Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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. 166
Voge l.
Vierte Orbnung.
Schnabel ab durch groge Breite und gekrummte Firste.
Ueber bie Einzelnheiten sehlt es an Nachrichten.
Vierte Familie.
Papagaien.
Die Familie der Papagaien steht in der Mitte an-
derer Vogel fast isolirt, benn noch teinem Ornithologen
Hat es gelingen toollen, ihre Verwanbtschaftsgrabe zwei-
sellos festzustellen. Wenn man bie Papagaien, wie
getoognlich, zn ben Klettervogeln gesellt, so geschieht
Dieses eben nur, weil sie von ihren gugen zum Klettern,
wenn aiich in ganz anberen Weise als bie Spechte, Ge-
brauch machen. Der Schnabelbau hat viel Besonberes,
unb bie Verwenbnng bes Fuges als Werkzeug bes Grei-
fens ist vollig eigentgumlich unb ohne Beispiel in ber
ganzen Classe ber Vogel. Der systematische Charakter
ber Familie besteht anger ben Kletterfugen wesentlich in
bem bicken, kurzen, sehr starten Schnabel, bessen Ober-
tiefer in langem Haten uber ben turzeren Untertiefer ge-
krummt ist, unb in ber fleischigen, kurzen unb bicken Zunge.
Die Flugel sinb kurz, ber Schwanz wechselt in Lange, unb
uberhaupt istbas Aeugere ben mannichsachsten Abanberun-
gen unterworsen hinsichtlich ber Groge, ber Farbung unb
anberer auf bas Pgysiologische Verhalten einstugloser
Umstanbe.
Das augere Ansehen, Habitus ober Tracht ber Papagaien
ist sehr charakteristisch,allein fast noch interessanter sinb viele
Eigentgumlichkeiten ihres inneren Banes. Den Umfang
bes an sich grogen unb runben Kopfes vermehrt ein ansegn-
licher Schnabel, ber, nur bei ben Zwergpapagaien klein,
etwa bem britten Tgeile ber Kopfeslange gleichkommt (Fig.
1650.1651.). Der allezeit langere Oberkiefer ist an seiner
Wurzel mit ber Stirn elastisch verbunben (Fig. 1652.)
unb begtit eine so starke Beweglichkeit, bag er z. B. bei
bem Gagnen mit ber Stirn einen einspringenben stnmpfen
Winkel bilbet. Durch biese Einrichtung erhalt ber Schna-
bel eine ungetoognliche Anwenbbarkeit, bie im weit ge-
ringern Grabe bei gewifsen Kornerfressern bemerkt Wer-
ben kann, aber ber grogten Zahl von Vogelii sehlt, Weil
bei ihnen ber Oberkiefer ziemlich fest mit bem Schabel
verbunben ist. Ueber ben Hornigen Ganmen bes Schna-
bels lansen parallele Kerben (Fig. 1656.), in welche ber
meiselformig zngescharfte 'Vorberranb bes Unterkiefers
pagt, ber so los eingelenkt ist, bag ihm bie freieste Be-
weglichkeit zusteht. Jene Vertiefungen Werben bas Fest-
halten schlnpsriger ober rnnber Fruchte unb Saainen
ungemein erleichtern; man bemerkt Dieses, wenn ein
Papagai eine Erbse, ein grunes Maiskorn ober einen
Nugkern von seiner angeren Hulle mit eben so groger
Geschicklichkeit als Schnelle befreiet. Getoognlich ist
bie Firste bes Oberkiefers abgerunbet; bei sehr toeni-
gen Arten erscheint sie zugescharst. Auf ber Schneibe
bes Oberschnabels steht bisweilen ein scharfer, weit vor-
springenber Zahn, welcher an eine agnliche Bilbnng ge-
wisser Falken erinnern kann. Beibe Schnabelgalsten
