Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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38
V o ge l.
Eiste Vrdiiung.
bennoch feine Sungen mit vieler Entschlossenheit verthei-
blge und gewohnliche Feinde um so leichter zurucktrelbe,
als er selbst eine bedeutende Starke befltzt. Die 3 —4
auf grunlichwelhem Grunde mit verwaschenen braunen
Flecken bedeckten Eier werden drei Wochen bebrutet.
Die sehr gestahigen und viel schreienden Jungen erhalten
von beiden Aeltern reichliches Furter, ermachsen langsam
und bleiben Gegenstand aufmerksamer Pslege noch in
den ersten Wochen nach Erlangung des vollen Gefieders.
In Deutschland fallt die Paarungszeit auf die erste
Halste des Marz, in Nordamerika auf die Mitte Aprils.
Richardson beobachtete den gemeinen Bufsard ziemlich
Haufig in den nordwestlichen, nur von Pelzjagern be«
suchten Wildnissen und giebt eine Schilderung seiner
Sitten, die von denjenigen der europaischen 2(rt burch-
aus nicht abweichen. Er verweilt in senen sehr kalten
Gegenden niemals im Winter, kommt Anfang Aprils an
und entfernt sich Anfang Septembers, wo die Sungen
hinreichend erwachsen sind, um den Aeltern nach Suden
folgen zu konnen. — Das alle Mannchen mlht 22 bis
23 Zoll in der Lange, klaftert 4% — 5 Fuh, hat aus-
getriebene, unebene, gelbe Wachshaut, unbefiederte,
gelbe Friste, bis an das Schwanzende reichende Flugel,
Schwing- und Steuerfedern mit weisten Schaften, ge-
raden, Wenig abgerundeten, mit zwolf Querbinden ver-
sehenen Schwanz. Kein anderer einheimischer Raub-
vogel andert in Farbung eben so sehr ab. Man unter-
scheidel mindestens drei Hauptspielarten, eine schwarz-
braune, braune und welhe, die mit Unrecht als besondere
Arten angesehen ivorden sind. Die gewohnliche Farbung
ist oben braun, unten gelblichweih mit braunen Quer-
siecken, am dunkel gebanderten Schwanze ist sie gran.
Sehr felten gleichen sich zwei in derfelben Gegend ge-
schofsene, in demselben Alter stehende und demselben Ge-
schlechte angehorende Bussarde vosikommen. Die Weib-
chen aller Spielarten sind von den Mannchen wenig ver-
schieden, zumal im reisen Alter, die Sungen burchschnitt-
lich mehr gran als braun. Der rauchfuhige Bus-
sard (Buteo lagopus) unterscheidet sich wesentlich durch
die bis auf die Zehen befiederten Fuhe, hat ziemlich ble-
seldeii Sitten Wie der gemeine Bufsard und bewohnt die-
selben Lander, mit Ausnahme Nordamerika's. Sonst
enthalt die Gattung noch sehr viele auslandische aus
allen Welttheilen stammende Arten, die zum Theil weit
lebhafter gefarbt sind als die europaischen, ubrigens in
Sitten ihneii ungemein nahe kommen.
XIX. Wespenbussard. (Pernis.)
Gattungscharakter: Schnabel gestreckt, etwas
zusammengebruckt, Rand des Oberkiefers vollig unge-
zahnt; Zugelgegend dicht befiedert. Laufe vorn netzfor-
mig geschuppt; Zehen lang; Krallen lang, wenig ge-
krummt. Flugel fast bis zum Ende des abgerundeten
Schwanzes reichend ; die dritte Schwingfeder die langste.
1• Ter gemeine Wespenbussard. (Pernis apivoru«.) Sig. 1247. 1248.
Die Gattiing der Wespenbuffarde weicht von allen
anderen derfelben Familie durch die Befiederung der Zu-
gelgegend ab, die sonst entweder ziemlich nackt oder nur
mit steifen Borsten bedeckt ist. Sie umfaht mehrere Ar-
ten, von welchen nur eine im mittleren Europa vor-
konlint, aber uber Ruhland hin nach Asien verbreitet und
in neueren Zeiten auch aus Sndien nach England einge-
sendet worden ist, wo sie selbst austerordentlich felten
vorkommt. Auch in Deutschland ist der Wespenbussard
nirgends sehr gemein ; am Haufigsten wird er im mittleren
Ruhland angetroffen, indein ihm uberhaupt Ebenen mehr
zusagen als bergige Gegenden. Bei un5 kommt er als
achter Zugvogel im Mai an, zieht aber zeitig im Herbste,
etwa um die Mitte Septembers, wieder fort. Seine
Nahrung besteht hauptsachlich aus Snsecten, Snsecten-
larven, Raupen, Schnecken und Wurmern, die mit
Maulwurfen, Feldmaustn, kleinen Vogeln, zumal Nest-
vogeln, und Reptilien nur im Nothfasie vertauscht wird.
