Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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V o g c l.
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in ihm sogleich bie Grundlagen starter Muskeln und ent-
sprechende Flugkraft. An dem breilen Brustbeine ragt
der Kiel ober Kanim ungemein Hervor, und die Schul-
terblatter laffen eine anherorbentliche Lange gewahren,
toahrenb die Fuhe in ihrer Kurze und Schwache sogleich
andeuten, bah sie nur gelegentlich benutzte Stutzen,
nicht aber die wesentlichen Wertzeuge der Bewegung
sein, noch weniger aber bei dem Geschaste der Eniah-
rung irgend dienen sollen. Die Masse der Muskeln liegt
um und an dem ausnehmend entwickelten Brustkasten,
wahrend alle andere Theile unbedeurend erscheinen; sie
bewegt die ungemein langen Flugelknochen, deren
Schwingfedern ausnehmend Harte, verbreilerte und bis-
weilen sonderbar gebildete Schafte haben. Die ra^che
Abnahme dieser Federn in der Lange giebt dem Flugel
seine eigenthumliche, fast sichelsormige Gestalt, die zwar
das schnellste Durchschneiden der Luft in gerader Linie,
jedoch nicht das Aufsteigen oder eine andere, minder ge-
wohnliche Art des Fluges gestattet. Daher fliegen Ko-
libris meist nur in horizontaler Richtung, oder doch nur
unter geringen Winkeln mit dem Horizonte, beschreiben
dabei sehr flache Bogen, und vermogeu mittels durchaus
unbemerklichen zitternden Flugelschlagen sich geraume
Zeit an derselben Stelle schwebend zu erhalten. Das
wahrend des Schwebens horbare Summen ist Folge der
ungemein raschen, dem Auge nicht ersahbaren Flugel-
schlage; es entspringt sonach auS denselben Ursachen,
wie der ganz ahnliche Ton vieler Jnsecten. Die Nah-
rung wiri >mehrentheils ini Schweben uber einer Blu-
mentrone genossen und bestehtebenso in dem sich naturlich
absondernden Pstanzenhonig, als in den kleinen ^Niec-
ten, die, um an diesem reichen Mahle rheilzunehmen, in
das Jnnere der Bluthe eingedrungen sind. Man Hat
lange gestritten, ob die Jnsecten oder der Pflanzenhonig
nur zufallig verschluckt oder absichtlich aufgesucht wur-
den und welcher dieser verschiedenen Nahrungsstoffe der
eigentliche und naturliche sei. Wenn auch Kolibris in
der Gesangenschaft einige Zeit mit Honig erhalten werden
konnen, so vertragen siedoch auf die Lange solches Sutter
nicht, sicherlich ein Beweis, dah sie auf dasselbe nicht
ausschliehlich angewiesen sein konnen, sondern eines Zit-
satzes von animalischen Stoffen bedurfen. Man sindet
in ihren ungemein kleinen Magen stets eine Menge
von Theilen sehr kleiner Jnsecten mit dem Honig unter-
mengt, und Hat beobachtet, dah sie Fliegen gierig
toegschnappen, welche sich den mit Suhigkeiten ange-
fullten Getahen thres Kafigs unvorsichtig nåherten. Die
Form des Schnabels gestatlet ubrigens ebenso die Auf-
saugung des Honigs als die Ergreisung kleiner Jnsecten.
