Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
Mit 950 Ubbildungen
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Hanbiiogel.
U o g c 1.
19
®roge, Knhnheit und Darlegnng der Sitten deS Ranb-
thieres. Ruhig auf eineni Felsenvorsprunge sitzeiib, be-
Hauplel er eine gewifse ernste Wurde und vrtickidurch seine
ganze Haltung das Gefuhl tion Unabhangigkeit und
Furchllosigkeil aus, welches auS dem Besitze geivalliger'
Kraft, groper Sinnenscharfe und Flugfertigkeit entsprin-
gen ninsi. Der Helle Glanz seines grogen, goldfarbenen
Auges tierraih aber nur zn deutlich die ninnner fchwin-
dende Aufitterkfamkeil auf die Umgebungen und die tinter
starrer Ruhe sich verbergende Wildheit. Ein Augenblick
genugt ihm, tint sich in die rascheste Betvegung zu versetzen;
er schieht unbeschreiblich schnell auf eine arglos in der
Tiefe hingehende Bente, ergreift und entfuhrt fte mit niiwi-
derstehlicher Gewalt in die Lufte oder sturzt sie um und
zersieischt fte mil den furchtbaren Krallen und Schnabel.
Mit Kiugheit und Gewanbtheit tiermeidet er die listigste
Nachstellung und entzieht sich dem Kampfe, sobald er
den Gegner als ubermachtig erkannt hat. Sein schniet-
terndes, fast ubermuthig Herausforderndes Geschrei er=
ft'tllt alle anderen Vogel ntit Schrecken tind veranlasit
allgemeine Flucht, benn keiner tiermag einem Feinde zu
Widerstehen, der selbst ein Reh in ©tuefen reisil und in
kurzer Zeit so weit auffrisit, dasi ihm ttur die gropten
Knochen ubrig bleiben, der aus eineni Rebhuhn ein paar
Bissen macht, mit untierkennbarem Behagett das Warme
Bltit in seinett ©chluttd hittablaufett låsit und nur dieses,
niemals aber Wasser trittkt. Vor seineitt Angrifse ist
keitt Thier gattz sicher, die grotten ausgenommen, tenn
er tierachtet selbst Mause und Hamster tticht, tvenn Haa-
sett, Rehe titid Hirschkalber nicht aufzufinden sind. Welche
Verwustungett er da anzurichten tiertttoge, wo nur tuenige
und mit der Jagd gering tiertrauete Menschen leben, be-
tveist das tion Pennant angefuhrte Beispiel der zu dett
Oreaden gehorettbeti Jttsel Rum, wo bie iin 17. Jahr-
Huttberle sehr haufigen Rehe mit 1716, als Martin jetten
^lrchipel beschrieb, bttrch Sleittabler fast ausgerottet
Waren. Er scheint tttehr bnrch bas Auge als burch ben
Gerttch auf seine Bente geleitet ztt werbett, erkettttt aber
ben fleinen Vogel iitt Baumlaube, wahrenb er selbst mil
faunt benterkbarer Flugelbetvegung in Hohen sich be-
Hauptet, wo er tiott betti menschlichen Auge katttti erkannt
wirb. ©ein Flug ist majestatisch ttttb geschieht scheinbar
ohne alle Anstrengung; er gleicht einem ruhigen Dahin-
schitiimmen, ivåhrenb bie Luft gerablinig ober in weiten
Kreifen burchschnittett wirb, attbert aber in senkrechten,
blitzschnellen Sturz, sobalb tief tinten eine Bente zu ergrei-
fett ist. Vom Bobett erhebt sich ber ©teinabler nicht ohne
einige Schwierigkeit, tvenn er langer auf bemselben ge-
sessen, tiermag aber bennoch bie mit ben Krallen erfasilen
groheren Vogel nnb Haasen in bie Lufte zu entfuhren.
