Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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7 ■ I
18
B^o*****^
Vogel.
tørste ©rb.tung.
Werden. Sie trinken toenig und in ungeschickter Art.
Jhre Ausleerungen Widern an buret; einen eigenthiim-
lichen, ammoniakalisch scharfen Geruch, ber zumal bei
ben amerikanischen Geieni bnrch moschnsartige Beinii-
schiing, selbst in ber Mitte ber Urtoalber, bie gemeinsamen
Schlafplatze anf ansehnliche Entfernungen Verntth. Die
Blntwarnie erreicht, in Folge ber ungentein raschen unb
krastigen Athmung, bie anherste Hohe. Mit wenigen
Ansnahmen ist bie Stimme rauh unb unangenehm, benn
nur einige anslanbische Arten lassen einen pfeifenben,
barum aber noch nicht melobischen Lant horen; viele
Falken sinb beinahe stumm, Eulen stohnen unb seufzen
in sehr eigenthumlicher, bie Furcht unb ben Aberglauben
be8 Volkes erklarenber Weise. Die Lebensart ber Ranb-
vogel bebingt eine bei anberen Vogeln minber nothwen-
bige allgemeine Sinnenscharfe. Ob sie bei Anssuchung
ihrer Nahrung burch ben Riechsinn sehr unterstutzt ober,
soweit sie aasfreffenbe sinb, von bemselben allein geleitet
toerben, ist eine in ben letzten Jahren vielfach angeregte,
aber noch unentschiebene Frage, inbein bie in Nordame-
rika mil bem schtoarzen Huhnergeier von Verschiebenen
angestellten Versuche sotoohl verneinenb als best^tigenb
ausgefallen sinb. Dah bieser Sinn in hoherer Attsbil-
bung vorhanben sein musse, betoeist ubrigens bie Form
unb Enttoickelung bes Riechorganes selbst. Ausgezeichnet
scharf ist bas Gesicht unb je nach ben Familien zum
Sehen enttoeber bei Tag ober bei Nacht eigenthumlich
eingerichtet. Schon ber Glanz unb bie Grohe bes Auges
unb ber burchbringenbe Blick beuten auf Vvllkommen-
Heit bes Organes. Weit vorspringenbe Brauenbogen
schutzen basselbe bei vielen, zumal bei Ablern, gegen ben
einfallenben Lichtstrahl, unb bie oben (S. 7 Sp. 2) be-
schriebenen Nickhaut vermehrt bie Sicherung. Wie scharf
bas Gehor sei bei Tagraubvogeln, toeip jeber Jager; es
halt schtoer, selbst unter bem Schutze bicht vertoachsener
Busche ben ruhig sitzenben Falken zu beschleichen. Eulen
toerben wahrscheinlich mehr burch bas Ohr als burch
bas Auge auf ihre Bente geleitet, benn sie fangen Spitz-
mause unb kleine Nager, bie meistens nur bes Nachts
Hervorkommen unb vorsichtigst ihre unter Gras unb
Baumlaub verborgenen Bahneir begehen. Alle Ranb-
vogel leben in Monogamie unb banen sich am Liebsten
bu an, too feiu Jnbividunm ihrer eigenen Art sich vor
ihnen angesiebelt hat. Unvertraglichkeit unb Egoismus
liegt tut Begriffe bes mit allen anberen Wesen itu Kriege
befinblichen Raubthieres nicht allein in bieser, sonbern
in allen Claffen bes Thierreiches. Wo bie Selbsterhal-
tung bauernbe Anstrengungen erheischt unb unt so schivie-
riger toirb, je mehr alle schwacheren Wesen ben allge-
meinett Verberber fennen unb furchten lernen, ba ist
■ im Thierreiche Coneurrenz nicht allein verhaht, son-
bern auch Veranlassung erbitterter Kanipse. Der Abler
sichert sich einen gewiffen Bezirk unt seinen Horst, be-
trachtet ihn als eigenen Jagbgrunb unb bekampft jeben
Einbringling. Ans biesen Grunben finbet man nicht nur
niemals gesellige Nesterbaue ber Ranbvogel, sonbern
muh bieselben nur in ben obesten unb unzuganglichsten
Orten aufsuchen. Die Nester sinb allezeit sehr nnkuttst-
lich unb gegen Witterung toenig geschutzl. Enten Hanen
allein in hohlen Baumen unb tiefen Felsspalten, Tag-
raubvogel Hingegen auf offenen, aber hohen unb uner«
reichbaren Stellen. Der Horst, toie man bas Skest ber
groheren Falken nettttt, besteht eben nur ans krenziveis
uber einanber gelegteu rohen Aesten unb Holzstucken
unb erhalt nach unb nach Hohe burch bie anfgethnrmten
Knochen ber Bente unb burch anbere lIeberreste. Die
Zahl ber Eier ist nie uber vier, oft nur ztvei; sie toerben
vom Weibchen ausgebrutet, welches zn jener Zeit bie
Bauchfebertt ziemlich vollstanbig verliert unb vom Matttt-
chen sorgfaltig ernahrt toirb. Die Daner ber Brutung
steht mit ber Grohe ber Art in Verbinbung; grohere
Abler bruten gegen 30 Tage. Die Jungen kommen ans
bem Eie mit znsammengeklebten Angenlibern, sinb ent-
toeber nackt ober mit einem gelblichen Flaum bebeckt,
