Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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V o ge l.
Dunste (Drimunfl.
geroohntes, von beiben abhangiges Thler ist fie in allen
Beziehungen so bekannt, bay fie an diesem Orte teiner roeit-
laufigeren Besprechung bebarf. Wie alle Hausthiere ge-
roiffermaahen abgeartet, erscheint fie zerfallen in roirklich
zahllose Spielarten, bie fich unter einanber fort-
pflanzen unb zum grofilen Theile ziemlich unbestan-
big finb. Den Liebhabern biefer Zucht, bie auf gewisse
Varielaten grohen Werth legen, ivirb es burchaus nicht
leicht, bieselden auf bie Daner rein zu bewahren.
Solche Abanberungen beziehen fich nicht allein auf bie
ungemein nnbestanbige Farbe, sonbern audj auf Grohe,
Ausbehnung unb Art ber Befieberung, Bilbung roarzi-
ger Lappen am Kopfe unb sogar auf eigentliche Mon-
strositaten, z. B. mihgebilbete Futze, in ungewohnlichen
Winkeln gestellte Schwingfebern ober Formlofigkeit ein-
zelner Theile bes Rumpfes. Beispiele geben bie Krop f-
taube (Fig. 1680. a.), bie Kragentaube (c.), bie
Pfauentaube (f.),. bie S chleiertaube (§.), bie
Purzeltaube (h.). Temminck, bent man eine pracht-
volle Monographie ber ganzen Familie verbankr, sagt
mit allem Rechte, bah viele Banbe voll Abbilbuugen
nicht zureichen tourben zur Darstellung ber in Europa
allein vorkommenben Spielarten.
2. Die Ringeltaube. (Columba Palumbus.) Fig. 1680 d.
Unter ben vier in Deutschlanb lebenben toilben Arten
ist bie Ringeltaube bie grohie, inbem fie an 17 Zoll in
ber Lange miht. Blan erkennt fle ohne Schwierigkeit
an bem halbmonbformigen toeihen Flecke zu beiben Sei-
ten bes Halses, einem anberen toeihen Flecke ber Flu-
gel, ber tveinrothen Brust. Das ubrige Gefieber ist
blaulich aschgrau, unb nur am Kopfe zieht biese Farbe
ettoas in Purpur. Mannchen unb Weibchen gleichen
flch im Aeuheren vollstanbig. Die Ringeltaube belvohnt
vas mittlere unb norbliche Europa bis in sehr Hohe
Breiten unb nicht minber Asien, scheint zroischen Ebenen
unb Gebirgen teinen Unterschieb zu machen, vermeibet
jeboch walblose Lanbsiriche, verhalt sich im Norben als
Zugvogel, ber Anfang Octobers sich zu entfernen be-
ginnt, unb im Suben von Europa als Stanbvogel.
Neberall scheint fie ben Baumen besonbers zugelhan; sie
toahlt bieselben am Tage zum Sitze, bes Nachls zum
Orte be8 Schlafens unb koiumt auf bie Erbe nur Herab,
um iHf Kutter zu suchen, toelches vorzugsmeis aus ben
Saamen ber Nabelholzer besteht. Deshalb verschmaht
fie aber nicht bie Korner ber Grafer unb niebrigen
Krauter unb ber Getraibearten, besucht jeboch offene Orte
unb zumal Fruchtfelber nur bann, toenn fie ganz ficher
zu sein nieint. Sie ist scheu unb sehr vorstchlig
unb besitzt, toie alle toilben Tauben, so " scharfe
Sinne, bah ihr bie nahenbe Gefahr nicht leicht
entgeht. Der ganzen grohen Gattung ist ein scharfes
Gesicht verliehen, toelches theils in ber ungetoohnlichen
Betoeglichkeit bes Augapfels, theils in ber Fahigkeit,
bie mannigfachsten Stellungen bes Korpers unb Wen-
bungen bes Kopfes vorzunehmen, Unterstutzung finbet.