Der schon erwahnte alle Beschreiber ber schottischen In-
selit, Martin, unb sein Zeitgenofse, ber tierbienie Natur-
forscher Ray, erzåhlen Geschichlen tion Smuglingen, bie
auf ber Jnsel Skye bnrch ©teinabler bavongetragen, in=
bejfen gerettet worben sein solleti; tueber bie Starte bes
Vogels noch anch alle uber ihn anf bent Festlanbe ge-
sammellen Erfahrnngen sinb geeignet, jeneit alten Ueber-
lieferungen Glaubwnrbigkeit zn tierschaffen. Man trifft
ihn nie gesellig, sonberii nur paarweis an, unb obgleich
in berselben Gegenb mehrere Paare horsten konneii, so
besteht nicht nur keine Gemeinschast zwischen benselben,
sonbern jebes beirachiet einen getvissen Umkreis als sein
Eigenthnm nnb kårnpst nolhigenfalls fur ben ansschliesi-
lichen Besitz besselben. Die Verbinbnng ber Paare ist
so streng monogamisch, basi sie fogar bas ganze Leben
Hinbnrch zn banern jcheint. Jm ersten Frnhjahre beginnt
ber Ban bes Nestes, in Deulschlanb unb Mitlelenropa
uberhaupt wirb es auf hohen Eichen ober Nabelbåurnen
angelegt, in ©chottlanb nnb feinen Jnseln nnb in Nor-
tvegen auf unzugånglichen Felsspitzen. Bei sehr grohettt
Durchmesser, aber nachlåssiger Banart unb bei Zusam-
mensetzung aus Baumreisern ohne Hinreichenbe innere
Ausfutterung gewahrt es ben Eiertt unb Jungen nur
untiollkotttmenen ©chutz. ©elten iverben tttehr als brei
schmutzigweisie, mit Hellbrautten tierwaschenett Fleckett
gezeichnele Eier, nie tttehr als zwei mit gelblicher Wolle
bebeckte Junge in bemselben gefuttben. In manchen Ge-
genbeit glaubt man, basi bie Mutter eines ober zwei ber
burch besonbere Gefråsiigkeit ausgezeichnelen Jungen selbst
tobte, unb nieint Hierin eine Vorkehrttttg ber Natur ztir
Beschrankutig einer tierberblichett Raubthiergaltung zu
ettlbecken. Die einfachere Erklårung ist aber, basi Vogel-
eier uberhaupt zur Entwickeluitg Håufig tticht befahigt
sinb, unb bap es baher nicht zu tierwunbertt ist, Wettn
ber Adler tion brei gelegten Eiern nur zwei ausbrulel.
Die Pflege ber Jungen mag udrigens ben Aellern tiiele
Muhe ntachen, benn sie erforbert lange Zeit unb Herbei-
schaffung ansehnlicher Mengeit tion Nahruttg, unb zwar
ofi aus grosier Ferne, wirb aber bennoch mit Gifer unb
Ausbauer besorgt. Die Mettge ber Herbeigetragenen
Bente kanit nicht unbebeutenb sein, benn bie Aeltern sinb
uttermublich in ber Verforgung ihrer Nachkontnien. Ein
irlåtibischer Geschichischreiker, Sniith, erwahut in feitter
Beschreibutig tion Kerry unb tioit Antrim, basi ein paar
Bauern geraunte Zeit von bent Wilbpret gelebt Haben
folien, welches sie aus glucklich enlbecklett lilblerhorsteit
wegnahmen, sobalb bie Abler sich entfernt Hatten. Wie
bent auch fei, fo steht wettigstens fotiiel fest, basi bie
©teinabler zu keiner Zeit fo kuhit sinb als bann, Weiitt
sie Junge Habeit. Es ist eine alle, aber an sich allett Er-
fahrungen uber ben Haushalt monogantifcher Vogel
gattz wiberfprechenbe Fabel, basi Abler ihre Jungen ruck-
sichtslos aus bent Neste stotzen, sobalb sie einigerntaasiett
flugge sinb; bei Raubtiogeln, Welche nur burch Kraft
unb Gewalt ihre Nahruttg zu erlangen tierntogen, wurbe
ein so fruhzeitiges Verlassett ben Tob bes uttgeschicklen
unb utterfahretten Jungen ttach sich ziehen. Wahrenb
ber Brutung jagt bas Månnchen allein, sinb aber bie
Jungen ausgekrochett, so tierbinbet sich bas Aellernpaar
zn gemeinsamen Anstrenguttgen, unb man will bemerkl
haben, basi, wahrenb bas Weibchen ttaher am Bobett bie
