Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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U o g c i.
Erfte Vrdnllng.
von der Natur selbst gebraubmarftes Gcschopf barzu-
stellen. Was lrgend die Natur schaffle, entspricht immer
irgend eliter, wenn auch dem Menschen verborgenen Ab-
sicht und unterliegt allgemeinen, eben so unab^nderlichen
als weisen Gesetzen. Die Mangel und Vollkommenhei-
ten, die Laster und Tugenben, die wir, nuf dupere Er-
scheinungen gestutzt, den Thieren beimessen, sind felten
mehr als Erzeugiiiffe unserer Vorurtheile und eines un-
richtig oder sogar nngerecht angewendeten Maahstabes.
Die Feigheit des gesrahigen Geiers ist eben so Wenig
mit jener eigentlichen Feigheit zu verglcichen, die Wir am
Manne mit Verachtung strafen, als die Kuhnheii und
Raubsucht des Adlers mit uberlegenbeni Muthe und mit
Tapferkeit auf eine Stufe zu stellen.
Die geographische Vetbreitung der Geier reicht ziem-
lich uber die ganze Erde. Nur in Holland sehlen sie und
Werden durch Arten der Gattung Caracara (S. 27) ver-
treten. In aqnatorialen Landern haufiger, sehlen sie
auch den falleren nicht, gehen aber auf der nordlichen
Halbkugel selten uber den 48 — 50° n. Br. Hinuber.
Gewohnlich bewohnen sie ebene Gegenden, und einige
Weileti, wo sie gednldet oder gar gefchutzt werden, in der
Mitte start bevolkerter Stadte. Menige ziehen hohe
Gebirgsketten oder dichte tropische Urwalber vor, um sie
nur auf kurze Zeit zu verlasfen. Die im Norden Heimi-
schen furchten die Kalie und wandern zeitig im Herbste
nach dem Suden. Auf der sudlichen Halbkugel giebt es
indessen Arten, welche mehr Unempfindlichkeit zu Tage
legen. Der chilenische Huhnergeier ist auch nn der Ma-
galhaeitsstrahe hansig und in den letzten Jahren sogar
auf der Jnsel des Cap Horn entdeckt worden, wo er sich
allein von ausgeivvrseneii Seethieren nahrt. Der Con-
dor haust fast das ganze Jahr in den fchneebedeckten Ån-
des und sinkt nur gelegentlich nuf die Ebenen der Kusten
nieder. — Die Meibchen der Geiervogel legen gewohn-
lich nur zwei bis Hochstens vier Eier. Beide Aeltern
ndhren ihre Jungen mit dem im Kropfe angefnmmelten
und Hervorgewurgten Futter. Die Maufer sindet nur
Einmal jahrlich Stntt und verleiht den erwnchfenen Jn-
dividuen beider Gefchlechter ein fast ganz gleiches Kleid.
Junge Vogel sind Hingegen so mannichfachen und zum
Theil befremdenden Wechfeln der Farbung unterworfen,
bnf) vielleicht feilte Gruppe von Vogeln eine mehr ver-
wickelte Synonymik und mehr Verwechselung aufzuwei-
fen Hat als diejenige der Geiervogel. Die Zahl der in
ornithologifchen Schriften aufgefuhrten Arten ist aus-
fallend grosi und erklart sich aus den Fnrbeverfchieden-
Heiten, die zum Theil nur Spielarten nndeuten mogen,
deren Grauzen noch Niemnud gennu anzugeben vermocht
Hat. Die Meibchen verrathen sich ausieriich durch an-
sehnlichere Grohe.
I. AaSgeier. (Neophron.)
Gattungscharakter: Schnabel lnug, dunn, ge-
gen die Mitte etwns nufgetrieben; Nafenlocher eiformig,
minder fchief gestellt (Fig. 1251.). Kopf nackl; Hnls befie-
dert. Korpergrosie mittelmahig.