Liegen die Kiefern in einander, so entsteht ein rtihren-
artiges Gebild, und die Zunge vermag dann die fupen
Absonderungen vom Blumenboden aufzulecken. Diese
ist von eigenthumlichem Bane und der nåheren Beschrei-
bung wohl wurdig. Mit groher Lange und Dehnbar-
keit verbindet sie viele Beweglichkeit und eine besondere
Einrichtung ihrer Spitze. Sie besteht nach Hinien
aus ztvei muskulosen Cylindern, die parallel neben ein-
ander liegend und, in der Lange verbunden, an die
Låufe einer Doppelstinte erinnern ktinnten (Fig. 1531.
f. g.) und weiter nach vorn sich trennen. Jeder der
nun entstehenden Faden erscheint bei genauer Untersu-
chung abgeplattet, einem langen stachen Stifte! nicht un-
åhnlich und muh zum Ergreifen von Honig und den
Jnsecten gleich nutzlich sein; als besonderes Hilfsmittel
dienen einem gemeinen brasilischen Kolibri (Trochilus
moschitus) scharfe, rucktoårts gebogene Hakchen, welche
die ganzen Zungenfaden obenher bedecken. Die Zunge
fanit aus dem Schnabel mit groper Kraft Hervorge-
schnellt werden, indeni sie aus gleiche Art, wie am
Spechte, verlangert und gestutzt ist. Das Zungendein
besteht namlich aus zwei bunnen knochigen Streifen,
bie weiter nach hinten sich trennen,- unterhalb der
Schadelbasis sich verlangern, bann bogenftirmig uber
bas Hinterhaupt emporsteigen unb erst am Vor-
berkopfe fur ihre Enben Stutzpunkte sinben. JnbernI
bie Muskeln bie Zungencylinber nach hinten ziehen,
werben jene aufsteigenben Schenkel bes Zungenbeines
stark gekrummt; sie schnellen, tnbeut sie sich elastisch
ausbehnen, bie Zunge weit aus bem Schnabel Hervor,
sobalb bie Wirkung jener Muskeln nacblaht. Leicht be-
greiflich ist es baher, wie senes ini Ganzen sehr bieg-
sanie Organ ohtte Aufenthalt unb Aiistoh bis in bie
Tiefe einer Blumenkrone buret )bie engste unb langste
Rtihre hinabgelangen kann. Die Abbilbung wirb bas
Uebrige verstnnlichen. Sie zeigt bei a ben Kops nach
Wegnahme ber Bebeckungen unb bie Zunge in ihrer Lage;
bei b bas Zungenbein mit seineii Aestett sich gegen bie
Stirit stiitzenb, bei c bieselben uber bie Schabelbasts
nach Hinien auffteigenb, d Zunge, Ziiiigeitbeiii unb
Kehlkopf von oben, e bieselbe von unten nach Weg-
nahme bes Schabels. Bei allen Arten wieberholt sich
bieser Ban ber Zunge, obgleich ber Schnabel manchen
Abånberungen in seiner allgemeinen Gestalt unterworfen
sein kann, bei ber eiiieit Gruppe gerabeaus laiift, bei
ber anberen gekrummt gefunben wirb, bei wenigen sogar
ruckwarts gebogen erscheint unb enblich bisweilen ntikros-
kopische Zahite auf seinen Schneiben tragt, Unterschiebe,
bie nicht unbebeutenb stub fur Systematiker, welche auf
sie iteue Gattungen begrunbet haben, inbeffen auf bie Le-
bensart jener kleinen Vtigel keineit Einsttih uben. — Die
Fuhe ber Kolibris finb klein unb schwach unb gleichen in
ihrein Baue benjenigen ber Eisvtigel unb Bienenfrefter;
sie enben inbeffen in Krallen von verhaltnihinåhig be-
bentenber Lange, Krummung unb Scharfe, welche min-
bestens zum festen Uinschliehen jener biinnen Zweige
sehr bienlich sein mussen, aufwelchen allein biebeit uneb-
len Boben niemals beruhrenben Kolibris sich von Zeit zu