Busche burchsncht unb bas Wilb aufstort, bas Månnchen
lauernb in ber Hohe schwebe, tint auf bie Fluchllinge
Herabzustosien. Nur Wasservogel tiertnogett burch rafches
Unterlauchen bent ©teinabler zu entgehen; alle anberen
unb selbst kleitte Falken werben ihm zur Bente. Seine
geographische Verbreitung reicht sehr weit. Nach bent
Zeugnisse englischer Schriftsteller lebt er in nicht geringer
Zahl auf ben schottischen Jnseln, wo er fogar ber
©chweinezuchl Abbruch thiit, auherbem in ben Hochlan-
ben von ©chottlanb unb ben Bergen tiott Westtuorelattb,
enblich anch in ben unattgebauelett bergigen Gegenbett
bes norblichen Jrlattbs. In Frankreich ist er befonbers,
in ber Auvergne unb ben Pyrenåen nicht felten, wirb
beinahe jebes Jahr int Forste tiott Fontaittebleau getoblet
unb scheint auch ben an bie Alpen ftopenben Provinzett
nicht zu fehlett. In bent ebeneit unb walblosen Hollanb
wirb er kanut jentals gesehett, um so ofter aber in Scanbi-
naviett unb Deulschlanb; er ziehl sich int Winter in bie
Ebenett, lebt aber int Sommer in ben hoheren bewalbeten
Gebirgett, bie er in ber Schweiz gar nicht tierlåsil. Nach
Osten tierbreitet er sich uber ben grosilen Theil tion Asien
unb fogar uber Jnbien, benn Sykes fuhrt ihn tinter ben
Vogeltt bes Deeeatt auf. Nach Wilfoit bewohnt er anch
Norbamerika tiont Polarkreis bis Carolina, gehort inbes-
seit zu ben felletterett Vogeln senes Welttheiles, tiertneibel
angebauete Gegettbeit, sucht tiorzuglich wilbe Gebirge
auf unb drillet auf ben Hochsten unb utizuganglichsten
Felsspitzen. Richarbson nteint, bah ber itt ben Felsenge-
birgen Horstenbe Abler mit bent ©teinabler Europa's
ibentisch sei, unb fuhrt an, bah er ben Ureittwohnertt als
Symbol ber Kraft unb bes Muthes gelte, unb bah bie
jungen Krieger bie ^b^erfeber fur ben ehrentiollsteit
©chntuck Hallen. Mil feinen Korperfeberit tierzierett fte
bie bekaunte Friebenspfeife, ben Caluntel, tinb schatzen
ihn uberhaupt so hoch, bah man Falle keitttl, wo fte fur
bie • v^dern eines einzigen Ablers ein Werthoolles
Pf li welchem Grabe anch bie europaischett
Volker int Adler bie Jbee ber Machl ttttb Majestal tier-
wirklicht zu sehen gemeint haben, beweist am Bestett ber
Gebrauch, ben sie von seineitt Bilbe zu kriegerischen Aus-
zeichttungett unb spaterhin zu Mappen gentachi haben.
Die griechische Gotterlehre erhob ihn zuttt bestanbigen
Begleiter bes Herrschers bes Olymp unb udertrug ihm
bie Bewahrung ber verwiistenben Blitze. Die Lebens-
baner bes ©teinablers ist febensalls sehr bebeutenb; ben
atifsalligsten unb glaubwurbigsten Beleg erwahnte um
bie Milte bes tiorigen Jahrhutiberls ber beutsche Natur-
sorscher Klein, ber in Wien einen wahrenb 104 Jahrett
in Gefangenschast lebeitben sah. Zufolge ber auf bent
Festlanbe gemachten Erfahrnngen tttuhle man ihn fur
fehr unzåhmbar ober boch zur Abrichtung unfahig Hal-
len; Thomson wiberspricht in feinen Beitragen zur iri-
scheit Fauna biefer Anttahme unb erzahlt tion eineni
unfern Belfast tiott ihm beobachteten ©teinabler, ben
fein Herr in bas Weite warf, ber aber aus ben Hochsten
Regionen nieberfank unb sich gehorfani auf ben ausge-
streckten Arm nieberlieh, sobalb ihm ein Zeichett gegeben
warb, sreilich wohl als Nestoogel eingesangen, tinter
Menschen erzogen unb erst einige Jahre alt war. Ob
ber Abler, welchen Kirgisen unb Tarlareit zur Jagb ab-
richten, berselben Art angehore, ist ttoch unettlschiebett
unb wohl zu bezweiseln.