1. Der igyptischeAasgeier. (Neophron Percnopterus) gig. 1252. 1253.
Man nininit gewohnlich den dgyptischen Aasgeier in
die Verzeichnisie deutfcher Vogel auf, weil er einigemal
in Jllyrien und dem sudlichen Tyrol geschossen worden ist.
Streng genommen tonnen solche Individuelt nur als ver-
irrte angesehen werden, denn die uber ganz Nordafrika
verbreitete und von da bis in das ticfe Jimere der Welt-
theile vorkommende Art scheint an der Nordkuste des iitit-
tellandischen MeereS ihre eigentliche Granze zu erreichen.
Schon im sudlichen Frankreich nicht Haitfig, wird sie um
Gens nur von Zeit zil Zeit gesehen. Im mittaglichen Spa-
nien sindet sie das Klima ihres eigentlichen Vaterlandes
wieder, denn in der Nahe von Gibraltnr erscheint fle schaa-
renweis, und ein englischer Reisender snh, wie viele dieser
Aasgeier in der Nahe von Sevilla dem Pfluge folgten und
nach Art der Krahen aus den umgesturzten Schollen Jn-
seetenlarven Herauslasen. Dasi sich im Oetober 1825 ein
Paar nach Somersetshire in England verstog, von wel-
chem das Mannchen erlegt ward, galt unter den bortigen
Ornithologen als seltsames Ereignih. Im sudostlichen
Europa, in Malta, bem Archipel und ein igen Gegenden der
Turkei ist dieser Vogel eben so genuin wie in Aegypten
und derLevante, wo ihm die Strasienreinigung ubertragen
zu sein scheint, ein Geschaft, welcheS er vertraglich mit
Pariah-Hunden (Bd. I. S. 67.) theilt. Seine nutzlichen
Dienste fanden zu allen Zeiten volle Aiterfettuung; schon
die alten Aegypter haben ihn nuf ihren Denkmnlern Hdu-
fig dnrgestellt, und der, in mehreren eutopaischen Sprachen
ihm gegebene Nanie Phnrnonshuhn deutet nuf feine ut-
alte Beknnutheit unter feefnhrenden Volkern. 9118 treti er
Begleiter der Caravnttett zieht er von Stadt zu Stadt, be-
fucht ungefcheuet die Hofe der Fleifcher und die Abrattm-
platze, befeitigt uberall unreinlichen Wegwurf und wird
gegen jede Verfolgung so erttstlich geschutzt, dah unter An-
derem in Cairo nuf seitter absichtlichen Toblung eine Hnrte
Strafe steht. In nnderen Landern von Afrika und Asien
geniesit er nicht diefelben Vorrechte. Aus bewohnten Ge-
genden verbreitet er sich uber die Wusteit in der Richtung
der Caravnnenstrasien, haust in der Nahe derfelben das
ganze Jahr und sindet an ben umgekommenen Menschen
unb Laflthieren reichliche Nahruug. Seine langen unb
grosien Flugel geben ihttt eine erstaunliche Flugkrast unb
gestatten ihm, sich bis in bie nusiersten erreichbaren Hohett
zu erhebett. Biit Futter vollgestopst, vertnng er kanut bem
lausenben Menschen zu entkommen unb wurbe leicht zu
erhaschen sein; inbessen katttt solchen Versuch nur ein lei-
benschaftlicher Ornitholog tuachen. Nicht allein burch-
bringt ein surchtbnrer Aasgeruch bas ganze Gefieber, fon-
berit wie bei anberen Geierit strotttl aus seineit Nasen-
lochern zu jeber Zeit eine stinkenbe Flussigkeit; geangstigl
speiet er ben entsetzlichen Jithalt seines Kropfes nuS.
Nach Bruee soll er mit bem in ber Bibel erwahniett Vo-
gel Rachamah ibentisch sein; noch Heutzutage tragt er in
Aegypten unb Arabien biesett Natiten. An Grosie gleicht
er bem Flusiabler, ntipt gegen 28 Zoll unb klaftert 5 Fuh.