bestehen aus sehr Hartem Horn unb werben burch MuS-
keln betoegt, welche zahlreicher sinb, als bei anberen Vo-
geln; bie Schnabelspitze ist gemeinlich von bunklerer Far-
bung, als bie Wurzel. Der kurze Unterkiefer erreicht
bisweilen kaum bie Mitte bes oberen unb vermag nie-
nrals sich ganz genan an benselben anzupassen; bei
mehreren Arten bleibt zwischen ben zwei Schnabelhalsten
ein offener Spalt. Die grogen, runben Nasenlocher
burchbohren bie ben Schnabel an ber Wurzel nmgebenbe,
in ber Farbung niemals sehr anffallenbe Wachshant
(Fig. 1650.). Die Zunge bient ebenso zum Werkzeuge
beS Schmeckens als ber mechanischen Bearbeitung eines
Bissens; sie ist bick, steischig, weich, sehr beweglich unb
mit einer feinen, trockenen unb an Nervenwarzchen rei-
chen Haut uberzogen. Bei einer Gruppe, welche Vail-
lant Russelpapagaien genannt hat, erscheint bie Zunge
unter ber Gestalt eines bunnen, fleischfarbenen Cylinbers,
ber an seinem vorberen Enbe einen schwarzen Knops
von ber Gestalt einer Eichel tragt, unb bei ben Loritets
(Trichoglossus), kleinen, vom Blumenhonig ber australi-
schen Eukalypten sich nahrenben Papagaien, besteht bie
Zunge am vorberen Enbe aus einem Buschel Halbgorni-
ger Faben, bie von Einigen als sehr verlangerte Schmeck-
warzchen betrachtet werben. Kein Vogel kann Zahne in
ber eigentlichen Bebeutung bes Wortes Haben, inbessen
tommen wohl Bilbungen vor, bie man als jenen analog
betrachten barf. Abgesehen von ben scharfen Kanten
unb Furchen bes Gaumens scheinen im ersten Alter toirk-
lich zahnartige Organe bei einigen Papagaien vorhanben
zu sein, bie spaterhin entweber ausfallen ober sich ab-
nutzen. Geoffroy St. Hilaire, ber bas Stubium ber
Analogien eine Zeitlang als Lebenszweck betrachtete, ent-
beckte im Schnabel junger Halsbanb-Papagaien, welche,
obgleich ausgebilbet, bie Eischaale zu burchbrechen nicht
vermocht hatten, eine Reihe zahnartiger Hervorragungen,
bie mit Blutgesagen in Verbinbung stehen, spater aber
ausfallen unb in ihren Betten burch eine Knorpelmaffe
ersetzt werben. (Fig. 1654 a. Seitenansicht beiber Kie-
fern unb ihrer Zahne; b. Obertiefer, c. Untertiefer.) Am
blauen Arara beobachtete Geoffroy spaterhin bie soge-
nannten Zahne. (Fig. 1655. a. Obertiefer, b. Unter-
kiefer — Langeschnitt, um Anheftung ber Zahne zu
zeigen, c. Theil bes Unterkiefers mit ben burch Ge-
brauch abgenutzten Zahnen eines alten Vogels.) Es ist
wahrscheinlich eine unrichtige Anstcht, wenn manin biesen
sogenannten Papagaienzagnen bie Wieberholung einer bei
sehr vielen Schwimmvogeln gewohnlichen Bilbung ver-
muthet, jener Lamellen namlich, welche ben Schnabel
ber Loffelente (Fig. 1657 a.) austleiben, wie Barten
ben Rachen bes Walsisches, ober utinber entwickelt an
ber gemeinen Ente (Fig. 1657 b.) erscheinen; bie Papa-
gaienzahne sinb wohl eben nichts mehr als bie mit Horn-
warzen bebeckten Enben jener Nerven unb Blutgefage,
welche, am Ranbe bes Schnabels verlaufenb, wahrenb
bes Wachsthumes besonbes thatig sein muffen. Der