Eine anbere, bas Sehevermogen erhohenbe unb bei Vo-
geln (bie Eulen ausgenommen) sonst seltene Eigenschaft
besteht in ber ben Tauben verliehenen Betoeglichkeit bei-
ber Augenliber, burch toelche bie Menge ber einfallen-
ben Lichtstrahlen beschrunkt toerben kann. Auch mochte
bas Gehor als scharf zu betrachten sein, benn eben so,
toie bei Aufsuchung ber tropischen Tauben ber Jager sich
vor jebem Gerausche zu huten Hat, so wirb bas Beschlei-
chen ber Ringeltauben bem hastigen unb unvorsichtigen
Schutzen nie gelingen. Im taglichen Leben pstegt man
Tauben eben nicht fur intelligente Bogel zu Halten, toeil
man nach ben Erscheinungen bes lanblichen Haushaltes
urtheilr. Gebachtnihklugheit unb List toirb bennoch
ben toilben Arten nicht abzusprechen sein, benn nur bie
Jungen toerben bem Jager leicht zur Bente ober fallen
in bie gestellten Schlingen. Am Leichteften sinb sie zu
uberraschen an ihren Tranken; alle nehmen in Folge ber
trockenen Beschaffenheit ihrer Nahrung eine ansehnliche
Menge von Wasser zu fich. Salz scheint fur sie ein na-
turliches Beburfnih, toas aller Orten bie Jager toissen, bie
z. B. ilt Amerika bie halbsalzigen Quetten umlauern unb
unter vielen anberen Thieren zumal Tauben tobten ober
toohl auch kunstliche Salztoasserpfutzen anlegen. Die Rin-
geltaube vermehrt sich, als eigentlich einheimischer Bogel,
mil Leichtigkeit fast uberall in Deutschlanb. Die Paare
machen schon im Marz Anstalten sur bie kunstige Fa-
milie; sie tragen eifrig allerlei kleine Aeste unb starkere
Reiser ohne angstliche Unterscheibung zusammen; bas
Weibchen banet biese zu einem, im gleichen Berhaltniffe
unkunstlichen Reste auf, toelches hochst felten niehr als
zwei Eier enthalt, bie toie geroohnlich von ettoas ver-
langerter Gestalt unb toeiher Farbe sinb unb von beiben
Gatlen abtoechselnb 18 Tage lang bebrutet toerben.
Gegen bie Jungen soll bas Weibchen bistoeilen ziemlich
viele Gleichgiltigkeit verrathen, minbestens ihren Ber-
lust viel toeniger empfinben als anbere Bsgel, zumal
bie kleinen Sanger, bie, toohl aus Schmerz uber ben
Untergang ber Nachkommen Hinsiechenb, bas eigene
Leben verlieren. Bei zahmen Tauben ist ubrigens biese
Erscheinung nicht felten unb aus phyfiologischen Grun-
ben unschtoer zu erklarett.
