Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
Mit 950 Ubbildungen
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174
V o gel.
Funstr Vrdnung.
Funste Familie.
Pisangfreffer.
Der Ort, welchen die Pisangsresser im ornithologi-
schen Syslerne einnehmen sollen, ist noch keineswegs fest
bestimmt. Folgt man Cnvier, so muh man fie an das
Ende der Ordnung der 3ochzeher oder Kletteroogel stel-
len, dabei aber es unentschieden laffen, ob sie nicht in
der nachsten grohenOrbnung der Hfihnervogel und zwar
in der Familie der Jakuhuhner pafilicher stehen Wurden.
Temminck und Andere betrachten sie als Wendezeher,
welche mit dem Kukuk Verwandtschaft besitzen, und
Manche meinen, bah sie den angemeffensten Platz neden
oder vor den Tauben finden wurden. Wie dem auch
sei, so mag so viel als ausgemacht gelten, dah diese Vo-
gel die Verbindung zwischen ben 3ochzehent und Hfih-
nern vermitteln, ohne in eine dieser zwei grofien Ab-
theilungen ganz genau zu passen. Sie haben einen
kurzen, starken, breiten, mit erhabener, bismeilen sehr
hoher Firste versehenen, immer stark gekrummten Schna-
bel; die Spitze des Unterkiesers steigt unter einem Win-
kel auswarts, die Rander der Kiesern sind gezahnt, die
an der Schnabelwurzel stehenden, der Firste genaherten
Nasenlocher zum Theil durch eine Hornplatte geschlossen
und Haufig unter den Federn der Stirn versteckt; in den
starken Fuhen erkennt man besonderS den Uebergang zu
den Huhnern, benn schon verbinbet eine Haut an ber
Wurzcl bie Zehen, von welchen bie Auhenzehe keine
eigentliche Wenbezehe unb mehr seitlich als nach Hinten
gerichtet ist. Die Flugel haben ziemlich abgerunbete
Umrisse; bie vierte unb funfte Schwingfeber sinb bie
langsten. Man kann zu bieser Familie nur toenige Gat-
tungen rechnen, toelche bem toestlichen unb sublichen
Asrita allein angehoren unb sich von toeichen unb safti-
gen Fruchten nahren.
XI. Helmkuknk. (Corythaix.)
Gattungscharakter: Schnabel an ber Wurzel
von Federn umgeben, kurzer als ber Kops, auf ber
Firste stark gebogen, born sehr zusammengebruckt; Kie-
fernranber von ber Mitte bis zur Spitze gezahnelt;
Nasenlocher kreisrunb, unter ben Zfigelstbern versteckt;
Scheitel von einer ztoeizeiligen Feberhaube bebeckt.
1. Der Busfon's-Helmkukuk. (Corythaix Buffonii.) Fig. 1672. 1673.
Die Helmkukuk ober TurakoS, toie man sie nach
Vorgang ber franzostschen Ornithologen nennt, bewvh-
nen bie Walber bes sudlichen unb subbstlichen Afrika,
sitzen gewohnlich auf ben hochsten, nicht felten ber Jagb-
flinte unerreichbaren Baumkronen, haben eine laute
Stiinme unb nisten nach Art ber Tukane in hohlen
Baumen. Mannchen unb Weibchen sollen abtoechselnb
bruten unb mit ben Jungen, toelche ihnen geraume Zeit
folgen, sehr zartlich umgehen. In ihrem Charakter
toaltet grofie Lebhaftigkeit; sie fliegen schwerfallig unb
gerauschvvll, hupfen aber bafur von Ast zu Aste mit
vieler Beweglichkeit unb Geschick, unb ohne babei bie
Flugel zu offnen. Jhre Nahrung besteht nur in safti-^
gen, toeichen Fruchten. Von ben Sitten ber im toilben
Zustanbe lebenben tocip man sonst roenig, benn aufier
Vaillant Hat nur 9(. Smith sie in ihrem Vaterlanbe
beobachtet unb kurz beschrieben. In Menagerien unb
bei ben Vogelhanblern ber Seestabte roirb ber apfel-
grune Helmkukuk (Corylhaix Persa) nicht selten
angctrvffen; er roirb so zahm, bah man ihn frei Heruin-
laufen laffen unb aus ber Hanb suttern kann, springt
rocit, klettert aber auf sehr unbeholfene Art. Seine
Stimme ist sehr laut unb nicht angenehm. Im Jiinern
ber Eapcolonie sehr geinein, fehlt er nicht leicht in einer
ornithologischen Sammlung. Bufson's Helmkukuk
beroohnt bas roestliche Afrika, ist burch bie Gestalt seiner
nach hinten gerichteten Feberhaube sehr kenntlich unb
galt, jeboch mit llnrecht, eine Zeitlang fur blose Varie-
tat ber vorhergehenben Art. Der ganze Kopf, Hals,
Oberrucken unb Unterseite sinb lebhast grun, Flugel
unb Schroanz violettblau, bie vorberen Schroingfebern
hochroth; ber Bnrzel zieht aus Blan in Violett, unb
fiber bem Auge steht ein schroarzer Fleck.
