Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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V øg e 1.
Uicrtc Vr-nung.
Funfte Familie.
Plattschnabe 1.
Die Plattschnabel haben einige austere Aehnlichkeit
mit den Fliegenfangern und sind Wirklich von einigen
Ornithologen zu denselben gestellt ivorben; fie entbehren
indessen jene Auskerbung des Obetkiefers, welche die
achten Fliegenfanger auszeichnet, und besitzen Hingegen
die verwachsenen, den Schreitfutz bildenden Zehen der
Heftzeher. Sie nahern stch unverkennbar den Eisvd-
geln, Halten wie diese in der Nahe der Gewasser fich auf
und leben von Jnsecten, die sie aus dem Uferschlamme
hervorziehen. Alle gehoren dem fernen Auslande an,
theils dem tropischen Amerika, theils dem indischen Ar-
chipel, erreichen gewohnlich eine geringe Groste, besitzen
keine besonders glanzende Farbung, entwickeln ein stilles,
fast trauriges Wesen, leben einsam und scheinen toenig
Jnstinct zu besitzen. Kennilich sind sie durch ihre
Schreitsuhe, einen besonders platten und breiten, an der
Wurzel mit Bartborsten umgebenen Schnabel, eine
toeite Rachenspalte, abgerundete Flugel und mittellange
Lause.
VIII. Plattschnabel. (Todus.)
Gattungscharakter: Schnabel lang, breit, sast
oval, platt, dunn; Kieferrander fein gezahnelt; Ober-
kieser mit kurzer Spitze und deutlicher Firste; Unterkiefer
stumps, abgestutzt; Bartborsten toenig und dunn; Nasen-
locher an der Schnabeltourzel, von einander entfernt,
offen, abgerundet. Fuhe mitielmastig; Auhenzehen un-
gleich, die dupere mil der mittleren bis zum dritten
Gelenk, die innere bis zum ztoeiten Gelenk vertoachsen.
Flugel kurz, die vierte Schtoingfeder die langste.
Der grune Plattschnabel. (Todus viridis.) Fig. 1595*
Der als Beispiel einer nicht unintereffanteu Gattung
abgebildete Plattschnabel betoohnt alle toestindische Jn-
seln und einen ansehnlichen Theil von Sudamerika, bleibt
aber vielen Fremden und selbst manchen Eingeborenen
unbekannt, toeil er die einsamsten oder, toie Sloane sich
ausdruckt, die „besonders melancholischen" Orte dichter
Walber bewohnt, alle ostene und sonnige Orte Ver-
meidet und uberhaupt schlecht und ungern stiegt. Die
Franzosen von Martinique nennen ihn Erdpapagai,
toegen seiner grunen Farbe und der Sitte, mehrentheils
am Boden sich aufzuhalten. Er sitzt stundenlang auf
einem niedrigen Buschztoeige, den Kopf ztoischen die
Schultern gezogen und ohne Betoegung, und Hat in
dieser Hinbruienben Stellung ein ziemlich albernes An-
sehen. Auch scheint er Gefahren nicht zu erkennen, denn
Menschen ldsti er Hart neben sich kommen und entfernt
fich erst dann, toenn die Hand stch schon ausstreckt, um
ihn zu ergreisen. Das Futter besteht ausschliehlich in
Jnsecten, die am User aufgelesen oder auch iin Bor-
uberfliegen gesangen toerden; in beiden Fallen mogen
sich die fein gezahnelten Schnabelrander sehr nutzlich er-
toeisen und das Festhalten auch des kleinsten Jnsects
moglich machen. Biiffon schreibt irrihumlich diesem
Vogel einen angenehmen Gesang zu; er vermag nur leis
zu zwitschern. Sein Nest soli er, nach einigen Berichten,
wie der verwandte Eisvogel in Etblochetn anlegen, nach
anderen am Boden unter Buschen verbergen; es besteht
ans Baumtoolle, Federn, Moos und anderen weichen
Stoffen und enthalt 5 blaugrunliche Eier. An Groste
nbertrifft der grune Plattschnabel den Zannkonig um
ein Geringes; er ist obenher schon grun, unten weist,
an der Kehle scharlachroth, an den Seiten rosenroth.
Die Steistsedern sind gelb.
IX. Kellenschnabel. (Eurylaimus.)
Gattungscharakter: Schnabel kurzer als der
Kops, stark, platt gebrnckt, an der Wurzel breit; Kieser-
tdnber nach Snuen eingerollt; Oberkiefer mit deutlicher
Firsie; Unterkiefer an der Spitze gekrummt, an der
Wurzel gerad (Fig. 1596.); Nasenlbcher ander Schnabel-
tourzel, rund, offen. Fuhe stark; Zehen znsammen-
gedruckt, die mittlere von der Lange des Laufes; Krallen
grost, kraftig. Flugel kurzer als der Schtoanz.