Mit ber Ringeltaube unb anbererseits mit ber Felb-
taube ist lange Zeit bie Holztaube (Columba oenas)
verwechselt worben. Ju ber That herrscht zwischen ihr
unb jenen beiben hinsichtlich ber allgemeinen Farbung
einige Aehnlichkeit; auch sie ist obenher blaulich asch-
grau, an ber Brust toeinroth, an ben Seiten bes Hal;es
grunschillerub, allein ihr fehlen bie toeihen Flecken bes
Halses unb ber Flugel, Unterrucken, Burzel unb untere
Flugelbeckfebern finb gran statt toeih, unb auherbem miht
fie nur 13 Zoll, also fast ein Drittel toeniger als bie Rin-
geltaube unb gleicht sonach an Grohe ber Felbtaube. Sie
ist vom norblichen Nortoegen bis an bas Mittelmeer
uberall als geroohnlicher Zugvogel bekannt, ber uns
nur aus sehr kurze Zeit unb ztoar toahrenb bes eigent-
lichen Winters, vom Anfang Novembers bis Februar,
verlaht, in milben Jahren bistoeilen einzeln zuruck-
bleibt unb in Subeuropa zum Stanbvogel toirb, gleich
ber Ringeltaube Walber ober boch baumreiche Gegenben
zum Anfenthalto toahlt unb fich zu grohen Schroarmen
gesellt, bie burch thre Gefrahigkeit ebenfo ben Saaten
als bem reifenben Getraibe Schaben zufugen unb baher
viel verfolgt toerben. Auch ber Forstmann erkennt in
ihr eine Feinbin ber Walbcultur, toeil fie es beguemer
finbet, bie ausgestreueten Saamen ber Nabelholzer Her-
vorzuziehen, als solche einzeln im Walbe zusammenzu-
suchen. Sie nistet toie bie Felbtaube in hohlen Bau-
men, nicht aber in Felslochern unb bauet niemals ein
freies, etroa von einem Gabel aste gctragenes Nest, legt
toie bie ubrigen Tauben nur ztoei Eier unb nahrl fich
auher von Getraibe unb Baumsaamen auch von ben
Saamenkornern einer Menge krautarliger Pftanzen. Bei
ihrer Sckieu gelingt eS nur geschickten Schutzen, sie zu
beschleichen unb zu erlegen. Dergleichen Jagben loh-
nen sich im Ganzen toenig, benn toie anbere toilbe
Tauben Hat sie nur in ber Jugenb ein zartes, bann aber
auch sehr toohlschmeckenbes Fleisch.
3. Die Turteltaube. (Columba turtur.) Fig. 1683. 1684.
Die kleinste, aber auch zierlichste unserer einheimischen
Tauben, bie Turteltaube, erscheint als Zugvogel gerabe
in ber Jahreszeit, too Alles sich vereint, um ben fur
bie Reize ber Natur empfanglichen Menschen mit Freube
zu erfullen. Wenn Anfang Mai's bie Walber im
frischen Schmucke glanzen, ertont auch aus bem schat-
tigen Dickicht bie klagenbe unb boch gern gehorte Lock-
stimme ber Turteltaube. In allen Zeitalterit unb unter
allen Bolkern toarb sie baher ntit Theilnahme unb
Vorliebe beirachtet, unb bekanntlich binben fich an
sie, toegen ihrer auheren Erscheinung unb ihren Sit-
ten, eine Menge bichterischer Auffafsungen unb Gleich-
nisse. Dem Chinefeu ist sie nicht minber lieb als bem
Deutschen unb spielt in ben Dichtungen ber Perser eine
nicht geringere Rolle als in benjenigen ber westlichen
Volker. Ihr Verbreitungsbezirk reicht von ben japa-
nischen Jnseln bis an ben Tajo unb vom mittleren
Schtoeben bis Syrien; toahrscheinlich fehlt sie auch bem
norblichen Jubien nicht. Gesellig, boch nie sehr grohe
Fluge bilbenb, streift sie in wafserreichen Walbern um-
her, sucht Saamen von Nabelholzern zur Nahrung
ober toagt sich auch auf offene Orte, too entroeber Ge-
traibe ober zahlreiche toilbe Krauter Hinreichenbe Kor-
ner barbieten. Selbst in ber Fortp flanzungszeil ver-
liert sie jenen Trieb zur Geselligkeit nicht ganz, benn
es ist nichts Ungetoohnliches, mehrere Paare in kleine
Colonien vereint in ben bichtestverwachsenen Stellen bes .
Walbes anzutresfen. Das Nest liegt auf ber Spitze
niebriger, von anberen uberragter Baume, ost auf
hohen Buschen, 10— 20 Fuh uber bem Boben, unb
besteht aus trockenen Reifern, bie, ohne besonbere Sorg-
salt ausgeschichtet, einen Bau ohne Festigkeit ausma-
chen. Beibe Gatten sinb bei ber muhelosen Herstel-
lung beschastigt unb losen sich auch ab bei bem 16 Tage
bauernben Bebruten ber im Mai gelegteu ztvei Eier.
