Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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Voge l.
Zweite Ordnung.
Jnnere des Nestes verhalt sich wie bel anbereu Schwalben.
Die Hohe deffelben betragt gegen 7 Zoll, der Horizontale
Durchmesser 8 Zoll. Bald nach Herstellung der Woh-
nung legt das Weibchen 4 — 6 dunnschalige, reinweihe
Eier, bebrutet sie gegen 12 Tage und wird in der Zwischen-
zeit vom Mannchen mit zugetragenen Jnsecten ernahrt,
verlast aber auch das Nest, um fur sich selbst zu sorgen,
wenn es dem ubrigens zartlichen Genofsen nicht gelingen
will, Nahrung in Hinreichender Menge Herbeizuschaffen.
Beide Aeltern tragen mit feltener Unermudlichkeit den
immer Hungernden Jungen das Futter zu, stecken ihnen
Anfangs die zerrissenen Jnsecten in die weit geoffneten
Schnabel und sahren fort, sie im Fluge zu fnttern, wenn
sie schon erwachsen genug sind, um den Alten auf kurze
Entfernungen folgen zu tonnen. Im Nesie herrscht grohe
Reinlichkeit, indem die Aeltern die Auswurfstoffe der Jun-
gen sorgfaltig beseitigen. Von den Vogellausen, die in
besonderen Arten auf ihnen vorkommen, sich zu befreien,
gelingt ihnen jedoch nicht, denn bisweilen sind die Nester
so erfullt mit diesen uberaus Hahlichen Jnsecten, bah man
nicht begreift, wie die zarten Jungen die Plage und die
Aussaugung ertragen. Die znr Nahrung dienenden Jn-
secten werden im Fluge gefangen und gehoren mehrentheils
der Ordnung der Zweifluger an, indem die Bedecknngen
groherer Kafer zu Hart befunden werden; im Sitzen frist
keine Hausschwalbe, und wenn sie am Boden Hinsireichend
und gelegentlich anhaltend bemerkt wird, so mag dieses
eben mit dem Fange sehr kleiner, vielleicht ntuckenartiger
Jnsecten zusammenhangen, die bei gewiffen Witterungs-
zustanden ties an der Erboberflache schwarmen, statt Hoch
empor zu schweben. Sowohl im Fluge als bei dem Fut-
tern der Jungen wird die Stimme horbar, die recht froh-
lich klingt, aber den Namen des Gesanges nicht verdient.
An Flugfertigkeit giebt die Hausschwalbe teiner anderen
etwas nach; der Flug ist ubrigens gleichformiger als bei
der Rauchschwalbe, und plotzliche Wendungen kommen
wahrend deffelben feltener vor. Wenn die zmeite Brut
etwa Ende August gros gezogen ist, nimmt das genaue
Hausliche Leben ein Ende ; die Paare trennen sich, die Ein-
zelnen scheinen zum Schluffe ihr Leben geniesen zu wollen
und fliegen haufiger und anhaltender Herum als zu ande-
ren Zeiten. Jndeffen nimmt dieser Genus der Unabhan-
gigkeit gar bald ein Ende. Die gewohnlichen Vorbedeu-
tnngen der erwachenden Reiselust werden bald bemerkt,
das frohliche Umherstreifen verwandelt sich in Unruhe,
die Gesellschaften, die rathpflegend oder ihre Krafte ubenb
sich zu versammeln pstegen, wachsen so an, dah bisweilen
Tausende ein Kirchendach bedecken, bis endlich an einem
Abende das Heer aufbricht. In Dentschland dnrste man
in der zweiten Halfte Septembers schwerlich gesund zuruck-
gebliebene Hausschwalben antreffen; um so sonderbarer
ist es, dah White und andere Naturbeschreiber Englands
die Abreise von dort in die zweite Halfte Oclobers setzen
und als letzten Termin den 6—8 November annehmen.