Fug bes Papagai (Fig. 1653.) ist sebr stark, volltommen
jochzehig unb ebenfo geeignet zum Klettern als zum
Erfassen von Nahrungsmitteln. Einige Verschieben-
Heit lassen bie Erbpapagaien (Pezoporus) gewahren,
welche lange Lanse unb Wenig gekrummte Krallen Haben,
beswegen fast nur am Boben sich aufhalten unb schnell
lausen, was ihnen Papagaien anberer Gruppen nie
nachthun khnnen, bie, burch Fugbau gehinbert, schwan-
kenb einhergehen unb bas Gleichgewicht baburch zu er-
halten suchen muffen, bag sie sich aus ben Schnabel
stutzen. Uebergaupt bient ber letztere auch bei anberen
Arten ber Fortbewegung; bei bem Aufwartsklettern wirb
er zum Auhaten gebrauchtunb tragt gelegentlich bie ganze
Last bes aufgehangten Korpers; bisweilen mug ber Hiii-
tere Theil bes Unterkiefers, auf einen Ast gestammt, ben
Korper momentan unterstutzen, wenn bie Kiefern eineS
eben ergriffenen Bissens wegen sich von einanber nicht
entfernen burfen. Die kurze unb abgerunbete Gestalt ber
Flugel unb bie Schwersalligkeit bes Korpers erklart bas
schwierige Aufstiegen ber Papagaien, bie jeboch mehren-
theils, wenn sie einmal eine bebeutenbere Hohe erreicht
Haben unb in regelmagiger Bewegung sinb, mit groger
Schnesiigkeit weite Entfernungen, ohne auszuruhen,
burchmeffen. Am Brustbeine steht, wie bei allen guten
Fliegern, ein weit vorragenber Kamm. Der untere Kehl -
kopf zeigt einen sehr zusammengesetzten Bau unb besttzt
brei besonbere Muskeln, von welchen man bie Leichtig-
keit, mit welcher bie menschliche Stimme unb allerlei
anbere Tone nachgeahmt werben, ableitet. Die Ver-
bauungswerkzeuge gleichen benjenigen anberen frucht-
unb tornerfressenben Vogel. Im wilben Zustanbe geben
bie meisten Papagaien saftigen, jeboch breiartigen Fruch-
ten vor jeber anberen Nahrung ben Vorzug, boch ver-
schmahen sie olige Saamenkerne nicht. In ber Ge-
fangenschaft hingegen gewohnen sie sich an allerlei Fat-
ter, unb solche, bie als Erbstucke von Familien ein Ho-
Heres Alter erreicht unb menschliche Untugenben in Menge
sich angeeignet haben, verrathen nicht allein bie grogte
Lusterngeit, sonbern freffen auch im Vorzuge bie ihnen
unangemessensten Dinge, rohes ober zubereitetes Fleisch,
Kafe u. s. w. Es ist sehr leicht, ben zahmen Papagaien
Neigung zur Fleischkost unb hierburch bas Laster anzu-
gewohnen, sich bie eigenen Febern, in Ermangelung
anberer anintalischer Nahrung, auszurupfen, um bie
saftigen Schafte auszukauen. Der beruhmte Ento-
molog Latreille besag einen Papagai, ber sich so kahl
gerupft Hatte, bag er einem fur bie Kuche zubereiteten
Huhne glich; er lebte nicht nur in biesem Zustanbe, son-
bern ertrug auch zwei ziemlich Harte Winter mit unver-
minberter Gesunbheit unb Appetit. Vieillot meint Hin-
gegen, bag bieses Ausreigen ber Febern Folge eines
peinlichen Hautjuckens sei, welchem bie Papagaien vor-
zugsweis unterworsen sein sollen. Es ist allerbings
gewig, bag anf ber Hant bieser Vogel sehr starke Ab-
schnppnng stattsinbet, bie sich bei bem Anfnhlen schon
burch eine gewisse Fettigkeit verrath unb am Kakabn