Javanischer Kellenschnabel. (Eurylaimus javanicus.) Fig. 1597.
Hinstchtlich der Lebensweise und der meisten Sitten
kommt der indische Kellenschnabel fast ganz uberein mit
dem amerikanischen Plattschnabel; diese Gleichheit deutet
auf eine nahe Vertoandtschaft, die im Bane des Schna-
bels stch austerdem noch zu erkennen giebt. Man sindet
den javanischen Kellenschnabel nicht allein auf der Jnsel,
von toelcher er den Namen tragt, sondern auch auf Su-
matra; toahrscheinlich fehlt er auch dem indischen Fest-
lanve nicht. Ueberall bewohnt er iiur die dichtesten und
einsamsten Walder und giebt in ihnen solchen Stellen
den Borzug, roo undurchdringlicher Urtoald die schmalen
Fluffewiemii dunkeln Geroolben nbetragt. Ernistetda-
selbst an ben einsamsten Orten und Hangt sein Nest uber
dem Wasserund, toie die Webervogel, nn der Spitze eines
Astes auf, der toeit uber das Ufer Hinausreicht. Seine
Nahrung besteht aus Jnsecten und Wurmern, die er am
Boden zusammensucht; stiegend scheint er den Fang tncht
zu betreiben. Die vorherrschende Farbe ist schon wein-
roth, am Borderkopfe schtoarz, am Hinterhalse braun, an
den Flugeln schtoarzbraun; ztoischen den Deckfedern erster
und zweiter Reihe lauft ein gelber Streif; die Schwanz-
deckfedern sind schtoarz mit gelben Spitzen; die Fuhe
braungelb. Der Schtoanz erscheint unregelmahig ge-
steckc und gestreift, auf der Firste gelb, an den Randern
schtoarz. Die Lange betragt 11 par. Zoll.
Vierte (Ordnung.
I o chz e H e r.
Das toesentliche austere Unterscheidungsmerkmal der
Jochzeher besteht in der Fustbildung. Ihre Zehen sind
so eingelenkt, dah die austere Borderzehe neben die Hin-
terzehe zuruckgeschlagen steht, also ztoei Zehen nach vorn,
zwei nach hinten gerichtet sind. Bistoeilen behalt diese
austere Borderzehe so viele sreie Betoeglichkeit, dast sie
in gewohnlicher Weise nach vorn gedreht toerden kann;
geschieht dieses, so ist freilich der Charakter des jochze-
Higen Fustes fur den Augenblick aufgehoben, und jene
Zehe empfangt dann den Namen einer Wendezehe. Die
Hinterzehe besitzt gemeinlich eine ansehnliche Lange und
Starke, alle Zehen stnd mit langen, starken, gekrummien
Krallen betoaffnet, roelche das Anhaken anBaume leicht
machen und in Gemeinschaft mit den Steuerfedern, beten
starre Schaste als unbefieberte Spitzen Hervorragen, ben
Korper im Klettern unterstutzen. Manche Klettervogel
ober Jochzeher bebienen stch auch bes Schnabels toahrenb
bes Kletterns, viele gebrauchen benselben mit groster Fer-
tigkeit zum Zerstoten sauler Baumstamme unb entwickeln
hierbei eine staunenswerthe Kraft unb Geschicklichkeit.
