Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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210
Vogel.
Sechste tØrdnung.
einmal Hinreichenbe Schnelligkeit gewonnen ist, zum 8
Fuh weiten Sprunge wird und so rasch fich wieberholt,
bap bie besten Rennpserbe ben Straith entweber nicht
einholen ober boch ihm lange Zeit zur Seite zu bleiben
nicht vermogen. Damit ber auf Schnellffihigkeit als
Rettungsmittel angewiesene Vogel burch bie Art bes
Bobens nicht aufgehalten unb zur Aenberung seiner Rich-
tung burch bie steinigen ober felsigen Stellen ber Wuste
gezwungen werben nioge, sinb ihm Harte, halbhornige
Sohlen unb Lanse verliehen, beren starke Schilber selbst
Verletzungen burch bie langen, elfenbeinharten Dornen
bes Mimosengestrupps unmoglich machen. Keine un-
nutzliche Feberbekleibung erschwert ben Laus, selbst ber
Schenkel ist nackt unb mit einer sehr bichten unb leber-
gleichen Haut uberzogen, unb alle Korperfebern sinb kurz,
weich unb so zerzasert, bap fte ber Luft auch bei ber
schnellsten Bewegung keinen Wiberstanb leisten, unb
zwar auch bann nicht, wenn sie, wie an ben Flugeln
unb als Schwanzbecken, sich zu einiger Lange entwickeln.
So groh ist bie ben Hinteren Gliebern inwohnenbe Krast,
bah ber Strauh mit einem einzigen Ausschlagen selbst
gropere Thiere tobten kann. Er bebient sich berselben
allerbings als Waffen, inbessen mag eS felten vorkom-
men, bap er ben unvorsichtig nahenben Gegner so schwer
verwunbet, wie in einem von Shaw erzahlten Falle.
Dah er mit seinen Ffihen gewichtige Steine auf bie Ver-
folger schleubere, gehort zu senen Fabeln, an welchen
Plinius nur zu reich ist, benn statt Wiberstanb zu
leisten, sucht er stets sein Heil in ber Flucht unb ver-
theibigt sich erst bann, wenn er sich in bie Enge getrieben
sieht, theils burch nicht geringe Hiebe mit bem Schnabel,
theils burch Schlage mit ben Flugeln unb Ffihen. Dem
platten, schilbformigen Brustbeine entspricht eine anhere
Runbung, welche, mit einem bicken, nackten Schwielen-
kissen uberzogen, bei bem Nieberlegen ben Korper zu
stutzen unb selbst noch im Liegen benselben zu tragen
bestimmt ist. Nicht minber ist ber Magen fur bas sehr
grobe Pflanzensutter eingerichtet, welches bie Wuste
barbieret, fur bie rauhen ober bornigen unb allezeit sast-
losen Zweige unb Blatter niebriger Halbstrauche, bie
auf so unbankbarem Boben fast allein bie Vegetation
ausmachen. Zhm fehlt zwar sene erstaunliche Ent-
wickelung ber Muskeln, welche aus bem Magen korner-
freffenber Hocker eine sehr kraftige Maschine machen,
allein er verbauet bennoch selbst Holzige Substanzen.
Zwischen seinem Kopfe unb eigentlichen Magen liegt ein
sackformiger Vormagen (Fig. 1773.) von ansehnlicher
Grope, bessen ganze innere Oberflache mit Drusenmun-
bungen uberzogen ist; ber von ihnen ausgesonberte Saft
wirkt chemisch unb so kraftig ein, bah alle verschluckte
Pflanzensubstanzen, bie Hartesten nicht ausgeyommen,
zersetzt unb zur weiteren Verbauung vorbereitet Werben.