Nach Thompson enthielt der Magen der gelegentlich in
Srland getodteten nichts als Reste von Snsecten; Nau-
mann fand in demselben, mindestens zu Anfang Som-
mers, auch Bluthenkatzchen der Birke, niemals aber Hel-
del- und Preuhelbeeren, von welchen sener Vogel sich
nach Ælteren Angaben bisweilen nahren sosi. Blatter klej-
ner Psianzen inogen mit den Snsecten, welche er geschickt
aufzufinden und abzulesen versteht, gelegentlich verschluckt
luerben. Entdeckte Wespennester zerstort er vollig und
friht asie erreichbare Larven, fliegt indessen viel zu unge-
schickt, um Snsecten in der Luft erhaschen zu konnen.
Ueberhaupt entfernt er sich in Sitten, Muth und Bewe-
gung ebenso sehr von den ubrigen, Hoherstehenben Raub-
vogeln als in der Wahl der Nahrungsmittel, ubertrifft
an Traghelt fast die Bussarde und vermag, stundenlang
ruhig sitzend, die zufasiig voruderziehende Bente zu er-
luarten, die er, so geschickt wie der Stelzenadler laufend,
mehr zu Fuh als fliegend versolgt. Er ist stig, scheu,
fliegt niedrig, beraubt asiein die Nester kleiner und
schwacher Vogel, vermeidet den Kamps mit asien irgend
grohen oder starken und wird daher von Krahen nicht
nur erbittert verfolgt, sondern auch vertrieben. Sein
Nest legt er auf den Gipfeln der Hochsten Baume an,
umgiebl eS mit grunen Zweigen und futtert es mit
Wolte, Haaren und ahnlichen weichen Substanzen. Es
enthalt bis drei rostgelbe, dunkelrothbraun gefleckte
Eier von langlicher Gestalt. Die Sungen werden mit
Raupen aus dem Schlunde der Alten gefuttert und be-
durfen lange Zeit zur Erlangung vosier Reife. — Das
erwachsene Mannchen giebt dem gemeinen Bufsard an
Gtohe wenig nach; bie Gestalt ist schlanker, ber Kopf
aschgrau, an ben Seiten braunlich, Kehle unb Vorber-
Hals weih, bieser schwarz gestrichelt, Brust gelblichweih,
braun guergefleckt, Hinterhals unb Schultergegenb bun-
kelbraun, ber abgerunbete Schwanz braun mil zwei buu-
keln Ouerbinbeu unb weihein Enbsaume. Die Fuhe
sinb gelb, bie Schwingfebern braun unb verschieben ge-
banbert unb gefleckt. Spielarten kommen auch Hier
haufig vor. Das Weibchen ist einfacher, oben buster
braun, unten weih mit braunen Querflecken.
Sechste Familie.
Weihen.
Ein auherlicher, sehr bemerkbarer Unterschieb zwi-
schen ben Weihen unb asien anberen Familien ber Tag-
raubvogel liegt in ber Befieberung bes Kopfes. Ab-
stehenbe, im Kreise gestesite, langere Febern unigeben
bas Gesicht wie ber ahnliche Schleier ber Sulen unb ver-
leihen ben Weihen ein sehr besonberes Ansehen. Der
Schnabel ist klein, zusammengebruckt, ber Oberkiefer von
ber Wurzel an gekrummt, an seinem Ranbe mit stump fem
Zahne versehen; bie Nasenlocher haben eine eiformige
Gestalt; bie LÆufe sinb lang unb blinn, bie Zehen mittel-
mahig mit wenig gekrummten, spitzigen Krallen; bie
Flugel, an welchen bie britte Schwingfeber bie langste
ist, erreichen fast bas Enbe bes geraben, abgerunbeten
Schwanzes. Das Gefieber liegt meist lose am Korper
an unb zeichnet sich burch eine, an bie Sulen erinnernbe
Welche aus. Weihen fliegen mehr unb besser als Bus-
sarbe, schlechter als Sbelfalken unb Habichte, bewohnen
moorige Haibestrecken unb uberhaupt wasserrelche Gegen-
ben, revleren an Ufern unb aufWasserflachen fast mit ber
Regelmahigkelt elnes Sagbhunbes, jagen bis zu Sintrltt
ber Nacht, ergreifen ihre Bente geschickt mit ben Krallen
sowohl auf bem Lanbe als auf bem Wafser, nahren sich
von kleinen Saugethieren, int Sltzen ober Laufen ein-
gefangenen Vogeln unb von Reptilien, niemals aber
von stag, fliegen leicht unb ohne bemerkliche Anstren-
gung, inbefsen niemals sehr hoch, unb nisten an ber Srbe
zwlschen Binsen, Farnkrautern unb Schilfgrasern.
1. Tie Rohrweihe. (Circus rufus.) Fig. 1249. 1250.
Sowie bie grogeren Bewohner bes Gewasser von
ben See- unb Fluhablern aufgesucht werben, so fallen
bie kleineren in bie Gewalt ber in wasserarmen Gegenden
nle anzutreffenben oder nicht langer verwellenden Weihen.
