enden
der Holzstncken Hervorragen zu lassen. Diese Gange
haben ost eine sehr ansehnliche Lange und find im Jn-
nern so rein und glatt gehalten, dah die kleinen Bau-
meister im schnellen Laufe kein Hindernih finden, mågen |
sie nun einem Feinde zu entfliehen suchen oder einan-
der spielend Hin- und hersagen. Am Hintersten Ende des
Ganges, deffen Flur mit kleinen Muschelstucken oder
Knochen bestreuet ist, banet der Atlasvogel eine begueme
Erweiterung, die gemeinlich mit Federn ausgeschmuckt
ist. Das eigentliche, auf die Fortpflanzung bezugliche
Nest hat mit dieser Wohnung, in welcher niemals Eier
angetroffen werden, nichts gemein. Es wird so sorg-
faltig verborgen, dah es selbst den luchsaugigen Einge-
bornen bis jetzt unbekannt geblieben ist. Die Stintme
dieses Vogels ist doppetter Art; weiche und sehr melo-
dische Tone wechseln mit rauhem Geschrei, dem Zeichen
des Verdrusses oder der Angst. Gvuld hat die merk-
wurdigen Sitten dieses Vogels in seiner Geschichte der
australischen Vogel urnståndlich beschrieben.
LIV. Rabc. (C'orvus.)
Gattnngscharakter: Schnabel groh, start,
kegelformig, gerade; Oberkiefer gegen vorn znsammen-
gedruckt, vor der ubergebogenen Spitze mit zahnfårmi-
gem Ansschnitte, mit scharfen Schneiden; Nasenlocher
rundlich, von vorwarts gerichteten Borstenfedern bedeckt.
Futze stark, Laufe und Zehen mit Tafelschildern. Flugel
mittelgroh; Schwingfedern zugespitzt, die vierte die
langste. Schwanz bald abgestutzt, bald abgestuft.
1. Der Kolkrabe. (Corvus Corax.) Fig. 1504. 1505.
Die Gattung der Råben ist in neneren Zeiten durch
Bemuhung von Reisenden sehr angewachsen und daher
in mehrere nene Gattiingen aufgelåst worden, die aber
an diesem Orte, wo Ueberstchtlichkeit als Hauptzweck
erscheint, keine Aufnahnte findett durfen. Alle hierher
gehårende Vogel zeichnen sich durch scharfen Gernch und
aufmerksames Wesen ans, erweisen sich diebisch, unver-
schamt, zndringlich nnd doch sehr scheu, leben meistens
gesellig, wohnen mehr in Waldern als in offenen Ge-
genden, zwingen sich bisweilen auch dem Menscheit auf,
nisten dann in unseren Wohnungen, sind fruchtbar und
deswegen bisweilen sehr lastig, wentt auch nichtentfernt
so nachtheilig, als ein verkehrtes Vornrtheil sie darstellt,
entwickeln weniger Knnsttrieb und noch weniger Sintt
oder Fahigkeit fur angenehnieit Gesaiig, nahren sich als
Omnivoren und kommen vor in katteren Breiten sowohl
als in den tropischen. Dentschland allein besttzt sechs
Arten, an deren Spitze man mit Recht den toeltbekann-
ten, schon im Atterthitme vielfach beobachteten und be-
schriebenen Kolkraben stellt. Er findet sich in dem gråh-
ten Theile von Europa, Mittel- und Nordasien, nicht
aber in Amerika, wo ihn eine andere, menn gleich ahn-
liche Art vertritt. Nur in den katteren Gegenden von
Sibirien erscheint er als wahrer einzeln Wandernder
Zugvogel, in Europa kennt man ihn nur als Stand-
vogel, der hochstens im Winter, und wenn Nahrungs-
niangel ihn zwingt, umherstreicht, uberhaupt aber nicht
aller Orten angetroffen wird, obwohl sie Wald genug
darbieten ntågen, in welchem er vorzugsweis sich auf-
zuhalten pstegt. Gebirgen, und zumal felsigen, giebt
er, wenn sie anders hinreichend bewaldet sind, den Vor-
zug vor den Ebenen und siedelt sich gern an einer Fels-
wand an, die er dann in vielen Jahren nicht wieder
verlaht; in den Waldern der Ebenen bindet er sich weni-
ger an einen bestimmten Platz und nistet bald aufdiesem,
bald auf jenetii hohen Bauitte. Man kantt ihn fur einen
der klugsten unter den einheimischen Vogeln erklåren:
seiner Anfinerksamkeit entgeht nichts, und Alles weitz er
richtig zu deuten, sei es, dah eine verborgene Gefahr ihn
bedrohe oder Moglichkeit zum listigen Raube sich dar-
biete. Mit bedeutender Kårperstårke nnd Gewandtheit
verbindet er Kuhnheit im Angriffe und den entschlofsen-
sten Muth im Kampfe und bei Selbstvertheidigung,
thrannisirt gern andere minder kriegerische Vogel und
toagt sich, um sie zu neckett, selbst an Adler und grvhe
Falken. Ueberhaupt nahert er sich in seinett Sitten den