2. Der rothhaubige Heknlkukuk. (Corythaix erythrolophus.)
Fig. 1674. 1673.
Eine Feberhaube von rother Farbe unb roeip ein-
gefaht schmfickt biese zroeite Art unb erklart ben ihr ver-
liehenen systemalischen Namen. Die Seiten bes Kopfes,
ber Hals, bie Brust, ber Rficken, bie oberen Flfigel-
becken unb Hinteren Schroingfebern sinb blafigrfin mit
etroas blaulichem Schimmer, bie vorberen Schroing-
febern sehr schon rvih; bas Auge umgiebt ein nackter
weifier Kreis, auf ben Augenlibern stehen kleine rolhe
Fleischwarzen, ber Schnabel ist orangenroth, bie Korper-
grope biejcnige einer Taube.
XII. Pisangfresser (Musophaga.)
Gattung sch arakter: Schnabel an ber Wurzel
von Febern nicht umgeben, bick, gegen bie fibergebogene
Spitze sehr zusammengebrfickt, aufber Firste abgerunbet;
Oderkiefer an ber Wurzel in bie Stirne fortgesetzt unb
eine Platte bilbenb; Nasenlocher spaltenartig, offen.
Auhenzehe frei beroeglich unb als Wenbezehe nach Hin-
ten zu schlagen.
1. Der violette Pisangfreffer. (Musophaga violacea.) Fig. 1676.
Von ber Naturgeschichte ber Pisangfreffer roeist man
noch weniger als von berjenigen ber Helmkukuk. Sie
leben im mittlern Afrika unb toerben ben Pflanzungen
von Bananen (Musa paradisiaca) burch ihre Gesrahig-
keit schablich, sollen fibrigens paarroeis zusammenhalten
unb ztoar nicht allein zur Zeit ber Fortpflanzung. Man
kann sie von anberen vertoanbten Vbgeln leicht an ber
Gestalt ber Wurzel bes Oberschnabels erkennen; bie
bort vorhanbene Platte erinnert an eine sehr ahnliche
Bilbung bei ben Wasserhfihnern. Der violette Pisang-
sreffer ist im Ganzen violett, hat karmestnrothe Schwin-
gen, einen langen, keilformigen Schmanz, ben Kopf
mit sarninetartigen, purpurschillernben Febern besetzt,
einen toeihen, unterhalb bes Auges beginnenben, bis
zum Ohr verlaufenben Streif unb an ber Wurzel bes
gelben Schnabels kurze, rothe Flcischlappen.
2. Der Dunte Pisangfreffer. (Musophaga variegata.) Fig. 1672.
An bieser zweiten Art finbet sich eine Haube von
ansehnlichem Umfange; sie besteht aus langen, schmalen
unb bunnen, am Hinterkopse unb oberen Theile bes
Nackens angebrachten Febern; bie ganze Vorberseite ist
lebhast kastanienbraun, ber Rficken unb bie Oberseite
fiberhaupt zart grau, schtoarz langs gestrichelt, ber
Bauch meifi, jebe Feber mit bunklem Schaststriche; bie
schtoarzen Schtoingfebern tragen auf ber Mitte einen
toeihen Fleck von wanbelbarer Grofie unb unbestimmter
Gestalt; ber Schnabel ist gelb. Die Lange betragt
20 Zoll.
Dunste Vr-nung.
HuhnerVo gel.
Unter ben Orbntingen ober grohen unb natfirlichen
^bt^eilungfn, in toelche man bie Clafse ber Bogel zer-
falli Hat, ist biejenige ber Hfihner von besonberem Inter-
esse, soroohl unter einfach naturgeschichllichem unb sonach
toissenschaftlichem Gesichtspunkte, als hinsichtlich ihrer
Beziehungen zu uns selbst. Man verniag keine eben
so grofie unb so natfirliche Familie nachzutoeisen, toelche
auf unfere Bebfirfnisse unb Genfisse auf gleich wvhl-
thatige Weise eintoirkt, anbererseits keine, bie so viele
merktofirbige Seiten unb so manche ber naheren Erfor-
schung roerthe Eigenthfimlichkeit bardietet. Begreift
man sie in ben strengen Granzen einer genauen Syste-
matik, so verliert sie allerbings an Umfange, bleibt aber
immer noch ziemlich grofi; behnt man sie toeiter aus, so
schlieht sie auch Gattungen einer etroas ztoeifelhaften
Stellung ein, bie nach ber anberen Seite hin an bie
Hocker granzen. Uebergange bestehen in ber Natur
fiberall, unb baher ist eine vollig scharfe Begranzung
bieser Orbnung, so charakteristische Gestalten sie fibri-
gens auch einschliehen mag, nicht vorauszusetzen. Zwi-
schen Taube unb Haushahn giebt es roenige aufiere
Kennzeichen ber Verroanbtschaft, unb bennoch kann man
nicht umhin, beibe fur Angehorige berselben grofien
Gruppe, roenn auch an entgegengesetzten Enben berselben
stehenb, zu betrachten.