immer aber so schwach unb unvollkommen, bah sie ber
Wartung unb bes Schntzes langere Zeit deburfen, als
anbere Vogel. Sie toerben anfangs von beiben Aeltern
aus bem Kropfe gefntlert, erhalten spater rvhes Fleisch
unb grabtoeis einigen Unterricht, inbein bie Alten ge-
lahmte Thiere in bas Skest bringen unb ben Ranbthier-
instinct zn toecken snchen. Sobalb sie flugge sinb, toerben
sie in ber Jagb unterrichtet. Die Alten sollen ein gerattb-
tes Thier mit sich in bie Lufte fnhren, es fallen laffen
unb bie Jungen bas Ergreifen besselben lehren. Bei
keiner anberen Familie ist bie Verschiebenheit bes Kleibes
je nach bem Alter so groh als in bieser. Oft sinb bie
Jungen ber im ertoachsenen Zustanbe einfarbigen Arten,
z. B. ber Geier, sehr buntgesteckt, unb bei ben in jebem
Allier gesteckten Arten beobachtel man, bah bie Flecken
ber Jungen theils groher sinb, theils ber Lange nach
stehen, toahrenb sie am ertoachsenen Thiere gueruberlau-
fen ober sehr feine Zeichnungen barstellen. Die Mauser
scheint bei allen nur einmal im Jahre Statt zu finben
unb muh bei Ablern funs bis fieben Mal toieberkehreu,
ehe bas ausgefarbte Gefieber hergestellt toirb. Zu bieser
anheren, von ben Altersstufen abhangigen Verschieben-
heit gesellt sich bie Haufig sehr grohe Unahnlichkeit ztoi-
schen reisen Mannchen unb Weibchen berselben Art,
Umstanbe, toelche bas Erkennen ber Species, zumal
ber anslaiibischen, in ihrem Enttoickelungsgange unvoll-
kommen beobachteten, ziemlich schtoierig machen. Im
llebrigett ist bie Farbung ber Ranbvogel haufig sehr nn-
bestimmt unb vertoaschen, selten lebhaft, nie schonbunt.
Die Lebensbauer mag bei ben meisten sehr bebeutenb sein,
minbestens barf man bieses aus bem Alter schliehen, toel-
ches Abler in ber Gefangenschaft nicht selten erreicht
haben. Ebtoarbs erzahlt sogar, bah 1793 am Cap ber
guten Hossnung ein Falke gefangen toorben sei, ber, lant
ber Jnschrift seines golbenen Halsringes, im Jahre 1610
bem Konige Jacob I. von Englanb augehort habe. Iln-
geachtet seines Alters von mehr als 180 Jahren soll er
noch sehr lebhaft unb kraftig geroefen sein.
Die Ranbvogel entsprechen ihrem anheren Ansehen
burch Lebenstoeise. Mit Ausnahme ber Geier sinb sie
gefahrliche Feinbe aller kleineren Thiere, gehen uber sel-
ten bei ihren Ranbversuchen auf einen eigentlichen Kampf
ein, foncern snchen ihren Ztoeck bnrch plotzliches Herab-
schiehen unb schnelle Tobtung zn erreichen. Auch sinb
sie klug geiiug, bie Thiere zu nnterscheiben, von Ivelchen
menig Wiberstanb zu ertyarten ist; ber Bartgeier soll
vorzngstoeis kranke angreifen unb sie too moglich in
Abgrunbe sturzen. Sehr scharfes Gesicht, grohe Flug-
fertigkeit unb Kraft machen bie Ranbvogel jebem nicht
zu grohen Gegner untoiberstehlich; selbst ein Thurmfalk
ertourgt einen mittelgrohen Nogel mit toenigen Griffen,
unb bie furchtbare Harphie Brasiliens zertrummert burch
Schnabelhiebe bie Hirnschaale ziemlich groher Rehe.
Wahrenb ber Tsbinug ber Bente verrathen sie niemals
ben Trieb einer raffinirten Grausamkeit, ivelcher bie
Katze veranlaht, mit ber zitternben Mans zn spielen.
Alleibings fuhlen sie kein Mitleib, allein nur bei einer
irrigen Ansicht vom Hanshalte ber Natur fanu solches
vermiht ober sein Mangel beklagt toerben. Gesellig sinb
eigentlich nur bie Geier, jebem Uingaiige abholb bie
Eulen, bie sich moglichst absonbern unb uberhanpt bas
busterste Naturell aller Vogel haben mogen. Einige
Ansnahmen giebt es allerbings, aber nur unter ben Fal-
ken; ber burch nnbefieberte, rothe Kehle ausgezeichnete,
ubrigens schtoarze Schlangenabler (Circaetos nudicollis)
bes tropischen Subamerika bilbet mit seines Gleichen
kleine, ganz vertragliche Fluge, unb ber gewohnliche
Bussarb toirb bisiveilen mit anberen gemeinsam jagenb
beobachtet. Schaben fugen bie Ranbvogel gelegentlich
unseren Htihnerhofen unb bem kleineren Wilb zu, itt-
besseii fann berselbe nicht entfernt mit bem Nutzen ver-
glichen toerben, toelchen sie burch Vertilgung unzahllger
Felbmanse unb ahnlicher verberblicher ober lastii er klei-
tter Saugethiere stiften. Den Huhitergeiern uberlitht titan
in bem spanischen unb porttigiesischen Amerifa bie Be-
seitignng aller gefallenen Hausthiere unb verbankt ihnen
bie fur bie offentliche Gesunbhett toichtigsten Dienste.
