Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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U o o c I.
Erfte (Ord IIung.
des Sleinadlers entworfene Bild papt auch vottkominen
auf den Konigsabler, der nicht allein dem Wilde uberaus
gefahrlich ist, sondern anch Laminer, Ziegen und junge
Schweine randt. Scin eigentliches Naterland liegt sub-
licher als dasjenige der vorhergehenden Art, denn in
England ist er nie, wohl aber in Aegypten und Abyssi-
nien angetroffen worden. In Tyrol nistet er auf hohen
Felsen und den altesten Baumen, wird aber alljahrlich
auch tit Mitteldeutschland und auf deu Gebirgeu Boh-
mens uud Schlesiens geschossen und gilt daher mit allem
Rechte als ein deutscher Standoogel.
II. Seeadler. (Haliaetos.)
Gattungscharakter: Schnabel an der Wurzel
gerabe; Rand des OberkieferS ohne Zahn (Fig. 1184.),
Nasenlocher weit, Halbmondformig, quergestellt. Die
vierte Schwingfeder die langste. Halsfebern schmal und
zugespitzt. Laufe nur bis an die obere Halfte der Fuh-
Wurzel befiedert (Fig. 1185.) ; Zehen ohne Bindehaut,
Kratten unterhalb rinnenformig.
1. Der Weipkopfige Seeadler. (Haliaetos leucocephalus.)
Fig. 1183—1185.
Wenn auch durchschnittlich von geringerer Korper-
grope als die eigentlichen Adler, so sind dårum die zahl-
reichen der Gattung der Seeadler angehorenden Arten
nicht minder gewandte, starte und furchtbare Rauber.
Was ihnen an Majestat abgeht, ersetzen fte durch rustige,
von vieler Kraft und Ausdauer zeugende Beweglichkeit,
denn oft werden sie durch ihren Aufenthalt uber Weiten
Wafferflachen geztvungen, gegett die furchtbareu Sturnte
zu kampfen und sie zu uberwinden, tint die sichernde
Kuste wieder zu erreichen. Man sindet sie uber alle
Theile der Erde vcrbreitet als cin theilweis durch grohe-
ren Farbenglanz vor den anderen Raubvogeln ausge-
zeichnetes, uberall aber in gleicher Weise lebendes Ge-
schlecht. Die beruhmteste Art des Auslandes ist ohne
Zweifel der in ganz Nordamerika anzutreffende toeih-
kopfige Seeadler, der, zunt grohen Verdrusse des vielleicht
zu ideal-republikanischen Franklin, in das Wappenschild
der Vereinigten Staaten aufgenommen Ward. Norzugs-
tveis Hattfig wird er in der Nutgegend der beruhinten
Falle des Niagara gesehen, wo nicht nur Fische in unge-
wohnlicher Menge sich zusammendrangen, sondern auch
auch die Korper der bei dem Hinuberschtoimmen vom
Sirudel ergriffenen Rehe, Bare und Eichhorner nicht
minder ihm als den Geieru ein reiches Mal barbieteu.