Im schlimmsten Falle scheint ber Strauh seinen Hunger
eine Zeitlang mil sonst unverbaulichen, gleichsam wie
Ballast wirkenben Stoffen abzustumpfen unb also zu
verfahren wie manche reihenbe Saugethiere unb bie
Krokobile. In seinem Magen sinb schon Klumpen leh-
miger Erbe gefunben worben. Seine Gefrahigkeit unb
Verbanungskraft sinb ubrigens sprichwsrtlich; bekannt
ist es, bah er in ber Gefangenschaft selbst Metallstficken
mit Gier verschlingt; Balisnieri will gesehen haben,
tvie einem ber Genuh einer ansehnlichen Menge rohen
Kalks bas Leben gekostet. Auch in ber Einrichtung
ber Sinnesorgane erkennt man bie Angemessenheit; nicht
allein gestatlet bie sehr bebeutenbe Korperhohe einen
freien Ueberblick ber ebenen Wuste, sonbern es stehen
auch bie Augen in ber Ebene bes Gestchts unb erblicken
baher beibe zugleich bensélben Gegenstanb, ein Vortheil,
ber nur noch wenigen anberen Bsgeln verliehen ist.
Das Auge selbst ist groh, glanzenb unb lebhaft, Hat ein
oberes bewegliches Augenlib unb wirb burch lange
Wimpern gegen Sonnenstrahl unb Staub geschutzt.
Aus ber grohen Oeffnung bes auheren Ohres unb bem
Mangel ber Febern, welche bei anberen Vogeln biese
Gegenb verbecten unb auf Berminberung ber Schars-
Horigkeit einwirken, ntupte man Vollkommenheit beS
Horsinnes solgern, ginge nicht aus ben Berichten
subafrikanischer Jager hervor, bah man bei Versuchen
zur Beschleichung bes StrauheS es eden so vermeiben
muffe, Gerausch hervorzubringen, als sich sehen zu laffen.
Bon ben fibrigen Sinnen burfte minber Gunstiges zu
berichten sein. Die an ber Wurzel bes Oberschnabels
gelegenen Nasenlscher sinb nach hinten mit einer knor-
peligen Hervorragung halbgeschloffen unb stehen mit
bem Gaumen burch bie in weite Spalten ausmunbenben
Naseneanale in Berbinbung; bas ganze Riechorgan
scheint von zusammengesetzterem Bau ; bennoch aber soll
bas Riechvermogen nur gering sein, eine Erscheinung,
bie man aus ber Gleichgultigkeit bes Strauhes gegen
bas schlechteste Futter zu betveifen sucht. Von bem
Schmeckfinne haben bie meisten Anatomen Gleiches an-
genommen auS gleichem Grunbe; es giebt wohl keinen
anberen Vogel, ber, wie oben erzahlt, ungeloschten
Kalk, wenn auch in kleinster Menge fressen wurbe.
Auch ber Zunge bes StrauheS (Fig. 1772.) fehlen aller-
bings bie bekannlen , bas Schmecken vermittelnben Ner-
Venwarzchen; sie ist auherbem kurz, breieckig unb wenig
beweglich. Ueber bie Fortpstanzung giebt es zahlreiche
zum Theil alte Berichte, bie sich Haufig wibersprechen
ober minbestens ohne Geroahrleistung sinb. Man Hat
sogar gemeint, bah ber Strauh in Monogamie lebe, unb
Sparrmann unb Vaillant haben sich bemfiht, bie Noth-
wenbigkeit bieses Verhaltniffes nachzuweiseu, obgleich
gerabe bas Gegentheil Statt finbet unb, wie bei allen
burch Schwere unb Grbhe ausgezeichneten Vogeln ber
unteren Orbnungen, Polhgamie bie einzige gewohnliche
Form ist. Jebes Mannchen legt sich 4—6 Weibchen
zu. Nach unb nach fullen biese mit ihren Eiern ein
gemeinschaftliches Nest, welches aus einer flachen, un-