Die gegenseitige Zartlichkeit unb treue Anhanglichkeit
ber Gatlen ist sprichroorilich, inbessen ist sie toie mauche
anbere Naturerscheinung burch bie Bolkssage uberlriebeu
unb ben Aeuherungen menschlichen Gefuhls mit Unrechl
fast gleichgestellt worben. Es halt burchaus nicht schtoer,
bie Turteltaube zu zahmen, inbem sie einen sehr saltsten
unb freunblichen Charakter besitzt unb in kurzer Zeit zu
ost gesehenen Personen Zutrauen saht. Man lrifft sie
baher an vielen Orten als Zimmervogel, ber toegen sei-
ner auheren gesalligen Erscheinung unb ber Anmuth
seiner Betoegungen unb seines ganzen Wesens in Gunst
steht. Jhre Farbung ist angenehm unb ziemlich bunt,
Borberhals unb Brust finb roeinroihlich, Rucken, Bur-
zel unb obere Schtoanzbecksebern braun gefleckt unb isa-
bellgelb, bie schwarzen Flugelbeckfebern rostroth geranbet;
bie Schroiitgfebern schtoarzbraun, ber Bauch unb bie un-
teren Schtoanzbeckfebern toeih, Scheitel unb Nacken asch-
grau; an feber Seite bes Halses steht ein Fleck, ber aus
schtoarzen, an ber Spitze toeihen Febern besteht. Das
Gefieber liegt glatt an, unb ber ganze Vogel Hat ein un-
getoohnlich schmuckes unb reinliches Ansehen. Die
Lange betragt kaum 1 Fuh.
4. Die Lachtaube. (Columba risoria.) Fig. 1685. 1686.
Die in Europa haufig als Zimmervogel gehaliene,
ettoas zartliche Lachtaube stammt aus Afrika unb ist
auch in Aflen zu Haufe, toenn anbers Syles keine Ver-
toechfeluttg vertoanbler Arten verfchulbete, als er jene
unter ben Bogeln bes Dekkan auffuhrte. Am Senegal
ist sie sehr gemein, unb im Namagualanbe Subafrika's
fanb sie Vaillant. Sie tvar schon ben Alten bekannt
unb toirb seit unvorbenklichen Zeiten in Aegypten gehal-
ten, roo fie frei umhersliegen bars, boch ganz toie unfere
Haustaube behanbelt toirb unb besonberer Pstege nicht
bebarf. Ob fie bie Turteltaube ber Bibel sei, toie
Einige genteint, mLchte boch zu bezroeiseln sein, inbem
sie kein Zugvogel ist, toahrenb aus bem Zusammen-
Hange Hervorgeht, bah bie biblischeTaube wanbernb ein-
tras. Jhrett Namen verbankt bie Lachtaube bem Klange
ihrer Stimme. In Deutschlanb stoht bie Zucht aus
klimatische Hinbernisse unb toill mit Ersahrung unb
Vorsicht betrieben sein. Einzelne leben niemals lange,
Hingegen bauern Paare nicht nur aus, sonbern pftanzen
sich auch sort, ohne jeboch sehr sruchtbar zu sein, benn
von ben beiben gelegten Eiern toirb in ber Regel nur
eines ausgebrulet ober, toenn deibe Junge ausfchlupfen,
bas eine immer so vernachlassigt, bah es vorzeitig roeg-
stirbt. Der Fortpflanzungsaet wieberholt sich ohnge-
fahr brei Male in einem-Jahre. Die Lebensbauer soll
bis acht Jahre sich erstrecken. Die toilben Lachtauben
sinb ben Sitten nach roenig bekannt; aus ben kurzen
Notizen einiger Reisenber geht hervor, bah sie im Gan-
zen roie anbere Tauben sich verhalten. Die Farbung
ist zart, hell perlgrau mit roihlichem Schimmer, am
Kopfe unb an ber Unterfeito blaffer, aus Rucken unb Flu-