Der ganze Korper unb ber Schwanz sittb schmutzig weisi,
gemeinlich bttrch Schmutz sehr verunreinigt, bie groheren
Schwungsebern rusischwarz, Vorberkops, Wangeit unb
Kehle mit ttackler, grunlichgelber Hnut bekleibet, bie Au-
gett butikel. Im Verhaltnisse zttr Korpergrosie ist ber
Oberschttabel schwach unb bunn, vorn zusnmmengebruckt,
bis zur Mitte mit Hochgelber Wachshaut umschlossen; er
geht nach vorn in eineit kurzen, steil nach tinten gekrumm-
ten Hackett uber unb hat gerablittige, scharfe Kieferratt-
ber. Die Fusie sittb hoch, stark, ttetzfortttig geschilbet,
brattttgelb. Nestvogel iragett am gattzen Korper, ben
Kops nicht attsgettommen, weisigraue Dttttenfebern; spater
erhalten sie ein umberbrattttes Kleib, welches bei jeber
folgenben Mattser att Helligkeit gewinnt unb enblich ganz
weisi wirb. Das in Felsspalten angelegte, aus rohett
Hvlzstuckeit unb Aestett ausgeschichtete Nest enthalt brei
bis vier schmutzigweisie, ungesteckte Eier ttttb ist, Wenn
auch seliett, in ben Wanbett bes Berges Salbve unserit
Gettf entbeckt worden. Die Felsett um Theben sollett
grosie Colonien solcher Nester bergen.
II. Huhnergeier. (Cathartes.)
Gattungscharakter: Schnabel verlangert, ge-
rade; Nasenlocher schtttal, eiformig, fast spaltahitlich,
Horizontal, ber Schnabelfirste parallel. Kopf unb Hals
naekt unb ohtte Kamme ttttb Fleischlappen. Alle Zehen
mit Binbehaut.
1. Ter rothkopfige Huhnergeier. (Cathartes aura.) Fig. 1250. 1257 a.
Die Aura, Jota unb Gallinazo ber fpanischen Ame-
rikaner, bie Truthahngeier (Turkey Buzzards) ber Norb-
amerikaner stub lange verwechselt unb fur eine von Neu-
jerfey bis zum Feuerlanbe verbreitete Art gehalteit worbett.
Nettere Vergleichungeit haben inbessen erwiesen, basi sie
miltbestetts in zwei gut verschiebene Species zersallen, bie,
nicht burch scharfe geographische Granzen geschieben, dett-
ttoch nicht gemeinsam bieselben Ldttber bewohnen unb mehr
burch Langengrabe als burch bie Breite beschrankt scheittett.
Ob von' ben Beobachtern uberall Mipverstditbitisse ver-
ntiebett worbett, steht bahitt ; minbestens Hat bie Verbrei-
tuttg, wie sie jetzt geschilbert wirb, etwas burchaus Ntt-
gewohnliches. Stad) Wilsoit unb anberen tiorbamerika-
nischep Ornithologen lebt ber rothkopfige Huhnergeier ge-
sellig, schlast mit anberen reihenweis nuf ben breiten
Aestett niter Battnte unb sitzt bis lange nach Sonnenauf-
gang mit weit nusgespaunteit Flugeln, uitt sich vom
nachtlichett Thntte irocktten zu lassett. Spat begiebt er
sich nus bie luftige Wanberttttg ttttb steigt bnitit, zuntal,
wenn ©turine in Attzug sittb, bis zu Hohett Hinaitf, wo
er bem unbewaffneten Auge wie ein schwarzer Ptinet er-
scheint. Ueberhaupt ubertrifft er burch Flugsertigkeit
maitche seitter Verwanbten, gleicht ihitett aber burch Un-
behilstichkeit im Erhebett vom Bobett. Seine Paarungs-
zeit fallr, minbestens in Reujersey, auf ben Monat Mai.