als weiges, leicht absallenbes Pulver erkannt wirb, in-
bessen kommt Aehnliches, unb in nicht viel geriugerem
Grabe, auch au Reiheru unb Raubvogeln vor, bie sich
niemals bie Febern selbst ansziehen. Papagaien trin-
ken wenig, aber ost unb geben babei ben Kops empor,
obgleich weniger als anbere Vogel. Es ist bekannt,
bag man sie — bie Affen unter ben Vogeln — in ber
Gesangeuschaft ohne viele Muge bagin bringen kann,
Tgee, Kaffee unb sogar Wein zn trinken. Im natur-
lichen Zustanbe lieben sie ben Anfenthalt am Wasser unb
giegen ganz vertrocknete Gegenben; sie baben gern unb
megrmals bes Tages, schutteln sich, trocknen bas Gesteber
an ber Sonne, verlieren selbst in ber Gesangenschast,
too sie in ben meisten Beziegungen entartet erscheinen,
biese Gewogngeit nicht unb tanchen, too beffere Gelegen-
geit benommen ist. minbestens ben Kops megrmals tag-
lich in bas Trinkgefag.
Alle Papagaien leben in Monogamie; sie beretten
bas Nest in ben Stammen gogier Baume ober in Hog-
len von Felswanben unb futtern basselbe in bem ersten
Falle mit morschen Holzstucken ober Wurmmegl, int
ztoeiten mit trockenen Blattern aus. Getoognlich legen
sie toenige kngelrnnbe, toeige Eier anf ein Mal, pflanzen
sich aber ztoei bis brei Male im Jagre sort. Die Haus-
galtnng ber Aeltern ist noch immer toenig bekannt; bie
Jungen sinb ungemein gaglich unb mit so grogem Kopfe
versegen, bag bieser ben Haupttgeil, ber Korper nur
ben Angang bes Ganzen auszumachen scheint. Sie be-
burfen geraume Zeit zu igrer Entwickelung, befltzen
Anfangs kaum genug Starke, um sich zu betoegen, er-
galten langsam eine Dunenbekleibung, aber bas volle
Gefieber erst nach Ablauf bes ztoeiten ober britten Mo-
nats unb bleiben bei ben Aeltern bis nach ber ersten
Mauser. Egebent glaubte man, bag Papagaien unter
kalteren Himmelsstrichen bie Fortpflanzungsfagigkeit
unbebingt verloren; anbere Beispiele gaben ztoar bas
Gegentgeil betoiesen, inbessen ist bie Zagl ber Arten, bie
bisweilen in Europa Eier gelegt unb ausgebrutet gaben,
immergin sehr gering. Am Leichtesten scheinen bie blauen
Araras sich bei uns fortzupflanzen, jeboch erforbert bie
Auserziehung ber Jungen, welche minbestens in Frank-
reich megrmals gelang, viele Vorsicht. Papagaien besitzen
eine ansegnlichenaturlicheLebensbauer; man kennt genug
Beispiele, bag Einzelne in ber Gesangeuschaft brei Genera-
tionen berselben Familie erlebt, welcher sie angegorten.
Die kleinen Arten scheinen etwa 25 Jagre alt zu werben;
im wilben Zustanbe mogen wenige bieses Alter erreichen,
wie benn ubergaupt ein vorzeitiger unb gewaltsamerTob
basLoos ber meisten, von Menschen unbeschutzten Tgiere
sein mochte. Sie konnen unbebeuklich fur gesellige Vogel
erklart werben, benn man kennt nicht eine vollig einsame
Art. Nur in ber Fortpstanzungsperiobe losen sich bie
grogen Schwarme zu Paaren auf. Manche Arten toer-
ben fast nur in Flugen von 30—50 unb megr Stucken
gesegen; bie kleinen grunen Sperlingspapagaien galten
sich gunbertweis zusammen unb fugen bager ben