Kelne Schlcht von Geschopfen soll ohne ihre naturlichen
Feinde und in ihrer Vermehrung ganz unbeschrankt sein.
Die Nester der Schwlmm- unb Wabevogel sinb ben An-
griffen ber Welhen bestanbig ausgesetzt unb konnen bei
asier Aufmerksamkelt unb bem Geschrei ber Alten nicht
immer vor Plunberung geschutzt werben. Die Rohrweihe
ist in ihrer Art nicht minber rauberisch unb eben so kuhn
als mancher weit groherer Falk; sie weih burch asierlei
List unb burck Neberraschung anbere kluge unb scheue
Thlere zu tauschen unb verbringt den grohten Theil bes
Tages emsig herumfliegenb unb bem Ranbe nachspurenb,
ohne viel auszuruhen unb ohne zu ermuren, wenn sie
auch mehrmals Hinter elnanber mnsonst herabstoht unb,
ihre Bente verfehlenb, umzukehren genothigt ist. Wah-
renb ber Brutezeit ledt sie von Slern, bie sie geschickt
offnet unb leert, ohne ben Snhalt zu verschutten, unb
zwischeit bem Getralbe eden so aufsucht, wie zwlschen
bem Gerohrig groher Sumpfe ober in ben Gipfelit ber
Baume. Fehlen blese, so ertourgt sie ble Nestvogel, unb
zu anberen Zeiten verfolgt sie Heinere Wasservogel, bie
ihr nicht leicht entkommen, Fische, Reptilien unb seldst
kleine 9^^get^iere, Maulwurfe unb junge Haasen. Nach
Naumann beruhrt sie niemals tobte ober gar verfaulte
Korper; Montagu sah Hingegen in England neun Rohr-
luelheit auf elnem tobten Schaafe sitzen unb Bissen gierig
adrelhen. Sn Caermarthenshire in Wales ledt sie beson-
bers von ben bort ungemein Haufigen Kaninchen. Man
degegnet ihr minbestens in ben meisten Lanbern Suropa's,
vor asien in ben sumpfigen Maremmen von Stalien und
in Hollanb, auherbem ist sie in Asien unb Vkorbafrika
angetroffen worben. Auf bem europaischen Sontinente
erscheint sie als Zugvogel im Marz unb zieht im August
von bannen, in Snglanb unb bem sublichen Frankreich
verbringt sie als Stanbvogel bas ganze Sahr. Gedirgige
unb baher an grohen Sumpfen arme Gegenben verinei-
bet sie. Shr Nest erbauet sie ini Monate Mai zwifchen
ben Weibengebufchen unb bem Uferfchilfe groherer Teiche
ober Sumpfe aus Rohrstucken unb bergleichen Stoffen,
ble so unorbentllch ubereinanber geschlchtet sinb, bah sie
ben grunlichwelhen Siern unb Sungen ost kaum Hin-
reichenben Schutz gegen elnbringenbes Waffer gewahren.
— Das alte Mannchen mlht 2I Zoll in ber Lange, klaf-
tert gegen 4 Fuh unb ist weit schmachtiger als bas
Weibchen. Sein Gefieber anbert debeutenb je nach ber
Sahreszeit. Nach ber Fruhlingsmauser ist es auf
Hinterhals, Rucken unb Schultern bunkelbraun, an
Vorberhals unb Brust gelblichweih mit Derbreiterten
Schaststrichen, an Bauch, After unb Oberschenkeln rost-
braun, an ber Kehle weih, ben Wangeii braun, auf bem
weihen Oberkopfe braun gestrichelt. Der Schleier ist
weihlich, ber Schnabel blaulich, an ber Spitze schwarz,
Wachshaut unb Sris gelb, ber Schwanz weihgrau. Die
an jungeren Vogeln grunlichgelben Fuhe werben an
alten bunkelgelb. Alte Weibchen gleichen ben Mannchen.
Sunge Mannchen haben braune Sris, rostgelben Scheitel
unb Hinterhals unb eln im Allgemeinen chocolabenbrau-
nes Klelb. Spielarten kommen so haufig vor, bah eine
Reihe von Rohrweihen verschiebenen Alters unb aus
verschiebenen Gegenben stammenb ble frembartigsten
Farbenanberungen barbletet.
II.
©eiernøgt i.
Geier.
Die Geler unterschelben sich von ben ubrigen Tag-
raubvogeln burch ihr allgemeines auheres Ansehen in
sehr auffalliger Weise. Nicht allein ist ihr Kopfim Ver-
Haltnisse zu bem grohen unb plumpen Korper klein, son-
bern, wie ber grohte Theil bes Halses, unbefiebert, theil-
wels ganz nackt unb mit Warzen ober Flelschlappen
desetzt ober nut mit kurzen, bunenartigen Febern beklei-
bet (Fig. 1251.). Den Unterhals umgiebt gemelnlich eln