Zeit nieberlaffen. Hat Bullock, bem man inanche interes-
sante Beinerkung uber bie merikanischen Kolibris ver-
bankt, anbers richtig beobachtet, so burften jene kleinsten
aller Vtigel im Schlafe sich an ben Fuhen verkehrt auf-
Hangen unb also bieselbe Stellung einnehmen, welche
manchen Papagaien bie naturliche zu sein scheint. Der
Schwanz, sonst ein wesentliches Mittel, um bie Rich-
tung bes Fluges zu bestiininen, Hat bei ben Kolibris
eine sehr wechselnbe Gestalt, niemals abgenutzte Enben
wie bei Klettervtigeln, bafur aber bisweilen jene son-
berbaren Verlangerungen, bie man gemeinhin mit gro-
her Flugfertigkeit nicht fur vertraglich Halt. Dennochist
biese seldst bei ben langschwanzigen Arten immer sehr be-
tounberungstourbig unb kann sehr treftenb mit berjenigen
gewiffer Abenbfalter unter ben Schmetterlingen vergli-
chen werben, bie bekanntlich ebenfalls im Schweben ben
Biumenhonig aussaugen. Unermudlichkeit bezeichnet
bie Kolibris nicht ininber als Schnelligkeit. Vom fru-
hen Morgen an in Bewegung, blitzschnell von Blume
zu Blume schiehenb, um uberall einige Augenblicke
scheinbar in ber Luft aufgehangt zu schweben, ruheit sie
felten unb nur einige Secunben auf weit vorragen-
ben biinnen Aesten ober bem Ratibe ber Bluthenkronen
seldst.
Mit Ausnahnte ber eigenthumlich gebilbeten Schtoin-
gen sinb alle anbere Febern ber Kolibris von gewtihn-
lichent Baue. Ihre Structurverhaltnisse erklaren zum
Theil ben unvergleichlichen Glanz, ben man mit allent
Rechte weit uber benjenigen ber Ebelsteine unb Metalle
setzt, weil biesett minbestens gleiche Mannichfaltigkeit
bes Farbenspiels nicht beiwohnt. Inbeffen schmuckt
biese Farbenpracht nicht alle Theile bes Ktirpers, benn
gemeinhin ist ber Rusten metallgrun, toahrenb Schtoin-
gen unb Schwanz eine anspruchslose bitnkle Farbung
haben ; sie finbet sich vielmehr meistens nur an ber Stirn,
ber Kehle, bem Halse unb ber Brust, feltener wohl auch
auf ben zierlichen Feberbuschen, bie in manchen Wrten
ben Hinterkopf, bisweilen bie Wangen schmucken. Stets ist
solche Schtine bas ausschliehliche Eigenthum bes Mann-
chens, benn entweber fehlt sie bem Weibchen so vollstan-
big, bah bieses, obwohl von jettern zartlich geliebt,
fast unangenehm absticht, ober sie ist nur in sehr geringen
Anbeutungen vorhanben. Junge sehen allezeit gran
ober braun aus unb muffen, um zu bem Festkleibe zu
gelangen, mehrere Mausern bestehen. Die Frage nach
ber Ursache jener Herrlichkeit, ober vielmehr bes spie-
gelnben unb nach Untståiiben veranberlichen Colorits
befonberer Stellen bes Gesiebers ist vielfach aitgeregt
worben. Am Naturlichsten toar es toohl behufs ber
Erklårung zu ben physikalischen Gesetzen ber Strahlen-
brechung Zuflucht zu nehuten, inbeffen sinb auf biesent
Wege noch keine vtillig genugenben Resultate erlangt
worben, obgleich nicht gelaugnet toerben kann, bah bie
Bilbung jener schillernben Febern, bei mikroskopischer
Untersuchung in verschiebenen Arten sehr verschieben
befunben toerbe. Wahrscheinlich toirb man biese Er-
klarung bes Phånomens toeber jetnals als richtige be-
iveisen, noch sie toiberlegen ktinnen, inbem, wie auch
Bullock bemerkt hat, ztoischen bem am Besten ausge-