Menige der in Nordamerika Heimischen Nogel fuhren ein
von auheren Umstanden so vollkommen unabhangiges
Leben als dieser Adler, der, von der Natur selbst zur
Ertragung der plotzlichsten atmospharischen Wechsel
fahig gemacht, eben so gut von Fischen als von warm-
blutigen Thieren sich uahreu kanu, durch seine unglaub-
liche Flugkraft geschutzt, kaum den heftigsten Stnrm ach-
tet, den Menschen allein zu furchten hat und Willkurlich
aus arkti>chen Gegenden nach den Heihen Provinzen des
Sudens in kurzer Zeit sich versetzt. Man findet ihn da-
her zu atten Jahreszeiten und itt den verschiedenstett
Gegenden, bejonders hattfig aber an den grohett Stromen
und Landseen, weil er den Fischen als Nahrung den
Vorzttg giebt. Bei der Jagd auf diese verrath er seinen
eigentlichen wilden, tyrannischen Charakter, aber auch
lauernde Bedachtsamkeit und dann wieder Kuhnheit,
ein Gemisch von Eigenschaften, welche, nothigenfatts zu-
gleich Hervortretend, ihn zuin unwiderstehlichen Gegner
atter schwacheren Thiere macht. Auf dem abgestorbeuen
Aste irgend eiues grohen Bauines sitzeud, scheint er in
theilnahmlofer Ruhe die weite Flache des Meeres oder
Landsees zu uberblicken und gleichgiltig gegett das Schau-
spiel der uttaufhorlichen Thatigkeit zu feitt, welche die
schneeweipen Moven, die Seeschwalben und Legionen
anderer Noget darbieten, toahrenb sie aus dem utter-
schopflich reielien Meere ihre Nahrung Holett. Sobalb
aber in schwindelnder Hohe, und weite Kreise beschrei-
bettd, ein Fluhadler sichtbar wird, verbreitet sich Leben
uber ben lauerttd Dasitzettdett. Bereit bie Halbgeoffneten
Flugel zu votter Lange auszubehtten sobalb ber rechte
9(ugen61icf gekommen sein wird, verfolgt er ntit glanzen-
dent Auge jetten kuhnen Fischer, ber balb nachher mit
ber Schnettigkeit eiues Pfeiles aus ben Wolken Herab-
schiept unb, tveihen Schaunt hoch emporspritzenb, nitter
ben Wetten verschwinbet. Kanin taucht er wieber auf
mit bent glucklich ergriffenen Fische zwischen ben Kratten,
so versetzt sich ber Seeabler in reihenben Flug, erreicht
balb ben glucklichen, ber Kuste zusteuernben Jager, ber,
seinen Gegner erkennenb, Anfangs bnrch anherste Schnel-
ligkeit zu entkommen strebt, balb aber gezwungen ist, ein
anberes Nerfahren zu versuchen. Er steigt senkrecht
empor unb strengt sich an, uber bem Seeabler zu bleiben,
ber aber, nicht ininber erfahren, bieselbe Slettung zu er-
langen strebt. Langere Zeit banert bieser mit ber erstaun-
lichsten Geschicklichkeit gefuhrte Wettkampf, bis enblich
ber Rauber seine Absicht erreicht, mit einem gefahrlichen
Angriffe von oben broht unb ber Fluhabler verzweifelnd
unb tinter ciitent Schreie ben Fisch fatten laht. Noch
einen Augenblick schwebt ber Sieger, als tvotte er alle
Kraft ansammeln, sturzt aber bann wie ein Blitz Hinter
bem unglucklichen Bewohner bes Massers her, ber sicher
von Neueiit ergriffen wirb, ehe er bas schutzenbe Element
erreicht. Mo fischreiche Fluffe fehlen, greift ber Seeabler
jebe 9(rt von nicht zu gropen Lanbthieren furchilos an.