Uebrigens sinb Ranbvogel in bicht bevolkerten Gegenben
stets toeit feltener als in Wilbnissen, too sie, toie Azara
von Paraguay nachtoeist, in bem vielleicht zu hoch attge-
schlagenen, aber immerbar in Europa ganz ungetoohn-
lichett Zahlenverhaltnisse von 1:9 zu ben ubrigen Vo-
geln stehen.
Die systematische Eintheilung ber gaiizen Orbnnng
beruht auf einfachen unb nattirlichen, Lebenstoeise unb
Organisation berucksichtigenben Grunben. Tagraub-
vogel Habeit seitlich stehente Atigen, Kopf unb Hals
von verhaltnihmahiger Grohe unb bie auhere Zehe nach
vorn gerichtet, mit ber mittleren fast immer bnrch eine
kurze Binbehaut vereinigt. An Nachtranbvogeln
finbet bnrchaus bas Gegentheil Statt, unb Itamentlich
sinb bie Zehen bis znm Grtinbe frei, toahrenb bie auhere
nach hinten gebreht toerben kann unb also eine Wenbe-
zehe barstellt.
I.
TagraudvSgel.
Die Tagraubvogel bestehen ans zwei bentlich geschie-
benett Gruppen, ben Falken unb ben Geiern. Der
Unterschieb zwischen beiben liegt in ber Bilbttiig bes
Schnabels, ber Krallen ober Fange, ber Befieberttng bes
Halses unb Kopfes, ben Umrissen ber Flngel, bem Habi-
tus, ber Art bes Futters unb ben Sitten. Falken haben
stets einen bicht befieberten, hochstens an ber Kehle ober
ber Wangengegenb nackten Kops, kurzen, gekrummten,
vorn Hakenformigen, an ber Wurzel mit Wachshant
Ilmgebenen Schnabel, seitlich stehenbe Angen, seitliche
Nasenlocher, bie Gegenb ztoischen Auge unb Mnttb-
toinkel (Zugelgegenb) mit kurzen, borstenartigen Febern
besetzt, stark gekrtimmte, scharfe, spitzige Krallen, befieber-
ten ober nackten unb bann netzformig geschilbeten Lattf.
Sie fliegen hoch unb schnell, nahrett sich mit wenigen
Ansnahmen nur von lebenben Thieren, tie kleineren
auch von Jnsecten, machen bie grohte Abtheilung ber
giinzen Orbnung aus, sinb t'tber bie ganze Erbe verbrei-
tet unb bilbeten bei Ltntie eine einzige, von ben neueren
Ornithologen vielfach zerfallte Gattung. Der Begriff
ber jetzt angenommenen Gattniigeit beruht auf ber Form
bes Schnabels, ber balb von ber Wurzel an gekrnmmt,
balb am Hinteren Theile gerabe ist, gerablinige ober aus-
geranbete unb mit einem ober ztoei Zahnen versehene
Kieferranber zeigt, ferner auf ber Bekleibnng ber Laufe,
ben Ballen an ber Unterseite ber Zehen, ber Befieberung
bes Kopfes, ber Gestalt bes Schtoanzes unb bem gegett-
feitigen Langenverhaltuisse ber Schivingfebern.
Erste Familie.
Adler.
Die toesentlichen Kennzeichen ber ersten Familie ber
Falken bestehen in bem platten Schabel, ben geivohnlich
fchmalen Kopffebern, ben toeit vorragenben Bratten-
knochen, bem stark gekrummten, mit langer, scharfer
Spitze versehenen, faunt ausgeraitbeten, ungezahnten
Schnabel, ben schief stehenben Nasenlochern, ben ttteist
kurzen, krastigen Fttheit, scharfen unb sehr gefruntintett
Krallen, ben langen unb grohen Flugeln, an toelchen bie
vierte unb snuste Schivinge bie langsten sinb.
1• Ttet'iiabler. (Aqulla.)
Gattungscharakter: Schnabel an ber Wurzel
gerabe; Ranb bes Oberkiesers ohtte Zahn. Die vierte
Schtoingsever bie langste. Halsfebern schmal unb zuge-
spitzt. Laufe bis znr Zehentourzel befiebert (Fig. 1178.),
ztoischen ben anheren Zehen eine kurze Binbehaut.
I. Ter gememe Steinadler. (Aquila fulva.) Sig. 1176—1181.
Die Steinabler (Golbabler, Stockabler) ubertreffen
ttachst bem Konigsabler alle einheimischen Falken burch