Die Hfihnervogel haben Sitz- ober Spaltffihe, fel-
tener Wanbelsfifie unb stumpfe, gekfimmte, abgerunbete,
selten seitlich zusammengebrfickte Krallen, beren gewohn-
liche Anroenbung zum Scharren ber ganzen Abtheilung
ben Namen von Scharrvogeln verschafft hat; ber Dau-
men ober bie Hinterzehe fehlt bisweilen ober berfihrt
minbestens im Austreten nicht ben Boben. Von ben
Abanberungen im Fufibaue hangt auch bie Lebensroetse
bieser Vogel ab; ein Theil ber Hfihnervogel sitzt Haufig
aus Baumen unb finbet bort seine Nahrung, ber anbere
verlafit fast nie ben Erbboben. Der Schnabel ist gegen
bie Spitze allezcit mehr ober ntinber gcwolbt, bie Ranber
bes Oberkiesers umsassen biejenigen bes Unterkiesers.
Die Schnabelrourzel umgiebt gemeinlich eine von ben
Nasenlochern burchbohrte, ost recht lebhast gesarbte
Wachshaut, unb in einer ber Familien stehen um ben
Schnabel unb sonst noch am Kopfe unb Halse verschie-
bene Fleischlappen, Warzen unb ahnliche von Febern
nicht bebeckte Austreidungen. Eine mehr ober minber
knorpelige Schuppe schliefit bei ben meisten bie Nasen-
locher zur Halfte. Mit Ausnahme ber Tauben sinb sie
fast alle von schwerfalligem Aeuheren, grofiem unb burch
seine Gestalt zum Fluge eden nicht geschickten Korper
unb mit kurzen, abgerunbeten, auf ber Oberflache stark
gewolbten unb baher zum Fliegen roenig bienlichen Flu-
geln versehen. Der Schroanz erscheint Hingegen unter
sehr ausgebilbeten Formen; er besteht aus 14, bis-
weilen fogar aus 18 Steuerfebern, bie nicht selten utt-
getnein verlangert sinb unb eine grofie Zierbe barstellett,
anbere Male von sehr grofien Deckfebern vollkomnten
uberschattet roerben ober nicht in einer Linie tteben ein-
anber, soubern in zwei Halften schrag gegen einanber
stehen. Am Skelette erkennt man ohne Schroierigkeit
bie geringe Besahigung zum Fluge. Der Untfang bes
Brustbeines roirb burch zwei tiest Ausschnitte bes untern
Rattbes so verminbert, bah nur beschrankte unb baher
unkraftige Flugmuskeln auf ihttt Anheftungspunkte fin-
ben tonnen. In ber Regel entschliefien sich baher bie
eigentlichen Hfihnervogel, zu roelchen, roie oben erwahnt,
Tauben kaunt gezahlt roerben fånnen, nur bann zunr
Fluge, toenn sie laustub einer Gesahr sich zu entziehen
ober irgettb einen attbern Zweck zu erreichen nicht ver-
ntogeit. Hinsichtlich Der Verbauungsorgane haben sie
eine unverkenubare Aehnlichkeit mit ben Wieberkauern
unter ben Saugethieren. Gleich biesett besitzen sie brei
hinter einanber liegenbe Magen, gewiffermaafien also
einen in mehrere Theile beutlich geschiebenen Verbauuttgs-
procefi. Sit bem ersten Magen, bem Kropst, ber toenig
eigette Thatigkeit enttoickelt, tvirb bas aufgenommene
Kornerfutter eben ttur ertoeicht; im zweiten, auf ber
inueren Seite mitDrfistn reichlich ausgekleibeten erfahrt
baffelbe eine mehr chemische Eintoirkung, unb im britten,
welcher aus ungemein kraftigen Muskeln zusamtuen-
gesetzt ist, geht bie mechattische Zerreibuttg ber vorver-
daueten Stoffe vor sich. Die in bem letzteren entroickelte
Krast ist ungleich groher, als titan itu gemeinen Leben
glatibt; bie Versuche von Reaumur, Spagtioletti,Rebi unb
Spallanzatti habe bewiestn, bah ber von mitverschluckten
Steinchen unterstfitzten Kraft bieses Magens nicht eintnal
stahlerne, in Brotteig eingehfillte Lanzettenspitzen tviber-
stehen. Die Lange bes Darmkattals tragt fibrigens bei,
um bie aufgestellte Vergleichung mit ben Wieberkauern
zu rechtsertigen. Zu Nahrung Wahlett bie Hfihner-
vogel meistens nur trockne Konter, aufierbem Knospen
bon- Pstanzen, junge unb saftige Blatter, theilweis
auch 3nfecten unb weiche Wfirmer. Wentt Truthahne
unb Haushahne nach rohettt Fleische ober vielmehr nach