Er lasit sich battn in ben tvalbigen Sumpfen Hauslich ttie-
Der, battet aber keitt eigentliches Rest. Das Meibchett
legt seine brei bis vier weisilichen, besonders gegen bas
bide Ettbe brattit unb schtvarz gestecklett Eier in bas hohle
Enbe eines umgebrochenen Baumstantmes unb tvirb von
bem Mailnchen sorgsaltig bewacht. Bleibt ein Paar
lange Zeit ungestort, so brutet es an demselben Orte
mehrere Jahre. Junge unb Alte haben bie gleiche Ge-
wohuheit, auf Jeben, ber sich bem Neste itaherl, ben stitt-
kenben Jtthali ihrer Kropfe auszuleeren. Darwitt tvill
att ber Westkuste Patagoniens benfelben Vogel gefnnbett
Hal'ett, ben er jeboch als ungefellig beschreibt. Er soll
hochstens paarweis angetroffen werbett unb katttt tttir von
tobteit Seethieren leben, iitbem bie oben ttttb unsrettnb-
lichett Walbinselit jetter Gegettb kaunt Lanbsaugthiere ettl-
Halten. Das reichste Futter bieteit ihm bie zahlreichen
Seehuitbe. Wo biese regelmapig an bas Lattb gehen, tint
sich zu sonnen, fann man sicher sein, rings umher Batinte
unb Felsett mit Huhitergeiern besetzt zu sehett. Auch Wa-
terton bemerft von ben von ihm iti Guyana beobachteten
Vogeln berselben 'Art, basi fte als eigentlich gefellige nicht
fuglich zu betrachten seiett, inbem sie feittesweges Colonien
Wie Krahen bilbett, soitberit mehr burch Zttfall zttfain-
menfommen, tvenn lrgenbwo ein todter Korper sie Her-
beilockt. Diese Erflariing hat Viel fur sich ttttb fiitbet ntiit-
bestetts auf bie in Europa Heitnifchen Geier vollstanbige
Anwenbbarfeit. Der Aura ntipt 2 Fusi 6—10 Zoll in
ber Lange. Die allgemeine Farbe bes Gefiebers ift glatt-
zettb brattnschwarz mit grunlichem Schiller; ben langen,
fchwachen, tttir att ber Spitze steil ttttb fttrz ubergefrumm-
ten, fleifchfarbettett Oberschttabel burchbohren lange, mehr
spaltsormige als ovale Nasenlocher; bie Aitgeit ftnb bun-
fel, Kopf unb Seiiett bes Oberhalfes bis eineit Zoll uitter-
halb ber Ohrenoffnung mit rothlichgrauer, ruuzlicher,
furzborstiger, feitte eigentlichen fleifchigen Matzen ober
Lappen tragenben Hatit fefleibet. Vom Hinterfopfe lattfi
bis zu ben Unterhalsfebern ein breiter Streif rttsischwar-
zer, fttrzer Flaumfebern; Vorberhals ttttb Kopf ftnb ganz
uackt. Der Schwanz ist abgestuft. Der fungere Vogel
wirb burch fchmutzigviolett-rothlichen Kopf erfennbar.
2. Der schwarzképfigc Huhnergeier. (Cathartes atratus.) Fig. 1257b.
Die zweite 9(rt bon schwatzen anterifanischen Geiern
warb ztterst von Molitta unter bem Natiten Jota beschrie-
bett, nachbem Nlloa ihrer um vierzig Jahre fruher schon
gebacht hatte, ohne sie von ber rothkopfigen Art zu ttn-
terfcheiben. Azara, Marimiliatt von Wieb, Darwitt unb
Wilsoit haben spater zu ihrer Naturgeschichte ansehuliche
Beitrage geliefert. Es geht schon aus biefent Namens-
verzeichttisse von Schriststellern Hervor, bah jetter Geier
in weit von eittanber entfernten Gegenben angetroffen
worbett sein ntuh. In ber Thai sieht man ihn zahlreich
die Strasien ber Stabte von Carolitta unb Georgien bttrch-
streifen oder ruhig auf Hausbachern sich sonnen, bie er
schleunig verlaht, sobalb lrgenbwo ein tobtes Thier ihm