— Die Hausschwalbe ist oben glanzend schwarz, unten
und am Burzel reinweih, an Fusen und Zehen
dicht befiedert, uberhaupt durch Farbung leicht kenntlich
und dabei kleiner als die Rauchschwalbe. Der Schwanz
ist ubrigens minder ties eingeschnitten und nicht so gabel-
formig als bei jener. Mannchen und Weibchen laffen sich
anherlich taum unterscheiden; junge Vogel sind nur blei-
cher als die ausgefarbten alten, Spielarten nicht selten.
4. Die Uferschwalbe. (Hirundo riparia.) gig. 1316 c. 1320.
Die Uferschwalbe, die kleinste der in Dentschland vor-
kommenden, theilt nicht die lebhafte, wenn auch einfache
Farbung der beiden anderen, denn sie ist oben graubraun,
an Kehle und Brust weih, hat kleine, schwache, ganz un-
befiederte Fuse und einen kleinen, aber sehr spitzigen (Fig.
1320.) und ungemein Harten Schnabel. Der letztere ge-
wahrt ihr das Mittel zur Anlegung des Nestes an den
sichersten Orten. Findet sie keinen Spalt oder sonst eine
naturliche Oeffnung in Felsen, alten Mauern, sandigen
Fluhusern, lehmigen Abhangen oder hohlen Baumen,
die sie zur Anstedelung allein auswahlt, so grabt sie eine
solche aus, ohne jemals ihre Muhe an ein loses und leicht
nachsturzendes Erdreich zu verschwenden. Munderbar
bleibt es immer, das bei so kleinem Korper und geringer
Muskelkraft und mit so einsachem und scheinbar unvoll-
tommenen Werkzeuge, wie der Schnabel zu fein scheint,
diese Schwalben ellenlange Canale ini Lehm ausgraben und
nach Hinten in Halbkugelige Kammern erweitern konnen,
die, mit allerlei weichen Stoffen ausgefuttert, das eigent-
liche Nest darstellen. Was die Korperkraft versagte, er-
setzt in diesem Falle Geschick nnd Unermudlichkeit. Stun-
denlang hangen die kleinen Arbeiter an der Lehmwand,
ein Schlag des scheinbar schwachen Schnabels folgt ohne
Unterbrechung dem anderen, und wenn endlich Raum fur
den Korper gewonnen ist, werden die Fuse angewendet,
um scharrend und kratzend das umgebende Erdreich abzn-
losen und ans der schnell wachsenden Rohre Hinauszusor-
dern. Mannchen und Weibchen unterstntzen sich trenlich
und geben nur dann die Arbeit auf, wenn vielleicht
im Jnneren eine Baumwurzel oder ein groser Stein das
weitere Vordringen verhindert, verlieren aber den Muth
nicht, sondern beginnen von Neuem und in kurzer Ent-
fernung vom Orte des mislungenen Versnches. Bisweilen
haben diese engen, bald geraden bald etwas gekrummten
Rohren die Lange von 5 Fuh. Im Vorzuge werden fur
die Nester solche Wande oder schroffe Abhange gewahlt,
die, ein Flusufer ausmachend, von unten nicht zngang-
lich sind und daher gegen Raubthiere vollige Sicherheit
gewahren. Der alten Schwalben anhangende Trieb nach
Geselligkeit zeichnet auch diese aus. Fast niemals siedelt
sie sich vereinzelt an, sondern sie nimmt colonienweis von
geeigneten Orten Besitz. In Cheshire in England giebt
es sandige, schroff abfattende Hugel, beren Seiten, von
der Userschwalbe vottkommen minirt, wie Siebe durch-
lochert aussehen, und am Jrtisch sah Pallas dergleichen
Riederlaffungen von solchem Untfange, dah er nieinte, die
Zahl der durch einen Schuh erschreckt Hervorsturzenden
Bewohner mit Richts treffenver vergleichen zu konnen, als
mit einem Fliegenschwarme. Die im Fruhjahre ankom-
menden Paare suchen gewohnlich ihre vorjahrigen Rester
wieder auf, und die im vergangenen Jahre Ausgedruteten,
die nun zum ersten Male einen Haushalt errichten, siedeln
sich in der Rahe an. Wird dieColonie zu groh, so schei-
nen sreiwillige Trennungen zu geschehen und neue Gesell-
schaften sich zu bilden, die irgendwo eine eigene Riederlas-
sung begrunden. Deutsche Beobachter schildern die Ufer-
schwalbe als einen zartlichen, gegen Kalte sehr empsind-
lichen Vogel, der im Fruhjahre spater als seine Verwand-
ten ankomme, selten vor Anfang Mai's gesehen werde;
englische behaupten gerade das Gegentheil und nennen als
Zeit der Ankunft die zweite Halfte des Marzmonats. Wie
viel milder das Klima Englands auch sein ntoge, so bleibt
doch eine so bedeutende Verschiedenheit schwer zu begreifen.