letzteren, friht bei Weiteni lieber Fleisch als Pstanzen-
stoffe, greift zu diesen toohl nur aus Noth, fangt Mause,
Maultourfe und kleine Vogel und begnugt sich, schlimnt-
sten Falles, mit grohen Kåfern und Henschrecken. Ver-
fauttes Fleisch gråherer Thiere lockt ihn mehr als sede
andere Nahrung, und daher besucht er Anger und touste
Orte, too dergleichen sich finden, und soli in vergangenen
roheren Zeiten, tvo man Hingerichtete unbegraben liegen
lieh, auf Richtståtten, toelche daher den Nanten Raben-
steine erhielten, Haufig gesehen toorden sein. Diese ab-
schreckenden Sitten, die schwarze Farbung und sein un-
Heimliches Geschrei habeit ihm einen ublen Ruf verschafft
und veranlaht, dah er in einer Menge aberglaubischer
Brauche und Ueberlieferungen einst eine wichtige Rolle
spielte. Obwohl er sehr zahm toerden kann und dann
durch sein lauttiges und listiges Wesen, svtoie durch die
bekannte Fertigkeit, die menschliche Rede nachzuahmen,
belustigt, so ist er er denitoch unter allen Volkern mit
Scheu betrachtet toorden. Man hat ihm bald Verbin-
dungen mit feindlichen Måchten der Geistertoelt zitge-
schrieben, bald ihn fur einen Boten der Schicksalsmachte
gehalteii. Sein Flug und Heiseres Gekrachz galten den
Romern viel bei ihren Augurien und deuteten nach Um-
stånden auf Gures oder Båses. Die nordischen Vålker
haben ihn immer als Verkunder von Ungluck, Krankheit
und Tod angesehen, und es toar daher nicht ohne schauer-
liche Bedeutung, dah die alten Dånen ihn als Feldzeichen
vor sich Hertragen liehen, toenn sie mordend und sengend
uber ein toehrloses Volt herfielen. Sieht man ab von
dieseit phantastischen Auffassnngen, so bleibt der Råbe
immer noch ein Halber Raubvogel, der sogar an der
Verubung unnothiger Grausamkeiten Gefallen findet,
z.B. gern uber kranke Lummer Herfallt, ihnen die Augen
aushackr und sie einem langsamen und qualvollen Tode
uberlåht. Sein Nest erbauet er in den einsamsten
Orten, enttoeder auf sehr hohe Baurne toeit ausgedehn-
ter und sehr dichter Waldungen oder auf Felseitspitzen,
die durch uberhangende Vorsprunge geschutzl sind. Als
Material dienen ihm durre Reiser, die in einem grohen
Umfange aufgeschichtet und mit Lehnt verbunden toer-
den. Das Weibchen legt 4 — 5 grunliche, braun ge-
fleckte Eier und toird, ebenso toie die ausgekrochenen
Jungen, durch das Mannchen mit Aas nnd Jnsecten
gefuttert. Die Paarung findet nur Einmal im Jahre
Statt, gewåhnlich schon im Februar. In das drei
Wocheit erfordernde Geschaft der Brutung theilen sich
beide Gatten, die ubrigens in der Farbung sich sehr
gleichen. Das Gefieder ist reinschtoarz mil starkem stahl-
blauen, auf den Flugeln grunlichen Metallglanze. Die
Lange betragt 26 Zoll.
2. Die Nebelkrahe. (Corvus Cornix.) Fig. 150G. 1509.
Jedermann kennt die Nebelkrahe als einen der ge-
meinsten und gerade nicht belieblesten Bewohner des
nårdlichen Europa. Gegen Katte weniger empfindlich
als gegen Warme, erscheint sie im Suden von Deutsch-
land, in Italien und anderen milderen Låndern als Zug-
vogel, der mit dem ersten Fruhjahre nach Norden da-
voneilt und selbst im nårdlichen Dentschland nicht ganz
so haufig .vorkåmmt als in Schweden und Nuhland.
Strickland fand die Nebelkrahe wahrend des Winters in
Smyrna und auf den griechischen 3nfeln, russischeNulur-
forfcher bemerkten sie am caspischen See, und nach La-
iham soll sie die Gebirgsgegenden Indiens besnchen.
Wie der Kolkrabe ist auch sie ein eigentlicher Waldvogel
oder mag wenigstens in Gegenden nicht leben, Welchen
hohere Baurne abgehen. Sie verlaht jedoch am Tage
gern die Holzungen und streift dann uber Felder und
Fluren bis in die Nåhe der Dårfer und Stådte und
toagt sich, vom Hunger getrieben und mit bekannter
List und Zudringlichkeit, toohl sogar auf die freien Platze
oder die geråumigeren Håfe. Nie vergiht sie hierbei ihre
getoåhnliche Vorsicht und bleibt auch dann noch scheu,
toenn sie zu einer sener Gesellschaften gehårt, toelche, toie
in Dentschland oft geschieht, zum Winteraufenthalte ein
hohes Kirchdach oder anderes unbewohntes Gebaude
erwuhlten und duher un Menschen und stadtisches