Milson erzahlt, bah einer sogar ein zehn Tage altes
Latttm gepackt unb, einige Ftth uber bem Boben erhoben,
fortzutragen versucht, allein, bnrch bas Strauben bessel-
bett unb Herbeikvmntenbe Menschen gehinbert, seine tobt-
lich verwunbete Bente habe fallen lassen. Man sagt, bah
alle unb kranke Schaase nie vor ihm sicher seien, bah er
aber auch gelegentlich mit Aas seinen Hunger stille, babei
bie Geier in angemessener Eittfernung zu Halten wiffe
unb Fische sange, inbem er an gattz flachen llserstetten in
bas Masser wabe unb bie undesorgt nahenben bnrch
Schnabelhiebe tobte. Dah er kleine Kinber anzufallen
gewagt, wirb erzahlt, inbessen verbienen solche Sagen
wohl eben so toenig Vertrauen, als bie ahnlichen, in
Deuischlaitb uber einheimische Abler untlaufenben. An-
bubon war an ben Ufern des Missifippi ofters Zeuge
seiner Jagd auf grope Zugvogel. Ein Paar nimmt seine
Stellung anf hohen Baumen entgegengesetzter Ufer, ver-
Halt sich unbeiveglich, ntahiit sich von Zeit zu Zklt durch
einen Heiseren Ruf zur Aufmerksamkeit unb Gedttlb,
schiveigt aber still, sobalb in ber Ferne bas Geschrei ber
toanbernben Fluge horbar toirb. Grohe Schivarme von
Enten ber verschiebensten Arten burfen ungestort unb
ber itaheii Gefahr unbetouht voruberziehen, benn sie
sinb eine zu geringe Bente. Plotzlich erschallt aber bie
trompetenbe Stimme bes Milbschwanes, unb ein kurzer
Ruf bes jenseits lauernben Meibchens forbert ben mann-
lichen Abler zur Thatigkeit auf, ber sich streckt, schnell
bas Gefieber in Orbnnng bringt unb nitter einem Tob
verkunbenben Schrei auf ben schtoerfallig unb tnuhsam
stiegenben Schtointmvogel niebersturzt. Dieser erkennt
alsbalb bie Gefahr unb sucht, von Verztoeiflung ergris-
fen, ihr bnrch mannichfache List zu entgehen, steigt empor,
kehrt in scharfem Minkel tint, sturzt sich Hinab unb strebt
vor Allent bie zu seinent Ungluck nur zu toeit entfernte
Masserflache zu erreichen. Der Abler toeih, bah ihm ber
Schtoan bnrch Tauchen ohne Muhe entkommen tourbe,
unb ztoingt ihn, in ber Luft zu bleiben, inbem er sich
tinter ihn begiebt unb, auf ben Rucken liegenb, ihm mit
scharfen Krallen unb bem getoaltigen Schnabel Munbeit
an Bauch unb Brust beibringt. Nochmals erhebt sich
ber Schtoan in bie Lufte, strengt ben Rest ber balb er-
schopften Krafte zunt letzten Fluchtversuche an, empfangt
aber nach kurzer Zeit auf bie preisgegebene innere Seite
seines Armes einen solchen Krallenhieb, bah ber Flugel
machtlos zusammensinkt unb der schtoere Korper in schie-
fer Richtniig auf bas itachste Ilfer Hinabsturzi. Der
Abler folgt, schlagt bem Schtoane seine Krallen bnrch bie
Rippen bis in bas Herz -A .'.fi'mbet, auk dem Offer
sitzenb, mit lautem Geschrei seinen Sieg bent Weibchen,
toelches, int vollen Vertrauen auf bie Kraft unb Klugheit
seines Genossen, bem Kampfe ruhig zusah unb nun er ft
seinen Platz verlaht, tittt an bem blutigen Mahle Theil
zu nehmen. Diese Verbiubung ber Paare banert das
ganze Leben hinburch ; fast ttiemals sieht man einen bieser
Abler einsant, sonbern immer ist sein Gefahrte, toenn
auch unstchtbar, in ber Nahe, bereit, bie Muhen ber Jagb
zu theilen ober itu Kantpfe Hilfe zu bringen. Die Thei-
lung ber Bente bringt nie Uneinigkeit hervor; vertraglich
friht bas Paar, unb bas brutende Weibchen toirb mit
Nahrung reichlich versorgt. Das Nest liegt getoohnlich
auf bem Hochhervorragenben unb abgestorbeuen Haupt-
aste eines vorzuglich hohen Bauntes, besteht aus Holz-
stucken, Pstanzenstengeln, Erbklohen unb Moos, miht
funf bis sechs Fuh in ber Ottere, toachst burch absicht-
liche Aufschichtung alljahrlich in bie Hohe unb enthalt ztoei
bis vier glanzlos toeihe Eier. Die Brutezeit beginut int
Januar. Die Jungen toerben mit vieler Zartlichkeit ge-
pflegt unb erhalten an Fischen, Eichhornern, Beutelthie-
ren (Opossum), Waschbaren unb jungen Lammern ntehr
Nahrung, als sie verzehren tonnen. Sie beburfen bis
zur Erlangung bes vollen Feberschmnckes minbestens
vier Jahre, bruten aber schon int ztoeiten Fruhjahre.