Mie alle anberen Raubtiogel attbert anch ber Sleitt-
abler in Farbuttg je nach bent Alter ungemein ab. Er-
wachsene ober ausgefårdte Mannchen haden am Hinter-
Hatiple, Nacken unb Hinterhalse lebhafl rostgelbe, schmal
zugespitzte Febern, am ubrigen Korper eitte gleichmahig
schwarzbraune Farbung, ungefleckle Schulterseberti, afch-
grauen, schwarz gebaitberlen, an ber Wtirzel unb betit
Eitbe weihett ©chwaitz, Hornblauen Schnabel, Hochgelbe
Machshaut unb mit brei ©chilbertt bekleibete Zehett,
feuerrothe Iris; bie Flugelspitzen erreichett nicht bas
Enbe bes ©chwanzes. Er tttiht 34 — 36 3oli tiott ber
Schnabelspitze bis zttitt ©chwanzeitbe unb klaftert 80 bis
86 Zoll. Das elwas grohere Weibchen hat bieselbe, in-
bessett elwas hellere Farbung. An jungen, ein bis zwei
Jahre allett Vogeln, welche titan irrig sur eigene Art
gehallen Hal, ist bas ganze Gefieber Hell rostbraun unb
tiur auf betti Rucken unb an ber Brust elwas btttt'kler,
bie weisien Feberti ber Fusie sinb gefleckl, ber weihe
Schwanz tragt am Enbe eine bratine Binbe. Hinsichllich
bes innerett Banes weicht ber ©teinabler von anberen
Raubtiogeln kanut ab. Der Knochenring seines Auges
(Fig. 1177. A) ift minber tioKfontmen unb flacher als bei
Euleti, bie Krystalllinse (B) soll int frischen Zustanbe
ben schonstett Glanz haben. Am ©chabel (Fig. 1176.)
tritt ber sogenannte, auch anberen Tagraubtiogeln tier-
liehene Brauenknochen sehr Hervor, ber nach oben einen
breilen, ben Augapfel gegett senkrechte Lichtstrahlen
schutzetibeti Schirni bilbet.
2. Dcr KlnigS.idl-r. (Aquila imperialis.) Fig. 1182.
Tie Utiterscheibung bes Konigsablers tiott bent eben
besprochenen ©teinabler ist nur bann minber schwer,
menn man tiott beibett ganz ausgewachsette Jnbitiibueit
tior sich Hat; es ist baher nicht zu tierwunbern, bah beibe
lange Zeit mit einattber tierwechsell worben sinb. Der
Koitigsabler ist uberhaupt tiott kurzerer Statur unb ba-
her fchwerfålligeren Ansehens, Hal långere, bas Enbe
bes ©chwanzes erreichettbe Flugel, mil funf ©chilbertt
bekleibete Zehen, gesteckle Schulierfebern, om Nacken unb
Hinterhalse weihlich rostfarbene, tuinber zuge)pitzte Fe-
bern; bas udrige Gefieber ist int Alter schwarzbraun,
ber Schwanz nicht sehr beutlich gebåttberl unb mit schttia-
lent, weihett Ettbsaume tiersehen. Das Weibchen gleicht
int Allgemeinen bent Månttchen, Hal aber bunklerett Hitt-
lerhals. Die Lange betragt 2 Fuh 8 Zoll, bie Klafter-
weite 6 Fuh. Der junge Vogel ist gelblich, aus Hitt-
lerhals unb Ruckett bunkler, an Bauch unb Brust rolh-
lichbraun långsgestreift unb sonach betti auSgetmichsenen
Thiere burchaus unåhnlich. Das tion ber Lebensari
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