kunstlich ausgescharrten Grube besteht, aber hinreichenben
Umfang hat, um ben Korper bes brutenben Riesenbogels
aufzunehmen. Die Weibchen losen fich am Tage ab,
bes Nachts aber brutet allein bas Mannchen, welches
burch seine grohere Starke in Stanb gesetzt ist, bie Her-
beischleichenben Feinbe ber Eier ober eben ausgekom-
menen Jungen, bie kleinen Wilbkatzen unb Schakall, ab-
zuwehren. Visweilen sollen umherliegenbe tobte Kor-
per bieser kleinen Raubthiere vom Erfolge solcher Kampfe
Zeugnih ablegen. Jebes Weibchen legt 12—16 Eier,
unb bis 60 Stuck sollen theils in bem Neste, theils im
Umkreise besselben gefunben worben sein; von ben letz-
teren, fur welche ber Raum bes eigentlichen Bruleorts
nicht ausreicht, sagt man, bah fie bestimmt seien zur
ersten Nahrung ber Jungen, bie beim Auskriechen zwar
bie Grfihe eines achtWochen alten Haushuhnes haben,
inbessen bie Kraft zur Verbauung bes Harten Pstanzen-
sutters noch nicht befitzen. Die Brutung bauert 36 — 40
Tage unb wirb am Tage gelegentlich ber gluhenben
Sonne fiberlassen. Im norblicheren Afrika unb in
Arabien scheinen bie Strauhe einzelner zu leben, in Sub-
afrika bilben fie hingegen grohe Heerben, freilich nicht
mehr in ber Nahe ber Capstabt, wo sie vor 120 Jahren
Kolbe in Menge antraf, sonbern auf ben unfruchtbaren
Karroo - Ebenen unb in ben unermehlichen Wfiften, bie
jenseits ber Orangestuffes unb ber Kaste bes Meeres
parallel nach Norben streichen. Wie alle anbere Thiere
bieser nichts weniger als unbelebten Gegenben, in wel-
chen freilich ber Mensch keine bleibenbe Statte finbet,
wie bie Antilopen unb bie vielartigen Nagethiere finb
auch bie Strauhe um fo aufmerksamer auf bie Umge-
bung, je offener bie Gegenb ist. Niemanb wirb fie
leicht uberraschen, vielmehr ergreifen sie ost bie Flucht
noch fruher, als ber Jager sie erblickt hat. Die uralten
schon von Plinius zusammengestelltett Sagen uber ihre
Dummheit finben in ber Wirklichkeit burchaus keine
Bestatigung; mag man nicht umhin tonnen, aus ihrer
im Verhaltniffe sehr kleine Hirnmafse aus geringe Jn-
telligenz zu fchliepen, so ist bafur ihr Jnstinet um so
fcharfer. Die Jagb wirb auherbem noch burch bie er-
wahnte Schnellffihigkeit bes Vogels nicht wenig erschwert;
Versuche gerabliniger Verfolgung mihlingen auch ben
bestberittenen Jagern, Theilung ihrer Gefellschast unb
Umgehung ber zeitig entbe.cften Heerbe ffihren biese
noch am Ersten zum Ziele; fur einzelne Schfitzen ist es
bas beste Mittel, bie fliehenben Vogel mit mittelmahiger
Schnelligkeit zu verfolgen, ihnen nie Ruhe zu gestatten,
fie enblich zu ermfiben unb hierburch zum Schuffe zu
bringen. Wahrenb ber Flucht ist ber Strauh stuntm,
zu anberen Zeiten laht er rauhe, aber burchbringenbe,
kollernbe Laute horen, bie in einen fcharfen, wohl mit
Unrecht bem Lowengebrfill verglichenen Schrei enben
follen. Er wirb fibrigens nur roegen ber schonen Deck-
febern bes Schroanzes unb ber Flfigel verfolgt, bie im
Orient einen noch hoheren Werth haben als in Europa,
roo sie bei Weitem nicht mehr ben Beifall finben, roie
vor 60 — 80 Jahren. Die besten kommen aus bem