Der vollig ausgetoachsene Nogel ist int Allgetneinen von
dunkler, in bas Schtoarze ziehenber Chocolabenfarbe;
Kopf, Oberhals, Schtoanz unb obere Schtvanzbeckfebern
sinb toeih, Schnabel unb Krallen eitrongelb.
2. Ter genuine Seeadler. (Haliaetos albicilla.) Fig. 1186.
Der uber bie kalteren unb buntter bevolkerten Gegen-
ben ber norblichen Halbkugel zietulich verbreitete, aber
auch in Deutschlanb uberall bekannte gemeine Seeabler
bleibt hinsichilich ber Korpergrohe burchaus nicht Hinter
bem oben beschriebenen Steinadler zuruck, besitzt aber
nicht benselben leichten unb anf Gemanbtheit beutenden,
sonbern einen plumperen Ban. Der vollig reife Nogel
ist auf Rucken unb Flugeln braunschtoarz, am Kopfe unb
Halse bis zur Oberbrust Herab gelblichtoeih; bie obert.
Schtoanzfebern unb ber Schtoanz sinb reinweih, Fuhe
unb Wachshant Hochgelb, Schnabel eitrongelb. An bent
noch nicht ausgefarbten, jungen Nogel ziehen alle Farben
toeit ntehr in bas Dunkle, bie zngespitzten Kopf- unb
Halsfebern in Kastanienbraun, bie Brust - unb Rnckett-
febern sinb tveih mit breiten, brannen Spitzen, bie
Schtoanzfebern Hald toeih unb halb bunkelbraun. Das
Weibchen toirb burch ettvaS ansehnlichere Grohe unb
helle Farbung kenntlich. Das Gefieber ist uberhaupt
nach Alterstufen so vielen Nerschiebenheiten untertoorfen,
bah junge unb ertoachsene Jnbividuett nicht felten fur
besonbere Arten gehalten unb mit eigenen Nanteit belegt
toorben sinb. In Deutschlanb ist ber Seeabler ein Heritnt-
streifender, auch int kaltesten Winter aushaltenber Stanb-
vogel, ber int Sommer bie Meereskusten besucht, uber-
haupt in ber befferen Jahreszeit Fischen als Nahrung
ben Norzug giebt, burch Kalte an bieser Jagb gehinbert,
Saugethieren unb Nogeln nachstellt, Mause unb Ratten
nicht verschmaht, aber auch an grohe Thiere sich magt,
Haaseit un$ Rehen Schaben thut, sogar tn ben lanb-
lichen Haushalt einbricht, Ganse unb Huhner raubt unb,
vom Hunger geztouttgen, anch Aas nicht liegen laht.
Keinestoegs so getoanbt unb schnell toie ber Steinabler,
silcht er boch mit vieletn Erfolge, inbeitt er sich aus ber
Hdhe auf bie ber Oberstache genaherten Fische Herab-
fallen laht, soll aber bistveilen babei sein Leben verlie.
ren, toenn er seine Krallen in solche einschlagt, bie groh
unb schiver genug sinb, tint ihn in bie Tiefe zu ziehen.
Dah feiiie Angriffe auf Seehunbe oft bieseit verberblichen
Ausgang haben, erzahlt Pattas, ber ihm von ber Wolga
bis in bas ostliche Sibirien unb an bie Eismeerkuste att-
traf. Was er glucklich erbeutet, tragt er auf Baume unb
hohe Uferstetten, unt es ba mit Gemachlichkeit zu ver-
zehren, jagt ttbrigens sowohl bei Tag als bei Nacht, in-
dem ;r int Dunkeln besser sieht als andere Tagraubvogel,
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