Man mochte fast vermuthen, dah in diesem Falle eine
fehlerhafte Beobachtung der Zeit zu Grunde liegen ninffe,
indem eine Verwechselung des Vogels selbst nicht moglich
ist. Der Weggang erfolgt in Deutschland schon im
August, und daher ist die Zeit des Aufenthalts zu kurz,
um mehr als eine einmalige Brutung zu gestalten. Der
Flug geschieht schnell, aber selten in sehr bebeutenden
Hohen und Hat etwas eigenthumlich Schwankendes, was
von den spanischen Landleuten ganz gut aufgefaht worden
ist, indem sie die Uferschwalbe mit dem Ramen Mariposa
de montana , d. h. Bergschmetterling, belegen. Gegen
Abend, oder wenn Regenwetter im Anzuge ist, schiehen
ganze Fluge nber den Teichen und Flnffen Hin und Her,
streisen die Wasserflache nur mit den Spitzen der Schwing-
federn oder tauchen den gaiizen Korper unter, gankeln,
necken sich und entwickeln die wunderbarste Gewandtheit.
In Valencia werden Nferschwalben regelmahig zu Markte
gebracht, in Dentschland wohl nirgends gegessen, obgleich
sie im Herbste sehr felt find.
5. Dir Klippenschwalbe. (Hirundo rufa.) Fig. 1321.
In Landern, wo Kultur uberhaupt neueren Ursprungs
ist und noch immer fortfahrt, Wildnisse umzugestalten, Hat
man bisweilen Gelegenheit, wahrznnehmen, wie Thiere
sich den fruher nicht gekannten Menschen anschliehen, vor-
ausgesetzt, dah fte uberhaupt zu Gattnngen gehoren, wel-
chen ein naturlicherTrieb zur Geselligkeit beiwohnt. Die
Cliff-Schwalbe der Nordamerikaner, welche Audubon
die republikanische genannt hat, liefert hiervon ein merk-
wurdiges Beispiel. Sie ward zuerst in den westlichen
Gegenden der Vereinigten Staaten entdeckt, wo sie men-
schenleere Wildnisse bewohnte, naherte sich bald den An-
siedlern, leritte die Gesellschaft schatzen, begann sich ostlich
auszubreiten und ist zuletzt bis in die dichter bevolkerten,
ihr eigentlich vollig fremden Gegenden des Staates New-
Vork vorgedrnngen. Solche Ereignisse sind in berThier-
welt allerdings selten, denn mehrentheils wirkt der Mensch
auf fle nur insofern umandernd, als er bei seinem Vor-
dringen in die Wildnih sie vertreibt oder ausrottet. Wie
alle Schwalben der nordlichen Halbkugel zieht auch diese
im Winter nach tropischen Landern und bringt nur die
Heinere Halfte des Jahres unter den gemahigten Breiten
zu. Sie erscheint im April und nistet gesellig. Ihr Nest
ist vollig shmmetrisch und stellt eineHalbkugel dar, welche
an der angehefteten Bodenflache 5 Zoll im Durchmesser
hat und nach oben durch eine kurze, etwas nach unten ge-
krummte und rohrenartige Verlangerung zuganglich ist.