Jnneren von Norbafrika, roo man ben Strauh gerabe
biefer Febern roegen als Hausthier halt; man reiht fie
binnen zroei Jahren brei Mal aus. Die ben roilben
entnontmenen sinb gewohnlich zerstohen unb sonst abge-
nutzt. Das Fleifch ber erroachfenen Strauhe ist Hart,
fchroarz unb unfchmackhaft, basjenige ber Jungen foll
Hingegen ehbar fein. Den Eiern stellen minbestens bie
Ureinroohner von Sfibafrika nach, fie finb so groh unb
ihre Dotter so fattigenb, bah brei Hungrige Personen
an einem einzigen vollauf haben; im Geschmack stehen
fie bebeutenb unter ben Hfihnereiern. Die eigentliche
Legezeit fallt in bie Wintermonate ber sfiblichen Halb-
kugel, bie Monate Juli bis Anfang Octobers. Finbet
bas rfickkehreube Weibchen, bah sein Nest burchsucht unb
einige Eier geraubt roorben finb, fo foll es bie fibrig
gebliebenen zerbrechen unb ben Ort verlassen; Hotten-
totten hfithen sich baher vor Hinterlasfung verrathenber
Zeichen, ebenen nicht allein bie eigenen Suptap fen unb
vermeiben bas Nest unb bie fibrigen Eier mit ben
Hanben zu berfihren, sonbern entroenben ihren Bebarf
mittels langer Stabe, an roelche Schlingen betestigt
sinb. Faht baS Weibchen keinen Verbacht, fo fahrt es
einige Zeit fort Eier zu legen, um ben erneueten Ver-
lust zu becken. Nach Europa sinb Strauhe schon zur
Romerzeit lebenb unb zwar bamals in Mengen gebracht
roorben, bie uns unglaublich bfinken rofirben, roupten
roir nicht, bah anbere noch roeit grohere unb schroerer
zu erlangenbe Thiere, roie Elephanten unb Loroen, in
eben fo auherorbentlichen Zahlen bem fchaulustigen
Volke ber Hauptstabt vorgeffihrt roorben sinb. In ber
Geschichte ber romischen Cafaren roirb unter anberen
sinnlosen Schlemmereieit auch einer gebacht, roo 600
Strauhenzungen in einer einzigen Schfissel aufgetragen
rourben. Vopiseus foll einen ganzen Strauh, b. H.
roohl einen Nestvogel, allein unb auf ein Mal aufge-
zehrt haben. Orientalifche Volker haben biefen Vogel
nicht ttur fur ungeniehbar, sonbern fogar fur unrein
erklart; in letzterer Beziehung gebenkt feitter bas mo-
faifche Gefetz. Einige arabifche Stamme follen noch
jetzt biefelbe Meinung Haben, anbere Hingegen bas in
Fett gefchmorte Blut fur eine Leckerei Halten. Uebri-
gens roirb ber Strauh in ber befferen Jahreszeit fehr
fett unb besttzt ein Fell von so bebeutenber Dicke, bah
man aus bemfelben Brustkoller unb Schilbe macht, bie
minbestens von einem Pfeile nicht burchbohrt roerben. —
Die Gestalt bes Strauhes entspricht nicht ben Begriffen
jenes Ebenmaahes, welches burch Vergleichung als bas
bestanbigere ffir ben Vogel sich ergiebt. Sie wirb zur
eigenthfimlichen burch bie Kfirze unb Abrunbung bes
Rumpfes, bie ungewohnlich bicken Ffihe, ben brei Fuh
langen, bfinnen Hals unb ben unverhaltnihmahig klei-
nen, nur 4% Zoll langen Kops. Diefer unb ber Hals
sinb mit borstenartigen, einzelnen Febern bebeckt, sonst
fleifchfarben, bie Korperfebern fchwarz, Schwingfebern
unb Schwanzbecken schneeweih, bisweilen mit fchroarzem
Saume ober schwarzer Spitze. Am Flfigelbuge stehen