stopsten unb bem lebenben Kolibri eine Vergleichung
burchaus unzulåssig ist, itibem ber Erstere nur wie ein
Schatten bes Ztoeiten erscheint. Im Leben liegen bie
Febern anbers, sie becken sich genau unb stutzen sich ge-
genseitig; jebe Faser bes Feberbartes stellt getoissermahen
ein Prisnia bar, bessen Seiten, je nach bem Auftall-
toiiikel bes Lichtstrahles, eine anbere Farbe haben. Im
Tobe toerben an sich bie Faserit platter unb attherbent
immer mehr ober ininber verschoben; sie verlieren also
bie Fahigkeit bes lebhaften Farbenspiels. Leffon, ber
neueste Monograph ber Kolibris, stellt eine anbere Er-
klarung jener Erscheinung auf. Nach ihm liegt ber
Gruiib bes Herrlichen Farbenspiels in getoissen, im
Blute enthaltenen unb mit bemselben in Umlaufgesetzten
organischen Stoffen, toelche naturlich biirch ben Tob
ihre Eigenschaft zum grtihten Theile einbuhen. Leffon
selbst mag gefuhlt haben, toie sehr biese Erklarung an
Hypothese granze, unb hat baher auch barattf Hinge-
toiesen, bah bie Fasern ber Febern eine tiefe Långs-
furche tragen unb bie zwei Seiten toie Prisinenfacetten
toirkten. Im Ganzen toirb bie Anstcht, toelche in ber
mechanischen Beschaftenheit ber Feber bie Erklarung
siicht, ivohl bie richtige sein, ininbestens toieberholt sich
an ben Flugelschuppen solcher Schmetterlinge, toelche
sich biirch iribistrendes Farbeuspiel auszeichneii, bie pris-
inatische Bilbung, toas beilaufig schon ber beutscheRtisel
vor fast einhunbert Jahren erkannte unb abbilbete.
Die Kolibris sinb ungeachtet ihrer Kleinheit unb Ge-
brechlichkeit keinesiveges allein Betoohner ber milben
Klimate ber neuen Welt. Ztoar ktimmt bie Mehrzahl
nur innerhalb ber Wenbekreise vor unb zttmal ist bas
tropische Subamerika mit ihnen erfullt, aber nicht allein
steigen einzelite Arten bort an ben Gebirgen, z. B. an
ben peruanischen Anbes bis in Htihett eiitpor, too bie
Temperatur zientlich gering, bas Wetter sehr unstatt
unb ost ungemein rauh erscheint; sonbern mehrere brei-
ten sich aus bis Chiloc unb fogar bis zur Strahe Ma-
galhaen's. King beobachtete mit Staunen zahlreiche
Kolibris ztoischen bem Schneegesttiber, toelches nicht
felten bie Soniniertage bes ratthen Feuerlanbes unter-
bricht unb in Chile streift eine ber hubschesten Arten,
(Trochilus sephanioides) bis an bie Schneelinie ber
Corbillera. So fanb auch Bullock im ntirblichen Me-
xico auf ansehnlichen Htihen mancheArten von Kolibris,
bie ben heihen Thalern zu fehlen schixnen. Ztoei Arten
finben stch in Norbamerika unb ztoar in sehr hvhen
Breiten; ber genteine Kolibri (T. Colubris) bis 57° n.
Br. unb ber Kragencolibri (T. selasphorus) bis zum
Nutkasunbe, wo ihn einst Cvok entbeckte, unb sogar bis
ztiiit 610 11. Br., tvo ihn Kotzebue noch aiitraf. Esbe-
barf nicht ber Erinnerung, bah so kleine unb schtoache
Vtigel, toie viele Abhartung sie sonst auch beweisen
nitigen, boch nicht Hinreichenbe Wiberstanbskraft gegen
bie Sturnie eines norbischen Winters besitzen, ber ihnen
obenein bie Nahrung entziehen tourbe. Sie gehoren ba-
her, sotoeit sie htihere Breiten betoohnen, zu ben eigent-
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