Es besteht wie gewohnlich aus wohlverbundenen Kluntp-
chen von Lehm, enthalt trockenes Gras und Strohhalme
als Unterlage der vier weisien, braungefleckten Eier und
wird in drei bis vier Tagen fertig, obgleich die kleinen
Arbeiter nur von der Morgendammerung bis Mittag thatig
sind und den Nachmittag auf die Jnsectenjagd verwenden
oder sich frohlich Herumtummeln. In unbewohnten Wild-
nissen Hangen diese ihre Nester an solchen Felseitwattben
auf, wo ein uberhangenber Rand gegen Regen Schutz ge-
wahrt, in bevolkerten Hingegen geben sie Hauswanden
den Vorzug, ohne deswegen die Gestalt des Banes zu ver-
andern. In ihren Sitten scheint diese Schwalbe mehr
unserer Hausschwalbe als der Rauchschwalbe verwandt zu
sein; sie fliegt schnell, ist den ganzen Tag in Bewegung
und fangt Jnsecten mit bewundernswerther Sicherheit im
raschesten Fluge. Ihre Stimme ist eigenthumlich genug,
aber nicht angenehm nnd wird mit dem Tone verglichen,
welchen ein nasser Kork hervorbringt, wenn man ihn
langsam in einem Flaschenhalse umdreht. Die obere
Korperseit ist glanzend schwarz mit violettem Schiller,
der Bauch schmutzig weih, die Brnst rothlich - aschgrau,
der Unterrucken nicht weih wie an unserer Hausschwalbe,
sondern blos rostfarben, ebenso der Vorderkops; ein
schmaler, schwarzer Streis laust durch das Auge bis auf
den Schnabel. Der Schwanz ist sehr wenig eingeschnitten.
Die Lange betragt 6 Zoll.
6. Die Purpurschwalbe. (Hirundo purpurea.) Fig. 1322.
Die Purpurschwalbe bewohnt ganz Nordamerika. In
den Sndprovinzen der Vereinigten Staaten erscheint sie
gegen Ende Februar oder Anfangs Marz, in Pennsylva-
nien um ben 1. April, um Hubsousbai im Mai unb zieht
in entsprechenben Zeitraumen wieber weg, so bah sie bie
norblichsten Gegenben schon im August, bie sublichsten
erst zu Anfang Octobers verlaht. Gleich ber beutschen
Hausschwalbe schlieht sie sich bent Menschen an, wirb
aller Orten gern gesehen unb empfangt uberall Schutz
gegen muthwillige Verfolgungen. Man erlaubt ihr, von
ben Kasten Besitz zu nehnien, bie man eigentlich fur einen
kleinen Sanger (Sylvia sialis Fig. 1414,) hestimmt unb
eben so aufstellt wie in Deutschlanb bie Meisenkasten; man
ftort fte nicht, wenn sie in Taubenhausern sich ansiebelt,
obgleich sie ein gattzes Fach bes Gerustes sur sich in Be«
schlag nimmt unb keiner Taube gestattet, sich ebettba Hin-
zusetzett. Manche Lanbleute lieben sie so sehr, bah sie
aus Bretern eigentliche Hauser mit eliter Menge von Ab-
theilungen fur sie errichten. Selbst bie ungeselligen Jnbier
theilen biese Zuneigung. Ehoctaw unb Chickasaws be-
rauben einen in ber Nahe ihrer Hutten stehenben jungen
Battnt seiner oberett Zweige bis auf einen, an dessett Ga-
belenbe sie einen gehorig ausgehohlten unb mit Oeffnung