Dieses wichtige Organ erscheint in bieser Orbnung man-
chen Abanberungen unterworsen. Bei ben meistenJoch-
zehern nbertrifft es ben Kopf an Lange, ist balb lang,
kegelformig, gerab, kantig, stumpffpitzig unb sehr Hart,
balb gebogen, nicht felten mit Hackenfotmiger Spitze
verfehen, bistoeilen auf ben Schneiben gezahnt, in einer
Familie sogar von abenteuerlicher Groste unb eigen-
thumlichem inneren Bane. Die Zunge ist meist bunn
ober auch wurmformig unb bei mehreren Gattungen so
eingerichtet, bah sie toeit hervorgefchnellt toerben kann
unb als Werkzeug bes Ergreifens bient. Zur Nahrung
toerben sehr verschiebene Stoffe gewahlt; suste unb saft-
reiche Fruchte unb olige Saanien lieben bie Papagaien,
von Jnsecten, zumal von ben Larven berselben, sowie
von kleinen Wurmern leben bie Spechte unb bieKukuke;
anberen unb Heineren Bogeln toerben bie Tukane nach
Art ber Raubvogel gefahrlich, obtoohl sie auch Fruchte
freffen; Honigkukuke nahren sich vom Honig toilber
Bienen; Battvogel stub fast ben Omnivoren gleich zu
achten; Schneibetvogel stellen kleinen Reptilien nach,
verschmahen aber auch Jnsecten nicht. Die meisten
stub auf bie Walber als eigentlichen Wohnort ange-
toiesen, ein Umstanb, ber bie sehr ungleiche Berbreitung
erklart; sie toerben besonbers haufig in toarmen Lanbern
angetroffen unb bilben bort groste geographische Grup-
pen, toelche entroeber uber ziemlich enge Granzen gar
nicht hinausgehen, toie bie Tukane bes tropischen
Amerika, ober boch, an thermometrische Bethaliniffe
gebunben, auherhalb ber toarmen Zone butch verhalt-
nistmahig toenige Arten vertreten roerben , toie bie Pa-
pagaien. Die toeiteste Berbreitung lastt sich an ben
Spechten toahrnehmen, von welchen einzelne Arten fast
bis zum Polarkreis streisten, toahrenb anbere aus bie
Aeguatoriallanber beschrankt bleiben. Selten sinb sie
mit Fahigkeit zum Singen begabt; bie Mehtzahl besitzt
eine enttoeber rauhe ober auch burchbringenve, aber nichts
toeniger als melobische Stimme. Sie leben in Mono-
gamie unb nisten zum grosten Theile in hohlen Baumen
ober in Lochern, bie sie mittels ihres starken Schnabels
erweitern; mehrere Arten unb sogar ganze Gattungen
halten gesellig zusammen unb konnen (z. B. Papagaie)
hierburch sur Laubtoirthe zu sehr unangenehmen Nach-
barn toerben; anbere (z. B. Spechte) erblickt man
nur paarweis ober einzeln. In ihrem Wesen Herrscht
gemeinlich viele Lebhastigkeit; rustige Kraft spricht aus
ihren Betoegungen unb ihrer Thatigkeit. Die einzige
Ausnahme machen vielleichtbie melancholischen, ber Ein-
samkeit unb Ruhe zugethanen Trogon. Als eine recht
naturliche Gruppe kann man ubrigens bie Klettervogel
nicht gelten lassen, benn im Ganzen begrunbet sich ber
Begriff ber Orbnung eben nur auf ben ettoas toanbel-
baren Charakter ber Kletterfuste, toahrenb in ber Schna-
belform, ben Nahrungsstoffen, ben Sitten unb nicht
minber in bem austeten Ansehen bie grostte Mannich-
saltigkeit herrscht. Bon neueren Ornithologen toirb
baher bie Zahl ber Gattungen unb ber Umfang ber Orb-
nung sehr beschrankt unb Aufnahme in bie letztere nur
solchen Bogeln zugestauben, bie nicht allein achte Klet-
terfuhe besitzen, sonbern auch kletternb stch bewegen unb
biese Art ber Fortbewegung als bie fur sie naturlichste
unb leichteste im Borzuge toahlen. Es Hat inbeffen
biese Zerfallung fur praktische Ztoecke eben auch ihre Un-
beguemlichkeiten. Am Ersten vermieben toirb ber Ein-
bruck unnaturlicher Zufammenstellung, toenn man bie
in ihrem vollen Umsange belaffene Orbnung in bie zwei
Unterabtheilungen ber Wenbezeher unb ber eigentlichen
Klettervogel spaltet unb bie ziemlich schars charakteri-
firten Familien in moglichst naturlicher Reihe sich folgen
lastt. Es umfastt ubrigens biese Orbnung eine bebeu-
tenbe Zahl von Bsgeln, bie, mehrentheils ettoas unter
Mittelgroste, im llleuhersten ettoa einem Raben an Kor-
permaste gleichkommen, selten zur Letchengtoste Herab-
sinken, burch Fatbenglanz ober boch butch grelle Gegen-
satze ber Farbung sich auszeichnen unb zum Theil als
bie intelligentesten ihrer ganzen grosten Claffe sich be-
toahren.
Erste Unterotbnung.
Wendezehe r.
Die Wenbezeher haben einen meht ober minber ge-
bogenen Schnabel, mittelmahig hohe, eher schwache als
starke Fuste; bie austere Zehe steht gewohnlich nach Hin-
ten wie bei ben achten Jochzehetn, kann aber auch nach
vorn gebreht toetben.
Erste Familie.
Kukuke.
Det Schnabel ber Kukuke ist zusammengebruckt, auf
ber Firste mastig gebogen, ber Rachen bis unter bieAugen